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in Heidelberg
Heidelberg (Stadtkreis)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt im 19./20. Jahrhundert (bis
nach 1933)
Hier: Berichte zu jüdischen Dozenten an
der Universität und weitere Berichte aus dem Umfeld der
Universität
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Heidelberg wurden in jüdischen Periodika
gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.
Die Texte wurden dankenswerterweise von Susanne Reber (Mannheim) abgeschrieben
und mit Anmerkungen versehen.
Hinweis: Online zugänglich (als pdf-Datei eingestellt) ist die
Dokumentation
"Juden an
der Universität Heidelberg - Dokumente aus sieben Jahrhunderten"
(Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg - Universitätsbibliothek -
Ausstellungen): Ausstellung in der Universitätsbibliothek Heidelberg vom
12.6.-31.8.2002 und in der National- und Universitätsbibliothek Jerusalem.
Verantwortlich: Petra Schaffrodt und Jörg Hüfner. Dokumentation wurde
zusammengestellt von Gabriele Dörflinger im August 2002.
Übersicht:
vgl. auch die unten genannte Literatur.
Berichte zu einzelnen jüdischen Dozenten an der Universität
Heidelberg
Erinnerung an den ersten jüdischen Privatdozenten in Deutschland:
Dr. Siegmund Wilhelm Zimmern 1821 in Heidelberg
(1905)
Anmerkung: Siegmund Wilhelm Zimmern (geb. 1796 in Heidelberg, gest. 1830 in
Heidelberg), Sohn des jüdischen Kaufmanns/Bankiers David Zimmern und der
Zippora geb. Ullmann (der Großvater Josua genannt Seligmann Zimmern war
Judenschaftsvorsteher der Kurpfalz; der Urgroßvater David Ullmann war
Oberrabbiner der Kurpfalz); studierte ab 1813 in Heidelberg (Promotion 1817,
Habilitation 1821 und damit Privatdozent an der Universität Heidelberg);
erhielt im Mai 1821 den Titel eines großherzoglichen badischen Rates; auf Grund
des entschiedenen Widerstandes der Universität Heidelberg (siehe den Artikel
unten) konnte er als Jude jedoch nicht zum Professor ernannt werden und war somit zur
Konversion gezwungen; im September 1821 trat er in Karlsruhe zur lutherischen
Kirche über, worauf er im Oktober 1821 ordentlicher Professor der Rechte in
Heidelberg werden konnte. 1826 wurde er nach Jena gerufen, wo er als Professor
der Rechte tätig war, ab 1827 zugleich akademischer Rat am gemeinschaftlichen
Oberappellationsgericht in Jena. Seit Herbst 1828 war er erkrankt und starb im
Juni 1830 im Alter von 34 Jahren.
Quelle: Artikel
"Zimmern, Siegmund Wilhelm" in der "Deutschen
Biographie".
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 17. Februar
1905: "Der erste jüdische Privatdozent in Deutschland.
In dem Essay von Professor von Lilienthal: 'Heidelberger Lehrer des Strafrechts
(Festschrift, Heidelberg)' finden wir bisher gänzlich unbeachtet
gebliebene Mitteilungen, durch die die Frage, 'wer der erste jüdische
Privatdozent in Deutschland' war, ihre Beantwortung findet. Der sehr
wertvolle Bericht lautet:
"Am 30. Mai 1821 wurde vom Ministerium dem Senate der Universität
mitgeteilt, dass man höchsten Ortes geneigt sei, den Privatdozenten Dr. Zimmern
zum außerordentlichen Professor zu ernennen, wenn demselben nichts als
seine Religionseigenschaft entgegenstehe. Doch wünsche man vorher die
Ansicht des Senats und der Juristenfakultät über diese Anstellung zu
vernehmen. Die juristische Fakultät erstattete darauf folgenden (von
Thibaut, dem damaligen Dekan, abgefassten) Bericht an den Senat:
'In dem Reskript des Hohen Ministerii des Innern vom 25. August 1818,
welche ihm mit dem Bemerken erteilt, dass er nach den damaligen
Staatsverhältnissen keine Hoffnung habe, als Professor ordinarius oder
extraordinarius oder als Beisitzer des Spruchkollegii angestellt zu
werden.
Unsere Fakultät wünscht nun lebhaft, dass es auf immer bei diesem
Beschlusse bleiben möge, obgleich sich der Dr. Zimmern bisher durch
seinen Charakter, seine gelehrten Kenntnisse und seine Geschicklichkeit
sehr ausgezeichnet hat. Schon die Konsequenz scheint es zu fordern, dass
ein durch einen Ministerialbeschluss so klar ausgesprochenes Prinzip nicht
gleich wenige Jahre nachher wieder zurückgenommen werde, ohne dass sich
die Umstände auf irgendeine Art geändert haben. Es sind aber nach wie
vor die dringendsten Gründe zur Rechtfertigung unseres obigen Wunsches
vorhanden. Solange nämlich unsere Staaten den Grundsatz annehmen, dass
die Rechte von Juden besonders in Beziehung auf die Verwaltung des Staates
möglichst zu beschränken seien, und dass man sie zum Beispiel namentlich
von allen Richterämtern, Wahlkollegien und ständischen Versammlung
ausschließen müsse, und solange die unmittelbar zum Staatsdienst
bildenden höheren Wissenschaften, vielfach mit der christlichen Religion
zusammenhängen, solange ist es unumgänglich erforderlich, dass man, wie
es schon so oft gesagt ist, unsere Akademien ganz als christliche
Lehranstalten behandelt, und insbesondere in Beziehung auf die
Rechtswissenschaft, welche in so vielfacher Hinsicht durch das Christentum
begründet ist und überall damit in Verbindung steht. Will man der
Humanität wegen da und dort einmal einem Israeliten das Recht,
Privatvorlesungen zu halten, erteilen, so mag dies als etwas
Unwesentliches geschehen. Eine solche kleine den Ehrgeiz nicht anreizende
Gunst wird wenig Kompetenten herbeiführen. Allein wie man den so hoch
gehaltenen Titel eines akademischen Professors auch an Juden austeilt,
wird der Andrang unfehlbar von allen Seiten erfolgen, und die durch ihren Reichtum
schon bald allmächtigen, stets unermüdeten |
und
in der Weltweisheit besonders erprobten Israeliten werden gewiss nicht
unversucht lassen, den Bruch des Eises zu benutzen, um eiligst eine
Scholle nach der andern abzustoßen. Freilich behält jede Regierung die
Freiheit; allein jede Regierung soll doch immer sich dagegen in Acht
nehmen, dass sie nicht, ihrer Kraft vertrauend, zu Abweichungen von der
Regel einstimmt, welche in späteren Zeiten der möglichen Schwäche zu
einer vollen Umkehrung führen können. Dazu kommt, dass unsere Akademien,
wenn auf ihnen wissenschaftlicher Eifer und gehörige Regsamkeit erhalten
werden soll, durchaus nicht bloß als Anstalten für den Bezirk ihres
Landes, sondern als allgemeine Bildungsanstalten für ganz Deutschland zu
behandeln sind, dass mithin auch auf ihnen das vermieden werden muss, was
in andern Ländern als verderblich angesehen wird. Keine deutsche
Regierung hat aber bisher Juden als Professoren auf Akademien angestellt. Selbst
in den österreichischen und preußischen Staaten, wo doch sonst die
Israeliten die meisten Rechte haben, ist bisher immer ein solcher Schritt
vermieden. Wenn als Heidelberg die erste Akademie wäre, welche gegen die
jetzt mehr als jemals den Israeliten entgegenstehende allgemeine Meinung
sich endlich mit einer höchst bedenklichen Neuerung den übrigen
deutschen Staaten gegenüberstellte, so würden darauf gewiss
Missverhältnisse und Gefahren entstehen, welche wir hier wohl nicht
weiter zu entwickeln brauchen.
Insbesondere müssen wir noch hier dies bemerken. Unsere Fakultät besitzt
unter dem Namen des Spruchkolegii ein Rechtskollegium, an welches
jährlich eine Menge der wichtigsten Rechtsfragen und Prozesse zur
Beantwortung und Entscheidung gelangen. Allgemein in ganz Deutschland ist
es hergebracht, dass die Professoren juris extraordinarii in der Regel
Assessors der Spruchkollegien und Schöppenstühle sind. Auf welches
Vertrauen haben wir also zu rechnen, wenn durch die bisher ganz unerhört
gewesene Ernennung eines Juden zum Professor juris extraordinarius
auswärts die ganze natürliche Besorgnis entsteht, dass hier am Ende gar
vielleicht auch Juden im Namen der transmittierenden christlichen Gerichte
das Recht sprechen helfen? Öffentliche Bekanntmachungen können uns
dagegen nicht retten, denn auf allgemeine Verbreitung derselben ist nicht
zu rechnen und über kurz oder lang sind sie wieder vergessen. Die
Bewilligung des bloßen Professortitels würde hier also die größten
Gefahren für ein Kollegium zur Folge haben, welches bisher aus allen
Teilen Deutschlands fortwährend Beweise des Vertrauens erhielt und durch
seinen Eifer und seine Tätigkeit gewiss allen Anspruch darauf hat, dass
man höchsten Ortes Anstand nehme zu tun, was denen, welche bisher allein
die Last tragen und ferner zu tragen haben, nichts als gerechte Besorgnis
erregen kann.'
Der Senat schloss sich dem gehässigen Votum Thibauts an. Sein Bericht
schließt mit den Worten: 'Dem Dr. Zimmern steht für seine Anstellung an
der Universität nichts im Wege, als die Religion: Christ aber zu sein und
mit christlicher Liebe und mit christlicher Treue in dem Dienst ihres
erhabenen Souveräns, dessen hohes Fürstenhaus zu allen Zeiten durch
Christentugenden ausgezeichnet war, zu stehen, ist für die Glieder des
engeren Senates, und wie sie überzeugt sein dürften, auch für alle ihre
übrigen Kollegen das höchste, und nur dadurch allein können sie sich
des Vertrauens würdig beweisen, welches Seine Königliche Hoheit, unser allergnädigster
Landesherr in sie zu setzen gütigst beruhen.'
Am 21. Oktober 1821 erfolgte die Ernennung Zimmerns zum Professor
ordinarius 'noch zur Zeit ohne allen Gehalt und ohne Zusicherung desselben
für die Zukunft'. Wahrscheinlich hatte er inzwischen dem Senate und der
Fakultät das Opfer des Glaubenswechsels gebracht. 1826 ging Zimmern nach
Jena, wo er 1827 zum Oberappellationsgerichtsrat ernannt wurde. Es darf
hinzugefügt werden, dass er als Romanist sehr geschätzt war und dass
sein Lehrbuch noch heute vielfach zitiert und benutzt wird. Die Familie
Zimmern ist eine alte und weitverzweigte unter den Juden in
Süddeutschland. Eines ihrer Mitglieder ist gegenwärtig sogar - Domherr
in Speyer." |
Dr. jur. Alexander Friedländer erhält die venia
docendi (1843)
Anmerkung: Alexander Friedländer (geb. 1819 in Brilon als Sohn von Kaufmann
Abraham Friedländer, gest. 1858 auf dem Atlantik beim Brand seines Schiffes auf
der Fahrt nach Amerika): studierte ab 1837 in Bonn und Heidelberg (1841
Promotion); 1847 veröffentlichte er sein Hauptwerk "Juristische
Encyclopädie. Im Zusammenhang Auf Grund seines Engagements in den
Revolutionsjahren 1848/49 wurde er 1850 verhaftet und zu einer mehrjährigen
Haftstrafe verurteilt, jedoch auf Grund seines schlechten Gesundheitszustandes
vorzeitig begnadigt. Am 13. September 1858 wanderte er aus, kam jedoch bei der
Überfahrt ums Leben.
Vgl. Wikipedia-Artikel
Alexander Friedländer
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. Mai
1843: "Heidelberg, 28. April (1843). Unser humanes, aus
den erleuchtetsten Mitgliedern bestehendes hohes Ministerium des Innern
hat, wie wir aus einem Anschlage am schwarzen Brett sehen, abermals einem
Israeliten, dem Dr. jur. Alex. Friedländer aus Brilon in Westfalen,
venia docendi erteilt. Dieser junge Mann hat vor einigen Jahren die
schwierige juristische Preisfrage 'über die unvordenkliche Zeit' hier
gelöst und bereits den ersten teil derselben, dem noch ein zweiter folgen
wird, in die Welt geschickt. Unter den von ihm angezeigten Vorlesungen
befindet sich auch eine über Geschichte der
Rechtsphilosophie". |
Verleihung einer Professur an einen jüdischen Dozenten (Gustav Weil) mit
Schwierigkeiten (1845)
Anmerkung: es geht um Gustav Weil
(geb. 1808 in Sulzburg,
gest. 1889 in Freiburg im Breisgau): studierte 1828 bis 1830 Geschichte und
Philosophie an der Universität Heidelberg; hielt sich 1831 bis 1835 in Kairo
auf, zeitweise in Algier und Konstantinopel; 1836 Promotion in Tübingen und
Habilitation in Heidelberg; von 1836 bis 1845 Lehrbeauftragter und Bibliothekar
an der Universität Heidelberg; 1845 wurde er - gegen den im nachfolgenden
Artikel beschriebenen Widerstand der Universität - (unbesoldeter) außerordentlicher Professor
für orientalische Sprachen, 1861 endlich ordentlicher Professor in Heidelberg
(siehe Artikel unten von 1861).
Vgl. Wikipedia-Artikel zu
"Gustav Weil".
Foto links: Universitätsbibliothek Heidelberg - Der Lehrkörper
Ruperto Carola zu Heidelberg im Jahre 500 ihres Bestehens. Link.
Ernennung
von Prof. Dr. Gustav Weil zum Ordinarius der philosophischen Fakultät (1861).
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 25. August 1845: "Vom Neckar, 27. Juli (1845). Die
philosophische Fakultät der Universität Heidelberg hat in diesen
Tagen einen wirklich bemerkenswerten Beitrag zur Judenemanzipation
geliefert. Wir waren über dies philosophische (?) Verdikt umso mehr
erstaunt, als es eben auf Anregung von Männern ausging, die sonst die
freisinnige Richtung in Kirche und Staat zu verfolgen vorgeben und zuweilen
auch wirklich verfolgen. Es handelte sich um die Verleihung der
außerordentlichen Professor an den ältesten Dozenten der Universität,
dessen Name sich durch seine 'Grundlagen des deutschen Rechts', ein Werk
voll tiefsinniger geschichtlicher Forschung und ausgezeichneter
Gelehrsamkeit, in der wissenschaftlichen Welt einen guten Klang erworben.
Da derselbe jedoch gleichzeitig bei der Bibliothek beschäftigt ist und
einen, als tüchtigen Orientalisten und Biographen Mahumeds bekannten
jüngeren Dozenten als Bibliothekar zum Vorgesetzen hat, so wollte man der
Konsequenz halber auch diesem die Professor verleihen, und stellte
demzufolge an die philosophische Fakultät die Anfrage, ob sie letzteren,
da er israelitischer Konfession, als Professor extraord. annehmen
wollen. Die beratende Stimme der Fakultät sprach sich mit großer
Majorität für das Nein aus, da ein Israelit nicht den
vorgeschriebenen Eid auf das Evangelium leisten könne. Da Gelehrte
gewöhnlich ein Prinzip bis an seine äußersten Konsequenzen verfolgen,
so willen wir doch einmal einen Schritt rückwärts tun und fragen: Ist
denn der Eid auf das Evangelium nciht auch bei der Promovierung zum Doktor
vorgeschrieben und kömmt es denn nicht jedes Jahr vor, dass Israeliten
promovieren, ohne den Eid auf das Evangelium zu leisten? Dass die
Promovierung für den Promovierenden mit großen Kosten verbunden ist,
während die Ernennung zum Prof. extraord. in finanzieller Rücksicht mit
der Universität nichts zu schaffen hat, kann hierbei natürlich nicht in
Betracht kommen. Die Verleihung der Professur an die genannten Dozenten
ist schon früher wiederholt in Anregung gekommen und dem Vernehmen nach
nur deshalb unterblieben, weil der Bibliotheksvorstand keine Professoren
(Kollegen) zu Untergebenen haben wollte. - Da sich jedoch, wie es von dem
Rechtlichkeitssinne und der besseren Einsicht dieses Gelehrten zu erwarten
war, dieser Anstand gehoben, war diese Gelegenheit recht passend, der
Emanzipation ein wohlbegründetes Faktum entgegenzustellen. Man erwartet
allgemein von der Liberalität der Regierung,. dass sie diese beratende Stimme
der Universität nicht in Berücksichtigung ziehen und zwei achtbaren
Gelehrten wegen einer philosophischen Subtilität nicht die längst
verdiente Auszeichnung entziehen werde (Frankfurter
Journal)." |
Ernennung von Prof. Dr. Gustav Weil zum Ordinarius der philosophischen Fakultät
(1861)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. August
1861: "Heidelberg, 11. August (1861). Die Ernennung des Professors
Dr. Weil, eines Israeliten, zum Ordinarius der philosophischen
Fakultät an unserer Hochschule ist für die freisinnige Richtung des
gegenwärtigen Ministeriums bezeichnend. Weil war seit einer Reihe von
Jahren als zweiter Bibliothekar mit dem Titel eines Honorarprofessors an
unserer Universität verwendet, ohne dass es ihm seiner
Religionseigenschaft wegen gelingen konnte, die Stelle eines ordentlichen
Professors und Mitgliedes der philosophischen Fakultät zu erlangen. Er
ist der erste Israelite, der eine ordentliche Professor an unserer
Hochschule bekleidet. Weil gilt mit Recht als einer der gründlichsten
Kenner der arabischen Sprache und Literatur in unserer Zeit (Schwäbischer
Merkur)." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 27. August 1861: "Heidelberg, 11. August (1861). Die
Ernennung des Professors Dr. Weil, eines Israeliten zum Ordinarius
der philosophischen Fakultät an unserer Hochschule hat hier, wie der
'Schwäbische Merkur' berichtet, allgemeine Zufriedenheit erregt und ist
für die freisinnige Richtung des gegenwärtigen Ministeriums bezeichnend.
Weil war seit einer Reihe von Jahren als zweiter Bibliothekar mit dem
Titel eines Honorarprofessors an unserer Universität verwendet, ohne dass
es ihm seiner Religionseigenschaft wegen gelingen konnte, die Stelle eines
ordentlichen Professors und Mitglieder des philosophischen Fakultät zu
erlangen. Er ist der erste Israelit, welcher eine ordentliche Professur
an unserer Hochschule bekleidet. In der gelehrten Welt ist Weil durch
seine Geschichte Muhamed's und des Kalifats rühmlichst bekannt; durch
umfassendes Quellenstudium und kritische Sichtung der bisherigen
historischen, vielfach irrtümlichen Ansichten über Entstehung und
Ausbreitung des Islam hat Weil auf diesem wichtigen, aber bis dahin
verworrenen und dunkeln Geschichtsgebiete erst Bahn gebrochen und Licht
geschaffen. Weil gilt mit Recht als einer der gründlichsten Kenner der arabischen
Sprache und Literatur unserer Zeit." |
An der Universität wurden in kurzer Zeit vier jüdische
Professoren angestellt
(1866)
Im nachfolgenden Artikel wird genannt:
Salomon Moos (geb. 1831 in Randegg, gest. 1895 in Heidelberg):
studierte seit 1851 Medizin in Heidelberg, Prag und Wien; 1856 Promotion
in Heidelberg; zunächst als praktischer Arzt tätig, dann Assistent an
der Heidelberger Medizinischen Klinik; 1859 Habilitation für Innere
Medizin; seit 1862 spezialisiert auf die Otologie (Ohrenheilkunde); 1866
zu außerordentlichen Professor ernannt, 1876 Fachprofessor für
Ohrenheilkunde, 1891 ordentlicher Honorarprofessor.
Foto links: Universitätsbibliothek Heidelberg - Der Lehrkörper
Ruperto Carola zu Heidelberg im Jahre 500 ihres Bestehens. Link. |
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. September
1866: "Heidelberg. An der Universität hier sind in kurzer
Zeit vier Israeliten als Professoren und zwar in den verschiedenen Fakultäten
angestellt worden. In jüngster Zeit wurde dem, namentlich als Ohrenarzt
berühmten Privatdozenten Dr. Salomon Moos der Charakter als
außerordentlicher Professor an der medizinischen Fakultät erteilt. Es
scheint, dass auch bei der gegenwärtigen Zusammensetzung des Ministeriums
auf der in Baden einmal beschrittenen, liberalen Bahn, auf welcher man bei
Besetzung von Staatsämtern nur das Verdienst, nicht die Konfession im
Auge hat, vorwärts gegangen wird. (N. Nachr.)." |
An drei Fakultäten sind jüdische Dozenten tätig
(1868)
Anmerkung: Genannt werden in nachfolgendem Abschnitt:
Prof. Levin Goldschmidt (geb. 1829 in Danzig, gest. 1897 in Bad
Wilhelmshöhe): bedeutender Jurist (Handelsrechtler); studierte ab 1847
zunächst Medizin, dann Jura in Berlin, Bonn und Heidelberg; war von 1855
bis 1870 Mitglied der juristischen Fakultät Heidelberg; 1860
außerordentlicher, 1866 ordentlicher Professor; seit 1870 Richter am
Reichsoberhandelsgericht des Norddeutschen Bundes in Leipzig; 1875 bis
1877 Reichstagsmitglied der Nationalliberalen Partei; 1875 ordentlicher
Professor für Handelsrecht in Berlin.
Siehe Wikipedia-Artikel
Levin Goldschmidt (von hier auch das Foto). |
- Prof. Dr. Gustav Weil (siehe
oben)
- Prof. Dr. Zacharias Oppenheimer (siehe unten)
- Prof. Dr. Salomon Moos
(siehe oben) |
- Privatdozent Dr. Julius Bernstein (geb.
1839 in Halle, gest. 1917 in Halle), Physiologe; studierte ab 1857 in
Breslau, Promotion 1862; seit 1864 Assistent bei Prof. Hermann von
Helmholtz in Heidelberg, Habilitation 1865; seit 1870 Privatdozent in
Heidelberg, seit 1872 Professor in Halle.
vgl. Wikipedia-Artikel
zu Julius Bernstein.
vgl. Wikipedia-Artikel
Julius Bernstein.
- Privatdozent Dr. Georg Michael Asher (geb. 1827, gest. 1905),
Römische Rechtsgeschichte, Habilitation 1863, in Heidelberg von 1863 bis
1874 und
- Dr. Salomon Lefmann
(siehe unten). |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Januar
1868: "Heidelberg, im Dezember (1867). An der hiesigen
Universität sind an den drei Fakultäten (die theologische bleibt
natürlich ausgeschlossen) israelitische Dozenten in hervorragender Weise
tätig. Als ordentlich-öffentlicher Lehrer gehört der juristischen
Fakultät Professor Goldschmidt, der philosophischen Professor
Weil an, jener hochgeachtet in der gelehrten Welt als Autorität
namentlich im Handelsrecht und bei der studierenden Jugend wegen seines
klaren und gediegenen Vortrags sehr beliebt; dieser, ein ausgezeichneter
Kenner der orientalischen Literatur, ist auch in weiteren Kreisen durch
seine Arbeiten, die sich auf die Geschichte des Islams beziehen, bekannt.
Außerordentliche Professoren sind zwei jüdische Mediziner, der Pathologe
und praktische Arzt Dr. Oppenheimer und der Ohrenarzt Dr. Moos:
als Privatdozent wirkt in der medizinischen Fakultät Dr. Bernstein.
Außerdem lehren als Privatdozenten Dr. Asher, der mit großer
Strebsamkeit das römische Recht bearbeitet, und Dr. Lefmann, der
sich mit Sprachvergleichung und dem diesem Studium zu Grunde liegenden
Sanskrit beschäftigt. Professor Oppenheimer steht auch an der
Spitze eines Vereins, der es sich zur Aufgabe gesetzt hat, arme jüdische
Studenten zu unterstützen. Eine Kollekte, die vor Kurzem unter den
Wohlhandenden der studierenden Glaubensgenossen stattfand, hat in die
Kasse dieses Vereins eine ansehnliche Summe geliefert." |
Weitere
jüdische Professoren im Jahr des Universitätsjubiläums 1885 (1885)
Eugen
Askenasy (geb. 1845 in Tarnopol, gest. 1903 in Sölden): studierte an
der Akademie Hohenheim und seit 1864 in Heidelberg (Promotion 1866). 1881
außerordentlicher Professor und 1897 Honorarprofessor in Heidelberg im
Bereich der Botanik.
Quelle: Wikipedia-Artikel
"Eugen Askenasy".
Foto links: Universitätsbibliothek Heidelberg - Der Lehrkörper
Ruperto Carola zu Heidelberg im Jahre 500 ihres Bestehens. Link.
|
|
Moritz
Benedikt Cantor (geb. 1829 in Mannheim, gest. 1920 in Heidelberg): war
der führende Mathematikhistoriker des 19. Jahrhunderts, studierte ab 1848 Mathematik in Heidelberg, dann in Göttingen (Promotion
1851, Habilitation 1853 in Heidelberg); war seit 1860 Dozent in
Heidelberg, seit 1863 außerplanmäßiger Professor (erster Professor für
die Geschichte der Mathematik in Deutschland), seit 1875
Honorar-Professor; 1913 emeritiert.
Quelle: Wikipedia-Artikel
"Moritz Cantor"; Artikel
in der "Jewish Encyclopedia";
https://mathshistory.st-andrews.ac.uk/Biographies/Cantor_Moritz/
Foto links: Universitätsbibliothek Heidelberg - Der Lehrkörper
Ruperto Carola zu Heidelberg im Jahre 500 ihres Bestehens. Link.
|
|
Hermann
Schapira (geb. 1840 in Erswilken Litauen, gest. 1898 in Köln): war
seit 1860 Rabbiner in Erswilken; nach
1868 Mathematik-Studium in Berlin; 1871 bis 1878 Kaufmann in Odessa; 1878 Studium in
Heidelberg; 1880 Promotion in Heidelberg; Habilitation in Heidelberg; 1887
außerordentlicher Professor in Heidelberg; war Gründer des ersten
nationaljüdischen Vereins "Zion" in Deutschland.
Dokumente
zu Hermann Schapira in einer Ausstellung der Universität
Foto links: Universitätsbibliothek Heidelberg - Der Lehrkörper
Ruperto Carola zu Heidelberg im Jahre 500 ihres Bestehens. Link.
vgl. Wikipedia-Artikel
Hermann Schapira.
Genealogische Informationen:
https://www.geni.com/people/Zvi-Hermann-Shapira/6000000000390187529 |
|
Georg
Ludwig Cohn (geb. 1845 in Breslau, gest. 1918 in Zürich): studierte
in Breslau und Berlin; 1868 Promotion in Greifswald, 1876 Habilitation in
Heidelberg; war seit 1878 außerordentlicher Professor, seit 1886
Honorarprofessor in Heidelberg; seit 1892 ordentlicher Professor für
deutsche und schweizerische Rechtsgeschichte sowie deutsches und
schweizerisches Privatrecht in Zürich; von 1902 bis 1904 Rektor der
Universität Zürich.
Foto links: Universitätsbibliothek Heidelberg - Der Lehrkörper
Ruperto Carola zu Heidelberg im Jahre 500 ihres Bestehens. Link.
vgl. Wikipedia-Artikel
Georg Cohn. Genealogische
Informationen:
https://www.geni.com/people/Georg-Cohn/6000000070262722950
vgl. die Artikel unten (1892 / 1902). |
|
Isidor
Steiner (geb. 1849 in Pleß, Oberschlesien, gest. 1914 in Köln?):
Physiologe. In Heidelberg von 1878 bis 1888.
Foto links: Universitätsbibliothek Heidelberg - Der Lehrkörper
Ruperto Carola zu Heidelberg im Jahre 500 ihres Bestehens. Link. |
Hofrat Prof. Dr. Gustav Weil feiert seinen 80. Geburtstag
(1888)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Mai
1888: "Man schreibt aus Heidelberg, 20. April (1888). Das
Sommerhalbjahr der Universität beginnt mit einem Jubiläum, indem der
Nestor der Orientalisten, Hofrat Dr. Weil, der verdiente Verfasser
der Kalifengeschichte und vieler anderer Werke, am 25. seinen 80.
Geburtstag feiern wird." |
In
der philosophischen Fakultät habilitierte sich Dr. Max Wolf für das Fach der
Astronomie (1890)
Anmerkung: zu Max Wolf siehe Wikipedia-Artikel http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Wolf
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. Juli 1890: "In der philosophischen Fakultät zu
Heidelberg habilitierte sich Dr. Max Wolf für das Fach der
Astronomie, das bisher hier noch nicht vertreten war. Der junge Dozent ist
in der glücklichen Lage, seine Lehrtätigkeit durch den Besitz einer eigenen,
wohl ausgerüsteten Sternwarte unterstützen zu können, von der schon
beachtenswerte Beobachtungen und Entdeckungen ausgegangen sind." |
Bibliothekar Adolf Neubauer in Oxford erhält den
Ehrendoktor aus Heidelberg (1890)
Anmerkung: es geht um Adolf Neubauer (geb. 1832 in Kotešová, gest. 1907 in
London), war ein ungarischer Hebraist, Bibliothekar und Lektor in Oxford.
vgl. Wikipedia-Artikel
Adolf Neubauer.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 8. August 1890: "Die philosophische Fakultät der Universität
Heidelberg hat unseren berühmten Glaubensgenossen, den Bibliothekar
Neubauer in Oxford, zum Ehrendoktor ernannt." |
Prof.
Georg Ludwig Cohn wurde nach Zürich berufen (1892)
Anmerkung: zur Person siehe oben (mit Foto)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 11. März 1892: "Prof. Georg Cohn in Heidelberg, der seit
1876 der Heidelberger Juristen-Fakultät angehört, ist als ordentlicher
Professor nach Zürich berufen worden." |
|
Prof. Dr. Ludwig
Cohn wird Rektor der Universität Zürich (1902) |
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 13. Februar 1902: "Zürich, 3. Februar (1902). (Der
neue Rektor der hiesigen Universität). Wie bekannt wird, ist zum
Rektor der Universität Zurück der Professor der Jurisprudenz Dr. Georg
Cohn gewählt worden. Herr Professor Cohn, der von Heidelberg nach
Zürich berufen worden, entstammt einer sehr bekannten Breslauer
Gelehrtenfamilie. Er ist ein Bruder des berühmten Breslauer Augenarztes
Professor Hermann Cohn." |
Prof.
Dr. Zacharias Oppenheimer wird zum Hofrat ernannt
(1900)
In
den nachfolgenden Abschnitten wird genannt:
Zacharias Oppenheimer (geb. 1830 in Michelfeld,
gest. 1904 in Heidelberg): im Oktober 1848 kam er zum Medizinstudium nach Heidelberg; im Mai 1849
nahm er am badisch-pfälzischen Aufstand teil. Nach Niederschlagung der
Mairevolution floh er im Juni 1849 in die Schweiz, kehrte jedoch im
Oktober 1849 wieder nach Deutschland zurück. Zunächst studierte er in
Würzburg, seit Oktober 1851 wieder in Heidelberg. 1855 Habilitation in
Heidelberg; seit 1863 ao. Professor der Medizin in
Heidelberg, veröffentlichte Schriften zu neurologischen Fragestellungen.
Dr. Zacharias Oppenheimer war seit 4. März 1857 (Trauung in Weinheim
durch Bezirksrabbiner Salomon Fürst) verheiratet mit Mathilde geb. Frank
(geb. 26. Dezember 1833 in Oberelsbach*);
eingestellt: Seite aus dem Personenstandsregister Heidelberg mit Eintragung
der Trauung von Dr. Oppenheimer und Frau (Quelle: HStA Stgt Bestand
386 Bü. 249; Personenstandsregister
online).
(Foto links: Universitätsbibliothek Heidelberg - Der Lehrkörper Ruperto
Carola zu Heidelberg im Jahre 500 ihres Bestehens. Link;
vgl. Wikipedia-Artikel
"Zacharias Oppenheimer")
*) der Geburtsort Oberelsbach wurde auf Grund einer Recherche von E.
Böhrer im Juli 2012 bestätigt; der in einigen Publikationen angegebene
Geburtsort Veitshöchheim ist nicht korrekt (von Veitshöchheim stammt
vielmehr die Mutter von Mathilde Oppenheimer geb. Frank: Charlotte Frank
geb. Edenfelder, Tochter des Weinhändlers Simon Edenfeld[er]). |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. März
1900: "Karlsruhe. Seine Königliche Hoheit der Großherzog
haben unterm 2. März dieses Jahres gnädigst geruht, den
außerordentlichen Professor Dr. Zacharias Oppenheimer an der
Universität Heidelberg zum Hofrat zu ernennen." |
60.
Geburtstag von Prof. Dr. Zacharias Oppenheimer (1900)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 26. Januar 1900:"In Heidelberg feierte am 8. dieses
Monats Professor Dr. Oppenheimer, der seit dem Jahre 1855 dem
Lehrkörper der Universität angehört und früher als Mitleiter an der
Luisen-Heilanstalt wirkte, die Feier seines 60.
Geburtstages." |
Dr. Martin Jacoby wird zum Professor der Medizin
ernannt (1906)
Anmerkung: Martin Johann Jacoby (geb. 1872 Berlin, gest. 1941 in Manchester,
Großbritannien), Pharmakologe; nb. ao. Prof. Habilitation 1901; in Heidelberg
von 1901 bis 1907. In Berlin erinnert an ihn eine Gedenktafel in der Turmstraße
21, Mitte.
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 22. Juni
1906: "Heidelberg. Ernennung. Dr. Martin Jacoby, ein
geborener Berliner, ist zum außerordentlichen Professor der Medizin
ernannt worden. Jacoby ist einer der hervorragendsten Biologen und
Pharmakologen." |
Professor Dr. Hermann Cohn vermacht einen hohen Betrag an die
medizinische Fakultät - Walter Jellinek erhält den Preis der juristischen
Fakultät (1906)
Anmerkung: Zu Hermann Cohn (geb. 1939 in Breslau, gest. 1906 ebd.) siehe Wikipedia-Artikel
Hermann Cohn (Mediziner).
Zu Walter Jellinek (geb. 1885 in Wien, Sohn des u.g. Georg Jellinek, gest. 1955
in Heidelberg) siehe Wikipedia-Artikel
Walter Jellinek.
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 30. November
1906: "Heidelberg. Der am 11. September in Breslau
verstorbene Geheime Medizinalrat Professor Dr. Hermann Cohn hat der
hiesigen medizinischen Fakultät den Betrag von 10.000 Mark vermacht. Mit
den Zinsen dieses Kapitals sollen Preisaufgaben aus dem Gebiete der
Augenheilkunde honoriert werden.
Bei der von der Universität vorgenommenen Preisverteilung wurde stud.
jur. Walter Jellinek mit dem Preis der juristischen Fakultät
ausgezeichnet." |
Prof.
Dr. Georg Jellinek wurde Prorektor der Universität
(1907)
Anmerkung: Georg Jellinek (geb. 1851 in Leipzig als Sohn des Rabbiners Adolf
Jellinek, später bekannter Prediger der Israelitischen Kultusgemeinde Wien,
gest. 1911 in Heidelberg): studierte ab 1867 in Wien Rechtswissenschaften,
Kunstgeschichte und Philosophie; Promotion 1874 in Wien, Habilitation 1879 ebd.;
1883 außerordentlicher Professor für Staatsrecht in Wien, 1889 ordentlicher
Professor in Basel; seit 1891 Ordinarius für Allgemeines Staatsrecht und
Völkerrecht in Heidelberg (1892 zum Christentum konvertiert). Er wurde
beigesetzt im Heidelberger Bergfriedhof in der "Professoren-Reihe"
Abt. D, 1. Reihe 309.
vgl. Wikipedia-Artikel zu
Georg Jellinek.
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 8. März 1907: "Heidelberg. Der Professor für
Staatsrecht, Völkerrecht und Politik, Geheimer Hofrat Georg Jellinek
wurde zum Prorektor der hiesigen Universität gewählt." |
Prof.
Dr. Georg Jellinek ist seit 1892 aus der Synagogengemeinde
ausgetreten (1907)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 15. März 1907: "Frankfurt am Main. Professor
Jellinek, Heidelberg, der Sohn des berühmten Kanzelredners der Wiener
jüdischen Gemeinde, Adolf Jellinek (gest. 1893), dessen Wahl zum
Prorektor der Universität in Heidelberg gemeldet wurde, ist bereits seit
1892 nicht mehr Jude." |
Zum Tod von Prof. Dr. Georg Jellinek
(1911)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. Januar
1911: "In Heidelberg ist dieser Tage der berühmte
Staatsrechtslehrer Geheimer Hofrat Professor Dr. Georg Jellinek im
Alter von 60 Jahren plötzlich gestorben. Georg Jellinek, ein Sohn des
berühmten Wiener Rabbiners Adolf Jellinek, trat nach Absolvierung seiner Studien
im Jahre 1874 in den österreichischen Verwaltungsdienst, aus dem er
jedoch schon fünf Jahre später wieder ausschied, um sich in Wien als
Privatdozent zu habilitieren. In schneller Folge wurde er in Wien
außerordentlicher und in Basel ordentlicher Professor, bis ihn die
ehrwürdige Ruperto Carola Universität berief, zu deren Zierden er bis zu
seinem Tode gehörte." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 27. Januar 1911: "Aus Heidelberg wird uns berichtigend
mitgeteilt, dass der kürzlich verstorbene Hofrat Prof. Dr. Georg
Jellinek nach dem Tode seines berühmten Vaters zur protestantischen
Kirche übergetreten war und auch unter Assistenz eines protestantischen
Geistlichen bestattet wurde." |
Zum Tod von Prof. Dr. Salomon Lefmann
(1912)
Im nachfolgenden Abschnitt wird genannt:
Salomon Lefmann (geb. 1831 in Telgte, Westfalen, gest. 1912 in
Heidelberg): studierte in Münster, Heidelberg, Berlin und Paris;
Promotion in Berlin 1864, Habilitation 1866 in Heidelberg; blieb in
Heidelberg von 1866 bis 1912, zunächst als Privatdozent, seit 1870 als
außerordentlicher, zuletzt als ordentlicher Honorarprofessor für
Sanskrit.
Foto links: Universitätsbibliothek Heidelberg - Der Lehrkörper
Ruperto Carola zu Heidelberg im Jahre 500 ihres Bestehens. Link.
vgl. Wikipedia-Artikel
Salomon Lefmann.
|
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 26. Januar 1912: "In Heidelberg ist der
Sanskritforscher, ordentlicher Honorarprofessor für altindische Kultur-
und Literaturgeschichte an der dortigen Universität, Dr. Salomon
Lefmann, plötzlich an einer Lungenentzündung gestorben. Erst vor
wenigen Wochen, am 25. Dezember vorigen Jahres (1911), hatte er in voller
Rüstigkeit des Körpers und des Geistes seinen 80. Geburtstag begehen
können. Sein Hinscheiden bedeutet einen großen Verlust für die
Wissenschaft. Die Begräbnisfeierlichkeiten gestalteten sich zu einer
imposanten Trauerkundgebung. Die Trauerrede hielt Herr Bezirksrabbiner
Dr. Pinkus." |
75. Geburtstag von Prof. Dr. Leo Königsberger
(1912)
Leo
Königsberger (geb. 1837 in Posen, gest. 1921 in Heidelberg): studierte
1857 bis 1860 in Berlin; danach Dozent für Mathematik in Berlin,
Greifswald (hier seit 1864 als Professor für Mathematik), Dresden, Wien
und 1869 bis 1875 und ab 1884 in Heidelberg. Sein Grab findet sich am
sogenannten Professorenweg des Heidelberger Bergfriedhofes in D 28.
Quelle: Wikipedia-Artikel
Leo Koenigsberger
Foto links: Universitätsbibliothek Heidelberg - Der Lehrkörper Ruperto Carola zu Heidelberg im Jahre 500 ihres Bestehens. Link.
|
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 25. Oktober 1912: "Geheimer Rat Professor Dr.
Leo Koenigsberger, der bekannte Heidelberger Mathematiker, vollendete
dieser Tage das 75. Lebensjahr. Sein Geburtsort ist Posen. An der Berliner
Universität erhielt er seine Ausbildung als Schüler der Professoren
Weierstraß und Kummer. Seit 1884 wirkt er ständig an der Universität
Heidelberg. Der Gelehrte ist Ehrendoktor der Universität Christiania und
Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher
Gesellschaften." |
Zum Tod von Prof. Emanuel Leser (1914)
Im nachfolgenden Artikel wird genannt:
Emanuel Leser (geb. 1849 in Mainz, gest. 1914 in Heidelberg);
studierte in Heidelberg und Göttingen; Habilitation 1873; war in
Heidelberg von 1873 bis 1914 tätig, zunächst als Privatdozent, später
als Professor für Nationalökonomie.
Foto links: Universitätsbibliothek Heidelberg - Der Lehrkörper
Ruperto Carola zu Heidelberg im Jahre 500 ihres Bestehens. Link.
vgl. Wikipedia-Artikel
über Emanuel Leser |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 28. August 1914: "Professor Emanuel Leser, geb.
28. September 1849 zu Mainz, gest. 20. Mai 1914 in Heidelberg. Emanuel
Leser wurde am 28. September 1849 als Sohn des Kaufmanns Leo Leser
in Mainz geboren. Er besuchte die Vorschule und das Gymnasium in Mainz und
von 1867 ab die Universität in Heidelberg und Göttingen. (In Göttingen
gehörte er zu meinem Bekanntenkreise. Ich erinnere mich seiner als eines
frischen, strebsamen, fleißigen Jünglings, mit dem man behaglich
gesellschaftlich verkehrte. Unsere Lebenswege trennten sich dann; ich sag
ihn seit meiner Studentenzeit nicht wieder und stand auch in keinem
brieflichen Verkehr mit ihm). Leser widmete sich vorzugsweise den
historischen Studien, namentlich in Göttingen als Schüler von Georg
Waitz. 18780 promovierte er in Göttingen mit der Schrift 'Neckers zweites
Ministerium'. 1874 habilitierte er sich in Heidelberg für
Nationalökonomie, 1881 wurde er außerordentlicher Professor und hatte
seit 1894 einen Lehrauftrag |
für
die nationalökonomischen Fächer übernommen. 1875 hatte er sich mit Ida
Rohr, einer Tochter des Rittergutsbesitzes Adam Rohr aus Langguhle
(Provinz Posen), vermählt, die 1904 ihm im Tode vorausgegangen ist. Er
starb am 20. Mai 1914.
Sein Heidelberger Kollege, Geheimer Rat Prof. Dr. Gothein,
charakterisierte den ausgezeichneten Gelehrten wenige Tage nach seinem
Hinscheiden folgendermaßen: 'Über 40 Jahre hat Leser als Dozent unserer
Universität angehört; mit immer gleichem Eifer, immer gleicher
Liebenswürdigkeit sich seinem Lehrfach, seinen Kollegen und Schülern
gewidmet. Aus den ersten Jahren seiner Lehrtätigkeit steht er mir vor
Augen als der jugendlich heitere, bescheiden überall zurücktretende,
schon damals auch in abgelegenen Gebieten seiner Wissenschaft erstaunlich
belesene, immer mit seinem Wissen hilfsbereite Gelehrte. So ist er
zeitlebens geblieben, stets erfreut, mit seinen Kenntnissen oder mit den
Schätzen seiner Bibliothek, die er liebevoll gesammelt hatte, die ihm ans
Herz gewachsen war, Fachgenossen oder Zuhörer, bei ihren Arbeiten zu
beraten. Auf seinem eigentlichen Arbeitsgebiet, der Geschichte der
nationalökonomischen Wissenschaft, hat er eine Reihe fein ausgefeilter
Arbeiten, die mit philologischer Exaktheit und historischer Gerechtigkeit
den Werdegang zumal der englischen Nationalökonomie verfolgten, überall
klärend eingegriffen, uns geschenkt. Die Anfänge des modernen Handels
und Geldverkehrs hat er beleuchtet. Die englische Gesetzgebung und den
maßgebenden Einfluss, den sie auf die Theorien der Nationalökonomie
geübt, hat er gern gehandelt. Hohe Ansprüche stellte er an seine eigenen
Arbeiten. Er verwarf, was ihm nicht völlig ausgereift schien, und so ist
dieses fleißige Forscherleben durch verhältnismäßig wenige
Veröffentlichungen gekennzeichnet. Aber alles, was er der Herausgabe für
wert erachtete, ist auch bleibender Gewinn der Wissenschaft, und immer
unvergessen wird uns bleiben, was er uns als Kollege, Ihnen als Lehrer
gewesen ist.'
Leser hat folgende Arbeiten veröffentlicht:
Neckers zweites Ministerium, 1871. Der Begriff des Reichtums bei Adam
Schmitz, 1874. Die Hypothekenbanken und ihre Jahresabschlüsse, 1879. Ein
Akzisestreit in England, 1879. Die britische Erbschaftsbesteuerung, 1881.
Untersuchungen zur Geschichte der Nationalökonomie, 1881. Eine
Denkschrift über die englische Wollenindustrie, 1885. Zur Geschichte der
Prämiengeschäfte, 1896. In der von ihm mit Luja Brentano herausgegebenen
Sammlung älterer und neuer staatswissenschaftlicher Schriften des In- und
Auslandes veröffentlichte er: William Staffords: Drei Gespräche über
die in der Bevölkerung verbreiteten Klagen, 1895. Robert Malthus: Drei
Schriften über Getreidezölle, 1896. Ferner gab er heraus: David Ricardos
Schriften über Getreidezölle, 1905. Neben zahlreichen Rezensionen
(besonders in Conrads Jahrbüchern der Nationalökonomie, in Schmollers
Jahrbuch für Gesetzgebung, in der Deutschen Literaturzeitung, im
Literarischen Zentralblatt, in der Historischen Zeitschrift und in der
Zeitschrift für Sozialwissenschaft) veröffentlichte er u.a. noch die
Artikel: Freihandelsschule, Merkantilsystem und Adam Smith in den drei
Auflagen des Handwörterbuchs der Staatswissenschaften, den Aufsatz über
die Universität Heidelberg in dem Sammelwerk Die deutschen
Universitäten, 1904; auch arbeitete er mit an Palgraves Dictionary of
Political Economy.
Seine Vorlesungen behandelten außer den drei Hauptkollegien über
theoretische Nationalökonomie, praktische Nationalökonomie und
Finanzwissenschaft noch besonders folgende Materien: Handelspolitik, Über
Freihandel und Schutzzoll. Der Sozialismus der Gegenwart. Die soziale
Gesetzgebung des Deutschen Reiches, Einführung in die Statistik,
Soziologie. In den letzten Jahren las er vorzugsweise über seine
Hauptarbeitsgebiete: Geschichte der Nationalökonomie, Bankwesen und
Bankpolitik, Die Börse und die Börsengeschäfte. Außerdem hielt er
regelmäßig im volkswirtschaftlichen Seminar nationalökonomische
Übungen ab.
Neben seiner umfassenden Tätigkeit auf dem Gebiete der Nationalökonomie
beschäftigte er sich in eingehender Weise mit den Werken der deutschen
Klassiker. Auch den Forschungen der modernen Naturwissenschaft brachte er
lebhaftes Interesse und tiefes Verständnis entgegen. Seine Art war
es nicht, nach äußeren Erfolgen zu streben. Bei ihm war es die reine
Liebe zur Wissenschaft, die seine Tätigkeit bestimmte.
Seinen Schülern war er ein Lehrer, dem sie reiche fachliche Anregung und
persönliche Förderung zu danken haben. Selbstlose Güte und
Menschenfreundlichkeit waren die Grundzüge seines Wesens. In seinem
Festhalten am Judentum, mit dessen Wissenschaft er wohl vertraut war, und
in seiner freiheitlichen politischen Gesinnung bewahrte er die gleiche
Treue der Überzeugung. L.G." |
80. Geburtstag von Prof. Viktor Goldschmidt (1933)
Anmerkung: Viktor Mordechai Goldschmidt (geb. 1853 in Mainz, gest. 1933 in
Salzburg): studierte an der Bergakademie Freiburg in Sachsen; 1880 Promotion in
Heidelberg, weitere Studien in Wien; Habilitation 1888; gründete in
Heidelberg das Institut für Mineralogie und Kristallographie; blieb in
Heidelberg von 1888 bis 1933 und ist noch in diesem Jahr nach Österreich
emigriert (war konvertiert); sein Grab ist im Heidelberger Bergfriedhof.
vgl. Wikipedia-Artikel
Victor Mordechai Goldschmidt.
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Wiesbaden und
Umgebung" vom 10. März 1933: "Viktor Goldschmidt,
emeritierter Professor der Mineralogie an der Universität Heidelberg,
wurde am 10. Februar 80 Jahre alt. Berühmt geworden ist er durch seinen
neunbändigen Atlas der Kristallformen. Er ist seit langem getauft. Wenn
wir ihn hier besonders erwähnen, so deshalb, weil er 1932 eine 'Studie'
in Carl Winters Buchhandlung, Heidelberg, hat erscheinen lassen, die ein
besonderes jüdisches Interesse beanspruchen darf: 'Unser Alphabet'. In
diesem viel beachteten Buch stellt er die Behauptung auf, dass die
Erfindung der Buchstabenschrift die hebräische ist. Prof. Goldschmidt
stammt aus Mainz. S.L." |
Mehreren Professoren und Dozenten wurde die Lehrbefugnis
entzogen (1933)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. September
1933: "Heidelberg. Vier ordentlichen Honorarprofessoren
sowie sieben außerordentlichen Professoren und Privatdozenten
wurde die Lehrbefugnis auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des
Berufsbeamtentums entzogen." |
Mehrere
Professoren werden zwangsweise in den Ruhestand versetzt (1935/36)
Weitere jüdische Professoren bzw. Professoren jüdischer Abstammung
Hinweis auf Hermann Levy (1881-1949; jüdischer Abstammung, evangelisch
getauft, war 1910 bis 1921 Prof. für Volkswirtschaft in Heidelberg, 1934 nach
London emigriert).
Siehe:
https://www.catalogus-professorum-halensis.de/levyhermann.html
Wikipedia-Artikel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Levy
Hermann Levy wurde vermutlich nach dem Komponisten Hermann Levi benannt. Die
Mutter Hermann Levy war Else Antonie geb. Rosenthal und eine Cousine von Hermann
Levi und wuchs mit ihm in Mannheim auf. Else Antonies Mutter Friederike war eine
geborene Mayer und Schwester von Henriette Levi geb. Mayer.
Vgl.
https://www.geni.com/people/Hermann-Levy/6000000034849265906
Weitere Berichte
aus dem Umfeld der Universität
Bericht des Vereins zur Unterstützung unbemittelter
israelitischer Studierender in Heidelberg
(1839)
Artikel
in der Zeitschrift "Israelitische Annalen" vom 15. März
1839: "Nachrichten und Korrespondenzen. Heidelberg. -
Allhier ist soeben erschienen: Erster öffentlicher Bericht über
die Wirksamkeit des Vereins zur Unterstützung unbemittelter
israelitischer Studierender in Heidelberg.
Der fast gänzliche Mangel an Universitätsstipendien für arme jüdische
Studenten benimmt oft gerade den besten Köpfen die Möglichkeit, ihre
Talente auszubilden. Hierdurch wird nicht nur der Sache der Wissenschaft
und Humanität überhaupt geschadet, sondern auch das höhere geistige
Interesse der Juden schon im voraus seiner besten Streiter in einem Kampfe
beraubt, in welchem gerade die Waffen des Geistes die glänzendsten
Vorteile in unseren Tagen errungen haben. - Deshalb ist die Abhilfe dieses
Mangels eine der dringendsten aber auch der schönsten Forderungen unserer
Zeit und Vereine, wie der in Rede stehende, dürften der Unterstützung
ebenso würdig sein, als die zur Verbreitung des Ackerbaues und der
Handwerke unter den Israeliten.
Der erste Gedanke zur Gründung dieses Vereines ging von den Herren Dr.
jur. Cohen in Hannover und Buchhändler Cohen in Bonn, damals Studierende
an der hiesigen Universität, und von Herrn Dr. Rehfuß dahier aus.
- Durch die rege Teilnahme, die deren Vorarbeiten bei den Herren Adolph
Zimmern dahier und Heinrich Traumann, jetzt in Mannheim,
fanden, konnte noch 1827 zum Entwurfe der Statuten, zur Bildung einer
Verwaltungskommission und schon im Dezember desselben Jahres zum
Einsammeln milder Beiträge geschritten werden.
Als bis zum Ende des Jahrs 1829 das von den Statuten vorgeschriebene,
unangreifbare Kapitel von 1.200 Gulden gegründet war, wurde sogleich mit
der Unterstützung unbemittelter Studierender dahier beginnen und bis auf
den heutigen Tag unausgesetzt fortgefahren. - Im Jahr 1833 wurden die
ersten Statuten einer zweckmäßigen Revision |
unterworfen
und nach den inzwischen gemachten Erfahrungen die noch heute gültigen von
der Verwaltungskommission ausgearbeitet und von den hiesigen ordentlichen
Mitgliedern genehmigt.
Der unter allen Umständen unangreifbare und verzinslich angelegte Fond
des Vereines beträgt jetzt die Summe von 1.500 Gulden. - Von den Zinsen
und von den milden Beiträgen, welche nicht Statuten gemäß zum Kapital
geschlagen werden mussten, wurden bis heute 44 Halbjahrsstipendien an 14
Unbemittelte an hiesiger Universität Studierende verteilt. Unter diesen
waren 3 Theologen, 1 Jurist, 9 Mediziner und 1 Philosophie Studierender. -
Sechs derselben waren Inländer (sc. aus Baden), 1 aus Rheinbayern, 1 aus
Württemberg, 4 aus dem Großherzogtum Hessen, 1 aus Hechingen, 1 aus
Weimar. Drei derselben werden noch gegenwärtig unterstützt. Die Summe
aller seit der Gründung des Vereins verteilten Stipendien beträgt 1.299
Gulden 52 Kreuzer.
Gewiss kein ungenügendes Resultat für die geringen Mittel des
Vereins.
Diese Verwaltungskommission hat aber auch die Genugtuung zu berichten,
dass schon 8 von jenen jungen Männern, nach mit Lob bestandener
Staatsprüfung, eine ehrenvolle Stellung in der Gesellschaft einnehmen,
und dass die übrigen zu den schönsten Hoffnungen berechtigen.
Rechenschaftsbericht des Vereins.
Summe aller Einnahmen von der Gründung des Vereins. November 1827 bis
Dezember 1838... 3074 fl. 14 kr.
(Ausgaben:) 44 Stipendien 1.299 fl. 52 kr. 11jährige
Besoldung des Dieners 215 fl. Druckkosten, Porto etc. 59fl. 23 kr.
unangreifbares Kapitel 1.500 fl. Summe 3074 fl. 14 kr.
Durch die Auseinandersetzung des Erfolgs ihrer Tätigkeit hofft die
Verwaltungskommission des Vereins, dass die bisherigen Kontribuenten das
ihr geschenkte Vertrauen nciht bereuen werden. Sie sagt denselben den
gebührenden Dank für die bisherigen Leistungen, und wünscht, dass sie
auch künftig dieser guten Sache ihren Beistand nicht versagen möchten.
Jene, die an der Möglichkeit seines weiteren Fortbestehens gezweifelt,
glaubt sie beruhigt zu haben. Den Wohltätiggesinnten aber, welche das
Bestehen dieses Vereins bis jetzt noch nicht kannten, hofft sie durch
diesen öffentlichen Bericht Gelegenheit gegeben zu haben, das fernere Gedeihen
einer Anstalt zu unterstützen, deren Zweck so edel ist, dass er keiner
weiteren Empfehlung bedarf.
Auswärtige werden ersucht, ihre ordentlichen oder außerordentlichen
milden Beiträge an denn Kassier des Vereins, Herrn Adolph Zimmern, zu
übersenden. Sie werden jedes Mal darüber Quittung erhalten.
Heidelberg, im Januar 1839. Die Verwaltungs-Kommission des Vereins:
Dr. med. Abenheimer derzeit
Vorsteher. Adolph Zimmern,
derzeit Rechnungsführer." |
Zum Heidelberger Universitäts-Jubiläum
(1886)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. August
1886: "Zum Heidelberger Universitäts-Jubiläum.
Es wird wohl manchen überraschen zu erfahren, dass es Juden waren, die der
Universität Heidelberg wenige Jahre nach ihrer Gründung unfreiwillig die
eigentliche Festigkeit gaben. Wie überall in jener Zeit, wo die Juden als
Ware betrachtet wurden, die nach Belieben eingetauscht und wieder
losgeschlagen werden konnte, wurden sie auch in Heidelberg von Kurfürst
Ruprecht II. (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ruprecht_II._(Pfalz)) gedrückt und
ausgesaugt und schließlich 1391 gänzlich verjagt. Das Haus des reichen Hutz,
welcher die Flucht ergriffen hatte, wurde gemeinschaftliche Wohnung von
sechs Lehrern der Artistenfakultät. Die übrigen elf Häuser, welche die Juden
besaßen, wurden den Lehrern anderer Fächer zugewiesen. Die Synagoge wurde in
eine Kapelle 'unserer lieben Frauen' umgewandelt, welche als Versammlungsort
des akademischen Senats diente. Der schon 1369 erwähnte Judenkirchhof in der
Judengasse, nebst anderen Gärten und Feldern sowie alle Weingärten, Zinse
und Gülten, die bisher jüdisches Eigentum waren, wurden der Universität
vergabt. Endlich wurde eine Anzahl den Juden abgenommener hebräischer
Bücher, mit Ausnahme eines Talmudexemplars (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Talmud), in Geld umgesetzt, das
gleichfalls der Hochschule zum Geschenk gemacht wurde. - 'Durch den Verkauf
der Bücher, welchen nach dem Beschluss des Senats Marsilius von Inghen und
der Magister Nikolaus Burgmann besorgten, wurde eine ganz erhebliche Summe
Geldes gelöst' (Friedrich Wilken: Geschichte der Bildung, Beraubung und
Vernichtung der Heidelbergschen Büchersammlung, Heidelberg 1817.
Anmerkung: Kaum ein Jahrhundert später war Heidelberg der erste Ort, an dem
von Reuchlin
https://en.wikipedia.org/wiki/Johann_Reuchlin die hebräische Sprache
gelehrt wurde).
Als Niederlassungszeit der Juden in Heidelberg ist der Anfang des 14.
Jahrhunderts anzunehmen. Die erste urkundliche Erwähnung derselben fällt in
das Jahr 1321, von Graf Johann von Nassau bekennt, dass er eine Urkunde 'und
der burger schulde und den Juden zu Heydilberg' besiegelt habe. Dass auch
hier in dem Blutjahr 1349 die Juden vertrieben wurden, geht aus der
Erwähnung Heidelbergs unter denjenigen Orten, die sich damals durch
Judenverfolgung bekannt gemacht (vgl. Memorbuch
https://de.wikipedia.org/wiki/Memorbuch von Mainz, Deutz u.a.)
unzweifelhaft hervor. Pfalzgraf Ruprecht schützte sie zwar vor dem Zorne des
Pöbels, dafür beschuldigte ihn dieser der Habsucht, als wenn er sich von
ihnen hätte bestechen lassen. Dennoch lud er die allerorts vertriebenen
Juden zum Wohnsitz in seinem Gebiete ein, und versprach ihnen seinen Schutz,
wie 1357 in einem Schutzbriefe einigen Juden von Sunnesheim (Sinsheim)
dieselben Freiheiten zugesagt werden, wie sie im Lande sesshaften Juden,
besonders die zu Heidelberg, besaßen. Er gab ihnen auch einen Beweis seines
besonderen Vertrauens, indem er 1364 dem Juden Mose Nurenberg das Amt eines
Steuereinnehmers für Heidelberg übertrug. Dieser hatte das Ungelt und die
Bet von den Christen und Juden in Heidelberg einzuziehen, wie alle die
Zinsen daselbst, welche auf Martini und von den Kramläden der Herrschaft
jährlich fielen; er erhielt die Gewalt, diese Stücke einzunehmen 'gegen
jegliche Widerrede der pfälzischen Beamteten oder Untertanen.' Dafür hatte
derselbe dem Pfalzgrafen seinen Heidelberger Burggarten zu bauen, die
Wächter auf den beiden Schlössern und in der Stadt zu unterhalten, das
übrige von der Einnahme auf die herrschaftlichen Banken zu verwenden und
genaue Rechnung darüber abzulegen. Er blieb in Heidelberg bis zur erwähnten
Vertreibung 1391. Unter den in Köln angesessenen Juden wird 1387 ein Jude
Judelyn (Jödelyn) von Heidelberg und 1414 ein Jude Liepert von da erwähnt,
die bis 1424, dem Jahr ihrer völligen Vertreibung aus Köln, dort wohnten. –
Gegen 1540 soll 'die ehrbare und züchtige Frau Morada, Doktorin der freien
Kunst der Arznei, wohnhaftig zu Günsburg' eine Berufung als Lehrerin der
griechischen Sprache an die Universität Heidelberg erhalten haben. – Ein
Jude Lazarus v. Heidelberg wird 1555 in Verbindung mit Juden aus
Landau bei einer Verschwörung gegen den
Kurfürsten Ottheinrich (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ottheinrich) erwähnt (vgl.
Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins Bd. 25, S. 242 ff., Grätz Mtsch.
1883, S. 379 ff.) – Das oben erwähnte Talmud-Manuskript, das den Juden
abgenommen wurde, blieb, nach Angabe Wilkens (a.a.O.) in der
Universitätsbibliothek aufbewahrt und 'es zeugt von dem guten Sinn der
damaligen Väter unserer hohen Schule, dass sie eine Ahnung von der
Wichtigkeit der Erlernung der hebräischen Sprache hatten und daher den
Beschluss fassten, einen Talmud zu künftigem Gebrauch der Universität
'zurückzubehalten'. Unter dem 1623 der Universitätsbibliothek |
geraubten
und in 50 Frachtwagen nach Rom geschleppten Büchern und Handschriften
befanden sich 287 hebräische Manuskripte. Außerdem beschenkte der Herzog
Maximilian von Bayern den Papst Gregor XV. mit einer Menge von Handschriften
für die vatikanische Bibliothek, die daselbst die Bibliotheka palatina
bildet. Auch während der napoleonischen Kriege wurde ein Teil der hebr.
Handschriften nach Frankreich entführt, 1815 aber von der päpstlichen
Regierung reklamiert. Die letzteren gehörten heute ebenfalls mit dem Stempel
der franz. Republik versehen, der Vaticana an.
Anmerkung: Bekannt ist, dass Wilken (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Wilken), der 840 Handschriften
damals für Heidelberg reklamierte, 14 hebr. Palatina Handschriften, die ihm
gleichfalls zur Verfügung standen, sich entgehen ließ. So liegen diese
Schätze heute noch in Rom (cf. Lebrecht, Die Handschriften des babylon.
Talmuds, S. 77 ff. Lit. Bl. der jüd. Presse 1876, S. 11).
An dieser Stelle sei auch Spinozas gedacht, dem der pfälzische Kurfürst Karl
Ludwig (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_I._Ludwig_(Pfalz), 'der
gebildetste deutsche Fürst seiner Zeit, der auch für die Juden ein gewisses
Wohlwollen hegte' (Vgl.
Text) eine Professur an der Heidelberger Universität anbot, die aber
von Ersterem abgelehnt wurde, indem er in die in Aussicht gestellte
Lehrfreiheit und deren Maß einige Zweifel setzte. – Ein Heidelberger Jude,
Samuel Oppenheim (geb. 1630, gest. 1703, vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Samuel_Oppenheimer), der mit brüderlichen Gefühlen,
seine unterdrückten Glaubensgenossen zur Seite stand, gewann damals auf
beide Fürsten nicht unbedeutenden Einfluss. Gegen 1684 übersiedelte er nach
Wien (vgl.
Text), wurde kaiserlicher Hoffaktor und gelangte bald zu solchem
Ansehen, dass er in wichtigen Angelegenheiten der jüdischen Gesamtheit stets
mit Erfolg in die Schranken trat, wie er z.B. gemeinschaftlich mit dem
gleich berühmten Samson Wertheimer (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Samson_Wertheimer) bezweckte, dass die Verbreitung von Elsenmengers berüchtigtem Buch (vgl.
https://books.google.de/books/about/De_bonis_paraphernalibus.html?id=-3hHAAAAcAAJ&redir_esc=y)
durch kaiserlichen Erlass für Österreich verboten wurde. Von ihm wurde auch
durch Vermittlung des Prinz Eugen (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Eugen_von_Savoyen) zu der berühmten
Oppenheimer’schen Bibliothek der Grund gelegt, die gegenwärtig eine Zierde
der Oxforder Bodleiana bildet (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Bodleian_Library).
Anmerkung: Wer Oppenheimers große Verdienste kennenlernen will, lese den
ihm gewidmeten rühmenden Nachruf im Wiener Memorbuch (Jellinek, Worms und
Wien, S. 10).
Als Rabbiner soll der durch seine Lebensschicksale bekannte gelehrte Hirsch
Fränkel um das Jahr 1700 in H.(eidelberg) mehrere Jahre gelebt und seine
Schule geleitet haben. 1754 wird ein Selklin Heidelberg erwähnt, der eine
geachtete Stellung in der Frankfurter jüdischen Gemeinde http://www.alemannia-judaica.de/synagogen_hessen.htm#Stadtkreis%20Frankfurt%20am%20Main%20(F)
einnimmt.
1763 -1769 wird Rabbiner Naftali Hirsch Katzenellenbogen (Sohn des Rabbiners
Moses Katzenellenbogen in Ansbach,
Schwiegersohn des berühmten Frankfurter Rabbiners Jakob Popers (vgl.
Text ) Rabbiner in Heidelberg und der Pfalz. Und mit der Anstalt,
deren Jubelfeier Veranlassung zu vorliegender Skizze gegeben, nun auch zu
schließen, sei noch erwähnt, dass bei einem Judenkrawall im September 1819
die Juden von den Heidelberger Studenten, unter Führung der Professoren Daub
(vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Daub) und Thibaut (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Friedrich_Justus_Thibaut), gegen
den Pöbel geschützt wurden. Möge die Ruperta-Carola auch in der neuen Ära
blühen und gedeihen, zum Frommen der Wissenschaft und zum Segen der
Menschheit.
Anmerkung: Vortrag von Prof. Dr. Klaus-Peter Schroeder zu den
'Judenkrawallen' von 1819:
https://www.youtube.com/watch?v=xnIVwVdXjOI
https://www.geni.com/people/Naftali-Katzenellenbogen-A-B-D-Manheim/6000000001926370410. |
Fünftes Stiftungsfest der freien Verbindung Badenia
(1895)
Vgl. zum Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Jüdische_Studentenverbindung und
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_jüdischer_Studentenverbindungen (im
letztgenannten Wikipedia-Artikel sind die Verbindung Badenia, Spevia und
Viadrina genannt).
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 23. August 1895: "K.A. Heidelberg, 16. August (1895). Vom
3. – 5. August fand anlässlich des fünften Stiftungsfestes der freien
Verbindung Badenia der erste von den drei schlagenden jüdischen
Korporationen in Deutschland beschickte Kartelltag statt. Auf dem Konvente
gab der Vertreter der Sprevia – Berlin namens seiner Korporation die
Anregung zur Begründung einer Kartellverbindung in München, deren
Zustandekommen durch Delegation einer Anzahl von Spreven gesichert ist. Die
Festlichkeiten, deren geschicktes Arrangement allgemein anerkannt wurde,
fanden in dem großen Festkommers am zweiten Tage und dem Ausflug mit Damen
nach Neckarsteinach am dritten
Tage ihren Höhepunkt. Namentlich die Rückfahrt in illuminierten Booten auf
dem Neckar wird für alle Teilnehmer eine poesievolle Erinnerung bilden. Der
Ernst der Sache trat in den Reden zu Tage, die auf dem Kommers gehalten
wurden. Der Erstchargierte, Herr cand. med. Ballin, begrüßte die Gäste aufs
Herzlichste im Namen seiner Verbindung, die offiziellen Vertreter der
Kartelle Herr cand. med. Krause (Viadrinae) und Herr cand. jur.
Friedemann (Spreviae) überbrachten der Schwesterverbindung die
Glückwünsche ihrer Korporationen. Herr Dr. Oppenheimer legte die
Tendenzen der Badenia in langer Rede dar, wies nach, dass der Kampf,
den die jüdische akademische Jugend für ihre politische und soziale
Gleichberechtigung kämpfe, die Pflicht jedes ernst denkenden jüdischen
Studenten sein müsse. 'Unsere Verbindungen sollen ganze Männer erziehen,' so
ungefähr führt er es aus. 'Charakter, denen Wahrheit und Recht höher stehen,
als die Gunst der Parteien.' Herr Rechtsanwalt Dr. Friedberg (Karlsruhe)
dankte namens der Gäste. Nach dem Landesvater rieb Herr cand. rer. nat.
Kahn einen Salamander auf Kaiser, Großherzog und Reich, Herr stud.
chem. Oberländer toastete auf Viadrina und Sprevia,
Herr stud. med. Klee auf die alten Badenen. Nach der Vorlesung einer
großen Anzahl von Telegrammen schloss das Officium. Der Verlauf der
Feierlichkeiten und die rege Beteiligung zeigten aufs Neue, wie immer mehr
die Erkenntnis sich Bahn bricht, dass die Selbsthilfe im vollsten Lichte der
Öffentlichkeit der einzige Weg ist, das jüdische Selbstbewusstsein zu heben
und den schweren Kampf gegen den Antisemitismus zurückzukämpfen." |
Der Antisemitismus führt zu Spannungen unter den
Studierenden und den Verbindungen (1901)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. November
1901: "Karlsruhe in Baden, 11. November (1901). Kürzlich ging
durch eine Zeitung die Nachricht, dass der jüdische Studentenverein
Heidelberg ein Verbot des Farbentragens erhalten hätte. Demgemäß teile
Ihnen mit, dass diese Disziplinierung an dem Klub 'Badenia', welcher absolut
nicht national jüdisch ist, vorgenommen wurde und zwar wegen tätlicher
Erwiderung antisemitischer Beleidigungen, die von Mitgliedern, Studenten
anderer Korporationen, vorausgegangen waren. Auch diese wurden
disziplinarisch gemaßregelt." |
Eine
"Vereinigung jüdischer Akademiker" wurde gegründet (1907)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 26. Juli 1907: "Heidelberg, 17. Juli (1907). Darf man es
wagen, in diesen Tagen der nationalen Trauer, wo neben den Erinnerungen an
Israels Vergangenheit auch die jüngste Gegenwart zur Klage stimmt, ein
günstiges Omen und eine Gewähr für die Zukunft darin zu sehen, dass
gerade an Orten, wo der Abfall von den religionsgesetzlichen Vorschriften
des Judentums immer weitere Kreise zieht, dass da die studentische Jugend
anfängt, sich auf ihre jüdischen Ideale zu besinnen? So fassen wir die
Konstituierung der neuesten 'Vereinigung jüdischer Akademiker',
die am 15. dieses Monats hier stattfand, auf. Sollen doch in ihr nach dem
Vorbilde der bereits in Berlin, München, Straßburg und Marburg
bestehenden Vereinigungen jüdischer Akademiker nächst 'Limmud Hatauroh'
(Toralernen) alle jene Fragen und Probleme wissenschaftlicher, sozialer
und ethischer Art, wie sie den modernen Jüngling beschäftigen, vom
jüdischen Standpunkt verarbeitet und dadurch dem jüdischen Studenten die
Kenntnis der jüdischen Welt- und Lebensanschauung geklärt und die
Begeisterung für diese gepflegt werden. - Der Vorstand der Vereinigung
jüdischer Akademiker Heidelberg setzt sich zusammen aus den Herren M.
Elias, stud. phil., Vorsitzender; Ph. Frank, stud. med., Schriftführer
und C. Scheuer, stud. med. denkt., Kassenwart. Zuschriften sind zu
adressieren: Uferstraße 48a." |
Aus der Arbeit
der "Vereinigung jüdischer Akademiker"
(1908)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Mai
1908: "Heidelberg, 8. Mai (1908). In der gestrigen ersten
Semester-Sitzung der hiesigen Vereinigung jüdischer Akademiker wurden
folgende Herren in den Vorstand gewählt: Herr cand. med. Paul Lehmann
- Darmstadt zum Vorsitzenden, Herrn stud. med. Carl Levy - Hamburg
zum Schriftführer und Herr stud. math. Leopold Braude - Bierstadt
zum Kassierer. Im vergangenen Semester bemühte sich die Vereinigung
jüdischer Akademiker Heidelberg gleich ihren Schwestervereinigungen,
ihrem Gründungszweck - die Tora groß und prächtig zu machen -
verschiedene Weise gerecht zu werden. Es fanden Schiurim
(Lehrvorträge) in Tanach (Bibel) und Gemara statt. Die
ferner von der Vereinigung jüdischer Akademiker veranstalteten
Vortragsabende erfreuten sich regen Besuchs seitens befreundeter
Akademiker, sowie aus den kaufmännischen Kreisen des benachbarten
Mannheim und brachten stets erfreuliche, äußerst rege Diskussionen. Als
eminent wichtige und praktische Arbeit für das gesetzestreue Judentum,
betrachtete die Vereinigung jüdischer Akademiker die Beteiligung an den
Wahlvorbereitungen zur badischen Landessynode. Es war natürlich, dass die
Vereinigung jüdischer Akademiker als einzige Vertretung der
gesetzestreuen Studenten in Baden es als ihre heilige und unabweisbare
Pflicht erachtete, ihre Kräfte in einem Kampf einzusetzen, dessen Ausgang
durch das Kampfobjekt, das oberrätliche Reformgebetbuch, für das ganze gesetzestreue
Judentum innerhalb und außerhalb Badens von außerordentlicher Bedeutung
werden musste. Zuschriften und Beitrittserklärungen an die Vereinigung jüdischer
Akademiker Heidelberg, sind an die Adresse des Schriftführers Herrn stud.
med. dent. Carl Levy, Heidelberg-Neuenheim, Ladenburger Straße 52
erbeten." |
Bericht über die "Vereinigung jüdischer
Akademiker" (1915)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. August
1915: "Heidelberg, den 1. August. Im verflossenen
Sommersemester suchten einige Bundesbrüder Heidelberg auf. Hierdurch konnte
die 'Vereinigung jüdischer Akademiker', wenn auch in beschränktem Maße, ihre
Tätigkeit aufnehmen, nachdem im ersten Kriegssemester die Vereinstätigkeit
geruht hatte. Durch Einberufung und Wegzug verringerte sich jedoch unsere an
sich kleine Zahl während des Semesters. Aus diesem Grunde beschränkten wir
entgegen sonstigem Gebrauch die Zahl der wissenschaftlichen Abende auf zwei.
Bundesbruder Dr. Marcus Cohn referierte über Wesen und Bedeutung des
jüdischen Völkerrechts und Bundesbruder Rabbiner Dr. Schiffer (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sinai_Schiffer),
Karlsruhe, setzte seine Vortragsreihe über jüdische Weltanschauung fort.
Den Hauptwert legten wir auf das Lernen, das in kleinem Kreis unter der
bewährten Leitung des Herrn S. B. Rabinkow eifrig gepflegt wurde. Wir
lernten sechsstündig Gemara Traktat Schawuot (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Mischnatraktate) und
Rambam Jad Chasaka Hilchot De'ot (Rambam = Maimonides; Jad
Chasaka = Mischne Tora, daraus aus dem 1. Buch Sefer Madda der zweite
Abschnitt Hilchot De'ot = Gesetz zur Philosophie vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Maimonides und
https://de.wikipedia.org/wiki/Mischne_Tora). Außerdem fanden noch
Schiurim (Toralernstunden, vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Schi'ur) der Bundesbrüder
untereinander statt. Zahlreiche Ausflüge führten fast jeden Sonntag nach den
Mühen der Woche die Bundesbrüder in die herrliche Umgebung Heidelbergs. Wir
konnten zweimal Gäste der Frankfurter und Würzburger Bundesvereinigung
begrüßen.
Der Vorstand setzte sich zusammen aus den Bundesbrüdern stud. med. Raphael
Möller, Präsident, stud. chem. Seligmann B. Bamberger, Schriftführer, cand.
phil. Abraham Wolff, Kassenwart. Der Fuxenunterricht wurde von Bundesbruder
Dr. Marcus Cohn erteilt. Im Laufe des Semesters trat zu unserer Freude Herr
Rabbiner Dr. I. Unna (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Isak_Unna) – Mannheim der
Vereinigung bei. Leider hat auch in unseren Reihen der Krieg schwere Lücken
gerissen. Möge der Bund künftighin vor jedem Verluste bewahrt bleiben. Wir
hoffen, dass das nächste Semester mit Sicht auf einem baldigen Frieden
beginnen wird, wodurch denn auch unser Vereinsleben sich voll entfalten
kann."
Anmerkung: zu Rabbiner Dr. Isaak Unna, Mannheim siehe auch
Seite zu den Rabbinern und Lehrern in
Mannheim (interner Link). |
Aufruf des Torabundes Heidelberg
(1918)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 22. November
1918: "Aufruf des Thorabundes
Adresse für Briefe und Depeschen Postscheck-Konto: Thorabund Heidelberg
Karlsruhe 11695
Rettet Euer Judentum!
Mit ungeahnter Plötzlichkeit wurden wir in eine neue Welt versetzt. Am
Himmel leuchtet auf das Morgenrot der Freiheit. Die Mauern der Gewalt sind
eingestürzt. Die Ketten des Zwanges sind gelöst. Frei reckt der Mann in der
Wonneluft des Friedens den lange gebundenen Arm zu schaffender Tat. Eifrig
mühen sich die Besten jeder Gemeinschaft aus den Trümmern, die ihnen
geblieben, ein neues Dasein aufzubauen.
Ist auch für Dich, deutsches Judentum, das Du verbluten scheinst an
erschreckendem Abfall Deiner Kinder, - hervorgerufen durch Taufen und
Mischehen, durch Unglaube und Zweifelsucht, durch vermeintliche Aufklärung,
durch allzu eifriges Streben nach Besitz und äußeren Ehren, durch schlechte
Erziehung und verderbliches Beispiel, durch das geringe Wissen, das die
verantwortlichen Stellen der Jugend übermitteln, mitunter, weil sie selbst
nicht mehr besitzen, durch Mangel an Selbstbewusstsein gegenüber einer
andersdenkenden Umgebung und nicht zuletzt durch ungläubige Glaubenslehrer
und irreführende, wenn auch gläubige Führer – ist auch für Dich, Du
deutsches Judentum, ein Daseinskeim vorhanden, der Dir Erhaltung und neue
Blüte sichert, der Dich befähigt, Erbe zu bleiben Deiner in der Geschichte
so überragend dastehenden Vergangenheit? Solch neuer Daseinskeim ist Dir,
mein deutsches Judentum, in dem Thorabund entstanden!
Der Thorabund hat es sich zur Aufgabe gemacht, ein jüdisches Schulwerk
größeren Stils mit Internats-Erziehung zur errichten, sodass die
Vermittlung der Kenntnisse und die Ausbildung der sittlichen Persönlichkeit
Hand in Hand gehen.
Der Thorabund will jüdische Persönlichkeiten erziehen. Deshalb sollen
in den Jugendjahren der Geist des Kindes und seine Sprachkenntnisse außer an
dem staatlich vorgeschriebenen Klassenpensum vornehmlich an jüdischen
Materien geschult und seine Seele mit jüdischen Gedanken erfüllt werden.
Später können die Schüler je nach ihren Anlagen und Kenntnissen der
Vorbereitung für einen Beruf zugeführt werden. Diejenigen Zöglinge, deren
Seele ganz vom Streben nach jüdischer Erkenntnis erfüllt ist, sollen zu
Gelehrten herangebildet werden, wie ein künftiges kernhaftes Judentum
sie brauchen wird. Dass es dem Thorabund schon jetzt mit sehr gutem Erfolge
gelungen ist, junge Kinder in das Studium der jüdischen Quellenschriften
einzuführen, bezeugen die Gutachten von Autoritäten.
Der Thorabund will gesunde Menschen heranbilden. Deshalb will er nach
dem Vorbilde und den glänzenden Erfahrungen vieler staatlicher und
konfessioneller Anstalten so bald als möglich ein Landgut erwerben. Die
Kinder sollen reichlich und in Gottes freier Natur großgezogen werden.
Gleichzeitig ist die Möglichkeit geboten, eine Anzahl junger Menschen zu
tüchtigen Landwirten auszubilden. Der Plan hat auch den Vorzug, dass
Wohnung und Ernährung alsdann ein für allemal gesichert sind.
So will das Schulwerk des Thorabundes eine lebendig sprudelnde Quelle des
Segens werden und dem Judentum immer aufs Neue zuverlässige, leistungsfähige
Kräfte zuführen. Nur eine langjährige, durchgängige Milieu-Erziehung kann
Persönlichkeiten heranreifen lassen, wie sie das Judentum so bitter nötig
braucht. Um dieses bedeutungsvolle jüdische Kulturwerk
in Angriff nehmen zu können, bedarf es der Mithilfe und Mitarbeit all
derer, die nicht wünschen, dass das deutsche Judentum immer mehr der
Auflösung entgegen gehe, nicht wünschen, dass es immer mehr von seinem
seelischen Daseinsbedingungen entferne, sondern deren ernste Sorge darauf
gerichtet ist, dass das deutsche Judentum gerettet werde vor Verfall und den
Anschluss wieder finde an den dauerhaften Kern der jüdischen Gesamtheit. Und
welcher gute treue Jude möchte nicht mitwirken an diesem jüdischen
Fundamentalbau, möchte nicht wenigstens dem Werke ein Etwas an moralischer
und materieller Unterstützung leihen durch seinen Beitritt als Mitglied des
Thorabundes (Mindestbeitrag Mk. 6,- jährlich, D.-P. Sch. Konto 11695
Karlsruhe).
Viele werden ein Größeres tun wollen. Wollen dem Andenken ihrer Lieben
ein Denkmal
setzen, das fortlaufend durch Geschlechter lebendige Wohltat wirkt und
ewiges Heil für deren Seelen. Wollen Gelöbnis erfüllen, das sie
abgelegt in Not und Gefahr oder in Stunden schwerer Entscheidungen. Wollen
ein heiliges Werk vollbringen als Dank für ihren Schöpfer ob der
Errettung oder Erhaltung teurer Menschenleben.
Wen Pflichtbewusstsein und Tateneifer treibt, für ein ideales Erziehungswerk
Mitglieder zu werben der möge Werbeblocks bei uns verlangen.
Jeder Jude, jede Jüdin, die für die Sache in irgendeiner Weise tätig sein
wollen, mögen uns davon in Kenntnis setzen.
Von dem Weitblick und dem Edelmut unserer begüterten Brüder dürfen
wir erwarten, dass sie uns alsbald in die Lage setzen, ein Rettungs- und
Lebenswerk für die jüdische Gedankenwelt wie für jüdische Menschenblüten in
dem Ausmaße anzulegen, wie es einen in die Zukunft der neuen Menschheit
ragenden jüdischen Treupalastes würdig ist.
Zu diesem jüdischen Treuepalast werdet Ihr dann wallen, jüdische Mütter, mit
dem Knaben an der Hand, der Freude Eures Lebens, dem Augapfel Eurer
Mutterliebe, weil er den Namen trägt des frommen Ahnen und sein Wesen
verkörpert. Für dieses Kind reich an Geist und Gemüt kennt Ihr, treue
jüdische Mütter, kein höheres Glück nicht auf dieser, nicht für jene Welt,
als dann seine reine Seele an jedem Tage sich bade in dem ewige Reinheit
verleihenden Quell göttlichen Wortes und das sein strebender Geist auf
diesem neuen alten Wege vordringe zu den höchsten Stufen des Wissens und der
Erkenntnis. - Die Namen Eurer Kinder dürft Ihr uns jetzt schon melden.
Die Leitung des Thorabundes
Für die Redaktion und den Inseratenteil verantwortlich: Sally Geis,
Frankfurt a. M. Druck von Voigt & Gleiber, Frankfurt a. M." |
Aus dem Lernprogramm des Torabundes
(1921)
Literatur (kleine Auswahl) :
| Beiträge im Buch von Norbert Giovannini /Jo-Hannes
Bauer / Hans-Martin Mumm: Jüdisches Leben in Heidelberg. Studien zu
einer unterbrochenen Geschichte. Heidelberg 1992:
- Norbert Giovannini / Christian Jansen:
Judenemanzipation und Antisemitismus an der Universität Heidelberg. S.
155-200.
- Norbert Giovannini: Jüdische Studentinnen und Studenten in
Heidelberg. S. 201-220.
- Meike Baader: Nie sicher vor Fremdheit. Rahel Straus - erste
Medizinstudentin in Heidelberg. S. 221-232.
- Karin Buselmeier: Friedrich Gundolf und die jüdische
Literaturwissenschaft" S. 233-248. |
| Jörg Schadt / Michael Caroli: Heidelberg
unter dem Nationalsozialismus. Studien zu Verfolgung, Widerstand und
Anpassung. Heidelberg 1985.
Darin u.a. Arno Weckbecker: Die Judenverfolgung in Heidelberg
1933-1945 (mit Abschnitt: "Die 'Säuberung' der Universität S.
412-421). |
| Arno Weckbecker: Die Judenverfolgung in Heidelberg.
Heidelberg 1985. Darin: Kap. 7: "Die 'Säuberung' der Universität
Heidelberg S. 142-187. |
| Dokumentation
"Juden an der Universität Heidelberg - Dokumente aus sieben Jahrhunderten"
(Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg - Universitätsbibliothek -
Ausstellungen): Ausstellung in der Universitätsbibliothek Heidelberg vom
12.6.-31.8.2002 und in der National- und Universitätsbibliothek Jerusalem.
Verantwortlich: Petra Schaffrodt und Jörg Hüfner.
Dokumentation wurde zusammengestellt von Gabriele Dörflinger im
August 2002. |
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