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Iphofen (Kreis
Kitzingen)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Hinweis: vor der Kreisreform 1973 gehörte Iphofen zum
ehemaligen Kreis Scheinfeld und damit zu Mittelfranken.
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Iphofen gab es im Mittelalter eine jüdische Gemeinde. 1293
wird der Jude Michelmann genannt, der von Bischof Mangold von Würzburg bei der
Erhebung Iphofens zur Stadt zum Aufseher (procurator et dispensator) beim
Bau der Stadt ernannt wurde. Er hatte das Recht, in Iphofen zu wohnen und wurde
für vier Jahre von allen Steuern und Abgaben an das Bistum befreit. Im Gefolge
Michelmanns zogen einige jüdische Personen/Familien in die Stadt. Das
entstehende jüdische Gemeindeleben wurde allerdings bereits am 24. Juni 1298
zerstört, als im Zusammenhang mit der "Rintfleisch"-Verfolgung
25 jüdische Personen in der Stadt, die zehn verschiedenen Familien angehörten,
ermordet wurden.
Einige Jahre nach der Verfolgung von 1298 ließen sich wieder einige jüdische Personen
nieder. 1332 wird Jakob von Hammelburg,
wohnhaft in Iphofen genannt. 1336 waren die in der Stadt lebenden
jüdischen Familien allerdings bereits von einer weiteren Verfolgung betroffen ("Armleder-Verfolgung").
1338 wird Pinher von Iphofen in Nürnberg genannt, der möglicherweise
bei dieser Verfolgung aus der Stadt geflohen ist.
Auch während der Pestzeit 1348/49 kam es zu einer Verfolgung in der
Stadt.
1386 wird nach der Verfolgung in der Pestzeit erstmals wieder ein
jüdischer Einwohner genannt, der vermutlich aus Buchen
zugezogen war ("Eysack jud von Bucheim, gesezzen zu Ipfhouen").
Um 1430 lebten drei Juden (Feydel und seine Söhne Ysack und Jecklein) in der Stadt. 1407 wird in Bamberg, 1414 in Rothenburg
jeweils ein aus Iphofen stammender Jude genannt. Mitte des 15. Jahrhunderts werden
neben Feydel zahlreiche weitere Juden genannt: Abraham, Eberlein, Gumplein,
Henne, Joseph, Kallman und Moses sowie Sanderman und Jacob
aus Mainbernheim, Meyer aus Dornheim,
Kauffmann und Selikmann aus Kitzingen,
Ysack Gansmann aus Kitzingen u.a.m. Der jüdische Wohnbereich war in der
"Judengasse", vielleicht identisch mit der heutigen
"Oberen Gasse". Jüdische Wohnhäuser gab es damals jedoch auch im
Bereich der Pfarrgasse.
1429 überließ der Würzburger Bischof Johann II. von Brunn seinem
ehemaligen Kammermeister ein Haus in Iphofen, das "ein judenschul ist
gewest". Wann diese Judenschule (Synagoge) in Benutzung war, ist jedoch
nicht bekannt.
In der Mitte des 16. Jahrhunderts lebten gleichfalls Juden in der Stadt
(um 1555 u.a. Juden Maier, Koppel). 1565 wurden die Juden aus dem Gebieten des
Bistums Würzburg ausgewiesen. Allerdings wurde in der Folgezeit das Verbot der
Niederlassung im Bistum nicht immer streng eingehalten. 1623 lebten im Alt
Iphofen fünf Schutzjuden. Matthäus Merian schreibt 1648 in seiner "Topographia
Franconiae" über Iphofen: "Es solle viele Juden da geben".
Weitere Niederlassungen gab es in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts: 1671 Jud
Schlomp, 1673 Juden Ebraham und Eli. Als er vier jüdische Familien waren, eine
davon mit sechs Söhnen, wurde die Einrichtung eines Betsaales geplant, was
jedoch zum scharfen Protest vieler Katholiken führte. 1686 wurden die
Juden wiederum ausgewiesen.
Im 19. Jahrhundert wird erstmals 1883 ein jüdischer Einwohner genannt:
Dr. Eugen Lax wurde vom Magistrat an das städtische Krankenhaus berufen (siehe
Bericht unten). Über weitere Niederlassungen jüdischer Personen /
Familien im 19./20. Jahrhundert liegen keine Mitteilungen vor.
Von den in Iphofen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): In den beiden
Listen werden keine Personen aus Iphofen genannt.
Berichte zur jüdischen
Geschichte
Berichte zu einzelnen Personen
Über den Arzt Dr. Eugen Lax, seit 1883 in Iphofen
Artikel
in der Zeitschrift "Jeschurun" vom Dezember 1883 S. 859: "Iphofen
(Bayern), 28. November (1883). Seit der Austreibung der Juden im Jahre
1291 aus Iphofen (sc. vermutlich Verfolgung 1298 gemeint) haben
daselbst bis auf den heutigen Tag sich keine Juden niedergelassen. Erst
jetzt machte wieder den Anfang der vom hiesigen Magistrat ans städtische
Krankenhaus berufene Dr. med. Eugen Lax aus Schöllkrippen." |
Hinweis: 1883 scheint
vergessen gewesen zu sein, dass es bis zur zweiten Hälfte des 17.
Jahrhunderts immer wieder Juden in der Stadt gegeben hat. |
Spuren des Antijudaismus
In der "Wallfahrtskirche zum Heiligen Blut" (auch
"Blutskirche", "Kirche zum Heiligen Grab" oder "Gräbenkirche"
genannt) ist ein Beispiel des jahrhundertelang weit verbreiteten kirchlichen
Antijudaismus. An Stelle eines früheren jüdischen Hauses, in dem sich nach
einer von dem Schlettstädter Dominikanerprior Rudolf ("Historiae
memorabiles", eine Abschrift aus dem Jahr 1550 ist erhalten)
überlieferten Mirakelgeschichte drei Hostien auf Grund wundersamer
Erscheinungen fanden, entstand spätestens seit 1329 eine Kapelle
("sanquinis et corporis Christi"), die zu einem
Mittelpunkt der Iphöfer Wallfahrt wurde. Die ältere Hostienlegende verband
sich - vermutlich jedoch erst im 17. Jahrhundert - mit anderen Legenden zu einer
Hostienfrevel-Beschuldigung (Mirakelbuch des Pfarrer Johannes Stumpf ab
1671). Auch Berichte über Wunderheilungen durch die angeblich verletzten
Iphöfer Hostien kamen dazu.
Die Kapelle "zum Heiligen Blut" wurde im 17. Jahrhundert wesentlich
vergrößert (1605-1615 und 1682), um Platz für die damals steigende Zahl der
Wallfahrer zu schaffen. Im 18. Jahrhundert wurden von den Päpsten Innocenz
XIII. und Benedikt XIV. Ablassbriefe für die Kirche zum Hl. Blut ausgestellt. Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte eine Erneuerung im
neugotischen Stil, nachdem ein Brand 1889 den 1777 neu erbauten Kirchturm zerstört
hatte. An den Seiten der neu geschaffenen Tumba im Zentrum der Kirche wurden
Blechbilder mit der Darstellung der angeblichen Hostienschändung
angebracht.
Erst im 20. Jahrhundert ging die Wallfahrt zurück, vor allem nach dem 2.
Vatikanischen Konzil. Eine letzte Außen- und Innensanierung erfolgte 1980 bis
1985. Damals wurde die bis dahin zentrale Tumba in der nördliche Seitenkapelle
aufgestellt. Die antisemitischen Darstellungen wurden gegen die Außenmauer der
Kirche gerichtet, um sie möglichst wenigen Kirchenbesuchern zu zeigen. An dem
1984 Hauptaltar findet sich ein zwischen den vier Stützen im Fußboden
eingelassenes, in Bronze gegossenes Spinnennetz mit einer Hostie. Hier wird
immer noch die Stelle markiert, an der sich die Senkgrube des Judenhauses
befunden haben soll.
Kritische Anmerkung: Bis zur Gegenwart ist die Wallfahrtskirche "zum Heiligen Blut" Ziel
von Wallfahrern. Obwohl die Verlogenheit der Hostienschändungsgeschichten
inzwischen in unzähligen Beiträgen und Darstellungen nachgewiesen ist, hält
der "Volksglaube" teilweise immer noch an ihnen fest. In einem Bericht
über einen Ausflug einer evangelischen (!) Kirchengemeinde 2007 ist zu lesen:
"Am Dienstag, 11. September 2007 unternahmen wir unseren Jahresausflug nach Iphofen in Unterfranken... Nach diesem kurzen
Aufenthalt besuchten wir die Hl. Blutkirche, die ihren Namen von einem Blutwunder
herleitet, das Juden im 14. Jahrhundert infolge eines Hostienfrevels
verursachten" (Quelle: frühere Website der Evangelisch-lutherischen
Erlöser-Kirchengemeinde in Nürnberg www.erloeser.net,
Bericht).
Fotos
Zur
jüdischen Geschichte in Iphofen liegen noch keine Fotos vor. |
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Aktuelle Fotos zur
Wallfahrtskirche "zum Heiligen Blut" werden noch erstellt
(obige Fotos vorläufig aus der Website der Stadt Iphofen) |
Der Altar in der
Wallfahrtskirche "zum Heiligen Blut"
mit dem Spinnennetz (siehe oben; Foto: Jürgen Hanke) |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 377-378; III,1 S.
584-585. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1992² S. 77-78. |
| Harald Schwillus: Hostienfrevellegende und
Judenverfolgung in Iphofen. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte der Kirche
zum hl. Blut im Gräbenviertel. In: Würzburger Diözesangeschichtsblätter
Bd. 58 1996 S. 109-140. |
| Josef Endres: Hl. Blut in Iphofen. Mit einer Edition
des Mirakelbuchs. Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische
Geschichte. Reihe XIII Bd. 49. Stegaurach 2007. |
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