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Jestädt (Gemeinde
Meinhard, Werra-Meißner-Kreis)
Jüdische Geschichte / Jüdischer Friedhof
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinden in Jestädt und Eschwege
Zur jüdischen Geschichte
von Eschwege siehe Seite
zur Synagoge in Eschwege (interner Link)
In Jestädt gab es zeitweise eine kleine jüdische Gemeinde innerhalb des
Zeitraumes vom 17. bis zu ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zuletzt als
Filialgemeinde zu Gemeinde in Eschwege. Nach einem vorliegenden Bericht war sie
sogar von gewisser Bedeutung, da hier einige angesehene jüdische Gelehrte
lebten. Es dürfte auch ein Betraum beziehungsweise eine Synagoge vorhanden
gewesen sein. Der genannte Bericht ist von 1861, als der letzte jüdische
Einwohner Jestädts starb und auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt wurde. Der
Inhalt des Berichtes ist, was die historisch-präzise Darstellung betrifft, mit
gewisser Zurückhaltung zu beurteilen, wie aus den Angaben zum Alter des
Friedhofes hervorgeht, die auch der Redaktion als unmöglich erschienen sind
(daher die Anmerkungen der Redaktion der "Allgemeinen Zeitung des
Judentums").
Über Quellen nachgewiesen ist (nach Angaben von Karl Kollmann s.Lit.),
dass 1731 drei jüdische Familien in Jestädt waren. Zwei davon hielten sich
ohne Schutzbrief auf. Die dritte Familie, der 80-jährige Liebmann Joseph mit
seiner Frau hatte einen Schutzbrief von 1702. Etwas später muss ein Buchmaler
Isaak hier wohnhaft gewesen sein, dessen Arbeiten vor allem im norddeutschen
Raum gelegt sind.
Zur Geschichte des Friedhofes
Der jüdische Friedhof in
Jestädt könnte einer der ältesten in Hessen sein. Er war Friedhof der in Jestädt
bestehenden kleinen jüdischen Gemeinde (s.o.), wurde jedoch vermutlich bereits
seit dem Ende des Mittelalters von der in Eschwege
bestehenden jüdischen Gemeinde belegt. Das ursprüngliche Gelände des
Friedhofes erstreckte sich nach einer Flurkarte von 1780 rechtwinklig an einem
steilen Hang in den Wald hinein. Erhalten ist jedoch nur ein Teil dieses
Friedhofsgeländes.
Der Friedhof diente als zentrale Begräbnisstätte auch anderer umliegender jüdischer
Gemeinden, so für Orte wie Abterode
(bis 1660), Reichensachsen
(bis um 1700) und Sontra
(bis 1710), die später ihre eigenen Friedhöfe anlegten. Die ältesten
erhaltenen Steine stammen aus der Zeit des 17. Jahrhunderts. Der Friedhof wurde
bis zur Anlage des Eschweger
Friedhofes 1857 benutzt; die letzte erhaltene Jahreszahl findet sich auf dem
Grabstein von Salomon Kugelmann (gestorben 1855). Eine letzte Beisetzung war
allerdings noch im April 1861, als der letzte jüdische Einwohner von
Jestädt verstorben ist (siehe Bericht oben). Es sind etwa 150 Grabsteine
erhalten (1985).
Dokumentation des Friedhofes
Hinweis: Nach dem Verzeichnis der
durch die "Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen"
bearbeiteten hessischen Friedhöfe ergibt sich für den Friedhof in
Jestädt die Zahl von 170 vorhandenen Grabsteinen
aus der festgestellten Belegzeit von
1642 bis 1855. Siehe landesgeschichtliches
Informationssystem Hessen - Kommission für die Geschichte der Juden
in Hessen und Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde in
Marburg: Dokumentation
der jüdischen Friedhöfe in Hessen - Online zugänglich |
Aus der Geschichte des Friedhofes
Die Schließung des Jestädter Friedhofes und Anlage eines
Friedhofe in Eschwege gegen den Widerstand einer kleinen Gruppe in der Eschweger
jüdischen Gemeinde (1857)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Mai 1857:
"Eschwege, 22. April (1857). Vorgestern fand hier die
Einweihung eines neuen jüdischen Totenhofes, nahe bei hiesiger Stadt
gelegen, statt. Ein derartiges Ereignis kommt gewiss sehr selten vor, aber
umso ergreifender ist ein solcher Akt und umso tiefer ist der Eindruck auf
das Gemüt, den eine solche religiöse Feier hinterlässt. In
andachtsvollster Stimmung betrat zum ersten Male die hiesige zahlreiche
Gemeinde den nun geheiligten Ort, der dermaleinst die letzte Ruhestätte
für uns alle werden soll und vorgestern durch die Bestattung der Leiche
eines Kindes seiner Bestimmung geweiht wurde. Tief ergreifend wirkte
sichtbar die wohl gelungene Einweihungsrede unseres Rabbinen Goldmann auf
das in großer Anzahl versammelt gewesene Publikum.
Umso eindringlicher mussten die kräftigen Worte unseres Rabbinen wirken,
das das herrlichste Frühlingswetter die feierliche Szene begünstigte und
man von dem so schön auf einer kleinen Anhöhe gelegenen Platze eine
freundliche Aussicht auf unser gepriesenes Werratal genießt, in dem
die Bäume jetzt im Frühlingsschmucke stehen und die jungen Saaten im
frischesten Grüne prangen.
Der bisherige Totenhof (sc. in Jestädt) soll, wie alte Denkmäler
ausweisen, wohl an 1500 (korrekter: 500) Jahre als alte Ruhestätte
unserer Vorfahren gedient haben. Wenn auch gewiss Rücksichten der Pietät
für die fernere Beibehaltung jenes uralten Begräbnisplatzes gestimmt
haben möchten und gar Manchem der Gedanke schmerzlich sein mag, nun nicht
in der Nähe der ihm vorangegangenen Angehörigen dermaleinst zu ruhen, so
können wir trotzdem mit Befriedigung den Fortschritt begrüßen, den wir
durch die Erwerbung dieses nahe gelegenen Grundstückes zum Totenhofe
gemacht haben. Jener alte Totenhof liegt, 1 1/2 Stunden von hier entfernt,
an einem entlegenen Berge in rauer, unwirtlicher Gegend; nur auf
holperigem Wege gelangte man dahin; ohne Aufsicht waren die Gräber
Verletzungen ausgesetzt; beschwerlich und oft gefährlich war der
Transport der Leichen nach jenem 'guten Orte' und nur mit Anstrengung
konnte ein Andächtiger zum Grabe der Seinigen gelangen, um sein Gebet zu
verrichten. Nicht war es den Leidtragenden vergönnt, dem teuren
Dahingeschiedenen die letzte Scholle in das Grab nachzuwerfen, vielmehr
musste in der Regel die Bestattung fremden Personen, die dafür bezahlt
wurden, überlassen werden; nunmehr aber können Beerdigungen mit Würde,
den Anforderungen der Zeit entsprechend, geschehen.
Zwar hatte eine sehr kleine Partei unserer Gemeinde alle erschöpflichen
Mittel versucht, die Benutzung des neuen Totenhofes zu vereiteln, hatte
selbst durch alle Instanzen hindurch unter Anführung dieser und jener
Gründe petiert, den alten Totenhof trotz aller Unannehmlichkeiten
beizubehalten, jedoch vergebens - Dank der Einsicht unserer
Behörden! ...t." |
Die Beisetzung des letzten jüdischen Einwohners von
Jestädt auf dem Friedhof der Gemeinde (1861)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. Mai 1861:
"Eschwege, 28. April (1861). Vor einigen Tagen wurde der
letzte israelitische Einwohner unserer einzigen Filial-Gemeinde Jestädt
zur Erde bestattet, ein armer Greis von 73 Jahren, der kinderlos
gestorben. Unser früherer Totenhof ist in der Nähe dieses Dorfes, etwas
über 1/2 Meile von unserer Stadt entfernt. Obzwar dieser Totenhof seit
der Eröffnung des neuen hiesigen nicht mehr benutzt worden ist, so
geschah die Beerdigung jenes frommen Greises ausnahmsweise noch auf dem
alten, und fast die ganze hiesige Gemeinde war hinausgefahren, um noch
einmal eine Beerdigung auf jenem uralten, ehrwürdigen Platze beizuwohnen,
der viele hunderte von Denksteinen aufweist. Der älteste noch lesbare
Grabstein zeigt ein Alter von ungefähr 1300 Jahren (Anmerkung
der Redaktion: dies ist jedenfalls ein Irrtum - es wäre uns lieb,
darüber nähern Aufschluss zu erhalten), es mögen aber deren noch
weit ältere auf dem vielleicht Jahrtausende (Anmerkung der Redaktion:
Jahrtausende! Wann soll denn diese Gemeinde entstanden sein? Etwa während
des babylonischen Exils?) alten 'guten Orte' sich befinden, deren
verwitterte Inschriften indessen nicht mehr zu entziffern sind.
Die Jestädter Filial-Gemeinde ist somit ausgestorben und nur noch der
Name dieses Dorfes: Jestädt = Judenstädt, erinnert daran, dass
dermaleinst eine sehr zahlreiche jüdische Gemeinde daselbst Jahrhunderte
hindurch gewohnt hat. Es sollen darunter große Gelehrte gelebt haben. -
Wie Alles im Leben einem fortdauernden Wechsel, einem Werden und Vergehen
unterworfen ist, so auch hier: die sonst so große Gemeinde Jestädt ist
ausgestorben, - die hiesige Gemeinde (sc. Eschwege) aber erblüht zu immer
größerer Zahl ihrer Glieder, zu immer größerer Wohlfahrt und - mit
Stolz dürfen wir es sagen - zu immer größerem Ruhm unserer Nation. Noch
vor 25 Jahren zählte man hier 24 Familien, gegenwärtig deren ungefähr
90, unter denen sich kaum eine arme befindet. Wie seither, blühen hier
Fleiß und Sparsamkeit, Religiosität und Wohltätigkeitssinn, Industrie
und Handel, vor Allem aber: Einigkeit, und diese echt jüdische Tugend
möge auch ferner blühen! J.J.P." |
Die Lage des Friedhofes
Nördlich von Jestädt: auf der Motzenroder Straße Jestädt
verlassen; der Friedhof liegt nach etwa 500 Metern rechts der Straße und zieht
sich parallel dem Talverlauf bzw. der Waldgrenze entlang.
Plan zur Lage des Friedhofes über Link
(weiter zu "Stadtpläne" - Meinhard: "Motzenroder Straße"
oder "Pletsch-Mühle" eingeben).
Historischer Plan von 1780
(Quelle: Kollmann / Wiegand s.Lit. S. 23) |
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Der Plan zeigt rechtwinklig
zueinander liegende Teile des Friedhofes, eines mit
"Alter
Juden-Todtenhoff", das andere mit "Juden Todten Hoff"
bezeichnet.
Vom alten Teil haben sich keine Spuren erhalten. |
Fotos
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum: 8.4.2009)
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Das Eingangstor |
Hinweistafel zum
Besuch des Friedhofes |
Weitere
Hinweistafel |
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Teilansichten
des Friedhofes |
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Grabstein, auf dem
noch die "segnenden Hände"
der Kohanim zu erkennen sind |
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Grabsteine für
eine am 1. Nissan 5480
(= 9. April 1720) beigesetzte Frau |
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Josef Jizchak
wurde am Mittwoch,
8. Shevat 5475 (= 24. Januar 1714) beigesetzt |
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Grabsteinfragmente |
Verschiedene
Steine wurden vor einigen Jahren liegend auf Betonsockeln befestigt -
eine
Maßnahme, die jedoch nur die schnellere Zerstörung des Grabsteines zur
Folge hat |
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Teilansichten
des Friedhofes |
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Teilansicht |
"Segnende
Hände" der Kohanim |
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Teilansicht
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Grabsteine aus
der
Zeit um 1760 |
Grabstein mit Levitenkanne;
links davon eventuell
auch Schächtmesser erkennbar |
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Eigenartig
verwitterter
Grabstein |
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Einer
der letzten auf dem Friedhof Beigesetzten:
Salomon Kugelmann, geb.
14.7.1799 in Abterode,
gest. 11.4.1855 in Eschwege |
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
 | Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. 1 S. 413. |
 | Michael Brocke/Christiane E. Müller: Haus des Lebens.
Jüdische Friedhof in Deutschland. Leipzig 2001. S. 163-164. |
 | Eva Grulms/Bernd Kleibl: Jüdische Friedhöfe in Nordhessen.
Bestand und Sicherung. Kassel 1984. |
 | Karl Kollmann / Thomas Wiegand: Spuren einer
Minderheit. Jüdische Friedhöfe und Synagogen im Werra-Meissner-Kreis.
Hrsg. von der Historischen Gesellschaft des Werralandes. Kassel 1996. S.
94-95 u.ö. |

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