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Himmelstadt (Main-Spessart-Kreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Himmelstadt bestand eine kleine jüdische Gemeinde bis
zum Ende des 19. Jahrhunderts. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. Erstmals
werden 1655 und 1675 jüdische Personen am Ort genannt: 1655 war
es ein Schutzjude, 1675 werden drei jüdische Familien und ein Schulmeister
genannt. Somit gab es offenbar in dieser Zeit ein bescheidenes jüdisches
Gemeindeleben am Ort.
Ihre Blütezeit erlebte die Gemeinde wohl in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts, als 1786 25 Schutzjuden (vermutlich Personen
und nicht Familien gemeint; vgl. die Zahl der bei der Erstellung der
Matrikelliste 1817 festgestellten Personen),
1796 20 Schutzjuden genannt werden.
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Himmelstadt auf
insgesamt vier Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familien genannt
(mit neuem Familiennamen, Erwerbszweig und Familienverhältnissen): Salomon
Raphael Adler (Handel, 72 Jahre mit Frau, einem Sohn und drei Töchtern;
Schutzbrief von 1772; er starb noch 1817 oder kurz danach), Michael Maenlein Hartmann
(Handel, 82 Jahre, Witwer, zwei Söhne und zwei Töchter; Schutzbrief von 1767),
Isaac Maenlein Mannheimer (Handel, 52 Jahre, mit Frau, drei Söhnen und
drei Töchtern; Schutzbrief von 1799), Abraham Eisig Bamberger (Handel,
48 Jahre, mit Frau und drei Söhnen; Schutzbrief von 1804). Insgesamt waren 1817
damit 23 jüdische Personen in Himmelstadt wohnhaft.
In Spendenlisten der jüdischen Gemeinden, die in jüdischen Periodika
veröffentlicht wurden, werden genannt: Raphael Adler in Himmelstadt bei von
Religionslehrer S. Danziger (Laudenbach) durchgeführten Kollekten ("Der
Israelit" 6. Mai 1868, 10. März 1869, 5. Mai 1870)
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen Einwohner
durch Aus- oder Abwanderung zurück. 1871
wurden noch 16 jüdische Einwohner genannt.
Um 1890 war nur noch die Familie des Viehhändlers Gideon Mannheimer
mit seiner Frau Babette geb. Freimark und sieben Kindern in Himmelstadt, über
deren Schicksalsschlag beim Tod des Familienvaters unten stehender Artikel
berichtet. Aus diesem Artikel geht auch hervor, dass nach Auflösung der kleinen
Gemeinde die jüdischen Einwohner Himmelstadts der Gemeinde in Laudenbach
zugeteilt waren und vom dortigen Lehrer mitbetreut wurden. Die jüdische
Gemeinde Himmelstadt war dem Bezirksrabbinat Würzburg zugeteilt. Nach Wegzug
der Familie Mannheimer lebten keine jüdischen Personen mehr in
Himmelstadt.
An Einrichtungen war sicher ein Betraum (Synagoge) in einem der jüdischen Häuser
vorhanden.
Von den in Himmelstadt geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Sophie Abraham geb.
Mannheimer (1886), Wilhelm Adler (1881), Karolina (Lina) Dobrina geb. Mannheimer
(1888).
Berichte aus der
Geschichte der jüdischen Gemeinde
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Die Familie des Viehhändlers Gideon Mannheimer ist in Not
(1892)
Zur Geschichte der letzten jüdischen Familie am Ort - der Familie des
Viehhändlers Gideon Mannheimer und Babette geb. Freimark mit ihren sieben
Kindern - die in eine sehr schwierige Situation geriet, liegt ein
eindrücklicher Aufruf zur Unterstützung vor, der am 17. November 1892 in der
Zeitschrift "Der Israelit" erschien: "Aufruf! Wenn
je eine traurige Notlage das Mitgefühl und die regeste Teilnahme eines warmen
Menschenherzens zu erwecken imstande ist, so dürfte dies sicher bei der Familie
G. Mannheimer in Himmelstadt bei Karlstadt a.M. der Fall sein, welche vor
14 Tagen in unerwarteter Weise von einem schrecklichen Unglücke leider heimgesucht
wurde.
Herr G. Mannheimer, ein redlicher und fleißiger Familienvater von Frau und
sieben unerwachsenen Kindern, musste leider vor 14 Tagen infolge einer
plötzlich eingetretenen Geistesstörung in die Kreis-Irrenanstalt Werneck
verbracht werden, wo ihn am 5. dieses Monats der Tod von seinen Qualen erlöste
und er seine Familie in den kümmerlichsten Verhältnissen zurückließ. Sieben
kleine Kinder, wovon das älteste ein Knabe von 11 Jahren ist, strecken weinend
die Hände zu ihrer trostlosen und sich im Schmerze windenden Mutter um Brot
verlangend empor. Bedarf es nun der Worte noch mehr, um die schreckliche Not und
das Hammergeschrei dieser so schwer und hart geprüften Familie zu schildern? O!
die Feder sträubt sich, das Elend derselben in seinem ganzen Umfang zu
bezeichnen und ein vollkommenes Bild des unendlichen Jammers zu entwerfen. Und
was noch wesentlich zur traurigen Lage dieser Familie beiträgt, ist der
bedauerliche Umstand, dass dieselbe die einzige jüdische Familie in diesem fast
1 Stunde von hier entfernten Orte und daher vom Umgange teilnehmender
Glaubensgenossen abgeschlossen ist. Hier ist sicher die schleunigste Hilfe,
sowie anhaltende Unterstützung am Platze und jede Zögerung in dieser Weise
dürfte gewiss die größte Verantwortung und schlimmste Folge nach sich ziehen.
Daher helfet, wer helfen kann, und reichliche Belohnung wird den edlen Spendern
vom Vater der Witwen und Waisen zuteil werden.
Laudenbach, bei Karlstadt am Main, den 6. November 1892.
Die israelitische Kultusverwaltung. Sandel Frank. Moses Adler, Lehrer L.
Blumenthal.
Die vorbezeichneten Verhältnisse sind der Wahrheit gemäß geschildert und wird
die Angelegenheit dem Wohltätigkeitssinn der Glaubensgenossen aus wärmste
empfohlen. Würzburg, den 9. November 1892. Der Distrikts-Rabbiner: Nathan
Bamberger.
Spenden wollen an die genannte Kultusverwaltung gesandt werden. Auch die
Expedition ist gern bereit, Gaben in Empfang zu nehmen und weiter zu
befördern."
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Spenden gingen in den folgenden Wochen für Familie Mannheimer einige
ein. Unter anderem wurde darüber in der Zeitschrift "Der Israelit" am
31. März 1893 berichtet: "Für die Witwe Mannheimer in Himmelstadt (gingen
an Spenden ein von): Lehrer Ehrmann in Zell 8.50. - Lehrer A. Oppenheimer in
Würzburg 6. - M.H. Lebermann dort 3. - Ungenannt in Bamberg 5. - N.N. in
Derenburg. - Durch Lehrer Kahn in Edelfingen, Ergebnis einer Kollektor 19.30. -
N.N. in Gailingen 3. - Durch Dr. A. Oppenheimer in Würzburg von Georg S."
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Nachgeschichte: In Würzburg lebten seit 1902/03 vier der Kinder von
Gideon Mannheimer und Babette geb. Freimark: Isak (Jaques) Mannheimer (geb.
1882
in Himmelstadt, gest. 1927 in Würzburg) und Lazarus Mannheimer (geb. 1883 in
Himmelstadt, gest. 1968 in New York): die beiden Brüder gründeten 1905 in
Würzburg die Weingroßhandlung Gebr. Mannheimer und führten sie (nach 1927
Alleininhaber Lazarus M.) bis nach 1933. Zeitweise als Kontoristinnen in der
Firma tätig waren die beiden Schwestern Karolina Mannheimer (geb. 1888 in
Himmelstadt, später nach Köln verzogen, s.u.) und Rosa Mannheimer (geb.
1891 in
Himmelstadt, später nach Darmstadt verzogen). Von einer weiteren Schwester ist
bekannt, dass sie in der NS-Zeit umgekommen sind: Sophie (geb. 1886
in Himmelstadt, verh. Mannheimer in Darmstadt, wurde 1942 deportiert). Identisch
mit der bereits genannten Karolina ist die im Gedenkbuch genannte Lina
(geb. 1888 in Himmelstadt, verh. Dobrina in Hamburg, wurde 1941
deportiert).
Zur Geschichte der Synagoge
Zur Geschichte eines Betsaales oder einer Synagoge liegen noch
keine weiteren Informationen vor. Der 1675 genannte Schulmeister weist jedoch
darauf hin, dass bereits damals eine "Judenschule" (= Betsaal /
Synagoge) vorhanden war.
Adresse/Standort des Betsaales / der Synagoge: unbekannt
Fotos
Es sind noch keine
Fotos zur jüdischen Geschichte in Himmelstadt vorhanden. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
 | Reiner Strätz: Biographisches Handbuch -
Würzburger Juden 1900-1945. Würzburg 1989. Band I S. 370-371. |
 | Leonhard Scherg: Jüdisches
Leben im Main-Spessart-Kreis. Reihe: Orte, Schauplätze, Spuren. Verlag
Medien und Dialog. Haigerloch 2000 (mit weiterer Literatur). S. 19. |

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