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Hüttenbach (Gemeinde
Simmelsdorf, Kreis Nürnberger Land)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Zu Hüttenbach verweisen wir auf die Seiten in der
Website
www.juden-im-nuernberger-land.de
hin (Website wird nicht mehr aktualisiert, zugänglich nur über Internetarchiv).
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Hüttenbach bestand eine zeitweise große jüdische
Gemeinde bis 1938/39. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16. Jahrhunderts
zurück, doch lebten bereits vor 1431 Juden am Ort (damals wird ein Jude namens
Most genannt). Von den aus Nürnberg 1499 vertriebenen jüdischen Familien haben sich
offenbar mehrere in Hüttenbach niedergelassen. Aus dem Jahr 1580 ist ein
Schutzbrief für die Juden des Ortes als Urkunde erhalten.
1615 gab es acht jüdische Familien am Ort, 1673 neun Familien. 1732
wurden 42 und 1769 bereits 81 jüdische Familien
gezählt. Die jüdischen Familien lebten vom Vieh- und Warenhandel. Etwa 1650 gestattete Christian August, der Herzog von
Pfalz-Sulzbach jüdischen Handelsleuten aus Schnaittach,
Hüttenbach, Ottensoos, Neuhaus (Gemeinde
Adelsdorf, Kreis Erlangen-Höchstadt) und Forth, ihre Geschäftstätigkeiten
auch auf das Pfalz-Sulzbachische Gebiet zu verlegen. Die jüdische Gemeinde in
Hüttenbach gehörte mit den Nachbargemeinden zur "Medinat OSchPaH", eine Art Verwaltungsgemeinschaft der
Gemeinden Ottensoos, Schnaittach, Forth und Hüttenbach.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1809/10 285 jüdische Einwohner (48,8 % von insgesamt 584
Einwohnern), 1811/12 320 (41,2 % von 776), 1823 378, 1831 380, 1844 65 jüdische
Familien, 1867 208 jüdische Einwohner (23,3 % von 896), 1871 164 (19,4 % von
843), 1880 134 (15,3 % von 877), 1900 89 (13,8 % von 646), 1910 60 (9,4 % von
637).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
(Israelitische Konfessionsschule von 1828 bis 1919, danach Religionsschule; die Schule war nach 1884 im Gebäude Burghardgasse 3) und
ein rituelles Bad (im Keller des Schulhauses Burghardgasse 3, eine alte Mikwe
befand sich im Haus Bürgermeister-Roth-Straße 3, 1988
wiederentdeckt). Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof
in Schnaittach beigesetzt. Zur Besorgung
religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der teilweise zugleich
als Vorbeter und Schochet tätig war (siehe Ausschreibungen der Stelle unten).
Zeitweise hatte die Gemeinde auch zwei Personen für diese Aufgabenbereiche
angestellt (1876/1878 wurde neben der Stelle des Lehrers auch eine Stelle des
Vorbeters/Schächters ausgeschrieben). Aus dem 19. Jahrhundert blieb in besonderer Erinnerung Lehrer
Isak Bernhard (= Seligmann Bär) Lamm, der von 1827 als Religionslehrer
beziehungsweise seit 1828 als Elementarlehrer über 50 Jahre an der Gemeinde Dienst tat (siehe Berichte zu seinem 50-jährigen Dienstjubiläum 1879 unten).
Auf ihn - oder zunächst zu seiner Unterstützung - folgte 1874 bis 1880 als
Lehrer Moritz (Moses) Morgenthau. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Schnaittach,
nach dessen Auflösung zum Rabbinatsbezirk Schwabach
(seit Juli 1932 zum Rabbinatsbezirk Ansbach).
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde der Gefreite Hugo
Springer (geb. 18.10.1892 in Hüttenbach, vor 1914 in Straubing
wohnhaft, gef. 24.10.1916).
Die jüdischen Einwohner Hüttenbachs waren bis zum Beginn der NS-Zeit völlig
im allgemeinen Leben des Ortes, vor allem auch im Vereinsleben integriert. Das Gemeindemitglied Eduard Isner gehörte 25
Jahre, bis 1933, als Beigeordneter dem Gemeinderat von Hüttenbach
an.
Um 1924, als in Hüttenbach noch 41 jüdische Einwohner gezählt wurden (6,3
% von insgesamt 654 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher J. Hutzler, H.
Massenbacher, Hermann Hutzler, Moritz Rosenthal und J. Heiligenbrunn. 1932
waren die Gemeindevorsteher Moritz Rosenthal (1. Vors.) und Hermann Hutzler
(Schriftführer und Schatzmeister). Im Schuljahr 1931/32 erhielten noch zwei
Kinder der Gemeinde Religionsunterricht (durch den jüdischen Lehrer aus
Schnaittach).
1933 lebten noch 35 jüdische Personen am Ort (5,0 % von insgesamt 705
Einwohnern). In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen (Nürnberg, Bamberg und Fürth) beziehungsweise ausgewandert.
Bereits im November 1933 wurde den jüdischen Viehhändlern von
Hüttenbach das Betreten des Viehmarktes verboten. Im Dezember 1933 hingen im
Dorf Plakate, die die Ausweisung der Juden aus Hüttenbach forderten. Im
April 1938 weigerten sich die Bäcker des Dorfes, den Juden Brot zu
verkaufen. Am 8. April 1938 wurden noch 20 jüdische Einwohner gezählt; nach
den Ereignissen beim Novemberpogrom 1938 verließen die letzten
gezwungenermaßen den Ort: am 18. November waren die Häuser und der sonstige
Besitz der sechs noch verbliebenen jüdischen Einwohner beschlagnahmt worden.
Nachdem diese am 28. November Hüttenbach verlassen hatten, wurde die Tatsache,
dass der Ort in der NS-Sprache nun "judenfrei" sei, tags darauf im
Dorf öffentlich gefeiert.
Von den in Hüttenbach geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Flora Gutmann geb.
Sternberger (1880), Helene Heiligenbrunn (1893), Josef Heiligenbrunn (1890),
Jenny Hirschmann (1888), Max Hirschmann (1890), Paula Hirschmann (1883), Emma
Hutzler (1895), Ida Hutzler (1871), Mali Hutzler geb. Springer (1879), Sigmund
Hutzler (1880), Benno Isner (1869), Justin Isner (1889), Isidor Kaiser (1883),
Karoline Lamm (1875), Mathilde Lamm (1873), Moritz Lamm (1869), Paula Marx geb.
Wassermann (1881), Klara Neu geb. Hirschmann (1879), Hanna (Hedwig, Hanne)
Rawicz geb. Zweifass (1874), Hedwig Schoen geb. Sternberger (1879), Klara Selig
geb. Isner (1861; "Stolperstein" für sie seit September 2013 in
Regensburg, Heiliggeistgasse 10), Recha (Reya) Selz geb. Springer (1889), Sofie Selz geb.
Springer (1901), Heinrich Springer (1886), Janette (Jenny) Steinhardt geb.
Hirschmann (1884), Lina Strauß geb. Wittmann (1883), Babette Sundheimer (1867),
Nelli Wassermann (1883), Hugo Wittmann (1885), Mathilde Wollenreich geb.
Hirschmann (1874).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Frühe Mitteilungen zur Entstehung der Gemeinde
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitschrift des Judentums" vom 1. Oktober
1842: "Lauf. Nach Hüttenbach hat der Sage nach vor
ungefähr 500 Jahren ein Rittergutsbesitzer von Seckendorf die ersten
Juden aus Franken gebracht. In der Synagoge findet sich eine Zahl
eingehauen, die auf das Jahr 1706 christlicher Zeitrechnung deutet;
wahrscheinlich geht diese Zahl auf die Erweiterung der
Synagoge." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. September
1842: "In den Judengemeinden zu Schnaittach,
Ottensoos und Hüttenbach
zeigt sich die größte Übereinstimmung der Synagogengebräuche mit
denen, welche die Juden vor ihrer Vertreibung aus Nürnberg daselbst
beobachteten; von denselben weichen die übrigen Juden in Mittelfranken
ab. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die aus Nürnberg vertriebenen Juden
in der Nähe sich niederließen und die dort von früherer Zeit
bestehenden Gemeinden verstärkten; für diese Ansicht spricht eine Angabe
des Schnaittacher Zinsbuchs vom Jahr 1560, welches eine Grabstätte und
mehrere Häuser der Juden zu Schnaittach und Ottensoos angibt, die schon
im 15. Jahrhundert dort vorgekommen sind. Die Verfolgungen, welche die
Juden im 13. und 14. Jahrhundert zu Nürnberg erduldeten, mochte sie
veranlasst haben, Wohnsitze aufzusuchen, die, in der Nähe ihrer früheren
Verbindungen, den Schutz eines fremden Landesherrn gewährten. In
Schnaittach und Ottensoos (Otimissaz) konnte dies leicht erreicht
werden." |
Erwähnung von Juden Hüttenbachs auf der Seite von Sulzbach.
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle(n) des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1876 /
1878 / 1892 / 1902
Anzeige
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Mai 1876: "Bei
der unterfertigten Kultusgemeinde ist die Stelle eines Vorsänger und
Schächters erledigt und soll dieselbe, wenn möglich, sofort wieder
besetzt werden. Gehalt hierfür Eintausend Mark p.a.. Hierauf
Reflektierende belieben ihre Meldungen unter Beilage ihrer Zeugnisse
sofort an die Unterzeichneten einzusenden. Unverheiratete Bewerber
erhalten den Vorzug. Reisekosten werden nur dem Kandidaten vergütet, der
von der Gemeinde akzeptiert wird.
Hüttenbach bei Nürnberg (Bayern). 8. Mai 1876. Die israelitische
Kultusverwaltung: A. Ermreuther. M. Herrmann." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. August 1878: "Bei
der unterzeichneten Kultusgemeinde erledigt sich Ende Oktober dieses
Jahres die Stelle eines Schächters und Vorsängers, und soll dieselbe
sofort in provisorischer Eigenschaft wieder besetzt werden. Der jährliche
Ertrag derselben ist 1.000 Mark, wofür die Gemeinde garantiert. Hierauf
Reflektierende belieben ihre Meldungen unter Beilage ihrer Zeugnisse
sofort und längstens innerhalb vier Wochen an die Unterzeichneten
einzusenden. Unverheiratete erhalten den Vorzug. Reisekosten werden nur
dem vergütet, der von der Gemeinde akzeptiert wird.
Hüttenbach bei Nürnberg, 21. August 1878. Die israelitische
Kultusverwaltung: A. Ermreuther. M. Herrmann." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juli 1881:
"Durch das Zurücktreten unseres bisherigen Elementarlehrers ist bei
der unterfertigten Kultusgemeinde die Stelle als solcher, womit auch der
Vorsängerdienst verbunden ist, erledigt und soll bis 1. Oktober dieses
Jahres wieder besetzt werden.
Der Gehalt als Elementarlehrer beträgt inklusive der Staatsbeiträge 830
Mark, sowie freie Wohnung oder Entschädigung hierfür, sowie freie
Beheizung des Lehrzimmers.
Für die Funktion als Vorsänger erhält derselbe 530 Mark, sowie
demselben auch weitere, nicht unbedeutende Einnahmen und Akzidenzien
bevorstehen.
Reflektierende belieben ihre Meldungen unter Vorläge ihrer beglaubigten
Zeugnisse innerhalb 4 Wochen an die unterfertigte Kultusverwaltung
einsehen. Reisekosten werden nur dem von der Gemeinde Akzeptierten
vergütet. Bemerkt wird, dass Bewerber, die Schechita gelernt
haben, um allenfalls seinerzeit auch das Schächteramt übernehmen
können, bevorzugt werden.
Hüttenbach bei Nürnberg, den 4. Juli. Die israelitische
Kultusverwaltung. J. Lamm. S. Springer." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Juni 1892:
"Bekanntmachung!
Bei der israelitischen Kultusgemeinde dahier,
erledigt sich vom 17. September dieses Jahres an, die Stelle eines
Vorsängers und Schächters, mit einem fixen Gehalt von Mark 800. - und an
Nebenverdiensten ca. Mk. 250. - Reflektanten, welche auch im Stande sein
müssen, religiöse Vorträge halten zu können, unter Beilage von
beglaubigten Zeugnisabschriften, nebst Mitteilung über bisherige
Tätigkeit an die Unterzeichneten einreichen. Ausländer finden keine
Berücksichtigung.
Hüttenbach, den 17. Juni 1892 (Mittelfranken).
Die israelitische
Kultusverwaltung: Benedikt Hirschmann, Max Sternberger." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. März 1902:
"Vakanz.
Bei der hiesigen Kultusgemeinde erledigt sich vom 1. Juli
dieses Jahres an die Stelle eines Kantors und Schächters mit einem fixen
Gehalte von Mark 700, an Nebenverdienten ca. Mark 200. Reflektanten,
welche auch im Stande sein müssen, religiöse Vorträge halten zu
können, wollen ihre Gesuche, unter Beilage beglaubigter
Zeugnisabschriften, nebst Mitteilung über bisherige Tätigkeit an die
unterzeichnete Verwaltung einreichen. Seminaristisch gebildete Bewerber
werden bevorzugt. Reisekosten werden nur bei Engagement vergütet.
Hüttenbach (Mittelfranken), 21. März 1902.
Israelitische
Kultusverwaltung. J. Lamm. E. Isner". |
Hinweis: 1918 kam von Hüttenbach nach Pfungstadt
Leo (Leib) Zuckermann. Er war in Pfungstadt bis 1938/39 als Kantor und Schochet
tätig. Vermutlich hat er in derselben Funktion in Hüttenbach bis 1918
gewirkt.
Über den jüdischen Lehrer Moritz
(Moses) Morgenthau (1874 bis 1880 Lehrer in Hüttenbach)
Moritz
(Moses) Morgenthau, geb. 1843 in Pahres, absolvierte 1861 das
Königliche Lehrerseminar zu Schwabach, danach Lehrer in
Schnodsenbach 1864,
Egenhausen 1866,
Kaubenheim 1868,
Leutershausen 1870,
Binswangen 1872,
Hüttenbach 1874 bis 1880, Ottensoos
1880, von 1881 bis 1906 in Erlangen, wo er
1911 starb und auf dem jüdischen Friedhof
beigesetzt wurde. Nachruf zu ihm auf Seite
"Texte
zur jüdischen Geschichte in Erlangen".
Zu Moritz Morgenthau weitere Informationen von einem Beitrag von Christof
Eberstadt 2024,
eingestellt als pdf-Datei.
Auszeichnung für den Lehrer Seligmann Baer Lamm (1879)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. April 1879:
"Hüttenbach (Mittelfranken), 7. April (1879). Herrn Lehrer Seligmann
Baer Lamm dahier ist vom Könige die goldene Ehrenmünze des
Ludwigordens verliehen worden für in Pflichttreue und Pflichteifer
zurückgelegten 50 Dienstjahre. Diese Auszeichnung wurde dem
verdienstvollen Greise, Freitag den 4. dieses Monats, durch den
königlichen Bezirksamtmann Thurn von Hersbruck unter Hinzuziehung des
Distrikts- und des Lokalschulinspektors und des Distriktrabbiners von Schnaittach
in feierliche Weise überreicht.
Nicht nur der israelitischen Kultusgemeinde, in welcher Herr Lamm bereits
52 Jahre in segensreicher Weise seine Lehrtätigkeit entfaltet, und mit
welcher er während dieser langen Zeit in ununterbrochenem Frieden gelebt,
sondern fast der gesamten Bevölkerung des Ortes war dieser Tag ein
Festtag.
Ein festlicher Zug, aus den Mitgliedern der Kultusgemeinde, den
Kultusbehörden, den Lehrern des Ortes und der Umgegend bestehend, mit der
jüdischen und christlichen Schuljugend an der Spitze, geleitete den
Jubilar aus seiner Wohnung zum geschmückten Festsaale, woselbst nach
Worten ehrender Anerkennung für des Jubilars ausgezeichnetes Wirken und
Leben von Seiten des Bezirksamtmannes, des Distriktschulinspektors Pfarrer
Oltenburger von Schnaittach und des
Distriktsrabbiner Dr. Salzer die Überreichung des Ordens im Namen des
Königs vollzogen wurde.
Diese Jubiläumsfeier war eigentlich eine verspätete. Bereits am 20.
Oktober vorigen Jahres waren es 50 Jahre, dass Herr Lamm von der Regierung
als ordentlicher Lehrer bestätigt worden. Aber da Herr Lamm der erste
israelitische Elementarlehrer in Bayern war, der 50 ordentliche
Dienstjahre zurückgelegt hatte, und das Ministerium es für fraglich
hielt, ob auch israelitische Elementarlehrer in den Ludwigs-Orden
aufgenommen werden können, wie dies bei christlichen in ähnlichen
Fällen auf einfachen Vorschlag ohne Weiteres geschieht, so legte dasselbe
die Frage dem Könige zur eigenen Entscheidung vor, wodurch die Verleihung
sich um Monate verzögerte. Die israelitische Gemeinde wartete jedoch die
Entscheidung nicht ab und überreichte in corpore ihrem allseitig
geliebten Lehrer schon vorher einen wertvollen silbernen Pokal.
Mit der erfolgten günstigen Entscheidung soll auch einem israelitischen
Lehrer in Unterfranken besagte Auszeichnung verliehen worden
sein." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. April 1879: "Hüttenbach
(Mittelfranken), 26. März (1879). Dem Lehrer an der israelitischen
Elementarschule dahier, Herrn Seligmann Bär Lamm, ist von Seiner
Majestät dem Könige die Ehrenmünze des Ludwigsordens für
zurückgelegte 50 Dienstjahre verliehen worden.
Herr Lamm ist der erste israelitische Volksschullehrer in Bayern, der ein
50-jähriges Dienstjubiläum beging, und somit auch der erste
israelitische Lehrer, dem jene höchste Auszeichnung zuteil geworden. Es
hätte dies auch nicht vor Ende der 1860er-Jahre stattfinden können, da
erst 1813 - in dem bekannten Edikt jenes Jahres - den Juden mit dem
auferlegten Schulzwang gestattet worden, eigene Schule zu errichten, wenn
sie vorschriftsmäßig gebildete und geprüfte Lehrer anstellen.
Herr Lamm wurde am 20. Oktober 1828 von der Regierung als wirklicher
Lehrer bestätigt, nachdem er bereits 1 1/2 Jahre in provisorischer
Eigenschaft an der Schule dahier tätig gewesen. Seit diesen 52 Jahren nun
wirkt derselbe ununterbrochen in unserer Mitte in segensreicher Weise.
Seine Schule zählt zu den besten Volksschule im Lande, wovon zahlreiche
Belobungen, Anerkennungen und außerordentliche Unterstützungen, mit
welchen er Seitens der vorgesetzten Schulbehörden, respektive der
Regierung, im Laufe der Jahre ausgezeichnet wurde, hinlänglich Zeugnis
geben.
Ebenso genießt dieser pflichttreue und pflichteifrige Jugendlehrer das
Vertrauen, die Liebe und Verehrung seiner Gemeinde, mit welcher er seit
mehr als einem halben Jahrhundert im schönsten Einklange lebt, in hohem
Maße; und diese seine hervorragende Friedensliebe, sein gottesfürchtiges
Leben, seine Bescheidenheit und Gelehrsamkeit. Herr Lamm ist
besonders ein tüchtiger und fleißiger Talmudgelehrter - gewannen ihm
auch die Hochachtung und Zuneigung Aller, die ihn kennen. Die
Gemeinde Hüttenbach verlieh ihren innigen Gefühlen für den ehrwürdigen
Jubilar sichtbaren Ausdruck durch Überreichung eines kostbaren silbernen
Pokals, wobei der Kultusvorstand, Herr Ermreuther, vor versammelter
Gemeinde warme Dankesworte an den Lehrer, Freund und Berater zweier
Generationen richtete.
Möge dem verdienstvollen Greise die ihm bisher mit Gottes Hilfe
erhaltene geistige und körperliche Frische bis an die äußerste Grenze
des menschlichen Lebens beschieden
sein." |
Publikation über den seit 1827 in Hüttenbach tätig Lehrer Isak Bernhard Lamm
(= Seligmann Bär Lamm)
Buchbesprechung
über eine 1915 erschienene Publikation in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 4. Februar 1915: "Isak Bernhard, der erste
jüdische Volksschullehrer in Bayern. Aus alten Familien-Papieren von
Louis Lamm, Berlin, Louis Lamm, 1915, 16 S. 12. mit Bildnis.
Der rührige Verlagsbuchhändler Louis Lamm, der im vorigen Jahre die
Stammtafel seiner Familie veröffentlichte, gibt in vorliegender
Broschüre in kurzen Strichen die Lebensgeschichte seines Großvaters und
gewährt hiermit einen Einblick in ein Lehrer- und Dulderleben, wie es vor
einem halben Jahrhundert sich abspielte. Isak Bernhard Lamm, 1804 in Wittelshofen
geboren, besuchte die Religionsschule Dittenheim,
die Jeschiwa in Schwabach und das
Lehrerseminar in Bamberg. Seine erste
Anstellung fand er 1827 in Hüttenbach als Religionslehrer und ein Jahr
später auf Drängen der Behörde und trotz Widerspruch der Gemeinde, die
eine höhere Etatbelastung verhindern wollte, auch als Elementarlehrer mit
einem jährlichen Gehalte von 300 Gulden nebst freier Wohnung. Eine
Tragikomödie war es, als zwei Jahre später an dem geplanten Tage seiner
Verehelichung - Rabbiner, Eltern und Verwandte waren bereits eingetroffen
- auf Einspruch einiger Gemeindemitglieder die Vornahme der Trauung durch
das Patrimonialgericht untersagt wurde. Durch das mannhafte Auftreten der
Betroffenen wurde schließlich nach einigen Wochen die Heiratserlaubnis
erwirkt. Isak Bernhard Lamm fand in seinem erfolgreichen Wirken und in der
Anerkennung der Behörde ausreichenden Lohn. Als erster jüdischer Lehrer
erhielt er 1879 den Ludwigsorden in Anerkennung seiner 50jährigen
amtlichen Tätigkeit. 1881 auf sein Ansuchen als 78jähriger zur Ruhe
gesetzt, fand er am 19. April 1882 die letzte Ruhestätte. Ein schlichtes
Büchlein in schlichter Sprache liegt vor uns. Jeder, der es zur Hand
nimmt, wird, nachdem er seinen Inhalt kennen gelernt hat, dazu gedrängt,
der Lage des Lehrerstandes vor 100 Jahren die heutigen Verhältnisse
gegenüberzustellen und unwillkürlich ausrufen: 'Gepriesen, der die
Zeiten ändert'. Lwstn." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Zum Tod von Rabbi Abraham Bär Ermeuther (1886)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. November 1886:
"Hüttenbach. Am 12. November dieses Jahres schied dahier ein
Mann aus dem Leben, dessen Wirken es verdient, der Mit- und Nachwelt
kundgegeben zu werden, um derselben als leuchtendes Vorbild wahrer
Frömmigkeit und echter, unverfälschter Menschenliebe zu dienen. Rabbi
Abraham Bär Ermreuther - seligen Andenken - war in seiner
Jugend arm an irdischen Gütern und musste sich als Diener bei anderen
sein Brot verdienen. Später gelang es ihm durch seine strenge
Rechtlichkeit, seinen rastlosen Fleiß, seine große Geschäftskenntnis
und durch den Segen Gottes, der sichtbarlich auf seinem Wirken ruhte, ein
ziemlich bedeutendes Vermögen zu erwerben. - Aber ganz ungetrübt sollte
er das erworbene Gut nicht genießen; denn kaum drei Jahre verehelicht,
wurde ihm die geliebte Gattin durch den Tod entrissen. In allen
Wechselfällen des Lebens, in Armut und Reichtum, in frohen wie in trüben
Tagen verließ ihn sein Gottvertrauen nicht. Er blieb stets ein gläubiger
Israelit sowohl zu Hause als auch auf den größeren Reisen, die er in
früheren Jahren vielfach in Gegenden unternahm, in denen keine Israeliten
wohnen und überwand auch da siegreich, so heute so viele straucheln und
fallen.
Dies sein frommes Leben bewog einen der größeren jüdischen Gelehrten
der Vergangenheit, ihm den Ehrentitel 'Rabbi' zu verleihen.
Zahllos sind die Werke der Liebe, die sein Leben ins Dasein rief und die
sein Andenken stets erhalten werden.
Aufs Kräftigste hierin unterstützt von seiner ihn überlebenden zweiten
Gattin, trocknete er viele Tränen, linderte er gar manche Not. Er suchte
die Armen in ihren Hütten auf, beschenkte und tröstete sie. Wo er einen
Notstand vorhanden wusste, war er der ersten einer, die zu dessen
Linderung beitrugen. Kein Hungriger ging ungesättigt, kein Nackter
ungekleidet von seiner Schwelle und wenn deren noch so viele an seine
Türe pochten, sie wurden freundlich empfangen, beschenkt entlassen. Er
setzte aber seinem edlen Tun die Krone auf, als er beim allzu frühen
Ableben seiner seligen Schwagers dahier sich der verzweifelt dastehenden
Witwe und deren zahlreichen, unmündigen Kinder in Rat und Tat annahm. Wie
ein liebender Vater sorgte er für die letzteren. Teilweise nahm er sie in
sein Haus und erzog sie selbst; teilweise ließ er sich auswärts in
höheren Schulen auf seine Kosten ausbilden, während er für einige
derselben sogar die Ausstattung und Aussteuer besorgte. Sein Auftreten in
der Gemeinde kennzeichnet sich als ein in |
jeder
Beziehung mustergültiges. Höchst bescheiden gegen andere, wurden ihm von
Seiten der israelitischen Kultusgemeinde sowohl wie auch seitens der
politischen Gemeinde die höchsten Ehrenstellen übertragen, die er viele
Jahre hindurch - in der ersteren ca. 30, in der letzteren ca. 38 Jahre
lang - bekleidete, bis der unerbittliche Tod ihn daraus
verdrängte.
Hier bewährte sich sein Sinn für das Gemeinwohl auf das Trefflichste.
Alles Schöne und Gute fand seine kräftige Unterstützung. Fern von allem
Parteihader, suchte er stets den Frieden zu fördern und bewies sich
dadurch als ein echter Jünger des Hohenpriesters Aharon.
Dass er der zärtlichste Gatte, der liebevollste Vater, der stets besorgte
Bruder und Freund war, versteht sich nach dem Vorausgeschickten von
selbst. - Er erreichte ein Lebensalter von fast 76 Jahren und auf ihn ist
der Ausspruch Salomons anwendbar (hebräisch und deutsch aus Sprüche
16,31): 'Eine Prachtkrone ist ein graues Haupt, auf dem Wege der Tugend
wird sie erlangt.'
Seinen Hinterbliebenen möge der Allvater lindernden Trost spenden! Uns
aber bleibe er ein leuchtendes Vorbild, dem wir nachstreben wollen in
Frömmigkeit und werktätiger Liebe; dann wird sein Andenken zum Segen
gereichen und sich erfüllen (hebräisch und deutsch): 'Das Andenken
des Frommen gereichet zum Segen!' Jakob Massenbacher,
Lehrer." |
1936: ein jüdischer Viehhändler aus
Hüttenbach wird bestraft
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. April 1936: "Nürnberg.
Das Amtsgericht hat einen Strafbefehl auf sechs Wochen Haft gegen einen
jüdischen Viehhändler aus Hüttenbach bestätigt, der in seiner
Kleidung Teile der SA-Uniform aufwies." |
|
Der oben genannte Vorfall wird auch im Buch
von Lion Feuchtwanger, "Exil" aus der Trilogie
"Wartesaal" beschrieben (Verlag Aufbau Taschenbuch 2002²):
"An einem Abend im Dezember vorigen Jahres stieg der 39-jährige Jude
Heinrich Hutzler von Hüttenbach in der Station Schnaittach einen nach Simmelsdorf fahrenden Zug und setzte sich zu zwei Jüdinnen, mit denen er sich unterhielt. Über diesen Vorgang empörte sich ein Fahrgast, der Hutzler für einen SA-Mann hielt, einen nationalsozialistischen Sturmabteilungsmann. Der Fahrgast war zu dieser irrigen Anschauung deshalb gekommen, weil der Jude Hutzler, ein Viehhändler, schwarze Schaftstiefel und braune Hosen trug; braun ist aber die Farbe des Führers und seiner SA-Hosen. Der Fahrgast, in seiner irrigen Meinung, verständigte in Simmelsdorf den dortigen Ortsgruppenleiter der nationalsozialistischen Partei, der sogleich dem inzwischen zu Fuß in der Richtung nach Hüttenbach gehenden Hutzler auf einem Motorrad nachfuhr, feststellte, dass er ein Jude war und kein SA-Mann, und ihn zur Rede stellte, dass er, als Jude, die Frechheit habe, eine solche Hose zu tragen. Auf diesen Vorhalt erklärte der Jude Hutzler nebst anderen Ausflüchten, dass er die Hose schon lange vor der Machtergreifung in Besitz gehabt habe, und dass er sie so dunkel habe färben lassen, dass sie mit den hellbraunen SA-Hosen nicht mehr verwechselt werden könne. Damit gab sich aber der Ortsgruppenleiter nicht zufrieden, sondern erstattete Anzeige.
Dieser Tatbestand war zunächst Gegenstand einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Lauf, das den Juden Hutzler wegen groben Unfugs zu der nach dem Gesetz zulässigen Höchststrafe von sechs Wochen Haft verurteilte. Gegen dieses Urteil legte Hutzler Berufung vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth ein, so dass sich nun das Berufungsgericht mit dieser Angelegenheit zu befassen hatte: Als Beweismittel lag auf dem Gerichtstisch eine anscheinend bereits viel getragene, ungefähr rotbraune Hose im Schnitt der sogenannten Breecheshosen. Der Angeklagte, der auf Verlangen des Gerichts im Lauf der Verhandlung diese Hose anzog, um so den Zeugen gegenübergestellt werden zu können, machte zu seiner Verteidigung neuerlich geltend, dass er diese Hose bereits vor fünf oder sechs Jahren in einem Nürnberger Bekleidungshaus als hellbraune Sporthose gekauft habe.
Im Jahre 1933 habe er die Hose auf Verlangen des für seinen Wohnort zuständigen Kreisleiters der nationalsozialistischen Partei dunkelbraun färben lassen, um nicht den Anschein zu erwecken, eine SA-Hose zu tragen, und sich nicht der angedrohten Gefahr, ins Konzentrationslager Dachau zu kommen, auszusetzen.
Der Staatsanwalt stellte sich auf den Standpunkt, dass die umgefärbte Hose besonders in der Kniegegend durch den ständigen Gebrauch wieder heller geworden und so geeignet gewesen sei, den Anschein einer SA-Hose zu erwecken. Es sei eine große Frechheit des Angeklagten gewesen, die Hose in diesem Zustand zu tragen. Bei genügender Beobachtung der Hose hätte der Angeklagte sich sagen müssen, dass er mit der inzwischen an verschiedenen Stellen wieder etwas heller gewordenen Hose genau wie im Jahre 1933 wieder beanstandet werden könne. Jedenfalls liege eine grobe Fahrlässigkeit vor, die nach der Rechtsprechung genüge, um den Tatbestand des groben Unfugs zu erfüllen. Bei der Strafzumessung müsse bedauert werden, dass es nicht möglich sei, dem Angeklagten eine höhere Strafe als sechs Wochen Haft geben zu können. Nach Auffassung des national gesinnten Volkes wäre hier eine viel höhere Strafe am Platz. Wie die Zeugen, die irrtümlicherweise den Angeklagten für einen SA-Mann angesehen hätten, so hätten auch andere Fremde und auch Ausländer den Eindruck gewinnen können, ein SA-Mann unterhalte sich in der Bahn mit Jüdinnen. Aus all diesen Gründen sei es angebracht, die Berufung des Angeklagten auf seine Kosten zu verwerfen.
Das Berufungsgericht nahm an, dass die beiden Zeugen, die den Angeklagten beanstandet hatten, bei der künstlichen Beleuchtung, die im Eisenbahnzug vorhanden war, und auch bei dem Scheinwerferlicht eines Motorrads, die Hose für heller ansahen, als sie, bei Tage besehen, tatsächlich ist. Auch sei nicht zu verkennen, dass bei dieser Hose die frühere helle Farbe im Lauf der Zeit wieder etwas mehr zum Vorschein gekommen sei und ihr somit wieder den Anschein einer SA-Hose gegeben habe. Dass der Angeklagte trotzdem die Hose weiter getragen habe, müsse als eine außerordentliche Frechheit bezeichnet werden. Aus diesen Gründen wurde die Berufung des Angeklagten kostenpflichtig
verworfen." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige von Leopold Hutzler (1906)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 27. Juli 1906:
"Lehrstelle suche
für meinen Sohn, 13 Jahre alt, der 3 Klassen Realschule mit Erfolg
besuchte, in einem Samstag geschlossenen Geschäft.
Leopold Hutzler, Hüttenbach bei Nürnberg." |
Sonstiges
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert:
Grabstein in New York für Babette Dittenheimer aus Hüttenbach (gest.
1904) und Emanuel Dittenheimer aus Sulzbürg
(gest, 1893)
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn.
Der Geburtsname von Babette Dittenheimer wird nicht mitgeteilt. Beim Geburtsort
von Emanuel Dittenheimer ist sehr wahrscheinlich Sulzbuerg
statt Sulzberg zu lesen. .
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Grabstein für "Our beloved Mother
Babette Dittenheimer
Native of Hüttenbach Hermany
Died Jan. 29, 1904 Aged 77 Years und
"My beloved Husband and our dear Father
Emanuel Dittenheimer
native of Sulzbuerg Germany
Died March 23, 1893 Aged 76 Years". |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge war 1619 vorhanden.
1706 wurde eine Synagoge erbaut oder die bisherige vergrößert. Die
(vermutlich hebräische) Jahreszahl (für) "1706" war in dem Gebäude
noch 1842 zu lesen. In dem Bericht von 1842 wird die "Erweiterung der
Synagoge" im Jahr 1706 angenommen.
Eine neue Synagoge wurde 1844 am Platz der bisherigen Synagoge erbaut. Die feierliche
Grundsteinlegung war im Mai 1844, die feierliche Einweihung am 4. Oktober 1844.
Grundsteinlegung zum Bau der neuen Synagoge
im Mai 1844
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Juni 1844:
"Hüttenbach in Mittelfranken, 24. Mai (1844). Vor einigen Tagen
wurde hier die Grundsteinlegung zu einer neuen Synagoge von unserem
hochwürdigen Distriktsrabbiner Herrn Neckarsulmer zu Schnaittach auf eine
so würdig erhebende Weise vorgenommen, dass das Andenken dieser
religiösen Feier noch lange sich bei allen Anwesenden erhalten
wird.
Festlich gekleidet zogen die sämtlichen hiesigen israelitischen
Gemeindeglieder (65 Familien), der Rabbiner, die Ältesten und Vorsteher
an der Spitze, dann die gesamte Schuljugend, die Mädchen in die
bayerischen Nationalfarben gekleidet und mit Blumenkränzen geschmückt,
mit ihren Lehrer Herrn Lamm zum Bauplatze, woselbst sich bereits unter den
Geladenen, der Gutsbesitzer Freiherr von Lochner, die geistlichen und
weltlichen Beamten der benachbarten Ortschaften und der christlichen
Gemeinde-Verwaltung, eine zahlreiche Menge verschiedener Konfession
eingefunden und um die Tribüne Platz genommen hatten. Nachdem die
Schuljugend einige entsprechende Psalmen rezitiert, hielt der Herr
Rabbiner eine Rede über 2. Buch Mose 25,8, in welcher er Wert und
Bedeutung des Gotteshauses in religiöser und moralischer Beziehung mit
vieler Tiefe und Klarheit auseinander setzte; legte dann mit inniger Wäre
und Beredsamkeit dar, wie Friede und Eintracht nach innen und außen der
Grundstein sei, auf welchen das heilige Gebäude der Tugend, Religion und
Gottesverehrung aufgeführt werden müsse, forderte die Anwesenden alle,
je nach der Verschiedenheit ihrer gegenseitigen Stellung zur brüderlichen
Liebe gegeneinander wie zur treuen Erfüllung ihrer Obliegenheiten gegen
ihrer respektablen Obrigkeit, zur Ausdauer im Guten und zu einem sittlich
reinen Leben in Gott und der Furcht Gottes auf und schloss mit einem
herzlichen Gebete für König und Vaterland, für die Gemeinde und alle,
die welche das fromme Werk unterstützen werden.
Nachdem vom Rabbiner der Grundstein im Namen des Einigeinzigen
eingesegnet, und die üblichen Hammerschläge von den anwesenden Honoratioren
vorgenommen worden, trug die Schuljugend noch einen feierlichen Choral die
Verse 19-29 Psalm 118 vor und der Rabbiner erteilte den Anwesenden den
Segen nach 4. Mose 6,24.
Besonders bemerkt zu werden verdient, die ruhige teilnahmsvolle, wahrhaft
andächtige Haltung aller Anwesenden ohne Unterschied des Standes und
Glaubens, die bei dem größten Teil in Tränen ausbrechende Rührung bei
dem erbauenden und erbaulichen Vortrag.
Möge der Eindruck, den die frommen Worte unseres Rabbiners gemacht, ein
bleibender heilbringender sein, dass das zwischen den verschiedenen
Bekenntnissen geschlungene Bruderband immer mehr befestigt werde! Möge
der Allvater seinen Segen spenden, dass wir den in seinem Namen und zu
seiner Ehre begonnenen Bau glücklich vollenden!" |
Wann die Synagoge eingeweiht wurde, ist nicht bekannt. Aus der
Geschichte der Synagoge liegen nur wenige Informationen vor. Neben den
regulären Gottesdiensten fanden in der Hüttenbacher Synagoge - wie auch
andernorts - Sondergottesdienste und -Gebete statt. Dabei waren auch viele
patriotische Anlässe, zu denen Gottesdienste abgehalten wurden.
Beten für den deutschen Kronprinzen in der Synagoge (1887)
Anmerkung: 1887 erkrankte Kronprinz Friedrich Wilhelm an
Kehlkopfkrebs. Er starb nach einer nur dreimonatigen Regentschaft im
"Dreikaiserjahr" am 15. Juni 1888.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. November 1887: "Hüttenbach.
Auf Anregung des 'Israelit' wurden auch in der hiesigen Synagoge
herzinnige Gebete um die Genesung des deutschen Kronprinzen zum Allvater
im Himmel empor gesandt und ansehnliche Beträge zu Verteilung an
Dürftige gespendet. Möge der Allgütige unser Flehen erhören und dem
hohen Patienten baldige und vollständige Heilung zuteil werden lassen!
Amen. (Wir erhalten aus zahlreichen israelitischen Gemeinden ähnliche
Zuschriften, die wir nicht alle veröffentlichen können. Wir benützen
diese Gelegenheit, die Herren Rabbinen, Lehrer und Vorsänger zu ersuchen,
fortgesetzt öffentlich für die Wiederherstellung des geliebten und
allgemein verehrten Kronprinzen in den Synagogen zu beten. Möge der
allgütige Gott unsere Gebete erhören! - Red.)." |
Bis 1938 war die Synagoge Mittelpunkt des jüdischen
Gemeindelebens am Ort.
Beim Novemberpogrom 1938 erschien in Hüttenbach der NSDAP-Kreisleiter
mit mehreren SA-Leuten. Sie drangen in die Synagoge ein, warfen die Torarollen
und andere Ritualien auf einen Haufen und zündeten sie an. Dabei brannte die
Synagoge großenteils nieder. Einige Zeit später wurde die Brandruine
abgebrochen und auf dem Synagogengrundstück und der unmittelbaren Umgebung ein
öffentlicher Park mit einem Sportplatz angelegt.
Im Oktober 1948 fand vor dem Landgericht Nürnberg/Fürth ein Prozess
gegen 17 der am Novemberpogrom 1938 in Hüttenbach Beteiligten statt. Sechs
bekamen Gefängnisstrafen von drei Monaten bis zum einem Jahr zwei Monaten. Die
anderen wurden freigesprochen.
Das Grundstück der ehemaligen Synagoge wurde wieder bebaut. Eine Gedenktafel
ist seit dem 28. November 1995 vorhanden. Sie trägt die Inschrift "Zum
Gedenken unserer jüdischen Bürger und aller Opfer von Verbrechen und
Gewalt".
Adresse/Standort der Synagoge: Haunacher
Straße 47 (1932: Hauptstraße);
das jüdische Schulhaus (mit der Mikwe im Keller) ist als Wohnhaus in der
Burghardgasse 3 als Wohnhaus erhalten.
Fotos
(Quelle für das Foto der Synagoge: Thomas Schlick - Website www.juden-im-nuernberg-land.de;
Fotos des Synagogengrundstückes von Jürgen Hanke, Kronach, www.synagogen.info;
Foto der Schule: Pinkas Hakehillot s. Lit. S. 296)
Die Synagoge in Hüttenbach |
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Die brennende |
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Gedenken auf
dem Grundstück der Synagoge |
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Blick auf das
Grundstück der ehemaligen Synagoge, rechts nach Neugestaltung
des Platzes
mit der Gedenktafel |
Die Gedenktafel
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Das noch erhaltene
Schulgebäude
(Foto aus den 1960er-Jahren?) |
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Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte
November 2023:
Presseartikel zur Erinnerung an
die Zerstörung der Synagogen im Nürnberger Land beim Novemberpogrom 1938
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Artikel
von Andreas Sichelstiel in der "Pegnitz-Zeitung" vom 8. November 2023:
"Vor 85 Jahren brannten die Synagogen.
Pogromnacht. Auch im heutigen Nürnberger Land eskalierte im November
1938 die Gewalt gegenüber Juden..."
(zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken) |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Magnus Weinberg: Geschichte der Juden in der
Oberpfalz. Bd. III Der Bezirk Rothenberg (Schnaittach, Ottensoos, Hüttenbach,
Forth). Selbstverlag Sulzbürg 1909. Online-Ausgabe Frankfurt am Main
Universitätsbibliothek (als
pdf-Datei: Download 11,83 mb) |
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 193-194. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1992² S. 171. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 295-297.
|
| "Mehr als
Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Band II:
Mittelfranken.
Erarbeitet von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid,
Hans-Christof Haas und Angela Hager, unter Mitarbeit von
Frank Purrmann und Axel Töllner. Hg.
von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz.
Reihe: Gedenkbuch der Synagogen in Deutschen. Begründet und
herausgegeben von Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3:
Bayern, Teilband 2: Mittelfranken. Lindenberg im Allgäu 2010.
Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im
Allgäu.
ISBN 978-3-89870-448-9. Abschnitt zu Hüttenbach S.
383-403 |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Huettenbach Middle
Franconia. The community was probably founded by Jews expelled from
Nuremberg in 1499. From the early 16th century until 1780 it was under the
protection of the princes of the house of Lichner, developing considerably
during the 18th century until subjected to heavy taxes and trade restrictions in
the 1770s. In 1823 the Jewish population was 378, declining steadily thereafter
to 35 in 1933 (total 705). Under the economic boycott of the Nazi era,
two-thirds of the Jews left by 1938. The last 12 left after Kristallnacht
(9-10 November 1938).
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