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Zurück zur Seite über die Jüdische Geschichte/Synagoge
in Erfurt
Erfurt (Landeshauptstadt
von Thüringen)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Erfurt wurden in jüdischen Periodika
gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt. Neueste Einstellung am
1.1.2017.
Übersicht:
Allgemeine Beiträge zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde bis 1840 (Bericht von 1840)
Anmerkung: die Angaben sind nach den historischen Forschungen der
letzten Jahrzehnte überholt; vor allem gab es 1349 keine 6000 Seelen umfassende
jüdische Gemeinde in der Stadt. Man geht nach neueren Forschungen von etwa 3000
Toten bei der Verfolgung in der Pestzeit in Erfurt aus.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 1. August 1840: "Erfurt, 19. Juli (1840). Indem durch die
jüngste Einweihung der hiesigen Gemeinde wohl einige Aufmerksamkeit
zugelenkt worden, gestatte ich mir einige Bemerkungen über dieselbe.
Bekanntlich fand im Jahre 1349 eine heftige Judenverfolgung hier statt,
wodurch eine, mehr als 6000 Seelen fassende Gemeinde mit Stumpf und Stiel
ausgerottet wurde. Überreste aus dieser Vorzeit sind noch häufig
ausgegrabene Grabsteine, von denen einer der ältesten aus dem Jahre 1137
für drei Brüder, die in demselben Jahre nach und nach am Neumondstage
dreier aufeinanderfolgenden Monate verstarben, einer der jüngsten aus dem
Jahr 1310, und in der hiesigen Synodal-Bibliothek bewahrte, den Juden
abgenommene Codices, worunter vier Torarollen, vier hebräische Text und
Targum Vers um Vers durcheinander, mit später hinzugefügter Massora,
Punktation und rabbinischen Randglossen, eine Gemara Mass. Berachot ff.,
die allesamt einer neueren kritischen Durchsicht bedürften.
Vor 26 Jahren (sc. 1814) wohnten hierselbst nur zwei Familien, bis in den
französischen Zeiten sich die meisten, jetzt hier ansässigen Familien
ansiedelten. Gegenwärtig zählt die Gemeinde ungefähr 120 Seelen.
Welches Charakters sie sei, kann man daraus ersehen, dass der Herr
Oberbürgermeister auf Anfrage einer hohen Regierung in Bezug auf das der
Gemeinde zu verleihende Korporationsrecht ihre Unbescholtenheit in
jeglicher Beziehung, ihre Sitt- und Rechtlichkeit in einem trefflichen
Berichte zu rühmen nicht anstand. einer der vorzüglichsten Mitglieder
der Gemeinde ist der als Mathematiker und Schulmann rühmlichst bekannte Dr.
S. Unger, der an der Spitze einer, auf Anregung höhererseits
begründeten Realschule steht, die nur von wenigen Knaben mosaischen, wohl
aber von ca. 160 christlichen Glaubens besucht wird, und an der zwei
christliche Religionslehrer den Kindern ihrer Konfession den
Religionsunterricht erteilen. Die Schule ist sehr regelmäßig
organisiert, und genießt eines vorzüglichen Rufes. Herr Dr. Unger ist
auch Stadtverordneter. - Die Gemeinde steht im Begriff, sich einen
tüchtigen Religionslehrer zu erwerben, und dann einen geordneten
Gottesdienst zu instituieren." |
Jüdische
Geschichte in Erfurt und Thüringen nach den Verfolgungen in der Pestzeit
(Beitrag von Rabbiner Dr. Siegbert Neufeld, 1920)
Anmerkung: der Beitrag gibt den Forschungsstand von 1920 wieder; bitte
gegebenenfalls mit neueren Beiträgen vergleichen. Zur Auflösung der
Anmerkungen bitte Textabbildungen anklicken. Es wurden nur die Erfurt
betreffenden Abschnitte abgeschrieben.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 23. Januar 1920: "Die Einwirkung des 'Schwarzen
Todes' auf die sächsisch-thüringischen Juden. Von Rabbiner Dr.
Siegbert Neufeld in Briesen (Westpreußen).
... Nach den Verfolgungen haben sich die Juden an einigen Orten bald
wieder angesiedelt. 1354 erhalten zwei Familien Wohnrecht und Schutz in
Erfurt (Anm. 49). Schon drei Jahre später kommen mindestens vier andere
Familien nach Erfurt und mieten vom Rate die bis dahin wüstliegende
Judenschule. Sie ziehen wieder in die ehemaligen Judenhäuser ein und
begeben sich in den Schutz des Rates. Doch müssen sie dem Rate zur
Reparatur der Synagoge und der Judenhäuser viel Geld geben (Anm. 50). Bis
dahin war die Synagoge und auch der Friedhof im Besitz von Nichtjuden
gewesen (Anm. 51). Nach anderer Ansicht wird nicht die alte Synagoge
repariert, sondern eine neue gebaut (Anm. 52), doch ist dies
unwahrscheinlich. Ebenso unwahrscheinlich |
ist
die Mitteilung von Jaraczewsky (Anm. 53), dass die Juden in ein ganz nahe
gelegenes Dorf geflüchtet und sehr bald wieder in die Stadt
zurückgekehrt seien. Er vermutet schon 1350 ca. 500 Seelen in Erfurt.
Urkundlich nachweisbar sind jedoch vor 1354 keine Juden. Zur Zeit der
Wiederbenutzung der Synagoge finden wir bereits wieder geregelte
Rechtsverhältnisse. Erzbischof Gerlach von Mainz befreit die Stadt Erfurt
zum Ausgleich einer Schuld für vier Jahre von dem Zins, den ihm die Stadt
jährlich von den Juden zu bezahlen pflegt (Anm. 54). Danach hat also die
Stadt jährlich eine bestimmte Summe von den Juden an den Erzbischof
abzuführen. Die in Erfurt angesiedelten Juden bilden bald eine
ansehnliche Gemeinde. 1370 wird der Ankauf des Hofes 'Zur Himmelspforte'
durch eine jüdische Familie erwähnt (Anm. 55), dieses Haus wird
irrtümlicherweise als eine Synagoge bezeichnet (Anm. 56). Schon 1365,
also kaum 10 Jahre nach der Wiederansiedlung, werden als Steuerzahler im
Erfurter Judenbuch einige 80 Juden aufgeführt (Anm. 57). Aus dieser und
anderen Angaben des Erfurter Judenbuches lässt sich die Größe der
Erfurter Gemeinde erkennen, welche selbst die Gemeinden Frankfurt und
Nürnberg übertrifft. Viel wird von den Steuern der Juden gesprochen. Der
Erzbischof von Mainz überlässt sie 1372 den Bürgern von Erfurt auf
fünf Jahre gegen eine jährliche Zahlung von 100 Mark (Anm. 58).
Anscheinend unabhängig hiervon gibt die Stadt im selben Jahre dem
Erzbischof 450 Mark und teilt mit 250 Mark die noch rückständigen
Judengelder (Anm. 59). In den nächsten Jahren müssen die Juden für
Kriegsbauten der Stadt erhebliche Summen aufbringen (Anm., 60). Auch die
im Erfurter Landgebiet wohnenden Juden werden zur Steuerzahlung
verpflichtet (Anm. 61). Es handelt sich hier vermutlich um die in
Kapellendorf und Mühlberg (Anm. 62) wohnenden Juden.
Die Bedeutung der Judensteuer geht auch aus der mehrmals erwähnten
Bemerkung hervor, dass bei höherer Besteuerung der Bürgerschaft auch die
Judensteuern entsprechend erhöht werden sollen (Anm. 63). Die Erfurter
Juden leben größtenteils vom Geldhandel, auch wenn wir die Urkunden des
Arnstädter und Erfurter Judenbuches betrachten (Anm. 64), in denen von
den Schulden an die Juden die Rede ist, so kommen wir zu dem Ergebnis,
dass ein großer Teil der Erfurter Juden zu den Schuldnern der Grafen
Heinrich und Günther von Schwarzburg gehört. Dagegen ist die Behauptung
eines Schriftstellers nicht erwiesen, dass die Juden Erfurts ganz
Thüringen mit einem Netz von Schuldverschreibungen übersponnen hätten
(Anm. 65). Leicht hat man es den Erfurter Juden nicht gemacht. Schon 1366
gebietet ihnen der Rat, nicht ohne Stiefel und Hüte zu gehen (Anm. 66).
Besonders vornehme Kleidung sollte ihnen also nicht gestattet sein. Sieben
Jahre später (Anm. 67) wird eine verschärfte Kleidervorschrift erlassen.
Die Juden sollen lange Röcke, Stiefel und sogenannte Judenhüte tragen;
aller Schmuck hat wegzufallen. Die Frauen dürfen nur billiges Geschmeide,
das höchstens eine halbe Mark schwer ist, tragen. Es soll also jeder
Luxus verhindert werden und die Juden sollen durch ihre Tracht schon von
weitem erkenntlich sein.
1375 kaufen die Erfurter Juden zur Erweiterung ihres Friedhofes ein an
ihren Friedhof grenzendes Stück Land vom Rate (Anm. 68). Auch in anderen
Teilen unseres Gebietes siedeln sich wieder Juden an. Markgraf Friedrich
III. von Meißen ermächtigt 1361 (Anm. 69) den Erfurter Juden Freudel zur
Herbeiführung von Juden in die Wettinischen Lande und verspricht ihm und
den Zuziehenden seinen Schutz. Sie sollen nach Erfurter Judenrecht
gerichtet werden, und wenn sie wegziehen wollen, freies Geleit
erhalten..." |
...
Die Verfolgungen von 1349 haben anscheinend eine ganze Anzahl Juden in
andere Gegenden geführt. Es ist wohl kein Zufall, dass gerade in dieser
Zeit in Frankfurt eine ganze Reihe Juden genannt wird, die an ihrem
Beinamen erkennen lassen, dass sie aus unserer Gegend, nämlich aus Erfurt
(Anm. 92), Heiligenstadt (Anm. 93), Mühlhausen (Anm. 94), Nordhausen
(Anm. 95) und Römhild (Anm. 96) stammen." |
Beschreibung der Gemeinde (1887)
Anmerkung: die kritische Beschreibung der religiösen Verhältnisse in Erfurt
sind für die konservativ-orthodox geprägte Zeitschrift "Der
Israelit" verfasst. Sie zeigen die liberale Prägung der Erfurter Gemeinde
mit ihrer Synagoge mit Orgel und gemischtem Chor, was beides von orthodox
Gesinnten streng abgelehnt wurde. Dazu kommt der schlechte Gottesdienstbesuch
und ein Beginn des Gottesdienstes mit sieben Männern (die Tradition fordert 10
religionsmündige Männer, d.h. über 13-jährige, damit ein Minjan vorhanden
ist)
Artikel in der "Zeitschrift "Der Israelit"
vom 17. Oktober 1887: "Berlin, 7. Oktober (1887). Auf einer
Erholungsreise in mehreren Ländern und Lädchen Deutschlands befindlich
gewesen, hatte ich es mir leider nicht speziell vorgenommen, Notizen über
die Juden der einzelnen Orte zu sammeln, die ich besucht. Es haben sich
mir jedoch einige von selbst geboten und da es mir als Leser des
'Israelit' bekannt ist, dass es sein Bestreben ist, in seinem
Nachrichtendienst die Judenheit der ganzen Welt bis in die weitesten
Gegenden zu umspannen, so will auch ich das Wenige mitteilen, was mir
aufgesto0pen. In Erfurt fand ich eine sehr schöne, große Synagoge,
am Karthäuser-Ufer gelegen, wo nicht weit das feine Villenviertel
beginnt. Trotz der 90 israelitischen Familien aber, die in Erfurt leben
sollen, begann an dem Freitag Abend, in welchem ich die Synagoge zuerst
betrat, der Gottesdienst mit nur 7 Personen, in welchen schon Prediger und
Kantor begriffen sind. Erst dicht am Ende zählte ich zusammen 17 Beter,
darunter Knaben über 13 Jahre. Die Synagoge hat eine Orgel - die
Redaktion wird mir die Übertretung wohl nachsehen: ich hielt eine
Orgelsynagoge für noch besser als gar keine - und der Chor besteht
aus Herren und Damen, ob auch Christen darunter weiß ich nicht. Eine
jüdische Restauration ist nicht vorhanden, doch ist der Synagogendiener
auf Speisegäste eingerichtet. Als Kuriosum berichte ich die mir gemacht
Mitteilung, dass einem gleichzeitig mit mir in Erfurt gewesenen, wohl in
Posen geborenen Glaubensgenossen, der von Berlin kam, um sich in Erfurt sesshaft
zu machen, von der betreffenden Behörde der 'Gewerbeschein' versagt
wurde, angeblich weil 'schon genug' (Juden nämlich) in Erfurt wären. Der
betreffende Dezernent soll selber ein getaufter Jude sein. Relatum
refero (sc. 'ich berichte Berichtetes'), eine Garantie für
diese Mitteilung will ich nicht übernehmen."
|
Aus der Geschichte des Rabbinates
Übersicht
über die Rabbiner in Erfurt im 19./20. Jahrhunderts
- 1859 bis 1861: Rabbiner Dr. Isaak Heilbronn (geb. 1828 in Fulda,
gest. 1909 in Nürnberg): studierte in Würzburg, später in Berlin und
Frankfurt am Main; war seit 1854 Prediger und Religionslehrer in Stavenhagen
(Mecklenburg-Schwerin); seit 1860 Rabbiner in Erfurt, seit November 1861
Bezirksrabbiner in Weikersheim; trat
Anfang 1903 in den Ruhestand.
- 1862 bis 1878 Rabbiner Dr. Adolf
Jaraczewsky (geb. 1829 in Borek, Provinz Posen, gest. 1911 in Mühringen):
studierte in Breslau; war zunächst als Lehrer in Dolsk, Provinz Posen tätig,
1854 Oberlehrer in Stettin, 1858 Prediger in Küstrin an der Oder (Pommern);
1861 Promotion in Rostock; seit 1. April 1862 Rabbiner in Erfurt; seit 1879
Seelsorger und Religionslehrer, ab 1880 auch Bezirksrabbiner in Schüttenhofen (Sušice)
in Böhmen; seit Oktober 1881 Rabbiner in Klattau (Klatovy); 1884 Bezirkrabbiner
in Mühringen.
- 1879 bis 1882 Rabbiner Dr. Jecheskel Caro (geb. 1844 in Pinne (Pniewy),
Provinz Posen, gest. 1915 in Wien): studierte seit 1861 in Breslau, 1865/67 in
Heidelberg; war zunächst Prediger am deutschen Tempel in Łódź,
anschließend in Gniew (Mewe, Westpreußen) und als Religionslehrer am Gymnasium
in Marienburg (Malbork); seit 1870 Rabbiner in Dirschau (Tczew, Westpreußen);
seit 30. Juli 1879 Rabbiner in Erfurt, seit Oktober 1882 Rabbiner in Pilsen,
1890 Rabbiner, später Oberrabbiner in Lemberg; während des Ersten Weltkrieges
in Wien, wo er verstorben ist.
- 1883 bis 1885: Rabbiner Dr. Theodor Kroner (geb. 1845 in Wohlau (Wołów,
Niederschlesien), gest. 1923 in Stuttgart): studierte seit 1864 in Breslau; war
seit 1869 Direktor der Lehrerbildungsanstalt in Münster, zugleich
Gemeinderabbiner ebd.; 1872 Landesrabbiner für Sachsen-Weimar in
Stadtlengsfeld, seit März 1883 Rabbiner in Erfurt; seit Oktober 1885
Rabbinatsassessor und Direktor/Seminarrabbiner des Lehrerseminars in Hannover;
seit 1893 erster Rabbiner in Stuttgart; trat 1921 in den
Ruhestand.
- 1887 bis 1924 Rabbiner Dr. Moritz Salzberger (geb. 1844 in
Alsókubin (Dolbý Kubín), gest. 1929 in Erfurt): studierte seit 1867 in Wien,
dann in Breslau; war seit 1873 Rabbiner in Alsóbukin, 1876 bis 1886 Rabbiner
und Lehrer in Kulm (Chełmno) an der Weichsel; von 1886 bis 1923 Rabbiner in
Erfurt.
- 1924 bis 1936 Rabbiner Dr. Max Schüftan (geb. 1887 in
Königstein bei Namslau, Niederschlesien, gest. 1936 in Erfurt): studierte in
Breslau und Erlangen; 1917 bis 1918 zweiter Rabbiner in Dusseldorf, 1918 bis
1924 Rabbiner in Görlitz, 1923 bis 1936 Rabbiner in Erfurt.
- 1936 (?): Rabbiner Dr. Julius Augapfel (geb. 1892 in Jarosław,
umgekommen 1944 im KZ Auschwitz): studierte seit 1910 in Wien; seit 1914
Rabbiner in Salzburg, Feldrabbiner im Ersten Weltkrieg; 1918 bis 1925
Bibliothekar an der Universität Wien; 1926 Rabbiner in Insterburg (Tschernjachowsk);
1936 Bewerbung und Probepredigt in Erfurt (unklar, ob er Stelle zeitweise
angetreten hat; er lebte 1937 in Insterburg); März 1939 nach Holland emigriert;
1940 Deportation, Seelsorger im KZ Westerbork; Anfang September 1944 in das
Ghetto Theresienstadt, wenig später nach Auschwitz.
- September 1937 bis November 1938: Rabbiner Dr. Peter Freund (geb.
1906 in Berlin, gest. 1982 in Jerusalem): studierte 1925 bis 1934 in Berlin; war
Prediger und Religionslehrer in Berlin, danach Rabbiner in Trautenau (Trutnov,
Böhmen); seit 1. September 1937 liberaler Rabbiner und Religionslehrer in Erfurt; im November 1938 in das KZ Buchenwald verschleppt, später nach
Palästina emigriert; war als Verleger und Buchhändler in Jerusalem
tätig.
Rabbiner
Dr. Isaak Heilbronn wechselt von Stavenhagen nach Erfurt und empfiehlt seine
bisherige Stelle als Prediger und Religionslehrer (1859)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. September
1859: "Durch meine Berufung nach Erfurt ist die hiesige
Prediger- und Religionslehrerstelle, mit der auch das Vorbeter- und
Schächteramt verbunden ist, vakant geworden und soll bis spätestens
Neujahr 1860 wieder besetzt werden. Schon seit 5 1/2 Jahren hier im Amte
stehend, kann ich etwaigen Bewerbern mit gutem Gewissen mitteilen, dass
dieselbe ebenso schätzenswert in Bezug darauf ist, weil sie bei der
Friedensliebe und Gesinnungstüchtigkeit hiesiger Gemeinde ihrem Inhaber
eine vorzügliche Gelegenheit zu einem segensreichen Wirken gewährt, als
sie demselben auch genügende Zeit und Muße zum Selbststudium vergönnt.
Außer freier Wohnung, Heizung und Bedienung beläuft das Einkommen auf
circa 350 Thaler Pr. Cour. Unverheiratete Bewerber wollen ihre Gesuche
nebst Befähigungs-Attesten senden: An den Vorstand der israelitischen
Gemeinde zu Stavenhagen in Mecklenburg-Schwerin.
Dr. J. Heilbronn, Prediger und Religionslehrer
hierselbst." |
Ausschreibung
der Stelle des Rabbiners, Predigers und Religionslehrers (1885)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 3. November 1885: "Bekanntmachung.
In unserer Gemeinde ist die Stelle des Rabbiners, Predigers und
Religionslehrers vakant, welche schleunigst wieder besetzt werden
soll. Das anfängliche Jahrgehalt beträgt 2400 Mark excl. Nebenemolumente.
Bewerber, welche die erforderlichen Universitätsstudien gemacht und ihre
Befähigung als Rabbiner und Religionslehrer ausreichend nachzuweisen
vermögen, wollen ihre Bewerbungs-Gesuche unter Beifügung ihrer
wissenschaftlichen Zeugnisse und eines curriculum vitae baldigst bei uns
einreichen.
Erfurt, im Oktober 1885.
Der Vorstand der Synagogen-Gemeinde Dr. Wahl." |
Dr. Siegmund Feßler wird zum Bezirksrabbiner gewählt (1886)
Anmerkung: Dr. Siegmund Fessler (geb. 1847 in Möor = Mór, Ungarn, gest.
1909 in Halle): studierte 1876-82 in Breslau, wurde 1879 in Halle promoviert;
1883-86 Rabbinatsassessor in Mannheim. 1886 wurde er in Erfurt gewählt, die
Wahl jedoch wegen der Vorgänge um seinen Mitbewerber Rabbiner Israel
Goldschmidt - wovon im nachstehenden Artikel berichtet wird - Ende April 1886 annulliert. 1886 wurde er Rabbiner in Landsberg an der Warthe, von 1889 bis zu
seinem Tod 1909 Rabbiner in Halle a.d. Saale.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. April 1886: "Erfurt,
1. April (1886). Herr Dr. Feßler aus Mannheim ist als Nachfolger
des Herrn Dr. Kroner zu unserm Rabbiner gewählt worden. Dieser Herr
verdankte seine Wahl einem Zufalle, und da kam so. Der Weilburger
Bezirksrabbiner Dr. Goldschmidt, der durch seine Stellungnahme zur Orgel
mund durch seine 'witzreiche' Erklärung gegen seinen Lehrer, Herrn
Rabbiner Dr. Hildesheimer - sein Licht leuchte -, welcher ihm die
tauras hauroo (Rabbinerautorisation) entzogen, zu einer gewissen
Berühmtheit gelangt ist, hatte sich nämlich um die Erfurter Stelle
beworben, und die Repräsentanten hatten ihn bereits mit großer
Majorität gewählt. Da - o Schicksals Tücke! - erhob sich plötzlich
einer der Herren Repräsentanten und brachte die oben erwähnte Erklärung
zur Kenntnis der Versammlung. Die Verlesung derselben rief einen Sturm der
Entrüstung hervor, von einer Wahl des genannten Herrn konnte keine Rede
mehr sein, Dr. Goldschmidt wurde mit allen bis auf eine Stimme angelehnt
und Dr. Feßler hatte gesiegt. Jene folgenreiche Erklärung hat den Namen
des Herrn Dr. Goldschmidt von der Kandidatenliste für das Bromberger
Rabbinat im letzten Moment eliminiert, sie hat ihn in Erfurt unmöglich
gemacht, sie wir dein Menetekel für alle Zukunft bilden. Die Behauptung
eines Reformblattes, dass von außen her, irgendwelche Beeinflussung
versucht worden wäre, ist natürlich eitel Flunkerei; der Widerstand
gegen die Wahl des genannten Herrn ist der ureigensten Initiative unseres
Repräsentantenkollegiums entsprungen. Schließlich sei noch die Bemerkung
verstattet dass der Schreiber dieser Zeilen absolut in keiner Beziehung zu
den Vertretungskörperschaften der hiesigen jüdischen Gemeinde steht,
dass er aber im Übrigen für die Wahrheit eines jeden Wortes sich
verbürgt." |
25-jähriges Amtsjubiläum von Rabbiner Dr. Moritz Salzberger (1911)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 20. Oktober 1911: "Erfurt, 13. Oktober (1911). Am 5.
dieses Monats feierte Herr Dr. Salzberger sein 25-jähriges
Amtsjubiläum als Rabbiner der Erfurter Synagogengemeinde. Dem
verdienstvollen Jubilar, der sich der größten Hochschätzung und
allgemeiner Beliebtheit erfreut, wurden von allen Seiten Ehrungen
bereitet. Eine Deputation, bestehend aus Mitgliedern des Vorstandes und
der Repräsentantenversammlung überbrachte eine kunstvoll ausgestattete
Adresse, in welcher die Verdienste des Herrn Jubilars in höchst
anerkennender Weise gewürdigt wurden, und überreichte im Namen der
Gemeinde ein kostbares Silbergeschenk. Auch die Loge und die wohltätigen
Vereine hatte Deputationen zur Beglückwünschung entsandt. Eine besondere
Freude wurde dem Herrn Jubilar dadurch bereitet, dass die Mitglieder der
Gemeinde eine Sammlung veranstaltet hatten, welche eine namhafte Summe
ergab, die dem Herrn Jubilar zur freien Verfügung bergeben wurde. Am
Abend fand ein Festessen statt, an welchem der Vorstand und die
Repräsentanten vollzählig teilnahmen" |
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer, Kantoren und Gemeindediener
Ausschreibungen der Stelle des (1. und 2.) Lehrers und Vorbeters (1858
/ 1859 / 1862 / 1869)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 1. Februar 1858: "Die Synagogen-Gemeinde zu Erfurt sucht
einen unverheirateten zweiten Lehrer, der genügende musikalische
Kenntnisse zur Bildung eines Chors und die nötigen
Elementarlehrer-Qualifikations-Zeugnisse besitzen muss. Reflektanten
wollen ihre Bedingungen an den Vorstand einsehen." |
|
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 5. September 1859: "Bei der Synagogen-Gemeinde zu Erfurt
wird mit dem 1. Januar 1860 die Stelle eines Vorbeters und Schächters
vakant. Verheiratete Reflektanten wollen sich unter Einsendung ihrer
Qualifikations- und Führungs-Zeugnisse baldmöglichst an den Vorstand
wenden.
Das Einkommen beträgt ohne Nebenemolumente 200 Thaler per
annum." |
|
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 4. Februar 1862: "Bei der Synagogen-Gemeinde zu Erfurt
soll mit dem 1. April dieses Jahres die Stelle eines geprüften
Religionslehrers und Predigers besetzt werden. Qualifizierte Bewerber mit
pädagogischen Kenntnissen werden ersucht, sich unter Einsendung ihrer
Zeugnisse an den vorsitzenden des Vorstandes, Herrn Wilhelm Moos in
Erfurt zu wenden, wobei bemerkt wird, dass das Einkommen 400 bis 450
Thaler jährlich beträgt. - Bei persönlicher Vorstellung werden
Reisekosten nciht vergütet." |
|
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. Februar 1869: "An der Religionsschule der
hiesigen Synagogen-Gemeinde, an welcher bisher der Prediger allein
unterrichtet hat, soll zum 1. April dieses Jahres noch ein zweiter Lehrer
mit 300 Taler Gehalt angestellt werden.
Bewerber, welche außer ihrer Qualifikation als Elementarlehrer genügende
musikalische Kenntnisse besitzen, um einen Kirchengesangs-Chor
einzurichten und zu leiten, auch befähigt sind, den Vorbeter und
Schächter vollständig zu vertreten, wollen ihre Meldungen mit Zeugnissen
an den unterzeichneten Vorstand einreichen.
Bei gleicher Qualifikation würde ein Nichtverheirateter den Vorzug
erhalten.
Erfurt, den 22. Januar 1869. Der Vorstand der Synagogen-Gemeinde zu
Erfurt.
M. Moose. H. Basch. Isaac Lamm." |
|
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 23. Februar 1869:
derselbe Text wie oben. |
Ausschreibung der Stelle des Gemeindedieners und
Hilfsschächters (1880)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 5. Oktober 1880: "Die hiesige Gemeinde beabsichtigt,
einen, möglichst unverheirateten, nciht über 30 Jahre alten
Gemeindediener, welcher auch als Hilfsschächter zu fungieren hat, mit
einem vorläufigen Gehalt von 600 Mark nebst freier Wohnung und
Nebenemolumenten anzustellen.
Bewerber wollen sich unter Vorlegung beglaubigter Zeugnisse, möglichst
bald an den Unterzeichneten wenden.
Erfurt, den 19. September 1880.
Der Vorstand der Synagogen-Gemeinde." |
Ein Prediger ("geistlicher Redner") für die
Synagoge konnte noch nicht gefunden werden (1846)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 30. November 1846: "Aus Thüringen, im November
(1846). Falls es Ihnen erwünscht sein sollte, werde ich Ihnen von Zeit zu
Zeit einige übersichtliche Berichte aus hiesiger Gegen zukommen lassen
und mache damit heute den Anfang. Werfen wir zunächst unseren Blick auf
die Hauptstadt Thüringens, Erfurt, den Sitz einer Regierung, wo
der berühmte und verdienstvolle Dr. Unger lebt und wirkt, so müssen wir
es umso schmerzlicher beklagen, dass gerade dort das Gotteshaus, das Sie
einst mit begeisterten und begeisternden Worten geweiht haben, noch immer
verwaist dasteht und des geistlichen r3edners gänzlich entbehrt, was
selbst nicht ohne nachteilige Einwirkung auf die Ansicht der hohen
Behörden bleiben kann. Die dasige Gemeinde könnte diesem Mangel bei
ihren Mitteln doch leicht abhelfen, - einige Opfer dürfen natürlich
nciht gescheit werden, - sich wenigstens vorläufig an eine benachbarte
Gemeinde anschließen, wo dies Bedürfnis längst befriedigt, wie dies ja
auch bei den Deutsch-Katholiken häufig der Fall ist. Es wäre indes
höchst erwünscht, wenn dort künftig ein Rabbinat begründet und auch
die Jugend einen gediegenen Religionsunterricht empfangen
würde." |
Ein Prediger und Religionslehrer konnte angestellt werden (1853)
Anmerkung: angestellt wurde Kantor Glück; dieser ist 1873 nach 20-jähriger
Amtstätigkeit ausgeschieden (siehe Bericht von 1873)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 5. September 1853: "Erfurt, 20. August (1853). Der
hiesigen israelitischen Gemeinde ist es endlich nach vielen
Schwierigkeiten gelungen, einen Prediger und geprüften Religionslehrer
anzustellen, der auch bereits am vergangenen Sonnabend vor zahlreich
versammelter Gemeinde seine erste Predigt gehalten hat. (Fr.J.)." |
Anzeige der Pergament- und Trommelfabrik von B.
Sondermann (1867) - unter Aufsicht von Kantor Glück
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Juni
1867: "In meiner Pergament- und Trommelfabrik halte ich stets Vorrat
von allen Sorten Pergament zum Schreiben der Thorarollen, Tefilin und
Mesusoth, sowohl von Kalb- als Schaffellen.
Durch umfangreichen Geschäftsbetrieb bin ich im Stande, die Preise
möglichst billig zu stellen. Auch können Stückchen zu Mesusoth in
verlangter Größe gleich geschnitten abgelassen werden.
Die Zubereitung der Felle geschieht nach ritualmäßiger Vorschrift, unter
Aufsicht des Herrn Kantor Glück zu Erfurt, und wird jede Sendung
mit einem Begleitschreiben dieses Herrn versehen. Linderbach bei Erfurt im
Mai 1867. Die Pergament- und Trommelfabrik von B. Sondermann." . |
Anzeige
von Kantor J. Glück (1873)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Februar 1873:
"Für eine hiesige höchst noble Familie wird zum 1. April oder 1.
Mai dieses Jahres eine jüdische Köchin gegen hohen Lohn und gute Behandlung
gesucht. Dieselbe hätte vorzugsweise die Besorgung der Küche und nur
ausnahmsweise etwaige leichter Verrichtungen in der Wirtschaft zu
übernehmen. Frankier Anmeldung nimmt entgegen.
Erfurt, im Februar 1873. J. Glück,
Kantor." |
Kantor
Glück scheidet nach 20-jährigem Dienst aus dem Amt - sein Nachfolger ist
Kantor Rothschild (1873)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. Mai 1873:
"Erfurt, 24. April (1873). Als ein mustergültiges Beispiel
lassen Sie mich Folgendes berichten. Der bisherige Kantor unserer
Gemeinde, Herr Glück, schied, nach zwanzigjähriger segensreicher
Wirksamkeit, aus seinem Amte. Die Liebe und Anerkennung, welche Herr
Glück sich während einer Amtswirksamkeit erwarb, gab sich denn auch in
dem hochherzigen Entschlusse der Gemeindevertreter kund, dem Jubilare eine
lebenslängliche jährliche Pension von 300 Thalern zu bewilligen,
obgleich weder das Gemeindestatut, noch sonst eine Klausel sie dazu
verpflichteten. Herr Glück hat sich um Synagoge und Schule sehr
wesentliche Verdienste erworben. Am letzten Pessachtage wurde der
Amtsaustritt, sowie der Eintritt seines Nachfolgers, Herr Rothschild,
bei dem Gottesdienste feierlich begangen, wobei die Rede des
Gemeindevorstehers, Herrn Moos, und des Gemeindepredigers, Herrn. Dr.
Jaraszewski, einen trefflichen Eindruck
machte". |
Über
die "Handelsfachschule" von Dr. Moritz C. Wahl in den 1870er- und
1880er-Jahren
Anzeige
der "Handelsfachschule" von Dr. M. C. Wahl (1869 / 1872)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18.
August 1869: "Handels-Fach-Schule verbunden mit
Vorbereitungs-Klasse, Lehrlings-Institut und Pensionat von Dr. M. C. Wahl
in Erfurt (Rossmarkt 2245).
!. Lehrgegenstände: 1. Handelskorrespondenz in deutscher,
englischer, französischer und italienischer Sprache. - 2. Buchhaltung
für das gesamte Handelsfach in den genannten Sprachen. - 3. Kalligraphie.
- 4. Kaufmännische Arithmetik. - 5. Handelsgeschichte. - 6.
Handelsgeographie und Statistik. - 7. Handels- und
Comptoirkunde. - 8. Literatur und Stylistik obiger vier
Handelssprachen. - 9. Volkswirtschaftslehre. - 10. Bank- und
Finanzwissenschaft. - 11. Technologie und Warenkunde. - 12.
Anleitung zur Geschäftspraxis und Handelsbetriebslehre.
B. Einrichtung: Einjähriger Kursus für die Vorbereitungsklasse. -
Zweijähriger Kursus in vier Abteilungen für die Handels-Fach-Schule. -
Zum Eintritt ist das 14. Lebensjahr des Zöglings- und Schul- und
Sittenzeugnis erforderlich.
C. Erziehung. - Vorzügliches Pensionat nach strengjüdischem
Ritus. - Körperliche und geistige Pflege der Zöglinge bei liebevoller
Behandlung und strenger Aufsicht. - Würdigste Feier der Sabbate und Festtage.
D. Ziel der Anstalt: 1. Praktische Erlernung der deutschen,
französischen, englischen und italienischen Sprache, namentlich für
Konversation und Korrespondenz. - 2. Tüchtige kaufmännische Fachbildung.
- 3. Vorbereitung für das einjährige Freiwilligen-Examen. - 4. Abgang
des Zöglings als Commis, Volontair oder Buchhalter für jede
kaufmännische Branche.
Wegen Aufnahme-Bedingungen und Honorar ist der Dirigent zu brieflichen
Mitteilungen bereit. - Ausführlicher Prospekt und beste Referenzen auf
Verlangen.
Der Winterkursus beginnt am 4. Oktober und ist die recht baldige Anmeldung
der Zöglinge erwünscht." |
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Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 20. März 1872: "Handels-Fach-Schule
verbunden mit Pensionat & Erziehungs-Institut von Dr. M. C. Wahl in
Erfurt.
Ziel der Anstalt: 1) Praktische Erlernung der deutschen, französischen,
englischen und italienischen Sprache, namentlich für Konversation und
Korrespondenz. 2) Tüchtige kaufmännische Fachbildung. 3) Vorbereitung
für das einjährige Freiwilligen-Examen. 4) Abgang des Zöglings als
Commis, Voluntair oder Buchhalter für jede kaufmännische
Branche.
Schuler, die Gymnasium oder Realschule besuchen, finden in der Anstalt
gleichfalls Pension und Nachhilfe.
Das Sommer-Semester beginnt am 8. April. Ausführlicher
Prospekt auf Verlangen." |
Über
die "Handelsfachschule" vom Dr. M. Wahl (1873)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4.
November 1873: "Erfurt, im Oktober (1872). Die Allgemeine
Zeitung des Judentums hat seit ihrem Bestehen stets mit sichtlichem Erfolg
auf Beseitigung von Vorurteilen gegen Juden und Judentum hingewirkt, und
bereitwillgst jedes Faktum registriert, das einen Fortschritt nach dieser
Seite zu bekunden geeignet war, dass ich mit Recht annehmen darf, sie
werde ihren zahlreichen Lesern auch folgende Mitteilung nicht vorenthalten
willen, welche, wenn auch das Judentum nicht direkt betreffend, immerhin
prinzipiell einen Fortschritt bekundet, indem sie den Beweis liefert, dass
Verdienst und hervorragende Leistungen nunmehr auch in solchen Kreisen
Anerkennung und gerechte Würdigung finden, wo man sonst auch die besten
Bestrebungen in vo0rnehmer Geringschätzung zu übersehen pflegte, wenn
solche von Juden ausgingen.
Die vor etwa acht Jahren von Herrn Dr. M. Wahl hier ins Leben gerufene und
unter seiner speziellen Leitung stehende Lehranstalt für höhere
kaufmännische Wissenschaften unter Bezeichnung 'Handelsfachschule' hatte
bereits nach wenigen Jahren ihres Bestehens unter geschickter und kundiger
Leitung ihres Direktors sich so kräftig entwickelt, und zu einer Höhe
emporgeschwungen, dass ihre erzielten günstigen Resultate der
Aufmerksamkeit der städtischen, wie der staatlichen Behörden nicht mehr
entgehen konnten. In Wirklichkeit wird jeder Fachmann bei näherer
Bekanntschaft sehr bald die Überzeugung gewinnen, dass die treffliche
organisierte Anstalt mit allen Erfordernissen einer höheren Lehranstalt
ebenso, wie mit sehr gediegenen Lehrkräften ausgerüstet ist, und da Herr
Dr. Wahl neben der eigentlichen Tendenz seiner Anstalt auch dem Umstand
besondere Aufmerksamkeit zuwendet, seine Zöglinge für den einjährigen
Militärdienst zu befähigen, und auch hierin in allen vorgekommenen
Fällen die Leistungsfähigkeit der Anstalt glänzend bekundet, so darf es
wohl mit vollem Recht als Zeichen der Anerkennung und Würdigung
hervorgehoben werden, dass besagter Anstalt in jüngster Zeit von Seiten
der kaiserlichen Regierung die Berechtigung zuerkannt worden, dass ihre
Abiturienten mit dem Zeugnis der Reife den einjährigen Militärdienst
ableisten können, ohne sich vorher einer Prüfung unterziehen zu
müssen.
In Erwägung, dass solche Berechtigung bisher nur Gymnasien und
Realschulen 1. Ordnung zusteht, und außerdem selbst öffentliche Schulen,
wie Gewerbeschulen etc. sich vergebens darum bemüht haben, wird man Herrn
Dr. Wahl zu dieser Auszeichnung nur Glück wünschen, und sie als gerechte
Würdigung seines Strebens anerkennen müssen, umso mehr, als nicht
bekannt ist, dass derselbe von irgendwelcher Seite an maßgebender Stelle
protegiert worden.
Selbstverständlich wird diese Anstalt nunmehr der Oberaufsicht des Staats
unterstellt werden, und die Entlassungsprüfungen in Anwesenheit und unter
Mitwirkung eines Regierungskommissars erfolgen müssen, wenn sie auch als
Institut nach wie vor ausschließlich im Besitz ihres Begründers
verbleibt.
Bei dieser Gelegenheit dürfte die Bemerkung nicht ohne Interesse sein,
dass in der mehr erwähnten Anstalt schon seit Jahren jüdische und
christliche Zöglinge in schönster Eintracht vereint und in liebevoller
Verehrung ihrem Direktor zugetan sind, sowie es nicht minder der vollsten
Beachtung wert ist, dass in derselben auch der Pflege des religiösen
Moments möglichst Rechnung getragen wird, und können Eltern, welche ihre
Kinder in derselben Ausbildung lassen, auch in dieser Hinsicht vollkommen
beruhigt sein." |
Prüfungen in der Handelsfachschule von Dr. Moritz Wahl
(1874)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 21. April 1874: "Erfurt, 5. April (1874). In der
Handelsfachschule des Dr. Wahl fand am 25. März unter dem Vorsitze des
Herrn Schul- und Konsistorialrats Bieck die mündliche Prüfung der
Abiturienten statt. Sämtliche Abiturienten erhielten das Zeugnis der
Reife, das sie zum Eintritt in die Armee als Einjährig-Freiwillige
berechtigt. Herr Konsistorialrat Bieck ist derselbe, welcher in Verbindung
mit dem Schulrat Wantrup im preußischen Abgeordnetenhaus so oft gegen die
Juden gesprochen und gestimmt hatte. Jetzt liegen die Dinge anders; die
staatliche Anerkennung ist entschieden und einsichtsvolle Beamte wissen
sich dem zu fügen." |
Anzeige zum Tod des Direktors der Handelsfachschule Dr. Moritz
Wahl (1887)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 10. November 1887: "Nach Gottes Ratschluss verschied
plötzlich am 15. dieses Monats der Direktor der hiesigen höheren
Handelsfachschule
Herr Dr. phil. Moritz Wahl
in seinem 59. Lebensjahre.
Unsere Gemeinde, deren erster Vorsteher der Verewigte 10 Jahre lang
gewesen, verliert in ihm einen ebenso tatkräftigen Förderer ihrer
inneren Entwicklung, wie warmen und würdigen Vertreter ihrer Interessen
nach außen. Trotz seiner anstrengenden Tätigkeit als Direktor seiner
Lehranstalt hat er sich mit seltener Hingebung und Opferfreudigkeit auch
dem Wohle unserer Gemeinde gewidmet. Seine gediegene Sachkenntnis, seine
reiche Erfahrung und sein mildes, versöhnliches Wesen waren für unsere
Beratungen stets vom heilsamsten und fruchtbarsten Einflusse; darum
empfinden besonders wir schmerzlich den Hingang des edlen Mannes. Sein
Name wird unvergessen bleiben, seines gesegneten Wirkens stets mit Dank
gedacht werden in unserer Gemeinde.
Er ruhe in Frieden.
Erfurt, den 10. Oktober 1887.
Der Vorstand und die Repräsentanten der Synagogen-Gemeinde." |
Berichte aus
dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Die
"Konfirmationsfeier in der Synagoge" ist als Publikation erschienen
(1877)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 11. September 1877: "Von der in Nr. 28 dieser Zeitung rühmlichst
besprochenen 'Konfirmationsfeier in der Synagoge' zu Erfurt sind
einige Exemplare gegen Einsendung von 50 Pfennige auch in Briefmarken an
mich oder dem Verfasser, Herrn Dr. Jaraczewsky zu haben. Sendung
franco. Brodmann, Druck und Verlag."
|
Fund mittelalterlicher Grabsteine - Gründung eines Israelitischen Jungfrauenvereines (1880)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums " vom 9.
März 1880: "Bei der Umlegung des Löbertores zu Erfurt ist wiederum
eine als Mauerstein verwandte Mazewa (Grabstein) gefunden. Die gut
erhaltene Inschrift zeigt ebenfalls einen jetzt seltenen Frauennamen JNNA
Jenna. Die Jahreszahl ist 5052 (1292). Die im Keller der Lorenzschule
entdeckte Mazewa lautet auf Minta bat Rabi Jehuda und ist von Jahre
5080 der Weltenära (1320). - Auf meine Veranlassung hat sich hier ein
'Israelitischer Jungfrauenverein' gebildet, der sich zu seiner
Hauptaufgabe die Pflege des Bewusstseins religiöser Zusammengehörigkeit
macht. Vorlesungen und Vorträge, besonders auf dem Gebiete der jüdischen
Geschichte, vereinigen die Mitglieder und helfen den guten Zweck befördern.
Dr. Jecheskel Caro, Rabbiner." |
Nach der Einführung eines
Harmoniums in der Orgel hat sich eine orthodoxe "Israelitische
Religionsgesellschaft" gegründet (1884)
Anmerkung: vergleiche den Bericht oben: "Beschreibung der
Gemeinde (1887)" sowie Berichte
auf der Synagogenseite zur Einrichtung eines orthodoxen Betsaales.
.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. November 1884: "Zürich,
November (1884). Bezugnehmend auf eine Korrespondenz Ihres geschätzten
Blattes in Betreff der projektierten Aufstellung eines Harmoniums in der
hiesigen neuerbauten Synagoge muss ich Ihnen leider heute mitteilen, dass
nicht nur bis heute dasselbe nicht aus der Synagoge entfernt wurde,
sondern der Gottesdienst findet sogar mit Damengesang statt. Unter solchen
Verhältnissen dürfen doch die hiesigen religiösen Mitglieder der
Gemeinde nicht schweigen und sind vor Gott und ihrem Gewissen
verpflichtet, gegen diese gesetzwidrige Neuerung Protest einzulegen, sowie
dieselben laute Entscheid der größten rabbinischen Autoriten, - solange
diese Neuerung in der Synagoge stattfindet, - weder an dem öffentlichen
Gottesdienst teilnehmen, noch überhaupt die Synagoge betreten dürfen.
Aus diesem Grund geht der wiederholte Ruf an die religiös gesinnten
Mitglieder hiesiger Gemeinde! Vereinigt Euch zu gemeinsamem Vorgehen gegen
die ohne Genehmigung der Gemeinde, vom Vorstande allein eingeführte
Neuerung, da Euch vom Religionsgesetz aus nichts anderes übrig bleibt,
als aus der Gemeinde auszutreten oder die Entfernung dieses spezifisch
kirchlichen Instruments aus der Synagoge herbeizuführen. (In Erfurt hat
sich neuerdings in Folge der Einführung eines ähnlichen Instrumentes in
der Synagoge eine Separatgemeinde gebildet, deren gemietetes,
anspruchsloses Lokal während der hohen Feiertage zahlreicheren Besuchs zu
erfreuen hatte, als die neuerbaute, prachtvolle Synagoge. - Red.). |
Festessen
zum Chanukkafest in der israelitischen Religionsgesellschaft (1890)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 15. Dezember 1890: "Erfurt, 10. Dezember (1890). Am
Sonntag Abend hielten die Mitglieder der Israelitischen
Religionsgesellschaft im Restaurant J. Weil's Witwe zu Ehren des
Chanukkafestes ein Festessen. Die animierte Stimmung wuchs, als Herr Goldschmidt,
Kantor der hiesigen orthodoxen Religionsgesellschaft das Wort ergriff. Der
Redner schilderte die Taten der Hasmonäer; er verglich ihr Wirken mit dem
der heutigen Orthodoxie, welche gleichfalls, feststehend auf dem Boden des
echten Judentums, den Kampf gegen den gemeinsamen Feind des ererbten
Glaubens fortführt. Und dass der gerechten Sache endlich der Sieg werden
müsse, das bewiesen die Ereignisse der jüngsten Tage. Denn unser
allgeliebter Landesvater habe gezeigt, dass er kein Freund des Antisemitismus
sei (hebräisch und deutsch:) In seinen und unseren Tagen wird Juda
geholfen werden (nach Jeremia 23,6). Darum gebühre zunächst Gott
unserem kaiserlichen Herrn der Dank ganz Israels. Ein begeistert
aufgenommenes Hoch auf Seiner Majestät schloss die gediegene Ansprache.
Bis spät in die Nacht hinein blieb die fröhliche Gesellschaft
beisammen. J. Rosenthal." |
Jüdische
Personen können nicht Mitglied im "Verein zur Bekämpfung der
Unsittlichkeit" werden (1895)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 25. Januar 1895: "In Erfurt ist jüngst ein Verein zur
Bekämpfung der Unsittlichkeit gegründet worden, der Juden ausschloss. Rabbiner
Dr. Salzberger hat mit anerkennenswertem Freimut in dortigen Blättern
gegen diesen Ausschluss seiner Glaubensgenossen Front gemacht.
Nachdrücklich betont er in einem sehr gediegenen und sachgemäßen
Artikel der 'Thüringer Zeitung' (6. Januar), dass im 'Fundament aller
Moral zwischen Christentum und Judentum die vollkommenste, wir können
beinahe sagen, die wörtlichste Übereinstimmung herrscht'." |
Tagung
des Vereins israelitischer Lehrer Mitteldeutschlands in Erfurt (1895)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 28. Juni 1895: "Erfurt, 20. Juni (1895). Am 2. und 3.
Juni tagte hier der Verein israelitischer Lehrer Mitteldeutschlands.
Am ersten Versammlungstage hielt Herr Rabbiner Dr. Salzberger - Erfurt
einen Vortrag über den 'Jugendgottesdienst', der viele anregende Momente
enthielt und allseitig Beifall fand. Die Vorstandswahl ergab die
Wiederwahl der bisherigen Herren: Vorsitzender Landrabbiner Dr. Salzer - Stadtlengsfeld,
Stellvertreter Steinhardt - Magdeburg und Kassierer Heilbrunn - Gehaus.
Am zweiten Tage hielt Herr Popper - Mühlhausen
eine Lehrprobe über das Gebet, der eine kurze Besprechung folgte; sodann
nahm Herr Steinhardt - Magdeburg das Wort zu seinem Vortrage: Über die
Aufgaben des zu gründenden Deutsch-israelitischen Lehrerbundes. In etwa
einstündiger Rede wies derselbe die ganze Unhaltbarkeit der jetziegn
Zustände innerhalb der jüdischen Lehrerwelt nach und zeigte, wie nur
durch ein gemeinsames Vorgehen aller jüdischen Lehrer Abhilfe geschaffen
werden könnte. Der Redner forderte Errichtung von jüdischen
Elementarschulen obligatorischen jüdischen Religionsunterricht analog den
übrigen Konfessionen, definitive Anstellung der Lehrer,
Pensionsberechtigung und Versorgung der Hinterbliebenen, möglichst
Befreiung von Nebenämtern, besonders vom Schächteramte, eine mehr auf
das praktische Leben gerichtete Vorbildung im Seminar, eine größere
Agitation, besonders in Norddeutschland, für die Achawa (die
Unterstützungskasse für jüdische Lehrer) und besonders die Schaffung
einer Presse, eventuell die Anlehnung an eines der vorhandenen jüdischen
Blätter, das sich verpflichten würde, die Interessen des jüdischen
Lehrerstandes in entschiedener Weise zu vertreten. Die Versammlung stimmte
in fast allen Punkten den Ausführungen des Redners bei und nahm sodann
folgende Resolution an: Der Verein israelitischer Lehrer
Mitteldeutschlands hält wiederholt die Gründung eines allgemeinen
deutsch-israelitischen Lehrerbundes im Interesse einer gedeihlichen
Entwicklung des jüdischen Lehrerstandes in ideeller und materieller
Beziehung für eine unumgängliche Notwendigkeit und erkennt dankbar die
Initiative des D.J.G.-V. in dieser Angelegenheit an. Er erwartet, dass
alle jüdischen Lehrervereine, von dem Grundsatze 'Schließ an ein Ganzes
dich an' geleitet, der gegebenen Anregung Folge leisten werden.
Schließlich wählte die Versammlung Herrn Steinhardt - Magdeburg zum
Vertreter für den demnächst zu berufenden
Delegiertentage." |
Zuzug
galizischer Juden - die Erfurter Handelskammer sieht Probleme (1902)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. August 1902:
"Erfurt, 4. August (1902). (Zuzug galizischer Juden). Der
kürzlich erschienene Jahresbericht der Erfurter Handelskammer enthält
auf Seite 27 unter 12 folgenden Passus: 'Nachdem aus gewerblichen Kreisen
über das Anwachsen des Zuzuges von jüdischen Händlern aus Galizien und
über die Art ihres Geschäftsbetriebes beim Herrn Regierungspräsident
Ergebungen angestellt und festgestellt, dass in der Tat 62 derartige
Personen seit dem Jahre 1899 zugezogen sind, und dass ein großer Teil
dieser Händler nicht nur den Hausierhandel in den angrenzenden
thüringischen Staaten betreibt, sondern in der Stadt Erfurt von Haus zu
Haus zieht und Waren feilbietet. Er hat deshalb die Handelskammer um
gutachtliche Äußerung darüber ersucht, ob auch die in Übereinstimmung
mit dem Beschwerdeführer, der Polizeiverwaltung zu Erfurt und der
Königlichen Regierung selbst in diesem Geschäftsbetriebe eine
beträchtliche Schädigung der einheimischen, in Erfurt ansässigen Geschäftsinhaber
erblicke und eine Ausdehnung der gewerbepoli8zeilichen 'Vorschriften über
den Gewerbebetrieb der Ausländer im Umherziehen' auf den Stadtbezirk
Erfurt befürworte, sodass in Zukunft die Erlaubnis zum Hausierhandel
Ausländern nur noch erteilt werde nach Maßgabe des vorhandenen
Bedürfnisses.'
Die Handelskammer hat diese Fragen bejaht. Die armen jüdischen Hausierer
werden den großen Erfurter Warenhäusern wohl eine fürchterliche
Konkurrenz gemacht haben. Die Herren mussten wahrscheinlich ihren
Aufenthalt in Ostende und Norwegen bedeutend abkürzen.
Schrecklich!" |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
50-jähriges Jubiläum von Professor Dr. Unger (Lehrer am Realgymnasium) und
Ernennung zum Ehrenbürger (1860)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 9. Oktober 1860: "Das fünfzigjährige Jubiläum des Herrn
Professor Dr. Unger in Erfurt. Wir berichten hier über diese schöne
Feier hinsichtlich des dem Jubilar von seinen Schülern gebrachten
Fackelzuges in dem Artikel: Erfurt. Die 'Thüringische Zeitung' No. 223
gibt folgende ausführliche Darstellung: 'Ein Fest, welches sich der
allgemeinsten Teilnahme von Nah und Fern erfreute, wurde gestern in
unseren Mauern gefeiert. Unser durch eine halbhundertjährige segensreiche
Tätigkeit als mathematischer Lehrer und Schriftsteller rühmlichst
bekannter Mitbürger, der Dr. Professor Unger, feierte am 20. September den
fünfzigsten Jahrestag seiner Doktorpromotion. Der Gefeierte wurde im
Jahre 1788 zu Coswig an der Elbe geboren, kam 1807 als Student nach der
damaligen Universität Erfurt, woselbst er am 20. September 1910 mit der
Doktorwürde graduiert und zum Dozenten der Universität ernannte wurde.
In demselben Jahre trat er in das Weingärtner'sche Institut, bei welchem
er bis zu dessen Auflösung in anerkennenswerter Tätigkeit wirksam war.
Vom Jahre 1817 an hielt er sowohl den Offizieren des topographischen
Büreaus als auch auf Veranlassung des Herrn Generals von Jagow dem
übrigen Offizierscorps mathematische Vorträge. Zu jener Zeit gründete
der Dr. Unger seine mathematische Lehranstalt, welche bis 1834 bestand und
alsdann in eine Realschule umgewandelt wurde; aus dieser ging im Jahre
1844 die jetzt noch bestehende Realschule hervor, bei welcher der Jubilar
noch heute als Oberlehrer tätig ist. In dieser langen Reihe von Jahren
bildete er eine große Anzahl von Schülern zu emsigen und gemeinnützigen
Trägern der Wissenschaft heran, und selbst den höchsten Kreisen
angehörende Männer verdanken ihm ihre wissenschaftliche Ausbildung.
Am Tage der Feier gab sich die allgemeinste Anerkennung in zahlreichen
Dankadressen und Gratulationen kund, die dem Jubilar von vielen Seiten
zugingen. Dass zur Vorfeier am 19. dieses Monats abends die Schüler der
oberen Klassen der Realschule ihrem geliebten Lehrer die Ovation eines
Fackelzuges darbrachten und ihm ein Pokal übereicht wurde, haben wir
bereits erwähnt. Gestern früh um 9 Uhr beglückwünschte den Gefeierten
eine Deputation der jetzt noch lebenden Schüler des Weingärtner'schen
Instituts, dessen jüngstes Mitglied 60 Jahre zählt. Außerdem brachten
der Herr Regierungspräsident Du Vignau in Begleitung des Herrn
Regierungsrates Dr. Witke, ferner Herr Konsistorialrat Scheibe ihre
Glückwünsche dar. Letzterer danke dem greisen Lehrer im Namen der
Volksschulen, um welche er sich verdient gemacht, mit herzlichen innigen
Worten, welche allen Anwesenden in steter Erinnerung bleiben werden. Im
Namen des Provinzial-Schulkollegiums in Magdeburg überreichte Herr
Regierungsrat Dr. Trinkler ein Schreiben, worin die gro-
|
ßen
Verdienste des Jubilars ihre rühmlichste Anerkennung finden. Auch eine
Deputation der Harmoniegesellschaft stattete ihre Gratulation ab. Der
Vorstand der Ressource überreichte eine Denkschrift, das
Realschullehrer-Kollegium stattete, mit Herrn Direktor Dr. Koch an der
Spitze, ebenfalls ihren Glückwunsch ab, wobei dasselbe ihm ein
Ehrengeschenk, bestehend in einer prächtig gearbeiteten, mit den Namen
sämtlicher Realschullehrer darauf verzeichneten, silbernen Fruchtschale
überreichten, bei welcher Gelegenheit die Herren den Jubilar zu einem ihm
zu Ehren veranstalteten Festsouper einluden.
Ganz besonders verdient hervorgehoben zu werden, dass eine Deputation des
Magistrats und der Stadtverordneten erschienen ist, welche dem auch als langjährigen
Stadtverordneten und durch Reorganisation der Sterbekassen um Stadt und
Staat so hochverdienten Manne das Ehrenbürgerrecht der Stadt Erfurt
überreicht.
Außerdem wurden von vielen anderen ihm befreundeten Personen, worunter
Seine Hochwürden Herr Probst Würschmidt mit wahrhaft ergreifenden
Worten, sowie die Herren Geheime Rat, Graf Keller, Gymnasial-Direktor
Dr. Schöler, Direktor der Töchterschule Gruber, Rektor Schade
von den Parochialschulen etc., die innigsten Glückwünsche dargebracht.
Auch die Synagogengemeinde verfehlte nicht, dem Jubilar als ihrem
Glaubensgenossen den tiefsten Ausdruck ihrer Anerkennung zu zollen.
Bereits am Donnerstag, den 13. dieses Monats, fand zu diesem Zweck in der
prachtvoll dekorierten Synagoge eine religiöse Feier statt, bei welcher
der erste Vorsteher, Herr Moos, eine herzliche, rührende Ansprache
an den Gefeierten und der Rabbiner, Herr Dr. Heilbronn, die Festpredigt in
einer der ganzen Feier angemessenen, alle Zuhörer tief ergreifenden Weise
gehalten haben. In der Synagoge waren alle Kreise der hiesigen
Einwohnerschaft würdig vertreten. Schon am Morgen des 13. war in der
Wohnung des Jubilars eine Deputation der Gemeinde erschienen, die ihm
einen kostbaren, in Sammet gebundenen, reich mit Silber verzierten
Pentateuch überreichten. Der durch dergleichen Arbeiten rühmlichst
bekannte Lehrer Herr Kruspe fertigte hierzu ein schön illustriertes,
dem Ganzen sich sinnig anschließendes Titelblatt.
Wenn wir diesen Bericht als einen Leitartikel an die Spitze unseres
Blattes stellen, so geschieht dies, weil diese Feier allerdings einen
besonderen Wert für die Allgemeinheit hat. Der einzige Israelit, der in
Preußen eine höhere, öffentliche Lehrerstelle seit langer Zeit
eingenommen, hat sich in derselben so ausgezeichnet, dass er sich nicht
allein trotz Eichhorn, Raumer usw. an seinem Platze erhielt, sondern auch
die größten Auszeichnungen von Seiten der Staats- und städtischen
Behörden sich erwarb. Welch eine faktische Widerlegung für all die
künstlichen Interpretationen, durch welche trotz dem Judengesetze von
1847 und trotz der Verfassung von 1850 noch heute die Juden von allen
öffentlichen Lehrstellen auch in der Religion ganz fern liegenden Disziplinen
zurückgehalten werden! Diese eine Beispiel widerlegt alle die
weithergeholten Argumente ein- für allemal. Mag nun dem verdienten Lehrer
nach fünfzigjähriger Wirksamkeit auch diejenige Auszeichnung
vorenthalten geblieben sein, welche jedem Beamten nach so langer
Dienstzeit gewährt wird, und die doch so vielen jüdischen
Kommerzienräten nicht versagt worden ist - das Ehrenbürgerrecht,
welches eine Stadt wie Erfurt dem würdigen Jubilar verlieh, ist ein
größeres Ehrenzeichen, als ihm in irgendeiner anderen Weise verliehen
werden konnte." |
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Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 9. Oktober 1860: "Erfurt, 20 September (1860).
(Thüringer Zeitung). Gestern Abend war ein lebendiges Wogen in vielen
Straßen der Stadt, auf welche Tausende von Menschen aller Stände durch
die Nachricht gelockt waren, dass Schüler der oberen Klassen der hiesigen
Realschule ihrem verehrten Lehrer, dem Professor Dr. Unger, zur
Vorfeier seines 50-jährigen Doktorjubiläums einen Fackelzug bringen
würden. Um 8 Uhr setzte sich der Zug, dem ein Musikcorps voranging, von
der Realschule in der Barfüßerstraße aus in Bewegung und begab sich
durch genannte Straße über den Anger, Johannisstraße nach der Wohnung
des Jubilars in der Augustinerstraße. Dort gab einer der Schüler, Grab
Keller, im Namen der andern den Gefühlen des Dankes und der Freude,
welche diese Gelegenheit hervorgerufen, durch eine Ansprache Ausdruck und
überreichte dem Gefeierten einen schönen Pokal. Der Jubilar dankte zum
Fenster hinunter den versammelten Schülern in kurzen, aber herzlichen
Worten. Ein dreifaches donnerndes Hoch mit Tuschbegleitung war die
Antwort. (Herr Professor Unger ist einer der verdientesten Veteranen im
Schulfache und auch als Schriftsteller auf dem Gebiete der Mathematik
anerkannt; er ist seit langer Zeit der einzige Jude, der einer
öffentlichen städtischen Schule in Preußen trotz seinem jüdischen
Glaubensbekenntnis vorstand. Es war dies aus örtlichen Verhältnissen
hervorgegangen. Auch anderweitig rüstete man sich in Erfurt, das
Jubiläum des Professors Unger zu feiern. Die Reaktion." |
Unteroffizier Otto Bibo wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet (1870)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. November 1870:
"Erfurt, 27. Oktober (1870). Ich teile Ihnen die erfreuliche
Nachricht mit, dass ein junger, sehr ehrenwerter Mann von hier, der
Unteroffizier Bibo vom 87. Linien-Infanterieregiment, wegen Auszeichnung
vor dem Feinde das Eiserne Kreuz erhalten
hat." |
Erinnerung an Prof. Unger und Klage über antisemitische Lehrer am Realgymnasium
(1894)
Artikel in der "Zeitschrift "Der Israelit"
vom 23. August 1894: "Am Realgymnasium zu Erfurt sind jetzt
Jugendbildner tätig, die aus ihrer antisemitischen Gesinnung kein Hehl
machen. Der geistige Begründer und erster Lehrer dieser Anstalt war aber
Professor Dr. E. S. Unger, ein Jude, dessen Verdienste die Stadt Erfurt
mit folgendem vom 20. September 1860 datierten Ehrenbürgerbrief belohnt
hat: 'Sie haben, hochgeehrtester Herr Jubilar, in einem langen Leben voll
eifrigen und gesegneten Forschens Ihren Namen mit Ehren in die Annalen der
Wissenschaft eingetragen und haben zugleich, ja noch viel mehr ein
vorzügliches Geschick darin bewiesen, den Resultaten des reinen Denkens
durch ihre Verwendung zum Lösen von tiefgreifenden Fragen des Lebens
Durchsichtigkeit des Ausdruckes ebenso wie Reichtum des Inhaltes zu geben.
Wenn Ihnen darum ganz Deutschland als Gelehrten, unser Vaterland im
Besondern als Lehrer seiner Lehrer, den gerechten Dank nicht vorenthalten
kann, wenn Witwen und Waisen in vielen Gauen Preußens die Hilfe zur
Milderung ihres Loses Ihnen nachrühmen müssen, in wie viel höherem
Grade hat der nächste Kreis für Ihre ununterbrochen angestrengte Arbeit,
unsere Stadt, die Pflicht, Ihnen Achtung und Liebe zu wollen! Wir verehren
in Ihnen den letzten Dozenten unserer früheren Universität und damit
einen der tüchtigsten Repräsentanten des Geistes, der in der wissenschaftlichen
Bildung die Weihe des Lebens findet - unsere Schulen verdanken Ihnen
unmittelbar oder mittelbar einen großen Aufschwung, ja die eine Ihrem
Voranschreiten das Entstehen, viele unserer öffentlichen und privaten
Verwaltungsinstitute haben sich Ihres durchdachten Rates oder Ihres
wirksamen Eingreifens erfreut, alle Bürger haben an Ihrer Treue in der
Erfüllung der Berufspflichten, an der Uneigennützigkeit Ihres Handelns,
an Ihrer liebenswürdigen Bescheidenheit im Umgange ein Muster gehabt.
Weil wir wissen, dass die Bürgerschaft von diesem Bewusststein erfüllt
ist, und weil wir es als eine unserer schönsten Pflichten erkennen, einem
solchen Bewusststein Ausdruck zu geben, ernennen wir, Magistrat und Stadtverordnete,
Sie, als den Bürger, der unserer Stadt seit fünfzig Jahren Ehren
gebracht und mit Gottes Beistand noch lange bringen wird, an Ihrem
heutigen Jubeltage zum Ehrenbürger von Erfurt.'" |
70. Geburtstag von Isaac Lamm, Vorsitzender des Gemeindevorstandes (1896)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 10. Januar 1896: "Erfurt, 31. Dezember (1895).
Am 15. dieses Monats vollende Herr Isaac Lamm, der Vorsitzende des
Synagogengemeinde-Vorstandes, sein 70. Lebensjahr, was der hiesigen
Gemeinde Veranlassung gab, dem Jubilar ihre Achtung und Anerkennung in
mannigfacher Weise kund zu geben. Schon am vorhergehenden Tage, am
Sabbat-Chanukka, wurde Herr Lamm in der Synagoge vor Beginn des
Gottesdienstes durch Gesang feierlich begrüßt und von den Vertretern der
Gemeinde zu seinem bekränzten Sitze geleitet. Die heilige Lade, Kanzel
und Tisch erhielten neuen Schmuck. Nach Einheben der Torarollen würdigte
Herr Rabbiner Dr. Salzberger mit Anknüpfung an die Schlussworte des
Prophetenabschnittes Sacharja 4,6-9 die Verdienste des Jubilars um das Wohl
der Gemeinde, der er nahe an vier Jahrzehnte mit selbstloser Hingebung
einen großen Teil seiner Zeit und Kraft gewidmet. Gesänge vom Kantor und
Chor, trefflich vorgetragen, erhöhten die Feier. Am andern Tage
erschienen mehrere Deputationen im Hause des Vorstehers, die beiden
Gemeindekollegien, geführt von Herrn Ullmann, überbrachten eine kunstvoll
ausgestattete Dankadresse. Ferner überreichten Adressen der Vorstand der Chewra
Kadischa, eine Abordnung der Konfektionäre, welche in Herrn Lamm den
Begründer der Konfektionsbranche, einer der bedeutendsten Industriezweige
am hiesigen Platze, ehrten. Herr Rabbiner Dr. Salzberger beglückwünschte
den Jubilar im Namen der Gemeindebeamten und in dem der Religionsschule.
Die überaus zahlreichen Gratulanten, die aus der Stadt und von auswärts
erschienen waren, darunter auch der Landrat von Müffling, und die
Herzlichkeit, mit welcher sie ihre Wünsche ausdrückten, zeugten deutlich,
welch' großer Achtung und Beliebtheit sich der Jubilar hier nicht nur bei
seinen Glaubensgenossen erfreut. Ein Mitglied der Gemeinde, der Schuhfabrikant
Herr Alex Cerf, hatte ein Bild des Jubilars in wohlgelungener
Kreidezeichnung selbst angefertigt, welches er demselben überreichte,
damit es den Sitzungssaal der Gemeinde schmücke. Am Abend vereinigte ein wohlarrangiertes
Bankett alle Glieder der Gemeinde im großen Saal des alten Ratskellers.
Eine große Anzahl von Depeschen war eingelaufen, darunter auch eine vom
Geheimrat Kristeller in Berlin im Namen des Gemeindebundes, dessen
Delegierter Herr Lamm ist." |
Zum
Tod des Gemeindevorstehers Isaak Lamm nach 40-jähriger Amtszeit in der
Gemeindeverwaltung (1905)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 3. Februar 1905: "In Erfurt ist, allgemein betrauert, der
in jüdischen Kreisen bekannte und geschätzte Herr Isaac Lamm, der
lange Jahre Vorsteher der jüdischen Gemeinde daselbst war, im 80.
Lebensjahre gestorben." |
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Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Februar 1905:
"Erfurt, 1. Februar (1905). Am 23. vorigen Monats verschied
hier, wie schon kurz gemeldet, nach längerem Leiden der Vorsteher der
Synagogengemeinde Isaak Lamm im 80. Lebensjahre. Länger als 40
Jahre hat er an der Spitze der Gemeindeverwaltung gestanden und zum Segen
der Gemeinde gewirkt. Von wahrhaft religiöser Gesinnung hat er seine
reiche Erfahrung, sein tiefes Wissen in den Dienst seiner Gemeinde
gestellt. Vor 60 Jahren kam er nach Erfurt und wurde der Begründer der
blühenden Damenmäntel-Industrie, die heute eine bedeutende Rolle auf dem
Weltmarkt spielt. 1877 wurde er als Mitglied der Handelskammer gewählt.
Dieser Körperschaft gehörte er 28 Jahre ununterbrochen an und erwarb
sich große Verdienste um die industrielle Entwicklung Erfurts. Vor drei
Jahren wurde ihm als Anerkennung hierfür der Rote Adlerorden verliehen.
Die Trauerfeier fand in der Synagoge statt, wo die Leiche des
Entschlafenen aufgebahrt war. In dem Gotteshause hatten sich versammelt
außer den Familienangehörigen die Spitzen der Behörden, Vertreter der
Finanz- und Handelswelt von nah und fern. Eingeleitet wurde die Feier
durch Chorgesang; alsdann entwarf Rabbiner Dr. Salzberger in warmherziger
Rede ein Bild des Entschlafenen. Er schilderte in lichtvoller Weise seine
seltenen Charaktereigenschaften, seine religiöse Natur und seinen hohen
Wohltätigkeitssinn. Nicht nur für seine Familie, sondern auch für die
Erfurter Gemeinde bedeute das Hinscheiden dieses Mannes einen
unersetzlichen Verlust. Isaak Lamm war eine von Grund auf religiös
beanlagte, religiös gestimmte Natur. Ihm war die Religion nichts weniger,
als etwas Äußerliches, Gewohnheitsmäßiges; sie war ihm vielmehr
Herzenssache, innerstes Bedürfnis. Diese echte Religiosität macht es uns
verständlich, wie er, der vielbeschäftigte Mann, so viel Zeit und Kraft
unserer Gemeinde widmen könnte. Es ist noch allen in frischer Erinnerung,
wie sich vor 9 Jahren zu seinem 760. Geburtstage die ganze Gemeinde zu
einer seltenen Ehrung um ihn versammelte. Unvollständig wäre das
Lebensbild des Verblichenen, würden wir nicht den leuchtendsten Zug, den
Familiensinn erwähnen. Mit dem Danke an den Verklärten für all die
guten Anregungen und für die Förderungen, die er in seiner amtlichen
Tätigkeit von ihm erfahren, schloss Dr. Salzberger seine ergreifende
Trauerrede. Chorgesang beschloss die würdige Feuer. Hierauf wurde der
Sarg herausgetragen und ein unabsehbares Trauergefolge gab ihm das letzte
Geleit. Auf dem Friedhofe wurde nach einem Gebete die Leiche der letzten
Ruhestätte übergeben und Mitglieder aller Konfessionen drängten an die
Gruft, um dem edlen Manne den letzten Scheidegruß zu
entbieten." |
Über
Rabbiner Dr. Georg Salzberger (Bericht zu seiner Tätigkeit als Feldrabbiner bei
der 5. Armee - Kronprinzen-Armee, 1915)
Anmerkung: Rabbiner Dr. Georg Salzberger (geb. 1882 in Kulm als Sohn des
späteren Erfurter Rabbiners Moritz Salzberger und der Anna geb. Freyhan, gest.
1975 in London): seit 1885 aufgewachsen in Erfurt, wo er 1902 die
Schulausbildung mit dem Abitur abgeschlossen hat studierte in Berlin und
Heidelberg; war von 1910 bis 1939 Rabbiner der liberalen Westend-Synagoge in
Frankfurt am Main; von September 1914 bis 1918 Feldrabbiner bei der 5. Armee
(Kronprinzen-Armee), erhielt vor Verdun vom Kronprinzen persönlich das
"Eiserne Kreuz"; emigrierte 1939 nach England mit Frau und den
Töchtern , war bis 1956 Rabbiner in London, danach Gastrabbiner der jüdischen
Gemeinden Berlin und Hamburg.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 15. Januar 1915:
Bei Interesse: zum Lesen bitte Textabbildungen abklicken. |
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70.
Geburtstag des Kriegsveteranen Otto Bibo (1912)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 1. November 1912: "Erfurt. Jüngst feierte der
Pensionär der hiesigen königlichen Gewehrfabrik Otto Bibo, ein
Veteran der Kriege 1866 und 1870/71, seinen 70. Geburtstag.
Bibo hat 1866 u.a. bei Königgrätz und 1870/71 bei Weißenburg,
Pfalzburg, Wörth und Sedan mitgekämpft und nahm an der Belagerung von Paris
teil. Bei Wörth warf sich der Unteroffizier Bibo mit einem kleinen
Häuflein tapfer gegen die Übermacht des Feindes und vermöchte durch
sein mutiges Vorgehen und seine Ausdauer die gefährdete Fahne zu halten.
Vor Sedan gelang ihm die Ausführung schwieriger Patrouillen. Am 18.
Oktober heftete ihm der Kronprinz eigenhändig das Eiserne Kreuz 2. Klasse
an. Vor einigen Jahren hat Bibo die Rote Kreuz-Medaille 3. Klasse
erhalten. Kaiser Wilhelm II. hat sich gelegentlich seiner Anwesenheit in
Erfurt mit Bibo unterhalten". |
Leopold Rosenstein erhält das Eiserne Kreuz
(1916)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 8. September 1916: "Erfurt. Leopold Rosenstein
erhielt das Eiserne Kreuz". |
Zum Tod des ersten Vorstandes der
Synagogengemeinde, Justizrat Wilhelm Zander (1920)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 17. September 1920: "Erfurt, 10. September (1920).
Am 24. vorigen Monats verschied hier nach schwerer Krankheit der erste
Vorstand der Synagogengemeinde, Justizrat Wilhelm Zander, im 61.
Lebensjahre. Welches Ansehen, welche Achtung und Verehrung der Verstorbene
auch außerhalb der jüdischen Gemeinde eingenommen hatte, das zeigte so
recht die zahlreiche Trauergemeinde. Neben dem Gesamtvorstand und den
Repräsentanten der Gemeinde waren erschienen der Regierungspräsident,
der Landgerichtsdirektor, Vertreter der Anwaltskammer, des Magistrats und
anderer Körperschaften, denen der Verblichene nahe stand. Die Trauerfeier
selbst eröffnete in ergreifender Weise Kantor Fiegler durch den
Vortrag des Psalm 103 (Der Mensch, der Blume gleich sind seine Tage...).
Hierauf zeichnete Rabbiner Dr. Salzberger ein treffliches
Lebensbild des Verstorbenen und hob besonders seine hohen
Charaktereigenschaften und die Lauterkeit seiner Gesinnung im Leben wie in
seinem Berufe hervor. Fast ein Vierteljahrhundert gehörte Zander dem
Vorstande der Gemeinde an, und dieses Ehrenamt legte er auch dann nicht
nieder, als bereits schwere Erkrankung seinen Kräften Schonung geboten
hatte. Ein Leben reich an Arbeit, aber auch reich an Erfolg, hat mit
Justizrat Zander geendet. Ehre seinem Andenken!" |
Rechtsanwalt
Dr. Ludwig Freudenthal wird zum ersten Vorsitzenden des Centralvereins
(Landesverband Thüringen) gewählt (1926)
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 22. Januar 1926:
"Erfurt. (Vom Landesverband des C.V.). In der letzten
Vorstandssitzung des Landesverbandes Thüringen des Centralvereins
deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens wurde zum ersten Vorsitzenden
Rechtsanwalt Dr. Ludwig Freudenthal aus Erfurt gewählt. Dr. Freudenthal
genießt weithin einen Ruf als Strafverteidiger; er hat im jüdischen
Leben Mitteldeutschlands wertvolle Dienste geleistet und betätigt sich
stets im Sinne eines entschiedenen jüdischen Liberalismus. Er ist
Mitglied der Vereinigung für das liberale
Judentum." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen sowie weitere Dokumente
Anzeige
des Konfektionsgeschäftes en gros & en detail Gebr. Lamm (1860)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 21- Februar 1860: "Für unser Konfektions-Geschäft en gros
& en détail suchen wir zum sofortigen Antritt oder zum 1sten April
einen Lehrling mit genügender Schulbildung. Hierauf Reflektierende
wollen sich gefälligst an uns wenden.
Erfurt, den 30. Januar 1860. Gebr. Lamm." |
Anzeige des Konfektionsgeschäftes H. Basch
(1863)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. August 1863: "Für mein 'Konfektions-Geschäft' engros
& detail suche ich zum baldigen Eintritt einen Lehrling, Sohn
achtbarer Eltern, der gut schreiben und rechnen kann und sonstige gute
Schulkenntnisse aufzuweisen hat.
H. Basch in Erfurt." |
Anzeige von
Simon S. Frank (1866)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 23. Januar 1866: "Ein jüdisches Mädchen, wenn auch
in der Küche noch nicht erfahren, wird als Hausmädchen bei gutem Lohn
und guter Behandlung für eine kleine Haushaltung gesucht. Antritt
möglichst bald.
Erfurt, Januar 1866. Simon S. Frank." |
Anzeigen
des Manufakturwaren-Geschäftes Wahl jr. & Co. (1868)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 21. Januar 1868:
"Wir suchen zum sofortigen Antritt einen reisenden, der Thüringen
und Sachsen bereits und mit der Manufaktur-Waren-Branche vertraut
ist.
Erfurt. Wahl jr. & Co." |
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Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 21. Januar 1868: "Für unser Manufaktur-Waren-Geschäft en gros
suchen zum sofortigen Antritt einen Lehrling mit gehörigen
Schulkenntnissen versehen. Erfurt Wahl jr. &
Co." |
Anzeige
von Adolph Schönstadt (1873)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23.
September 1873: "Ein junges Mädchen, jüdischer Konfession, aus
achtbarer Familie wird zur Erziehung noch kleiner Kinder, sowie zur
Stütze der Hausfrau gesucht bei Adolph Schönstadt,
Erfurt." |
Postkarte
aus Charkow an Ernst Benary in Erfurt (1890)
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries; ergänzende
Informationen gleichfalls von P. K. Müller)
Postkarte
der Schuhfabrik Hess (1924)
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries; ergänzende
Informationen gleichfalls von P. K. Müller)
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Postkarte der Schuhfabrik Hess, Kommanditgesellschaft, Erfurt, verschickt am 16. Februar 1924 an die
Firma Isaac - Jung in Herisau in der Schweiz. - Der rückseitige Text ist geschäftlich.
Die Schuhfabrik Hess wurde gegründet von Luis Hess. Am 10. Februar 1913 wurde diese umgewandelt in die
Aktiengesellschaft M. & L. Hess, Schuhfabrik AG.
Alfred Hess (geb. 19. Mai 1875 in Erfurt), Mitinhaber der Schuhfabrik Hess, war ein verantwortungsbewusster Unternehmer,
der sich auch um eine Verbesserung der sozialen Belange seiner Mitarbeiter kümmerte und auch sozialen Wohnungsbau mitfinanzierte.
Er war aber auch leidenschaftlicher Kunstliebhaber, -Sammler und Förderer derselben. In seiner Villa gaben sich in den zwanziger Jahren
zahlreiche namhafte Künstler ein Stelldichein. Durch seine Liebe zur modernen Kunst und als Förderer derselben wurde er aber auch zur
Zielscheibe nationalsozialistischer Angriffe, was ihn letztlich dazu bewog, sich zurückzuziehen. Er starb am 24. Dezember 1931.
Ein anderer Spross der Familie war der Enkel des Firmengründers Luis Hess
und Neffe von Alfred Hess, Kurt Luis Hess (geb. 3. Oktober
1903 in Erfurt. Nach dem dem Boykott der jüdischen Geschäfte im April 1933 entschloss
dieser sich zur Auswanderung nach Ibiza. Nachdem er Ibiza auf Grund des spanischen Bürgerkrieges verlassen musste und seine Aufenthaltsgenehmigung 1939
in Paris nicht verlängert wurde, emigriert er in die Dominikanische Republik. 2006
wurde ihm das Ehrenverdienstkreuz 1. Klasse verliehen. Kurt Luis Hess
starb am 9. Februar 2010 in Sosua in der Dominikanischen Republik.
Quellen: http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Hess
http://www.erfurt-web.de/Alfred_Hess
http://bauhaus.erfurt.de/html/de/16.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Luis_Hess
http://www.sosuamuseum.org/private-museum-2/private/luis-hess-and-anajulia-silva/
http://www.sosuanachrichten.com/index.php?id=2193&article=1
http://www.aktiensammler.de/br/archiv_branchen_detail.asp?AREA=276&ID=336969&NS=1
http://www.erfurt-web.de/Alfred-Hess-Stra%C3%9Fe |
Kennkarte
aus der NS-Zeit für Marie Scheuer geb. Neuburger aus Erfurt |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarte
für Marie Scheuer geb. Neuburger,
die in Erfurt geboren ist |
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Marie Scheuer geb. Neuburger
ist am 3. Mai 1884 in Erfurt geboren.
Über ihren Lebensweg liegen noch keine weiteren Informationen vor. Die
Kennkarte wurde
1939 in Mainz ausgestellt; Sie konnte vor den Deportationen
emigrieren und ist im Oktober 1974 in den USA verstorben (SSDI).
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