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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Philippsburg mit
Oberhausen (Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen) (Kreis
Karlsruhe)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In der früheren fürstbischöflich-speyerischen Residenz-
und Festungsstadt Philippsburg (bis 1623: Udenheim) lebten Juden bereits im Mittelalter.
In einem Verzeichnis von 1337 wird Udenheim als jüdischer Wohnort genannt.
Mit dem Ausbau der Burg Udenheim zur Reichs- und Grenzfestung im 17. Jahrhundert
hielten sich im Gefolge der Marketender zahlreiche Juden in Philippsburg auf. So
gab es nach dem (1668 erschienenen "Simplicissimus" des Hans Jakob
Christoffel von Grimmelshausen) einen Juden in Philippsburg, der für den Romanhelden Pferd und Kleidung beschaffen
musste. Über die Verdienste des Juden Vaiß von Philippsburg (vielleicht
identisch im Simplicissimus genannten Juden) berichtet Berthold Rosenthal (siehe
Artikel unten). Während
der französischen Besatzung 1644 bis 1676 gab es keine Juden in der Stadt. 1683
waren es fünf jüdische Familien, mit denen die Entstehung der neuzeitlichen
Gemeinde begann.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war Philippsburg
Sitz eines Rabbiners. 1721 gab es 8 jüdische Haushaltungen: Vorsteher
Leeßer sowie die Familien des Elies, Abraham, Manhell, Pohr, Coschell, Gabriell
und der Witwe Sorle. Auf Grund der Verlegung der Residenz nach Bruchsal
ging die
Zahl der Juden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nochmals zurück: 1784 war nur eine jüdische Familie
in der Stadt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1810 10 jüdische Einwohner, 1825 24 (1,8 % von insgesamt 1.301),
1832 15, 1836 30, 1839 40, 1864 63, 1871 80, 1875 79 (3,3 % von insgesamt 2.407),
1885 70, 1895 67, 1900 57
(2,2 % von 2.546), 1910 51.
Zur jüdischen Gemeinde in Philippsburg gehörten seit 1895 auch die in Oberhausen
lebenden jüdischen Personen: Hier wurden seit der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts einige jüdische Einwohner gezählt (1890: 4, 1895 4, 1900 3, 1905
3, 1910: 10, 1925 7, 1932 4). An Gewerbebetrieben im Besitz jüdischer
Personen gab es in Oberhausen die Zigarrenfabrik Hoeber-Mandelbaum (die in
Mannheim lebenden Mitinhaber wurden 1911 zu Ehrenbürgern in Oberhausen
ernannt, siehe Mitteilung unten) sowie bis nach 1933 die Viehhandlungen Siegfried
Hene (Kolpingstraße 40) sowie die Sattlerei und Polsterei Benjamin Samuel
(Marienstraße 32).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden in Obergrombach, seit 1889 auf einem eigenen Friedhof
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein
Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war
(vgl. Ausschreibungen der Stelle unten). Unter den Lehrern ist insbesondere Moritz
Neuburger zu nennen, der von 1889 an fast 50 Jahre lang (bis 1938) als
Lehrer, Vorbeter und Schochet der jüdischen Gemeinde tätig war. 1827 wurde die
Gemeinde dem Rabbinatsbezirk Bruchsal zugeteilt.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Moritz Faber (geb.
16.5.1876 in Mertloch, gef. 1.7.1916), Hugo
Löb (geb. 27.4.1891 in Philippsburg, gef. 26.7.1916) und Unteroffizier Hugo
Neuburger (geb. 23.5.1897 in Philippsburg, gef. 27.3.1918). Ihre Namen wurden nachträglich 1985 auf dem
Gefallenendenkmal der Gemeinde eingetragen.
Um 1924,
als 60 Personen der jüdischen Gemeinde angehörten (2,2 % von insgesamt
etwa 2.800 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Samuel Gutmann, Karl
Löb II und Heinrich Löb. Als Religionslehrer, Kantor und Schochet war Moritz
Neuburger angestellt (bis 1938). Er unterrichtete damals fünf schulpflichtige
jüdische Kinder in Religion. Er war auch für die Filialgemeinde in Graben
zuständig. An jüdischen Vereinen bestand der Wohltätigkeitsverein Chewra
Kadischa (1924 unter Leitung von Nathan Löb mit 14 Mitgliedern). Zur
Gemeinde gehörten auch die damals sieben in Oberhausen lebenden
jüdischen Einwohner (1932 noch vier). 1932 waren die Gemeindevorsteher
weiterhin Samuel Gutmann und Karl Löb II, als 3. Vorsteher wird David Maier
genannt, als Schatzmeister Nathan Löb. Im Schuljahr 1931/32 waren drei
jüdische Kinder zu unterrichten.
An ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden Handels- und Gewerbebetrieben
in jüdischem Besitz sind bekannt: Eisen- und Manufakturwarenhandlung Gebr. Gutmann, Inh. Mathilde Faber (Weiße-Tor-Straße
3), Mehl- und Landsproduktenhandlung Jenny Gutmann (Kronenwerkstraße 9), Landesproduktenhandlung Samuel Gutmann (Söternstraße
19), Händler Karl Herrmann (Rote-Tor-Straße 11), Viehhandlung Heinrich Löb
(Zeughausstraße 39), Zigarrenfabrik David Meier (hohe Scheune hinter
Kronenwerkstraße 3), Viehhandlung Samuel Samuel (Söternstraße 27, abgebrochen).
1933 lebten noch 50 jüdische Personen in Philippsburg. Auf Grund der
zunehmenden Repressalien und der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts verließen
viele von ihnen in den folgenden Jahren den Ort, ein Teil konnte
emigrieren. Drei der jüdischen Einwohner starben in den Jahren nach 1933 in
ihrem Heimatort, 22 emigrierte in die USA, nach Luxemburg, England, Schweden und
Italien. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge angezündet (s.u.).
Der jüdische Lehrer Moritz Neuburger wurde wie die anderen jüdischen Männern verhaftet.
Er selbst wurde auf Grund seines Alters jedoch nicht wie die anderen in das KZ Dachau
eingeliefert (Auskunft von A. Futterer, Philippsburg vom 16.1.2019). 1940 lebten noch 21 jüdische Personen in Philippsburg, die
am 22. Oktober in das südfranzösische KZ Gurs deportiert wurden. Von ihnen
haben sechs überlebt, drei starben im Lager Gurs, einer im Lager Noe;
mindestens sechs wurden nach Auschwitz deportiert.
Von den in Philippsburg geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Walter Berberich (1909), Max Bierig (1893), Berta
Gutmann geb. Dreifuss (1873), Martha Gutmann (1909), Nathan
Gutmann (1865), Betty Hess geb. Loeb (1865), Henrietta Holz geb. Gutmann (1875), Paula
Kaufmann geb. Maier (1902), Sophie Levy geb. Gutmann (1872), Arthur Loeb (1889),
Barbara (Babette) Löb (1860), Flora Löb (1892),
Hilda Loeb geb. Loeb (1893), Johanna Löb (1886),
Karoline Löb geb. Löb (1886), Moritz Löb (1885), Pauline Löb
(1875), Rosa Löb (1895), Sofie (Sara) Löb geb. Levy (1882), Nanette Neuburger
geb. Holz (1867), Rebekka Neuburger (1902), Sally Neuburger (1902), Lotte Samuel (1912), Samuel Samuel (1888), Thekla Samuel geb.
Hene
(1882), Heinrich Wildmann (1888), Hugo Max Wildmann (1924), Rebekka
Wildmann geb. Neuburger (1895).
Der ehemalige jüdische Lehrer Moritz Neuburger (geb. 1869; seit 1889
Lehrer in Philippsburg) wurde wie alle anderen noch in Philippsburg lebenden
Juden am 20. Oktober 1940 zusammen mit seiner Familie nach Gurs deportiert. Er
überlebte die Zeit im Lager und kam nach einigen Heimaufenthalten in Frankreich
nach 1945 wieder zurück nach Baden (Heidelberg). Als Mitglied des Israelitischen
Oberrats besuchte er öfters seinen Heimatort. Er wurde 1954 auf dem
jüdischen Friedhof als letzter
beigesetzt.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1843 / 1849 /
1850 / 1853 / 1855 / 1885 /
1889
Anzeige
in der "Karlsruher Zeitung" vom 10. August 1843: "Philippsburg.
(Lehrergesuch.). Die israelitische Gemeinde zu Philippsburg bedarf eines
Lehrers, der zugleich als Vorsänger und Schächter bestehen kann. Der Dienst
trägt jährlich 50 fl. fixen Gehalt und 50 bis 60 fl. Nebenverdienst, nebst
freier Kost und Logis, und ist bis den 10. September dieses Jahres zu
besetzen. Lusttragende rezipierte badische Schulkandidaten können sich an
Unterzeichneten mündlich binnen 4 Wochen von heute an melden.
Philippsburg, den 7. August 1843. Synagogenrat. Ullmann Löw."
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Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 16. Juni 1849 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Die mit einem festen Gehalte von 135 fl. und einem
jährlichen Schulgelde von 48 kr. für jedes die Religionsschule
besuchende Kind und dem Vorsängerdienste samt den davon abhängigen
Gefällen verbundene Religionsschulstelle bei der israelitischen Gemeinde Philippsburg,
Synagogenbezirkes Bruchsal, ist sogleich zu besetzen.
Die berechtigten Bewerber um dieselbe werden daher aufgefordert, mit ihren
Gesuchen unter Vorlage ihrer Aufnahmeurkunden und der Zeugnisse über
ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel binnen 6 Wochen mittelst des
betreffenden Bezirksrabbinats sich alsbald bei der Bezirkssynagoge
Bruchsal zu melden.
Bei dem Abgange von Meldungen von Schul- und Rabbinatskandidaten können
auch andere inländische befähigte Subjekte, nach erstandener Prüfung
bei dem Bezirksrabbiner zur Bewerbung zugelassen werden." |
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Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 20. Februar 1850 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Die mit einem festen Gehalte von 135 fl.
nebst freier Wohnung und Akzidenzien, dem Vorsängerdienste samt den davon abhängigen
Gefällen verbundene Religionsschulstelle bei der israelitischen Gemeinde Philippsburg,
Synagogenbezirks Bruchsal ist sogleich zu besetzen.
Die berechtigten Bewerber um dieselbe werden daher aufgefordert, mit ihren
Gesuchen unter Vorlage ihrer Aufnahmeurkunden und der Zeugnisse über
ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel binnen 6 Wochen mittelst des
betreffenden Bezirksrabbinats bei der Bezirkssynagoge Philippsburg zu
Bruchsal sich zu melden.
Bei dem Abgange von Meldungen von Schul- und Rabbinatskandidaten können
auch andere inländische befähigte Subjekte, nach erstandener Prüfung
bei dem Bezirksrabbiner zur Bewerbung zugelassen werden." |
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Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 13. August 1853 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Vakante Schulstellen. Die mit einem festen Gehalte von 135
fl. und einem jährlichen Schulgelde von 48 kr. für jedes die
Religionsschule besuchende Kind und dem Vorsängerdienste samt den davon abhängigen
Gefällen verbundene Religionsschulstelle bei der israelitischen Gemeinde Philippsburg,
Synagogenbezirks Bruchsal ist zu besetzen.
Die berechtigten Bewerber um dieselbe werden daher aufgefordert, mit ihren
Gesuchen unter Vorlage ihrer Aufnahmeurkunden und der Zeugnisse über
ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel binnen 6 Wochen mittelst des
betreffenden Bezirksrabbinats bei der Bezirkssynagoge Bruchsal sich zu melden.
Bei dem Abgange von Meldungen von Schul- und Rabbinatskandidaten können
auch andere inländische befähigte Subjekte, nach erstandener Prüfung
bei dem Bezirksrabbiner zur Bewerbung zugelassen werden." |
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Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 7. Februar 1855 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Die mit einem festen Gehalte von 135
fl. und einem jährlichen Schulgelde von 48 kr. für jedes die
Religionsschule besuchende Kind und dem Vorsängerdienste samt den davon abhängigen
Gefällen verbundene Religionsschulstelle bei der israelitischen Gemeinde
Phillipsburg, Synagogenbezirks Bruchsal, ist zu besetzen.
Die berechtigten Bewerber um dieselbe werden daher aufgefordert, mit ihren
Gesuchen unter Vorlage ihrer Aufnahmeurkunden und der Zeugnisse über
ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel binnen 6 Wochen mittelst des
betreffenden Bezirksrabbinats bei der Bezirkssynagoge Bruchsal sich zu melden.
Bei dem Abgange von Meldungen von Schul- und Rabbinatskandidaten können
auch andere inländische befähigte Subjekte, nach erstandener Prüfung
bei dem Bezirksrabbiner zur Bewerbung zugelassen werden." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Februar 1885:
"Die mit freier Wohnung, einem festen Gehalt von 600 Mark und den
üblichen Akzidenzien im Betrage von ca. 400 Mark verbundene Stelle eines
Religionslehrers, Kantors und Schächters in Philippsburg soll baldigst
wieder besetzt werden. Verheiratete Lehrer werden bevorzugt. Mit
beglaubigten Zeugnissen versehene Meldungen sind unverzüglich an die
unterzeichnete Stelle einzusenden.
Bruchsal, 10. Februar 1887. Die Bezirkssynagoge." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. April 1889:
"Die mit freier Wohnung, festem Gehalt von 500 Mark und
Nebeneinnahmen im Betrage von 400 Mark verbundene Stelle eines
Religionslehrers, Kantors und Schächters in Philippsburg soll baldigst,
womöglich mit einem unverheirateten, seminaristisch gebildeten Lehrer
besetzt werden. Mit derselben ist der einen Beitrag von 250 Mark
gewährende Filialdienst in Graben
verbunden. Bewerbungen mit Zeugnissen in beglaubigter Abschrift belegt,
sind an den Unterzeichneten zu richten.
Bruchsal, 27. März 1889. Die Bezirkssynagoge:
Dr. J. Eschelbacher". |
40-jähriges Ortsjubiläum von Lehrer Moritz Neuburger
(1929)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Juli 1929: "Philippsburg,
8. Juli (1929). Am 15. Juli dieses Jahres kann Herr Lehrer Neuburger auf
eine 50-jährige Tätigkeit in der hiesigen Israelitischen Gemeinde
zurückblicken." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
"Während des Dreißigjährigen Krieges" - Ein Beitrag zur
Heimatgeschichte der badischen Juden. Von Berthold Rosenthal
Artikel
in der Monatsschrift des "Central-Vereins" - Februar 1926: - Auszüge,
Philippsburg betreffend zitiert -
"Im 17. Jahrhundert gab es Zeiten, wo jeder Unterschied zwischen
Juden und Christen, insbesondere die Ungleichheit ihrer Rechtslage,
aufgehört hatte. Das war während des Dreißigjährigen Krieges. In den
Ländern, in denen die Kriegsfurie wütete, war damals die Not eine
allgemeine; Jude und Christ nahmen gleichmäßig an ihr teil. Kein Wunder,
wenn alle, ohne Ausnahme, in erster Linie darauf bedacht waren, in diesem
wirren durcheinander, in einer Zeit, in der jede gesellschaftliche Ordnung
zu bestehen aufgehört hatte, ihr Leben zu erhalten und möglichst ihren
persönlichen Vorteil zu wahren. Der Wahlspruch des Bauern in
'Wallensteins Lager': 'Nehmen sie uns das Unsere in Scheffeln, Müssen
wir's wiederbekommen in Löffeln' war die allgemeine Losung und richtete
sich nicht nur gegen die herumschweifenden Soldaten und Marodeure. Es ist
eine Verkennung und Entstellung geschichtlicher Tatsachen, wenn man
einseitig die Juden während dieser Zeit selbstsüchtiger Handlungen und
unlauterer Ausnützung der allgemeinen Notlage beschuldigt.
Besonders unsere Heimat wurde zu Beginn des unseligen Krieges, am meisten
jedoch in seinen letzten Jahren schwer heimgesucht. Die beste Schilderung
kultureller Zustände jener Zeit, Grimmelshausens trefflicher
'Simplicissimus', gibt ein getreues Spiegelbild der leiblichen und
seelischen Nöte des zu Ende gehenden Krieges in unserer Heimat. Denn der
Verfasser, der in den letzten Jahren des Krieges als Soldat das badische
Land durchstreifte und nach Friedensschluss in Renchen lebte, hatte die
Verheerung mit eigenen Augen mitangesehen. An mehreren Stellen seines
Romans, der größtenteils des Dichters Erlebnisse schildert, lässt er
auch Juden auftreten. So in der Reichsfestung Philippsburg, wo ein
Jude beauftragt wird, für den ganz heruntergewirtschafteten
Simplicissimus Pferde und Kleider zu beschaffen. Die Juden mussten den
Soldaten ihre Beutestücke abkaufen und waren, um üblichen Folgen zu
entgehen, darauf bedacht, diese Gegenstände im gegnerischen Lager wieder
loszuwerden. Grimmelshausen bring hierfür folgendes Beispiel: 'Nach
Mitternacht ritten wir (mit erbeuteten Pferden) weiter und kamen gegen
Mittag an die äußersten Grenzen der Schweizer. Und dieweil wir uns
lustig machten, schickte der Wirt nach zwei Juden, die uns die Pferde
gleichsam nur um halb Geld abhandelten. Der Juden größte Frage war, ob
die Pferde kaiserisch oder schwedisch gewesen, und als sie vernahmen, dass
sie von den Weimarischen herkämen, sagten sie: 'So müssen wir solche
nicht nach Basel, sondern in das Schwabenland zu den Bayerischen reiten',
über welche große Kundschaft und Vertraulichkeit ich mich nicht wenig
verwundern musste.'
...
Damit diesem Kulturbild das Gegenstück nicht fehle, sei noch von dem Juden
Vehns (Vaiß) in Philippsburg - es mag dies der Jude von Philippsburg
sein, den Grimmelshausen im 'Simplicissimus' erwähnt - berichtet: Vehns
bat als bischöflich speyerischer Schutzjude bald nach Kriegsende den
badischen Markgrafen um Bewilligung eines Jahresgeleits im badischen
Ländchen und gab als besondere Begründung an: er sei, wie bekannt,
während des Krieges für die badischen Untertanen, die viel in
Philippsburg amtlich zu tun hatten, bei dem französischen Gubernatore und
anderen hohen Offizieren eingetreten, er habe ihnen auch mit Geld
vorgeholfen, einiges Interesse (Zins) aber daraus niemals empfangen, auch
kein begehrt. Da sein Gesuch unbeantwortet blieb, legte er das Zeugnis
einer Reihe von Gemeindeschultheißen vor, die folgendes bekundeten: Ihre
Gemeinden hätten in der Zeit, da Philippsburg von den Franzosen besetzt
war, viel unterschiedliche Lohndienste leisten müssen. Es sei
vorgekommen, dass die Kontributionen nicht pünktlich entrichtet werden
konnten, 'wodurch entweder wir oder gemeldete Bürgermeister mit Reiter
oder Musketieren abgeholt, nach besagtem Philippsburg gefänglich geführt
und daselbsten entweder arrestiert oder ins Gefängnis geführt worden
sind'. In solchen Fällen sei nun Vaiß, der der französischen Sprache
mächtig war, ihr Fürsprecher gewesen und habe ihnen alle Hilfe
geleistet. Nach Beendigung des Krieges besorgte er den Gemeinden zur
Abtragung ihrer Kriegsauflagen, in einer Zeit, wo sie 'in anderen Orten in
schneller Eil kein Geld zu entlehnen gewusst hätten', die nötige Summe.
Deshalb baten die Schultheißen von Linkenheim, Neureut, Schreck,
Hochstetten, Graben, Liedolsheim und Russheim 'für gemeldeten Fleiß des
Juden und für seine erzeugte Freundschaft' seinem Ersuchen zu
entsprechen. Trotz alledem wurde das Gesuch abgelehnt." |
Antisemitenversammlung in Philippsburg (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. November 1891:
"Aus Baden. Es ist wirklich zu verwundern, wie die Antisemiten
überall ihr kühnes Haupt emporheben, selbst da, wo Fürst und Regierung
es offen dargetan haben, wie sehr ihnen an dem konfessionellen Frieden
gelegen ist. So hat in neuester Zeit ein Bahnassistent versucht, die Saat
der Zwietracht nach der Gemeinde Philippsburg zu säen. In einer
Hetzversammlung wurden die Juden für alles Unheil, das in der Welt
vorkommt, verantwortlich gemacht und so roh in den abschreckendsten Farben
geschildert, zum größten Erstaunen der Philippsburger, die bisher an
ihren israelitischen Mitbürgern so schlimme Eigenschaften nicht
wahrgenommen hatten. Dies ist auch der Grund, dass die Urheber der
Versammlung nur ein trauriges Fiasko machten." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Die Mitinhaber der Zigarrenfabriken Hoeber-Mandelbaum werden in Oberhausen zu
Ehrenbürgern ernannt (1911)
Anmerkung: im Gemeinderat der Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen wurde am
27.9.2010 darüber diskutiert, im neuen Gewerbegebiet Hammelsäcker-Südzucker
die innere Erschließungsstraße Hoeber-und-Mandelbaum-Straße zu nennen.
Erinnert wurde daran, dass die beiden Fabrikanten mit ihrer Zigarrenfabrik
zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen haben. Nach einer Abstimmung im Gemeinderat
erhielt von insgesamt vier Vorschlägen der Vorschlag "Hoeber-und-Mandelbaum-Straße"
die Mehrheit.
Mitteilung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 13. Januar
1911: "Mannheim. Die Mitinhaber der Zigarrenfabriken Hoeber-Mandelbaum
dahier wurden von der Gemeinde Oberhausen zu Ehrenbürgern
ernannt." |
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Informationen von Paul Theobald, Frankenthal
vom 8.7.2016 und vom 8.10. zu den Zigarettenfabrikanten Gustav Mandelbaum
und Theodor Höber:
Gustav Mandelbaum (geb. 28. Dezember 1847 in Frankenthal)
war seit dem 25. Januar 1873 in Mannheim verheiratet mit Clementin(e) Rosette
geb. Höber (geb. 17. Januar 1848 in Mannheim als Tochter von Wilhelm
Höber und Sophie Maria Pauline geb. Hirschhorn). Gustav Mandelbaum war
Zigarrenfabrikant wie auch Theodor Höber, der Bruder von
Clementine; Theodor Höber ist am 7. Oktober 1846 in Mannheim geboren.
Gustav Mandelbaum verstarb am 17. September 1903 in Mannheim, seine Ehefrau am
15. November 1917. Aus der Ehe von Gustav und Clementin(e) Rosette Mandelbaum geb. Höber gingen
vier Kinder hervor: Wilhelm (geb. 22. April 1874 in Mannheim, nach
den Deportationen der NS-Zeit umgekommen); Emma (geb. 20. Mai 1875 in Mannheim, verheiratet mit Robert
Kahn); Karl (geb. 8. September 1877 in Mannheim; am
22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert, umgekommen am 23. November 1941 im Lager Récébédou);
Johanna (geb. 26. April 1879 in Mannheim, verheiratete Herz; wohnte
mit Ehemann in Mainz, deportiert [mit Ehemann] von Darmstadt aus am 27.
September 1942 in das Ghetto Theresienstadt, wo sie am 2. Januar 1943
umgekommen ist).
Theodor Höber war verheiratet mit Marie Jeanette geb. Nauen (geb.
6. August 1856). Die beiden hatten drei Kinder: Ernst, Helene
(verh. Cohn) und Anna (verh. Strassburger). Theodor Höber starb am
19. Februar 1886 in Mannheim. |
Über die Verleihung der Ehrenbürgerwürde
an die Fabrikanten Höber und Mandelbaum siehe auch Josef Rothmaier:
Oberhausen-Rheinhausen - ein heimatgeschichtliches Lesebuch. Band II. 2.
Auflage 2016. S. 88. Link. |
Zum Tod von Norbert Gutmann (1932)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juli 1932:
"Philippsburg (Baden), 15. Juli. Tiefste Trauer löste innerhalb
unserer Gemeinde die Nachricht aus, dass ein Herzschlag dem Leben eines
unterer treuesten Mitglieder, Herrn Norbert Gutmann, ein jähes Ende
bereitete. Der Verstorbene, der nur ein Alter von 46 Jahren erreichte, war
Inhaber des gleichnamigen Mehl- und Landesproduktengeschäftes. Sein Tod
riss eine große Lücke in unsere Reihe. Er versah das Amt eines
Hilfsvorbeters und war einer der besten und pünktlichsten
Synagogenbesucher. An seiner Bahre entwarf Herr Lehrer Neuberger von hier
ein getreues Lebensbild des Verstorbenen. Mit beredten und tief
empfundenen Worten schilderte er dessen wahre Religiosität und sein
festes Gottvertrauen. Die Wertschätzung, die er genoss, zeigte sich dann
auch an der stattlichen Beteiligung bei der Beisetzung, die auch von
Seiten der nichtjüdischen Bevölkerung kam. - Möge Gott den
Hinterbliebenen Trost spenden und unsere kleine Gemeinde vor weiterem
Verlust bewahren. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Erinnerung an die Deportation in das südfranzösische
Internierungslager Gurs im Oktober 1940: Grabstein für Bertha Martha Gutmann
geb. Dreifuss in Gurs
Grabstein
im Friedhof des ehemaligen Internierungslagers Gurs für
Bertha Martha Gutmann (statt Guttmann) geb. Dreifuss,
geb. am 5. Juni 1867 in Schmieheim, später wohnhaft in
Philippsburg,
am 22. Oktober 19409 nach Gurs deportiert, wo sie am 18. Dezember 1940
umgekommen ist. |
Weitere Dokumente
Brief
an Seligmann Gutmann
in Philippsburg (1867)
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries) |
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Der Brief wurde am
13. September 1867 von J. (Joel?) Wolf aus Rohrbach
bei Heidelberg
an Seligmann Gutmann in Philippsburg geschickt. |
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Über Einrichtungen der jüdischen
Familien bis zum 18. Jahrhundert gibt es keine Informationen, wenngleich man in
der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Anwesenheit eines Rabbiners) von einem
in der Stadt vorhandenen Betsaal ausgehen kann.
Am Anfang des 18. Jahrhunderts werden die damals
noch wenigen jüdischen Einwohner (1825 24, 1836 30, 1839 40 Personen) wiederum
einen Betsaal in einem der jüdischen Häuser eingerichtet haben. Ende
der 1830er-Jahre beschloss die langsam größer werdende jüdische Gemeinde,
eine Synagoge zu bauen. 1840 konnte man ein geeignetes Anwesen an der
Alten Kirchenstraße mit darauf stehenden Gebäuden erwerben. Es handelte sich
um ein einstockiges Wohnhaus mit einer steinernen Stallung und einer Scheune,
die bislang dem Ackermann Paul Walter und seiner Frau Anna gehörten. Den
Kaufvertrag unterzeichnete am 10. September 1840 von Seiten der jüdischen
Gemeinde deren damaliger Vorsteher Ullmann Löb. Vereinbart wurde, dass das
Ehepaar Walter auf Ostern 1841 die Scheune und auf Pfingsten 1841 das Wohnhaus räumen
sollte. Bis Ostern 1841 war auch die Bezahlung der ausgemachten Summe in Höhe
von 1.000 Gulden fällig. Im Laufe der darauf folgenden Monate wurde die neue
Synagoge erstellt und am 10. Dezember 1841 feierlich eingeweiht. Anwesend war
Bezirksrabbiner Präger aus Bruchsal.
Die Einweihung der Synagoge (1841)
Artikel
in der "Karlsruher Zeitung" vom 17. Dezember 1841:
"Philippsburg, 11. Dezember (1841). Wir waren gestern hier
Zeugen einer Feier, der wir unserer auswärtigen Freunde und Gönner wegen
hier öffentlich erwähnen wollen. Die israelitische Gemeinde feierte die
Einweihung ihrer neuen Synagoge. Längst war das Bedürfnis einer solchen
fühlbar, da die vorhandene zur Aufnahme ihrer Besucher bereits zu klein und
überdies dem Verfalle nahe war. Die Gemeinde war also zur Herstellung eines
anderen Gotteshauses gezwungen. Sie entschloss sich zu einem Neubaue und
wurde hierin von ihren auswärtigen Religionsgenossen reichlich unterstützt.
Eine unbekannte Hand aus Karlsruhe sandte allein 200 fl. ein. Dieses Gebäude
wurde vor einigen Wochen fertig und enthält eine recht freundliche,
geräumige 'Synagoge. Die Einweihung wurde auf den 10. dieses Monats
festgesetzt. Schon am Abend zuvor traf zu diesem Zwecke, nebst vielen
Religionsverwandten aus der Nähe und Ferne, der Herr Bezirksrabbiner Präger
jun. von Bruchsal hier ein. An dem zur Feier festgesetzten Tage, Nachmittags
1 Uhr, versammelte sich die Gemeinde noch ein Mal in der alten Synagoge, und
nachdem hier der Herr Rabbiner eine kurze Rede zum abschiede gesprochen
hatte, setzte sich die Versammlung in Bewegung, um in feierlichem Zuge zur
neuen Synagoge überzugehen. Voran gingen zwei Fahnenträger, die Sänger mit
der Musik; dann kam ein Mädchen, welches die Schlüssel zur neuen Synagoge
auf einem seidenen Kissen trug; auf dieses folgte unter einem von 4 Männern
getragenen Himmel (= Chuppa, Baldachin, vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Chuppa) der Herr Rabbiner, nebst dem
Vorsteher der Gemeinde mit den Torarollen; hieran schlossen scih in langem
Zuge die Vorsteher der Stadt, alle Glieder der israelitischen Gemeinde,
sowie die vielen auswärtigen Glaubensgenossen. Vor der neuen Synagoge
angekommen, öffnete der Herr Rabbiner unter Gebeten die Tore und trat zuerst
ein; ihm folgte der ganze Zug, sowie viele Honoratioren der Stadt, die
geistlichen und weltlichen Beamten. Nach mehreren gebeten, Gesängen und
Zeremonien legte der Herr Rabbiner die Torarollen in die heilige Lade,
bestieg die Kanzel und hielt eine gehaltvolle, sehr passende Rede, die mit
einem rührenden Gebete für den Regenten, die großherzogliche Regierung, die
die Wohltäter der neuen Synagoge und für die ganze Gemeinde endete und
allgemeinen Beifall fand. Diese Feier, welcher die Glaubensgenossen mit
sichtbarer Rührung beiwohnten, wird lange in Vieler Andenken bleiben. Möchte
sie auch von reichlichem Segen begleitet sein " |
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Dank des Synagogenrates anlässlich
der Einweihung der neuen Synagoge (1841) |
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in der "Karlsruher Zeitung" vom 23. Dezember 1841: "Philippsburg.
Danksagung. Der unterzeichnete Synagogenrat zu Philippsburg fühlt sich
verpflichtet, sowohl dem hochlöblichen Amtsvorstande und Amtspersonale, als
auch der hochwürdigen Geistlichkeit dahier und der Umgegend, ebenso dem
geehrten Gemeinderat und unsern geliebten Mitbürgern für die bei unserer den
10. Dezember dieses Jahres stattgehabten Einweihung der neue erbauten
Synagoge gezeigte Teilnahme und Unterstützung den herzlichsten und innigsten
Dank hier öffentlich zu bekennen.
Wir wissen diese Gewogenheit und Liebe nicht besser zu würdigen, als wenn
wir zu unserm Gott beten, er möge den frommen Sinn unserer Vorgesetzten und
Mitbürger erhalten und stärken, und die uns bewiesene Freundschaft durch
Glück und Segen wohnen.
Philippsburg, den 13. Dezember 1841. Der
Synagogenrat. Namens der israelitischen Gemeinde dahier: Ullmann Löb".
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Versicherungsvertrag (Feuerversicherung) für die neue Synagoge (1841)
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(Quelle:
Gemeindearchiv Philippsburg). Von Seiten der jüdischen Gemeinde wurde der
Vertrag von Ullmann Löb unterzeichnet.
Inhalt: Stadtarchiv Philippsburg (StA Ph) - A 1148 – Feuerversicherung
1803-1858 - A 1148.01 – 03.01.1842 – Einschätzung der Synagoge
"Die Fundamente sowie die an den Seitenmauern befindliche Sandsteine
Abschätzung des Kostenaufwands: Maurer und Stuckateurarbeit = 175 Gulden
- Steinhauerarbeit = 55 Gulden - Zimmermannsarbeit = 125
Gulden - Dachdeckerarbeit = 75 Gulden -
Schlosserarbeit = 30 Gulden - Glaserarbeit = 55 Gulden -
Summe aller vorstehenden Rubriken = 615 Gulden
Zustand und Alter des Gebäudes: neu erbaut
Abgeschätzt: Philippsburg, den 3. Januar 1842 Norbert Rau
Kasp. Reiff Georg Joseef Killian
Die geschehene Eröffnung vorstehender Taxation bestätigt: Ullmann Löb
Zur Beglaubigung vorstehender Unterschriften: Philippsburg den 3.
Januar 1842 Der Bürgermeister Heintz". |
Die Synagoge stand (nach den von Eintragungen im
Lagerbuch der Stadt von 1901) auf einem 3,58 ar großen Grundstück
(davon 2,61 ar Hofraite und 0,97 ar Hausgarten), auf dem sich ein einstöckiges Wohnhaus mit
gewölbtem Keller und einer Dachwohnung, ein Anbau mit gewölbtem Keller, eine
einstöckige Synagoge und ein Badhaus befanden. Das Wohnhaus (im Lagerbuch auch als "Schulhaus"
bezeichnet) war vermutlich das 1840 gekaufte Haus der Eheleute Walter (siehe
oben). Es wurde
von der jüdischen Gemeinde als Schule für den Religionsunterricht der Kinder
und für die Lehrer-/Vorsängerwohnung genutzt. Bei der einstöckigen Synagoge
handelte es wahrscheinlich um einen völligen Neubau oder um den Umbau eines der
1840 erworbenen Nebengebäude. Im "Badhaus" war das rituelle Bad untergebracht.
Die Adresse des Grundstückes an der Ecke Weißetorstraße/Alte Kirchenstraße
war 1932: Alte Kirchenstraße 17.
Trotz des langsamen Rückgang der Zahl der jüdischen
Gemeindeglieder in Philippsburg (1925/33 noch 50 Personen) wurden in der
Synagoge bis 1938 Gottesdienste gefeiert, da auch die in einigen Orten der
Umgebung lebenden jüdischen Familien die Synagoge in Philippsburg besuchten
(unter anderem die die in Oberhausen, heute Oberhausen-Rheinhausen lebenden jüdischen
Familien.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde
die Synagoge von SA-Leuten aus Philippsburg und Bruchsal geplündert und angezündet.
Die Feuerwehr war anwesend, schützte aber nur die Nachbargebäude. Vermutlich
der einzige, der sich bei der Feuerwehr beschwerte, weil sie keine Anstalten zum
Löschen machte, war der frühere, 1933 von den Nationalsozialisten abgesetzte Bürgermeister
Oskar Zimmermann. Die Synagoge brannte völlig aus und blieb danach noch einige
Wochen als Ruine stehen. Mit Kaufvertrag vom 8. Februar 1939 gingen das Grundstück
und die Reste der Gebäude in den Besitz eines örtlichen Maurermeisters über.
Von Seiten der Israelitischen Gemeinde unterzeichnete dabei Vorsteher Samuel
Gutmann. Der Kaufpreis betrug 2.400 Gulden. Wenig später kam das Grundstück an die Firma
Rodi & Wienenberger (Pforzheim), die auf einem Nachbargrundstück bereits längere
Zeit eine Fabrikbetrieb hatte. Diese Firma war in der NS-Zeit für die Rüstungsindustrie
tätig. Noch im Frühjahr 1939 wurde das Grundstück der ehemaligen Synagoge mit
einem Erweiterungsbau von Rodi & Wienenberger überbaut.
Die Fabrikanlagen der Firma Rodi & Wienenberger blieben
bis in die 1970er-Jahre bestehen und wurden schließlich abgebrochen (die
letzten Gebäude 1981). Am 26. November 1968 wurde eine Gedenktafel zur
Erinnerung an die Synagoge an dem an ihrer Stelle stehenden Gebäude angebracht.
Rektor Willi Hartmann hielt die Gedenkrede. Für den Oberrat der Israeliten
sprach Leopold Ransenberg. Gesangverein Liederkranz und die Kapelle des
Musikvereins aus Philippsburg umrahmten musikalisch die Gedenkveranstaltung. Das
Anwesen wurde einschließlich des ehemaligen Synagogengrundstückes in den
1980er-Jahren mit einer Wohnanlage völlig neu überbaut. Die Gedenktafel von
1968 wurde nach Fertigstellung der Wohnanlage an dem neuen Gebäude wieder
angebracht.
Fotos
Historische Fotos/Darstellungen:
Historische Fotos sind nicht bekannt, eventuelle
Hinweise bitte an den Webmaster von Alemannia Judaica,
Adresse siehe Eingangsseite |
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Skizze der ehemaligen Synagoge
in Philippsburg
(Quelle: K. Odenwald) |
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Foto um 1965
(Quelle: Hundsnurscher/Taddey
s. Lit. Abb. 173 bzw.
Hauptstaatsarchiv Stuttgart) |
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Bei dem
abgebildeten Gebäude handelt es sich um einen Teil der ehemaligen
Fabrikgebäude der Firma Rodi & Wienenberger, die an sich nichts mit
der ehemaligen
Synagoge zu tun haben. Von der genannten Firma wurde 1939
das Grundstück der ehemaligen Synagoge neu überbaut, das sich hinter
diesem Gebäude an Stelle eines
Verlängerungsbaus des etwas höheren
Gebäudes (Foto rechts) befand. |
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Fotos um 1985
(Fotos: Hahn) |
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Neubebauung des obigen Grundstückes an der Ecke Weißetorstraße / Alte
Kirchenstraße
Ende 1983: das kleine Haus links ist noch
erhalten (siehe Foto oben) |
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Fotos 2003
(Fotos: Hahn,
Aufnahmedatum 9.12.2003) |
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Die Neubebauung am
früheren Synagogenstandort |
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Die Gedenktafel
rechts oberhalb des Einganges (Haus Nr. 14) mit einer
Skizze der
Philippsburger Synagoge (Foto rechts von Michael Ohmsen) |
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Hinweis:
Zwei Fotos - in höherer Auflösung - vom Frühjahr 2011 auf der
Fotoseite
von Michael Ohmsen mit einer Seite
zu Philippsburg |
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Denkmal für die
Gefallenen
des Ersten Weltkrieges
(Fotos von Michael Ohmsen, Mai 2011) |
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Auf dem Denkmal
stehen seit 1985 (nachgetragen) auch die Namen der drei
jüdischen Gefallenen aus Philippsburg: Moritz Faber, Hugo Löb und Hugo
Neuburger;
diese Fotos in hoher Auflösung über die Fotoseite
von Michael Ohmsen. |
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Germania Judaica II,2 S. 655-656. |
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 237ff (die hier zur Synagogengeschichte, vor allem im Blick auf das
Novemberpogrom 1938 und die Zeit nach 1938/45 gemachten Angaben konnten
nicht bestätigt werden und entsprechen nach eindeutigen Zeugenaussagen
nicht den Tatsachen). |
| Konrad Odenwald: Das Schicksal der jüdischen Synagogengemeinde
Philippsburg, in: Heimatbuch Philippsburg. S. 194-204. |
| Pinkas Hakehillot. Encyclopaedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany.
Württemberg - Hohenzollern - Baden. Ed. Joseph Walk. Hg. von Yad Vashem.
Jerusalem 1986 (hebräisch) S. 421-423. |
| Jürgen Stude: Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe.
Karlsruhe 1990. |
| Mündliche Angaben von Ekkehard Zimmermann, Philippsburg. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Philippsburg. The 14th
century Jewish community was destroyed in the Black Death persecutions of
1348-49. Jews were again present in the first half of the 17th century, but most
left when the seat of the bishopric was transferred to Bruchsal in 1723. Many
again left in the second half of the 18th century. The community revived in the
19th century, reaching a population of 94 in 1842. In 1933, 45 Jews remained.
Among their businesses were a big wholesale firm for farm produce, a cigarette
factory and a printing press. Most Jewish businesses were closed and by November
1938 11 Jews had left Germany. Another eight left after Kristallnacht (9-10
November 1938), when the synagogue was set on fire. On 22 October 1940, the last
21 Jews werde deported to the Gurs concentration camp, where 15 perished.
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