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Oberelsbach (Landkreis
Rhön-Grabfeld)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(Seite wurde erstellt unter Mitarbeit von Elisabeth
Böhrer)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Oberelsbach bestand eine jüdische Gemeinde bis 1942. Ihre
Entstehung geht in die Zeit Mitte des 17. Jahrhunderts zurück. In einem
Verzeichnis aus dem Jahr 1699 werden 15 jüdische Einwohner in
Oberelsbach aufgelistet. Die Zahl der jüdischen Einwohner nahm im 18.
Jahrhundert auf etwa 40 zu, ging aber zeitweise wieder zurück.
Die jüdischen Familien lebten
überwiegend von ihrem Einkommen als Viehhändler oder von der Landwirtschaft.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1810/11 59 jüdische Einwohner (6,1 % von insgesamt 960 Einwohnern),
1837 70 (6,9 % von insgesamt 1.015), 1869 zusammen mit Weisbach
72 jüdische Einwohner (Angabe von E. Böhrer nach Dok. StA Wü), 1871 57 (5,7 % von 994), 1900 54 (6,0 % von
904), 1910 63 (6,6 % von 953).
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Oberelsbach auf
insgesamt elf Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände
genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Moses Samuel Frank (Wollen-
und Viehhandel), Salomon Samuel Fleckenstein (ohne Erwerb), Michael Samuel Stern
(Handel mit Schnittwaren), Herz Samuel Reiss (Vieh- und Tuchhandel), Löw
Abraham Haas (Kleinhandel mit Vieh und verschiedenen Waren), Isaac Joseph Sachs
(Viehhandel, Schlachten), Salomon Abraham Rhöner (Schlachten,
Kleinspezereikram), Nathan Jonas Taub (Lumpenhandel), Jonas Salomon Taub (ohne
Erwerb, gest. 1824), Michael Moses Neumann (Tuch-, Garn- und Wollenhandel),
Salomon Jonas Taub (Lumpen-, Spezereihandel), Abraham Frank (Feldbau, Ökonomie,
seit 1821/22, übernahm die Matrikelstelle seines verstorbenen Großvaters),
Jacob Löw Silbermann (Metzger, seit 1825).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule und ein rituelles Bad (noch in den 1970er-Jahren vorhanden,
stand in der heutigen Steingasse). In einem Bericht von 1869 über die
israelitische Kultusgemeinde Oberelsbach mit Weisbach
(Angabe von Elisabeth Böhrer nach einem Dokument im StA Würzburg vom
26.5.1869) wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass am Ort eine
"bloße" Religionslehrer- (und damit keine Elementarschul-)stelle
bestehe, die damals mit dem israelitischen Lehrer Isaak Blum besetzt war. Er
hatte 1869 zusammen 22 Kinder aus Oberelsbach und Weisbach zu unterrichten. - Die Toten der Gemeinde wurden auf dem
jüdischen Friedhof in Neustädtles
beigesetzt. Seit Ende des 19. Jahrhunderts war zur Besorgung religiöser Aufgaben der
Gemeinde (siehe die Ausschreibungen unten
zwischen 1893 und 1908) gemeinsam mit der Nachbargemeinde in Nordheim
ein Religionslehrer angestellt, der seinen Sitz in Nordheim hatte und zugleich
als Vorsänger und Schächter in Nordheim tätig war. 1893/94 wird als
Religionslehrer für die beiden Orte (mit Wohnung in Nordheim) Lehrer Fulder
genannt, 1895 Lehrer Anfänger, 1896/99 Lehrer S. Kahn. In der Oberelsbacher
Gemeinde war in dieser Zeit nur ein ehrenamtlicher Vorbeter und Schochet tätig: bis zu seinem Tod
1929 war dies der Kaufmann Salomon Schloß (siehe Bericht unten). Die Gemeinde
gehörte zunächst zum Rabbinat Gersfeld (Angabe
von Elisabeth Böhrer, die dies in einer hohen Regierungsentschließung vom
27.6.1867 Nr. 25527/25874 im StA Würzburg bestätigt fand), erst seit 1892 zum Distriktsrabbinat Bad
Kissingen.
Im Ersten Weltkrieg fielen zwei jüdische Männer aus Oberelsbach: Leo Frank
(geb. 31.1.1888 in Oberelsbach, gef. 26.2.1915) und Julius Silbermann geb.
28.2.1894 in Oberelsbach, gef. 17.12.1918). Ihre Namen stehen auf dem Denkmal für die
Gefallenen der Weltkriege links neben der katholischen Pfarrkirche vor dem
Friedhof. Außerdem ist gefallen: Samuel Neumann (geb. 9.5.1897 in Oberelsbach,
vor 1914 in Schweinfurt wohnhaft, gef. 8.8.1916).
Um 1924 gehörten noch 40 Personen
zur jüdischen Gemeinde (4 % der Gesamtbevölkerung von etwa 1.000 Personen).
Damals war Gemeindevorsteher der Kaufmann Salomon Schloß (gest. 1929,
siehe Bericht unten); er war - wie bereits erwähnt - zugleich als
Kantor und Schochet der Gemeinde tätig. Der Religionsunterricht für die noch
drei schulpflichtigen Kinder wurde durch Hauptlehrer Gottlieb aus Mellrichstadt
erteilt. Zur Gemeinde gehörten auch die im benachbarten Weisbach lebenden
jüdischen Einwohner (um 1925 noch drei Personen). 1932 war die Zahl der
jüdischen Einwohner auf 37 zurückgegangen. Vorsteher war - seit dem Tod von
Salomon Schloss - Max Frank,
zweiter Vorsteher Gabriel Haas. Die vier schulpflichtigen Kinder wurden durch
Oberlehrer Blumenthal aus Unsleben
unterrichtet.
Nach 1933 ging die Zahl der jüdischen Einwohner zunächst nur langsam
zurück: von 28 (1933) auf 20 (1937). Nach dem Novemberpogrom
1938, bei dem die Häuser und Geschäfte der noch
im Ort lebenden Juden von SA-Leuten aus Ostheim v.d. Rhön brutal demoliert
wurden (Fenster, Möbel, Hausrat zertrümmert, Lebensmittel vernichtet),
beschleunigte sich die Abwanderung. Die letzte Familie, die emigrieren konnte,
war die Familie von Max Silbermann (Oktober 1939). Die letzten jüdischen
Einwohner mussten in einem "Judenhaus" in großer Enge zusammenleben,
nachdem die jüdischen Häuser zwangsverkauft worden waren. Anfang 1942 lebten noch neun
jüdische Personen am Ort. Sieben wurden im April 1942 über Bad Neustadt und Würzburg nach Izbica bei Lublin
deportiert (Selma Haas, Betty Silbermann, Moritz und Marianne Kahlein). Die
letzten beiden jüdischen Einwohner (Rosalia Haas und Heinrich Silbermann) anderen kamen im Juni 1942
über Würzburg (kurzzeitig im jüdischen Altersheim) in das Ghetto Theresienstadt.
Von den in Oberelsbach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Hannchen Frank geb. Haas (1873), Isidor Frank (1879), Adelheid Haas geb. Wahlhaus
(1871), Hermann Karl Haas (1895), Rosalie Haas geb. Oppenheimer (1867), Selma Haas
(1893), Paula Heimann geb. Haas (1897), Friedrich Heinemann (1888), Marianne
Kahnlein geb. Wildberg (1877), Moritz Kahnlein (1877), Berta Katz geb. Frank (1882), Ludwig
Katz (1879), Bernhard Neumann (1868), Berta Oberbrunner geb. Silbermann (1886), Betti (Betty)
Silbermann geb. Schmidt (1883), Heinrich Silbermann (1886).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der
Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Lehrers, Vorbeters und
Schochet in Nordheim und Oberelsbach 1893 / 1895 / 1907 / 1908
Die Ausschreibungstexte wurden, da der Sitz
des gemeinsamen Lehrers in Nordheim
war, vom dortigen Kultusvorstand formuliert: |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Januar 1893:
"Lehrer-Vakanz". Die Religionslehrerstelle Nordheim-Oberelsbach,
verbunden mit Vorsänger- und Schächterfunktion in erstgenannter
Gemeinde, mit einem fassionsmäßigen Einkommen von 967,57 Mark soll wieder
besetzt werden.
Seminaristisch gebildete Kandidaten wollen sich baldigst unter Beifügung
ihrer Zeugnisse und Angabe ihres Lebenslaufes an den Unterzeichneten
wenden.
Nordheim v. Rh., 4. Januar 1893. Abraham Schön, Kultusvorstand". |
Bereits zwei Jahre danach war wieder
eine Ausschreibung nötig: |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. März 1895:
"Durch Berufung unseres Lehrers auf eine staatliche Schulstelle ist
die Religionsschulstelle Nordheim-Oberelsbach, verbunden mit Vorsänger-
und Schächterdienst in erstgenannter Gemeinde vakant. Das
fassionsmäßige Einkommen beträgt 967 Mark 57 Pfennig. Nur
seminaristisch gebildete Bewerber wollen ihre Zeugnisse baldigst an
Unterfertigten einsenden.
Nordheim v. Rhön, 5. März 1895. Abraham Schön, Kultusvorstand". |
1907 und 1908 erfolgten wiederum
Ausschreibungen: |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. März 1907:
"Die Religionslehrerstelle mit Vorbeter- und Schächterfunktion
Nordheim-Oberelsbach mit dem Sitze in Nordheim Rhön, ist sofort zu
besetzen. Fixer Gehalt Mark 1100, nebst erheblichen Nebeneinkünften.
Seminaristisch gebildete Bewerber wollen sich an den Unterzeichneten wenden.
Nordheim Rhön, den 20. Februar 1907.
Jakob Baum". |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. August 1908:
"Die Religionslehrer, Vorbeter- und Schochetstelle
in Nordheim (Rhön), Oberelsbach mit dem Sitze Nordheim fassionsmäßiger Gehalt Mark
1100 und erheblicher Nebenverdienste ist alsbald zu besetzen. Meldungen
nebst Zeugnisabschriften an
Jacob Baum,
Nordheim, Rhön". |
Aus dem
jüdischen Gemeindeleben
Über den traditionell-frommen Charakter der
Gemeinde
Aus dem Buch von Ophir/Wiesemann (s.Lit.) S. 377: "Den
traditionell-frommen Charakter der Gemeinde (sc. Oberelsbach) und ihr religiöses
Selbstverständnis illustrieren zwei Briefe, die der Vorstand in den
1930er-Jahren an den Bezirksrabbiner Dr. Menachem Ephraim in Bad
Kissingen schrieb. In dem ersten Brief wurde gefragt, ob die Vervollständigung
des Minjan durch einen noch nicht 13jährigen Jungen gestattet sei. Der andere
Brief betraf die Abhaltung eines Fasttages, zu dem die Juden, da ihnen während
des Gottesdienstes eine Torarolle heruntergefallen war, verpflichtet gewesen
wären. Sie hätten jedoch, schrieben die Juden von Oberelsbach, Bedenken, ihn
durchzuführen, da zwei der für das Minjan erforderlichen Gemeindemitglieder
alte kranke Männer seien, denen man einen Fasttag kaum zumuten könne". |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Aufruf zu Spenden für den Kaufmann Isaak
Hirsch von Oberelsbach (1907)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Dezember 1907:
"Willmars (bei Mellrichstadt) im Dezember 1907.
Teuere, liebwerte Schwestern und Brüder!
Eine brave, allgemein beliebte und angesehene Familie ist von der rauen
Hand des herbsten Geschickes erfasst worden. Herr Kaufmann Isaak Hirsch
von Oberelsbach, königlicher Bezirk Neustadt an der Saale, ist ohne sein
Verschulden in Konkurs geraten. Derselbe ist nahezu 82 Jahre alt; diente
beim 12. bayerischen Infanterie-Regiment und kämpfte als tapferer
Vaterlandsverteidiger in verschiedenen Kriegen 1848/49 und wurde mit hohen
Auszeichnungen und Orden dekoriert. Das von ihm erlernte Seilerhandwerk
pflegte er mit großer Mühe und Verständnis sein Leben lang. Nun ist er
altersschwach, gebrechlich und hilflos.
Seine Gattin leistete von der Kindheit an in den besten und feinsten
Häusern die schwersten Dienste, erwarb sich die Gunst und Gewogenheit
aller Mitmenschen und ersparte sich durch die rastlose Arbeitsamkeit und
ihren emsigen Fleiß eine hübsche Summe. Seit geraumer Zeit ist sie
leider schwer lungenleidend (Asthma), was sie oft und auch lange ans Bett
fesselte. In ihrem Hause fanden Hilf- und Ratlose die gastlichste Aufnahme
und gar manche Zähre hat sie getrocknet. Der einzige Sohn musste am Bein
operiert werden, was große Summen verschlang.
Dieses in Ehren ergraute Ehepaar, das sein ganzes Leben dem Wohle der
Mitmenschen weihte, mit Leib und Leben das Vaterland verteidigte, durch
sein redliches Handwerk sich ernährte, stets ein gewichtiges Glied der
großen Menschenkette darstellte, sein Haus der Wohltätigkeit stets offen
hielt, soll am Abend seines Lebens aus dem sich selbst errichteten und ihm
daher um so lieberen Heim verscheucht werden, um im großen Weltenstrome
unterzutauchen!
O liebe Schwestern und Brüder! An Eurer sich stets bewährte
Hilfsbereitschaft, an die gefühlvollen Regungen Eurer zartbesaiteten
Herzen appelliere ich angesichts dieses tieftraurigen Geschickes und bitte
Euch, habt Erbarmen, auf dass wieder Licht und Freude einziehe in die zerrütteten
Herzen dieser bemitleidenswerten Unglücklichen.
Herr Kultusvorstand Samuel Haas in Oberelsbach bei Neustadt an der Saale,
wie auch der ergebene Unterzeichnete nehmen Spenden dankend entgegen.
Gnädigster Bittgewähr entgegenharrend, zeichnet mit vorzüglicher
Hochachtung! Emanuel Levi, Lehrer in Willmars bei Mellrichstadt.
Bestätigung. Der unterzeichnete Vorstand des Armenpflegschaftsrates
Oberelsbach bestätigt Nachstehendes: Isaak Hirsch, Kaufmann von hier,
geboren am 26. Mai 1826, ist durch widrige Umstände, durch sein hohes
Alter, das seine geschäftliche Tüchtigkeit beeinträchtigte, durch
Kränklichkeit seiner Frau und andere widrige Verhältnisse unverschuldet
in Konkurs geraten. Es wird bestätigt, dass Isaak Hirsch Kriegsveteran
ist, im 12. bayerischen Infanterie-Regiment den Krieg gegen Dänemark
1848/49 mitgemacht hat und die Kriegsmedaille besaß, die durch den
großen Brand 1895 vernichtet wurde, das sein ganzes Anwesen eben bei
diesem Brande, der fast das ganze Dorf einäscherte, zu Grunde gerichtet,
dass seine Frau schwer lungenleidend ist (Asthma), so dass sie schon
längere Zeit bettlägerig war, dass der Sohn im Jahre 1900 in Würzburg
von Professor Rosenberger am Bein operiert wurde. Die Familie, die in
großer Not ist, wird für eine Unterstützung bestens empfohlen.
Oberelsbach, den 1. Dezember 1907. Der Vorstand des
Armenpflegschaftsrates: gezeichnet A. Wolz, Pfarrer.
Den Ausführungen des Herrn Pfarrers Wolz dahier pflichtet sich
vollständig bei: Oberelsbach, den 1. Dezember 1907. Die Gemeinde-Behörde
gez. Städtler, Bürgermeister.
Auch seitens der israelitischen Kultusgemeinde Oberelsbach wird den Schilderungen
des Herrn Pfarrers Wolz dahier in allen Punkten beigepflichtet.
Oberelsbach, den 1. Dezember 1907. gezeichnet Samuel Haas,
Kultusvorstand.
Auch mir sind die Verhältnisse des Herrn Isaak Hirsch in Oberelsbach in
der geschilderten Weise bekannt, weshalb ich ebenfalls um tatkräftige
Unterstützung der bedrängten Familie bitte. Bad Kissingen, 2. Dezember
1907. Dr. S. Bamberger, Distriktsrabbiner." |
Zum Tod von Kaufmann Salomon Schloß (1929)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. April
1929: "Oberelsbach (Rhön). Am Sonntag, 28. Adar I (= 10. März
1929), trugen wir die sterblichen Reste des Kaufmanns Salomon Schloß zu
Grabe. Eine überaus große Beteiligung - von nah und fern war man
herangeeilt - ohne Unterschied des Glaubens - um dem verblichenen Freunde
die letzte Ehre zu erweisen. Nach kurzem Krankenlager raffte der Tod den
im besten Alter stehenden, den überaus beliebten S. Schloß dahin. -
Groß ist der Verlust für seine Familie, der das sorgende, liebende
Familienhaupt entrissen wurde, überaus groß ist der Verlust der Gemeinde
Oberelsbach. Einer seiner Besten und Unentbehrlichsten ist die Gemeinde
beraubt. Seit seinem 18. Lebensjahre übte er in der Gemeinde (die keinen
eigenen Beamten hatte) den Vorbeterdienst aus - lange Jahre versah
er in äußerster Gewissenhaftigkeit das Amt eines Schochets, nicht
aber um sich materiellen Gewinn zu sichern - nein - nur aus Liebe zu
seiner Religion ohne irgend welches Entgelt. Und mancher eingeweihte
Fremde, der nach Oberelsbach kam, staunte, wenn er Schloß Vorbeten und
laiernen hörte, wie er, der Kaufmann, Bescheid wusste in allen jüdischen
Fragen. Schlicht und einfach, gerade und gerecht war sein Leben. Entgegen
seines Wunsches sprach an der Bahre für die Gemeinde Oberelsbach Worte
des Dankes Herr Lehrer Schloß, Mellrichstadt.
Eine Säule im Judentum ist gefallen - er war der Träger des Judentums in
Oberelsbach.
Möge ihm der himmlische Segen für seine dem Judentume geleistete Arbeit
zuteil werden - wir aber, die ihn kannten und schätzten, werden ihm ein
dauerndes Gedenken bewahren. (R.W.)." |
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Ein
weitgehend textgleicher Artikel erschien in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 28. März 1929. |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Todesanzeige für Abraham Haas
(1936)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Mai 1936: "Mein
innigstgeliebter Mann, unser gütigster Vater, Bruder, Schwiegersohn, Schwager
und Onkel Herr Abraham Haas ist im 57. Lebensjahre heute
verschieden.
Frankfurt am Main, 6. Mai 1936 / 14. Ijjar 5696.
Waldschmidtstraße 125. Im Namen der trauernden Hinterbliebenen: Hedwig
Haas geb. Löwenthal.
Bad Kissingen, Oberelsbach, Königshofen i.Gr." |
Weitere Dokumente
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries)
Postkarte von Israel
Schloß,
Oberelsbach (1890) |
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Die Karte
(Bestellung) wurde an die Eisenhandlung Eisenheimer in Schweinfurt am
29.1.1890 geschickt. Die bestellte Ware sollte per Bahn an die
Haltestelle Wegfurt geschickt werden. |
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Postkarte von Israel
und
Salomon Schloß,
Oberelsbach (1896) |
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Die Karte (Bitte
um Zusendung einer Preisliste) wurde an die Eisenhandlung Eisenheimer in
Schweinfurt am 27.12.1896 geschickt. |
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Postkarte von Isaak Hirsch,
Oberelsbach (1897) |
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Die Karte
(Preisanfrage an die Eisenhandlung Eisenheimer in Schweinfurt nach
alten und jetzigen, wahrscheinlich noch intakten Pflugscharen) wurden
von Isaak Hirsch am 22. März 1897 in Oberelsbach geschrieben. Zu Isaak
Hirsch vgl. oben das Dokument von 1907. |
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Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst wurden die Gottesdienste vermutlich in
Beträumen jüdischer Wohnhäuser abgehalten. Eine vermutlich erste Synagoge ist
1810 auf einem der jüdischen Gemeinde geschenkten Grundstück erbaut
worden. Sie brannte 1895 ab. Damals wurde
durch einen Großbrand fast der ganze Ort zerstört.
1898 wurde eine neue Synagoge erbaut, die 1899 eingeweiht
werden konnte.
In ihr waren auch Räume für den Religionsunterricht eingerichtet.
Die Synagoge wurde am 1. Oktober 1938 von der Kreisbauernschaft
beschlagnahmt und musste geräumt werden. Damals kam es auch zu Gewalt gegen
jüdische Einwohner. Beim Novemberpogrom 1938 kam es auf Grund der
zuvorgehenden Beschlagnahmung durch die Kreisbauernschaft zu keiner Aktion gegen die Synagoge.
Jedoch wurden jüdische Häuser und Wohnungen demoliert (s.o.).
Im April 1949 wurden fünf der am Novemberpogrom Beteiligten in Schweinfurt
vor Gericht gestellt. Vier erhielten Gefängnisstrafen von sechs Monaten bis zu
einem Jahr und drei Monaten, einer wurde freigesprochen.
Das Synagogengebäude blieb erhalten
und wurde bis vor wenigen Jahren als Wohnhaus beziehungsweise als Café / Restaurant benutzt
(zeitweise auch
als Diskothek). Derzeit (Stand Mai 2010) steht das inzwischen unter
Denkmalschutz stehende Gebäude leer. Eine öffentliche und der Würde des
ehemaligen jüdischen Gotteshauses angemessene Nutzung des für die
Ortsgeschichte bedeutenden Gebäudes wäre
wünschenswert.
Am Gebäude erinnert eine Hinweistafel an die Geschichte der Synagoge mit
dem Text: "Dieses Gebäude, erbaut 1899 diente der jüdischen Kultusgemeinde
Oberelsbach als Synagoge. Zur Erinnerung und Mahnung".
Adresse/Standort der Synagoge: Am Ende des Weges "Elsweg".
Fotos
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
April 2012:
Presseartikel zur Erinnerung an die jüdische
Geschichte in Oberelsbach |
Artikel in der "Main-Post" (Rhön
Nachrichten) vom 23. April 2012: "Oberelsbach. Kein jüdisches
Leben mehr seit 1942. Juden gehörten über Jahrhunderte in
Oberelsbach einfach dazu..."
Link
zum Artikel |
|
September 2018:
Die Gemeinde Oberelsbach beteiligt
sich am Projekt "Denkort Aumühle" |
Artikel von Thomas Pfeufer in der
"Main-Post" vom 28. September 2018: "OBERELSBACH. Damit ermordete
Oberelsbacher Juden nicht vergessen werden
Ob das als gutes Omen gewertet werden darf? Es war die erste Sitzung im
hochmodernen, neuen Sitzungssaal des Oberelsbacher Rathauses, zu der sich
der Gemeinderat jetzt traf. Und bis auf kleinere Probleme mit der
Präsentationstechnik verlief sie reibungslos und regelrecht harmonisch. Am
Ende gab es sogar einen Blumenstrauß für Bürgermeisterin Birgit Erb. Das
allerdings hatte weniger mit der Sanierung des Rathauses zu tun, als mit der
Tatsache, dass zweiter Bürgermeister Klaus Spitzl der Bürgermeisterin damit
zur Verleihung der Kommunalen Verdienstmedaille gratulierte.
Zuvor hatte das Ratsgremium allerdings ein ernstes Thema zu behandeln:
Beteiligt sich die Marktgemeinde am Projekt 'Denkort Aumühle', mit dem der
ermordeten Juden aus Unterfranken gedacht werden soll? Kreisheimatpfleger
Reinhold Albert, Mitglied der gleichnamigen Initiative, stellte dem
Ratsgremium das Projekt vor, nachdem er in aller Kürze auf die Geschichte
der Juden in Deutschland und auch in Rhön und Grabfeld eingegangen war.
Unterstützt wurde er dabei von Marktgemeinderätin Monika Eckert, die unter
anderem in der Oberelsbacher Chronik die Geschichte der Oberelsbacher Juden
dargestellt hat. Sie ging auf das problemlose Zusammenleben zwischen der
großen jüdischen Gemeinde und den Christen in Oberelsbach ein und stellte
das Schicksal mehrerer jüdischer Familien im Dritten Reich vor, deren
Mitglieder entweder rechtzeitig auswandern konnten oder ermordet wurden.
Mahnmal auf dem Bahnsteig. So wurden einige von ihnen im April 1942
von Oberelsbach nach Bad Neustadt und weiter nach Würzburg gebracht. Die
Züge in den Tod starteten dort vom Güterbahnhof Aumühle. Im Gedenken daran
soll im Umfeld dieser letzten Station der jüdischen Mitbürger in
Unterfranken ein Mahnmal entstehen. Jede der 109 unterfränkischen Gemeinden,
in denen 1933 noch Juden lebten, soll dazu beitragen, indem jeweils ein
heimischer Künstler einen Koffer oder ein Gepäckstück gestaltet, das dort –
versehen mit dem Namen der Heimatgemeinde – aufgestellt wird. Ein Duplikat
des Gepäckstücks soll dann auch in der jeweiligen Gemeinde die Erinnerung an
die jüdischen Mitbürger bewahren. Die Bitte von Reinhold Albert, der Markt
Oberelsbach solle sich an dem Gedenkprojekt beteiligen, stieß im Gemeinderat
auf einhellige Zustimmung. Für Bürgermeisterin Birgit Erb ist die Erinnerung
an die ehemaligen Oberelsbacher, gerade auch im Hinblick auf aktuelle
Diskussionen ein wichtiges Thema. Es betreffe die Geschichte des Ortes, da
sei es wichtig und richtig, wenn sich die Gemeinde einbringe und einen
Beitrag leiste, dass der ehemaligen Oberelsbacher gedacht und sie nicht
vergessen werden. Es sei ein Zeichen, dass sich Oberelsbach zu seiner
Geschichte bekennt.
Einstimmiger Grundsatzbeschluss. Im Ratsgremium wurde das nicht
infrage gestellt. Es gab lediglich Nachfragen nach der Gestaltung des
Gedenkortes in Würzburg sowie des Gepäckstücks und seines künftigen
Standortes in Oberelsbach. Der einhellig geäußerten Forderung, dass der
Oberelsbacher Beitrag von einem heimischen Künstler hergestellt werden soll,
konnte die Bürgermeisterin nur zustimmen. Der Standort des Koffers in
Oberelsbach soll im Zuge des anstehenden Architektenwettbewerbs 'Rathausumgriff
und Marktplatzgestaltung' ermittelt werden, damit sich das Kunstwerk
'harmonisch einpasst'. Wie das Gepäckstück aussehen wird, soll ebenfalls in
einem Wettbewerb ermittelt werden, regte Birgit Erb an..."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in
Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 376-378. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 99; 1992² 108. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 386-387. |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 117. |
| Elisabeth Böhrer / Monika Schöppner: Jacob
Löb Eltzbacher. In: Heimat-Jahrbuch des Landeskreises Rhön-Grabfeld 2013.
S. 70-75.
Anmerkung: der 1755 in Oberelsbach geborene Jacob Löb Eltzbacher wurde
später Hofbankier des in Wien residierenden Fürsten Wenzel Anton von
Kaunitz-Rietberg. Eltzbacher genoss hohes Ansehen bei Juden und Nichtjuden.
1808 war er bei einer Konferenz in Kassel Syndikus und Deputierter für das
Fulda-Department. Die Familie Eltzbacher (acht Kinder) lebte in
Neuenkirchen. Jacob Löb Eltzbacher starb 1825 und wurde im jüdischen
Friedhof Neuenkirchen (Stadt Rietberg) beigesetzt. Im genannten Beitrag wird
über Jacob Löb Eltzbacher und die weitere Geschichte der Familie
informiert. |
| Elisabeth Böhrer / Monika Eckert: Die
jüdische Gemeinde Oberelsbach. In: Heimat-Jahrbuch des Landkreises
Rhön-Grabfeld. 2015. S. 196-217.
Anmerkung: gegenüber dem Beitrag von 2013 (oben) sind im Beitrag von 2015
neue Erkenntnisse eingearbeitet worden. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Oberelsbach Lower
Franconia. A Jewish community is known from the mid-18th century. The Jewish
population was 70 in 1837 (total 1,015). A new synagogue was built in 1899 after
first one burned down in 1895. In 1933, 28 Jews remained. On Kristallnacht (9-10
November 1938), their homes were wrecked along with the synagogue. Subsequently
13 emigrated, 11 to the U.S. The last nine were deported in 1942, seven to
Izbica in the Lublin district (Poland) and two to the Theresienstadt ghetto
camp.
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|