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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Rottenburg am
Neckar (Kreis Tübingen)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Zur jüdischen Geschichte
in Rottenburg
In Rottenburg bestand eine Gemeinde im Mittelalter.
Erstmals wird 1286 Jud Isaak von Rottenburg genannt. Die Judenverfolgung
während der Pestzeit 1348/49 zerstörte das jüdische Leben in der Stadt. An der Gemarkungsgrenze zwischen Rottenburg und Hirschau wird 1360 und später eine Flur
"Judenloch" als der Platz genannt, auf dem die Rottenburger Juden 1349 ermordet wurden.
Zwischen etwa 1392 und der Zeit um 1500 gab es wieder jüdische Familien in der
Stadt. In dieser Zeit wurde 1436 eine Höchstzahl von 16 jüdischen
Steuerzahlern (beziehungsweise Familien) erreicht. Etwa 100 jüdische Personen
lebten in dieser Zeit in der Stadt. 1453/54 werden zwölf jüdische Familien
genannt. Nach 1476 (Jahr einer möglichen Vertreibung der Juden aus der Stadt) werden keine Juden
mehr in der Stadt genannt.
Das mittelalterliche Wohngebiet befand sich im östlich-südöstlichen Teil der Altstadt und hat sich
vermutlich durch die Verfolgung 1348/49 verlagert. Das ältere Wohngebiet könnte das Gebiet
westlich der Stadtlanggasse gewesen sein, da der Platz der mittelalterlichen Synagoge
vermutlich zwischen der Stadtlanggasse und der Schulergasse lag. An späteren Wohngebieten kommen das
"Rote Meer" östlich der Stadtlanggasse und das heute noch sogenannte
"Judengässle" südlich davon in Frage. Von weiteren Einrichtungen ist noch die ungefähre Lage des
Friedhofes vor dem Kiebinger Tor bekannt (Gebiet zwischen dem südlichen Teil des östlichen Stadtgrabens und der
Sprollstraße).
19./20. Jahrhundert. Erst nach 1860 konnten sich wieder jüdische
Personen in Rottenburg ansiedeln, die zur Synagogengemeinde Tübingen gehörten,
darunter die Familie Rudolf Horkheimer, die aus Kirchardt (Kreis Heilbronn) nach
Rottenburg gekommen ist. Horkheimer betrieb zunächst einen Kleiderladen, aus
dem heraus ein Hadernschneideunternehmen und schließlich eine Putzwollfabrik
entstand. Die höchste Zahl jüdischer Einwohner Bewohner wurde um 1885 mit 32
Personen erreicht.
Im 19./20. Jahrhundert wurden die Einrichtungen in Tübingen mitbenutzt. Die aus Rottenburg in dieser Zeit Verstorbenen wurden in
Wankheim bzw. ihren Herkunftsorten beigesetzt.
An ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden Handels- und Gewerbebetrieben
in jüdischem Besitz sind zu nennen: das Herrenbekleidungsgeschäft Josef/Rosa Berlizheimer (Königstr.
73) und die Putzwollfabrik Rudolf Horkheimer Söhne (Sprollstraße 27).
Die Familie Siegfried Bauer (geb. 1886 in Buttenwiesen,
verheiratet mit Gertrude geb. Horkheimer, geb. 1902 in Rottenburg; Tochter
Lilian, geb. 1931 in Stuttgart) lebte im Haus Mechthildstraße 32 (abgebrochen); die
Familie Albert Horkheimer hatte ihr Zuhause in der Eberhardstraße 33.
1933 lebten noch elf jüdische Personen in der Stadt. Kaufmann Josef Berlizheimer
starb 1933 in Rottenburg, seine Frau wurde 1942 auf dem Weg in die Deportation
in das "Altersheim" in Eschenau (Gemeinde Obersulm, Kreis Heilbronn)
gebracht, wo sie verstarb. Die Tochter Sofie Berlizheimer kam nach der
Deportation 1941 (nach Riga) ums Leben. Die Familie Bauer konnte über England
in die USA emigrieren. Albertine Dierberger (Königstraße 13) wurde 1944
nach Theresienstadt deportiert und kehrte nach Kriegsende als einzige
Rottenburger Jüdin zurück. Sie starb 1948 völlig mittellos im Altersheim.
Von den in Rottenburg geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Sofie Berlizheimer (1898), Albert
Horkheimer (1873), Ferdinand Horkheimer (1866), Jenny Horkheimer geb. Levi
(1870), Rosa Horkheimer geb. Levo (1879).
Berichte aus der jüdischen Geschichte in Rottenburg
Allgemeine
Beiträge aus der jüdischen Geschichte
Über die Geschichte der Juden in Rottenburg am Neckar
(Beitrag von 1933)
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 16. März 1933:
Zum Lesen bitte Textabbildung anklicken. |
Antisemitisches von Bischof Paul Wilhelm von Keppler
(1905)
Anmerkung: zu Bischof Paul Wilhelm von Keppler (1852-1926) siehe
Wikipedia-Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Wilhelm_von_Keppler
Demnach äußerte sich Bischof von Keppler auch sonst in antisemitischer Weise:
Nach einem Besuch im Heiligen Land meinte er, dass die dort lebenden Juden 'ein Teil desselben
Volkes' seien, 'welches außerhalb Palästinas den Christenvölkern wie ein Pfahl im Fleische sitzt, welches ihnen das Blut aussaugt, sie knechtet […] mit den Rohrzeptern giftgetränkter Federn, die öffentlichen Brunnen der Bildung und Moral durch Einwerfen ekliger und eitriger Stoffe vergiftet“ (letzteres eine Anspielung auf die alte Verleumdung der Juden als Brunnenvergifter).
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 1. Dezember
1905: "Berlin. Ein antisemitischer Bischof. Bischof Keppler
in Rottenburg (Württemberg) schreibt in seinem neuesten Buche 'Aus Kunst
und Leben' Seite 63 unter dem Titel 'Helgoland': 'Möge diese Zahl
zwanzigtausend (nämlich Bade- und Kurgäste) nur Gutes für Helgoland
bedeuten. Möge sie sich nicht allzu sehr aus den Stämmen Israels aus den
traurigsten Elementen der 'oberen' Schichten rekrutieren. Möchte dieser
Völkerstrom, dem zweifellos sehr viele schlechte Tropfen beigemischt
sind, nicht den üblichen Schlamm der Unsitten und Laster der Hyperkultur
und der oberen Kreise auf dem Boden der Insel ablagern, nicht das
'Heiligland' entweihen und schänden. Möge es ihm nie gelingen, dieses
Inselvölkchen zu verderben. Noch scheint es gesund bis ins Mark
hinein.' " |
Dokumente zu jüdischen
Gewerbebetrieben
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries)
Werbevignette der Firma Rudolf Horkheimer Söhne,
Mechanische Putzwollfabrik (um 1910-1920)
Der
Kaufmann Rudolf Horkheimer (geb. 1837 in Kirchardt als Sohn von Meir und Auguste Horkheimer) meldete seine Handelstätigkeit mit Lumpen, Garn, Wolle und
Baumwollabfällen am 19. April 1882 im Handelsregister Rottenburg als Fa. Rudolf Horkheimer an.
Seine Frau war Mina geb. Gideon (geb. 1840 in Nordstetten als
Tochter von Samuel und Lisette geb. Treubacher).
Das Ehepaar hatte zusammen 13 Kinder, zehn davon sind in Rottenburg geboren.
Rudolf Horkheimer starb am 23. Juni 1889 im Alter von 52 Jahren.
Seine Frau und die Söhne Ferdinand und Max führten ab dem 17. August
1889 das Geschäft weiter. Am 24. Juni 1896 stirbt Max Horkheimer. Bis Ende Dezember 1899 führen Mina und Ferdinand Horkheimer das Geschäft weiter. Ab dem 2. Januar 1900 tritt an die Stelle von
Mina Horkheimer Sohn Albert. 1907 wird den Anträgen von Ferdinand und Albert Horkheimer auf Erteilung des Bürgerrechts der Stadt
Rottenburg entsprochen. Am 27. Februar 1909 stirbt Mina Horkheimer im Alter von 68 Jahren durch einen Schlaganfall.
Sie wurde im jüdischen Friedhof in Nordstetten beerdigt.
Quelle: Spuren sichern für alle Generationen. Die Juden in Rottenburg im 19. und 20. Jahrhundert, von Paula Kienzle |
Links bei zu den Horkheimers aus Rottenburg:
http://www.zeit-zeugnisse.de/Home/orte/karte-landkreis-tuebingen/artikel-rottenburg_artikel,-Beraubt-entwuerdigt-vertrieben-_arid,184636.html
http://www.de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Horkheimer
. |
Zur Geschichte der Synagoge
Die mittelalterliche Synagoge
Die Synagoge ("Judenschule") befand sich außerhalb der Judensiedlung zwischen Stadtlanggasse und Schulergasse.
1392 mussten die damals vier Juden beziehungsweise jüdischen Familien jährlich fünf Gulden Zins für die Judenschule bezahlen. Auch
1471 ist von einer Zinszahlung für die Judenschule die Rede. 1513, als keine Juden mehr in der Stadt waren, befand sich das Haus, in dem die Judenschule war, im Besitz eines Bürgers namens Spitzhans. Nach dem Spitallagerbuch von 1537 befand sich des alten Spitzhansen Garten hinter dem Eckhaus des Hofschreibers Jörg Brecht, das in der Stadtlanggasse beim Brunnen stand. In der Chronik der Christoph Lutz von Lutzenhart von 1609 steht über die Rottenburger Juden:
"Ihr Synagoge oder Schul haben sie gehabt bey der Deutschen Schul, darin dieser Zeit Adam Hofmeister
wohnt".
Beim großen Brand der Stadt am 1. Januar 1891 ist die ehemalige Synagoge eingeäschert worden; auf ihren Fundamenten wurde die damalige
"Darlehenskasse" erbaut.
Adresse/Standort der Synagoge: ehemals
zwischen Stadtlanggasse und Schulergasse
Fotos
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Juli 2008:
Das Buch von Paula Kienzle über die Geschichte
der Rottenburger Juden ist erschienen. |
Artikel aus dem "Schwäbisch
Tagblatt" - Rottenburger Ausgabe vom 23. Juli 2008: "Buch gewordene Mahnung.
Rottenburg. Lange, sagte Alt-Oberbürgermeister Winfried Löffler vor den 160 Zuhörer/innen bei der Präsentation in der Zehntscheuer, habe er hiesige Lokalhistoriker angeregt, die Geschichte der Juden Rottenburgs zu erforschen. Denn während die Historie der jüdischen Gemeinde Baisingens weitgehend untersucht sei,
'fehlte für die Kernstadt eine zusammenfassende Darstellung'.
Letztere hat nun die bislang unter anderem mit Publikationen zu Anna von Hohenberg hervorgetretene Rottenburgerin Paula Kienzle erarbeitet. Vorgestellt wurde ihr gewichtiges Buch
'Spuren sichern für alle Generationen' auf Einladung des Fördervereins Synagoge Baisingen, der die Publikation mit einem Druckkostenzuschuss unterstützte. Vorsitzender Winfried Löffler hatte schon 1989 in die Vereinssatzung nicht nur die Restaurierung der Synagoge als Zweck aufnehmen lassen, sondern auch die Förderung von Forschungsarbeiten. Förderbeiträge kamen auch von der Landeszentrale für politische Bildung und Bischof Gebhard Fürst. In der Reihe der Zuschussgeber fehlt bislang die Stadt Rottenburg.
Anders als bisherige heimatgeschichtliche Darstellungen behandelt das nun vorliegende Werk ausführlich den Zeitraum der Nazi-Herrschaft und ihre bis auf unabsehbare Zeit nachwirkenden Folgen.
'Die Stadt', sagte Löffler, 'muss sich auch dieser unbequemen Zeit ihrer Geschichte
stellen.' Was Kienzles Buch zu erzählen habe, sei 'keineswegs nur etwas für die Archive, sondern auch eine ständige Mahnung an alle, ob jung oder alt, alles zu tun, auch unter Inkaufnahme persönlicher Nachteile, dass solches nie wieder
geschehe.'
Der Tübinger Theologe Rainer Bendel hielt die Festrede unterm Titel 'Zeitgenossen zwischen Anpassung und
Widerstand'. Warum 'unterstützten ganz normale Bürger den Unrechtsprozess, den Terror, das Morden
?', war seine Ausgangsfrage, und: 'Wie konnte es dazu kommen, mitten unter uns?'.
Bendel zitierte Stimmen katholischer Würdenträger, die die Machtübergabe an Hitler jubelnd begrüßt hatten, wie der ermländische Bischof Maximilian Kaller. Er erinnerte an
'die aufgeregte Diskussion in Deutschland' über Daniel Goldhagens Buch 'Hitlers willige
Vollstrecker' und dessen Thesen zum Versagen der Kirche und ihrer Amtsträger: Diese seien, in einer langen und mächtigen Tradition des Antijudaismus und Antisemitismus stehend,
'nicht resistent genug gewesen gegenüber dem eliminatorischen (ausrottenden)
Antisemitismus'.
Wohl hält Bendel Kernsätze Goldhagens für differenzierungsbedürftig, widersprach aber jenen, die meinen,
'sich wegen methodischer Mängel eine Auseinandersetzung sparen zu können'. Als einen der wenigen katholischen Theologen in Deutschland, der gegen das Nazi-Einflüsse immun war, porträtierte Bendel den von 1881 bis 1969 lebenden Josef Bernhart. Dieser versuchte noch 1939, öffentlich
'das Gerede von Rasse ad absurdum zu führen, indem er den Begriff auf eine andere, die theologische Ebene hob. Und mit Bernhard von Clairvaux vom Gottesvolk spricht, das aus allen Völkern gesammelt wird und die Prägung der acht Seligkeiten und des Vaterunser
annimmt'. Bernharts theologisches Konzept, laut Bendel im katholischen Mainstream kaum rezipiert, weist überraschende Übereinstimmungen mit Thesen des eher linken Denkers Walter Benjamin auf.
Ein Diskussionsabend gab den Anstoß. ' Schämen werden sie sich
müssen', hatte Bernhart 1944 über Kirchenleitung und Kirchenvolk gesagt, die Niederlage des Nazireichs vorausnehmend.
'Was da geschehen ist', knüpfte Bendel an, 'ist nicht nur Historie, das ist Geschichte, die sich nicht auslöschen lässt. Man kann die Wunden, die da geschlagen wurden, nicht einfach
zudecken'.
Darin, dass Kienzle nun 'die Erfahrungen Einzelner aktualisiert, eine lange Geschichte auch des Alltags einer geliebten Stadt, einer Region ans Licht
bringt', sieht Bendel eine Haupttugend ihres Buchs, weil 'die Spuren und die Quellen ein sehr vielschichtiges Bild ergeben, den linearen Ablauf der Geschichte stören, nicht selten die uns geläufigen Bilder
konterkarieren'. Die Journalistin Karin Lutz-Efinger, die als Lektorin des Buchs tätig war, skizzierte knapp dessen Aufbau samt dem behandelten Zeitrahmen vom 19. Jahrhundert bis 2008, ehe die Autorin selbst den vielen Helfer(inne)n dankte und kurz die Entstehungsgeschichte ihres Werks resümierte.
Angefangen hatte ihr Interesse am Thema vor über drei Jahren, als im Eugen-Bolz-Gymnasium ein Diskussionsabend zur Nazi-Zeit stattfand, an dem von den Rottenburger Juden nicht die Rede war. Kienzle begann zu lesen, sich Tipps von der Tübinger Geschichtswerkstatt holen, in Archiven zu forschen und Zeitzeugen zu befragen.
Paula Kienzle: Spuren sichern für alle Generationen – die Juden in Rottenburg im 19. und 20. Jahrhundert. Lit-Verlag, Berlin. 480 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Preis 39.90 Euro |
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März 2010:
Lesung aus dem Buch von Paula Kienzle in der
ehemaligen Synagoge in Haigerloch |
Artikel von Wilfried Selinka in der "Südwestpresse" vom 17.
März 2010 (Artikel):
"Haigerloch. Die ehemalige Haigerlocher Synagoge war der geeignete Ort, für die Lesung aus den Erinnerungen der Jüdin Lilian S. Barber an ihre schwere Kindheit und Jugendzeit.
Paula Kienzle berichtete zwischen den einzelnen, durch Margarete Kollmar gelesenen Passagen des Buches
'Meine Mutter lehrte mich keine Lieder mehr' über die Lebensgeschichte der Jüdin Lilian S. Barber. Nach ihrer Emigration mit den Eltern, zunächst nach England und später in die USA, war sie dort Journalistin und hat in ihrem Buch ihre Kindheitserinnerungen aufgeschrieben, vom Heranwachsen in einer zusammengebrochenen Welt. Aufgewachsen in Rottenburg, lebte die damals Siebenjährige mit ihren Eltern, Großeltern und Verwandten.
Die jüdische Familie wurde von den Nazis zur Auswanderung gezwungen. Das junge Kind wusste lange nicht warum sich ihre Spielkameradinnen von ihr zurückzogen, sie die deutsche Schule verlassen und Privatunterricht beim Großvater nehmen musste oder warum der Vater für Monate im KZ Dachau gefangen gehalten wurde. Die erschütternde Antwort:
'Weil wir Juden sind'.
In den Kapiteln 'Zeugnis' und '1938' vermittelt die Autorin ihre kindlichen Erfahrungen an diese schreckliche Zeit, welche auch vor Rottenburg nicht Halt machte, wo selbst der katholische Bekennerbischof Johannes Baptist Sproll Repressalien der Nazis ausgesetzt war und seinen Bischoffstuhl verlassen musste.
Ausgrenzung und Einsamkeit bestimmte lange Zeit das Leben der Familie der Eltern und als Kind fühlte sich die kleine Lilian allein gelassen. Da verstummten die sonst in der Familie gern gesungenen Lieder. Daher auch der Name des Buches.
1939 flohen die Autorin und ihre Eltern aus Rottenburg, während die Großeltern samt Großonkel mit Familie in Rottenburg verblieben und 1942 in einem Todestransport nach Theresienstadt deportiert wurden und dort ums Leben kamen.
Vor der Emigration bekam die inzwischen Achtjährige von den Nazis einen neuen Pass mit einem großen
'J' auf der Vorderseite und einem zweiten Vornamen 'Sarah', den sie 'stolz wie eine
Medaille' trug. Die Flucht aus Nazi-Deutschland über Holland, bloß mit dem, was sie tragen konnten, wird ebenfalls aus kindlicher Sichtweise dargestellt. Elf Monate wohnte die Familie in London und wartete, nur von dem von Freunden geliehenen Geld lebend, auf die
'Emigrationsquotenkarte' für die Einreiseerlaubnis in die USA.
Noch ohne Englischkenntnis, doch schon damit konfrontiert, in der ihnen fremden Welt zurechtzukommen, bemerkten die Eltern der achtjährigen Lilian manchmal nicht, dass auch ein Kind in fremden Umfeld sehr große eigene Probleme haben kann, so dargestellt in dem Kapitel
'Mister Tommes', welches Margarete Kollmar las. Das Leben in England war so trostlos wie das englische Wetter, lediglich Tommes brachte etwas Licht in die triste Welt.
Schließlich wird die recht gefährliche Überfahrt nach den USA beschrieben, weil inzwischen England und Amerika mit Deutschland im Krieg waren. Die sozial ausgegrenzte Familiengeschichte liest sich äußerst spannend, was zum Schluss in Dankesworten Klaus Schubert zusammenfasste. Das Buch konnte an einem Extrabüchertisch erworben werden." |
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Juni 2014:
In Rottenburg wurden "Stolpersteine
verlegt
Artikel von Marly Scharnowski im "Schwarzwälder Boten" vom 26.
Juni 2014: "Rottenburg. Stolpersteine erinnern an grausame Schicksale
Rottenburg. Vor dem Eugen-Bolz-Gymnasium fand sich eine große Menge von Schülern ein. Der Grund: Zehn neue
'Stolpersteine' wurden innerhalb der Stadt verteilt und zwar an Häusern, in denen jüdische Mitbürger gelebt hatten, bis sie aus ihrem Alltagsleben gerissen wurden. Andreas Kroll, auch Jugend-Guide für die KZ-Gedenkstätte Hailfingen/Tailfingen, hatte zu dieser Aktion aufgerufen. Für ihn war eine
'Stolpertafel' zu klein und zu wenig, daher seine Initiative..."'
Link
zum Artikel weiterer
Artikel im "Schwäbischen Tagblatt" |
Anmerkung: Insgesamt zehn Stolpersteine
wurden verlegt in der Mechthildstraße 32 für Albert Horkheimer (1873),
Rosa Horkheimer geb. Levi (1879), Gertrude Bauer geb. Horkheimer (1902, emigrierte
in die USA), Siegfried Bauer (1902), Lilian Bauer (1931); in der
Eberhardstraße 33 für Ferdinand und Jenny Horkheimer, in der
Königstraße 13 für Albertine Dierberger (1944 deportiert, überlebte),
in der Königstraße 73 für Rosa Berlizheimer und Sofie Berlizheimer
(1898). |
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Juli 2015:
Gedenkstele wird auf dem
Metzelplatz aufgestellt und weitere Informationen in der
Jahreshauptversammlung des Fördervereins Synagoge
Baisingen
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Artikel von Marly Scharnowsky im
"Schwarzwälder Boten" vom 13. Juli 2015: "Rottenburg Geplante
Gedenkstelle soll auf dem Metzelplatz entstehen
Rottenburg-Baisingen. Der Schloss-Saal in Baisingen war bei der
Jahreshauptversammlung des Fördervereins Synagoge Baisingen gut gefüllt mit
hochkarätigen Mitgliedern aus dem Stadt-, Gemeinde- und Ortschaftsrat.
Oberbürgermeister Stephan Neher eröffnete die Sitzung mit Grußworten, die
Vorstandsmitglieder Herr Zeiss und Herr Fuchs waren ebenfalls anwesend.
Geschäftsführer Hubert Dettling hielt einen Jahresrückblick. Die
25-Jahrfeier war ein großer Erfolg, eben so die durchgeführten, einzelnen
Veranstaltungen, wie Diskussionen, Führungen, Fachvorträge, Schulbesuche und
Konzerte. Neu zu besichtigen ist das Ritualbad in
Mühringen, es wurde revitalisiert und
verfügt über natürlich durchfließendes Wasser, wiederum ein Kleinod, das der
Öffentlichkeit zur Ansicht geboten wird. Die Synagoge stößt weiterhin auf
großes Interesse im In- und Ausland, es gibt auch ehemalig in Baisingen
geboren, jetzt in Amerika lebende Mitglieder des Vereins, die ihm jährlich
eine Spende zukommen lassen. Die Frage, ob man einen markierten Weg durch
Baisingen führen sollte oder könnte, etwa in Form von Stolpersteinen, stieß
auf mäßiges Interesse. Besser sichtbar wären Hinweistafeln. Stadträtin
Ursula Sieber, die fleißig an einer schwarz-gelben Socke strickte, warf ein,
dass die Tonanlage in der Synagoge dringend verjüngt werden müsse. Auf die
Frage der feuchten Wände und wie man das Problem beheben könnte, antwortete
Bürgermeister Weigel, dass es problematisch wird. Legt man die Wände
trocken, wären sie nicht mehr im Originalzustand, der Zustand muss
beobachtet werden und gegebenenfalls zeitnah eingegriffen werden. Laut
Statistik werden die Öffnungszeiten so wie sie sind, gut angenommen, relativ
selten kommen überraschend wirklich interessierte Besucher. Joachim Gölz
legte einen ausgeglichenen Kassenbestand vor mit den Worten: "Wir hatten
viele Veranstaltungen, echte Höhepunkte, Sie sehen, jeder Euro wurde gut
angelegt". Roland Gölz, in Vertretung von Horst Schuh, konnte den gesamten
Vorstand mit vier Enthaltungen entlasten. Eine Änderung der Satzung wurde
vorgestellt, lediglich die Sätze müssen umgestellt werden, haben aber
inhaltlich keinerlei Bedeutung. Die neu geplante Gedenkstelle soll auf dem
Metzelplatz aufgestellt werden; in Form einer Stele und eines Gedenksteines.
Ralf Emann wird die Skulptur erstellen, sie ist schlicht und doch
aussagefähig. Vorgesehen ist die Einweihung für den 6. September, dem
Gedenktag für jüdische Kultur. Allerdings sind noch einige Umbauarbeiten zu
tätigen, daher ist es nicht sicher, ob das Datum eingehalten werden kann. Da
sich einige Bewohner des Metzelplatzes zu dem Plan negativ geäußert hatten,
wurde ein Zusammentreffen auf dem Rathaus vereinbart. Es kamen zwei
Anlieger, die nichts gegen die Veränderung hatten. Das Bächle bleibt
erhalten, eventuell wird die Skulptur mit Wasser umspült. Die nächsten
Höhepunkte sind die Eröffnungsfeier der Gedenkstelle mitten in Rottenburg
und am 9. November die Gedenkfeier der Synagoge. Zu diesem Termin sind heute
schon die Schulen von Rottenburg eingeladen, um mit ihren Ideen und
Interpretationen die Feier mit zu gestalten."
Link zum Artikel |
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Mai 2016:
Gedenkstein zur Erinnerung an die jüdische
Geschichte Rottenburgs |
Information der Stadt Rottenburg (Seite
in der Website der Stadt): "Denkmal Jüdisches Leben in Rottenburg.
Brunnenanlage und mit herausgearbeiteten Bilddarstellungen gestaltete Steinsäule.
Drei Blöcke im Stein stehen für die drei Epochen jüdischen Lebens in Rottenburgs und ihre Spuren – Spuren von Verfolgung sowie vom Leben im Alltag. Auch die Figur eines "Fragenden" ist auf dem Denkmal abgebildet. Sie weist in die Zukunft und stellt sozusagen den Heutigen die Frage: "Welche Spuren wollen wir hinterlassen?"
Das Denkmal mit gestalteter Säule und Brunnenanlage, das seit April 2016 auf dem Metzelplatz steht, wurde von dem Rottenburger Künstler Ralf Ehmann entworfen.
Die Geschichte der Juden in Rottenburg in kurzen Zügen: Die erste Nennung eines jüdischen Rottenburgers lässt sich ins Jahr 1286 zurückverfolgen. Im Gefolge der Pest von 1348 wurden die Rottenburger Juden aus ihrer Stadt vertrieben. Eine erneute Niederlassung ab 1384 endete im späten 16. Jahrhundert, als Vorderösterreich die jüdische Bevölkerung aus dem Herrschaftsgebiet ausschloss. Erst nach dem Übergang an Württemberg ab 1806 siedelten sich wieder einige jüdische Familien in Rottenburg an. Ihre Geschichte endete unter dem NS-Regime mit Flucht und Deportation in den Jahren 1939 bis 1942." |
Siehe auch Website des Künstlers Ralf Ehmann:
https://www.ralfehmann.de/denkmal-juedisches-leben-in-rottenburg/
|
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,2 S.719. |
| H. Veitshans Historische Atlas 5, S.51-52.; 6, S. 5.26. |
| H. P. Müller Die Juden in der Grafschaft Hohenberg, in: Der Sülchgau 25 (1981)
S.36-43. |
| Frowald Gil Hüttenmeister, Der jüdische Friedhof in Wankheim 1995 (Grab 31 für den im Zuchthaus Rottenburg verstorbenen Max Kirschbaum) |
| Paula Kienzle: Spuren sichern für alle
Generationen: Die Juden in Rottenburg im 19. und 20. Jahrhundert.
Berlin 2008. |
| Stefan Lang: Ausgrenzung und
Koexistenz. Judenpolitik und jüdisches Leben in Württemberg und im
"Land zu Schwaben" (1492-1650). Reihe: Schriften zur
Südwestdeutschen Landesbunde. Band 63. Sigmaringen 2008. |
n.e.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|