Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Großostheim (Marktgemeinde, Kreis Aschaffenburg)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen    
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einige Berichte  
bulletLinks und Literatur   

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)     
    
In Großostheim bestand eine jüdische Gemeinde bis 1942. Bereits im Mittelalter lebten Juden am Ort, da "Ostheim" unter den von der sogenannten "Rindfleisch-Verfolgung" 1298 betroffenen Orte genannt wird und sehr wahrscheinlich nur dieses Ostheim gemeint sein kann. 
  
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in das 17./18. Jahrhundert zurück. Der 1724 in Karlsruhe aufgenommene 56-jährige Löw Willstädter gibt als Geburtsort Großostheim an, wo er ca. 1668 geboren ist (Juden in Karlsruhe 1988 S. 516). Seit 1715 liegen weitere Urkunden zu jüdischen Familien am Ort vor. 1789 gab es bereits 11 jüdische Haushaltungen am Ort. 1803 wurden 15 jüdische Familien gezählt. 
    
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1814/15 75 jüdische Einwohner (4,4 % von insgesamt 1.714 Einwohnern), 1867 35 (1,4 % von 2.477), 1880 57 (2,1 % von 2.760), 1890 79 (3,0 % von 2.664), 1900 56 (2,0 % von 2.832), 1910 42 (1,3 % von 3.186). Die jüdischen Familien lebten insbesondere vom Viehhandel, Stoff- und Textilhandel; einige eröffneten seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Läden am Ort. 
    
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Großostheim auf insgesamt 17 Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): David Herz Gärtner (Krämpler), Löb Herz Gärtner (Schlachten, Viehhandel), Herz Mardchen Gärtner* (80 Jahre alt, Vater der Vorgenannten), Jakob Mardge Hetzler* (Viehhandel), Isaak Jakob Hetzler (Schlachten, Viehhandel), Herz Beer Neumann* (), Herz Jakob Oppenheimer* (Viehhandel und Schlachten), Moises Bär Oppenheimer (Markeln und Schlachten), Bär Herz Neumann (Viehhandel und Schlachten), Herz Jospel Neumann (Schlachten, Viehhandel), Abraham Jospel Neumann (), Benjamin Jospel Neumann (Makeln), Meyer Herz Herzfeld(er)* (Krämpler), Mendle Martge Göttinger* (Makler), Anschel Isaak Koblenz (), Beer Herz Ladenberger (Viehmakler), Simon Herz Oppenheimer (Ellenwaren). 
Die mit *) bezeichneten Personen werden in der Aufstellung von 1818/19 nicht mehr genannt.           
   
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule und ein rituelles Bad (lag hinter der Wern, heute Ecke Wildgraben - Bachstraße, bestand bis 1911, Gebäude wurde abgebrochen). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im 19./20. Jahrhundert zeitweise ein Religionslehrer angestellt, der auch als Vorbeter und Schächter tätig war (siehe Ausschreibungen der Stelle unten). Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden auf dem Friedhof bei Schweinheim (Aschaffenburg) beigesetzt. Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat in Aschaffenburg
 
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Abraham Schloss (geb. 9.2.1884 in Olnhausen, gest. 24.10.1918 in Gefangenschaft). Sein Name findet sich auf den Sandsteintafeln mit den Namen der Gefallenen des Ersten Weltkrieges an der Nordwand der katholischen Pfarrkirche St. Peter und Paul am Marktplatz. Auf dem 1939 von der Gemeindeverwaltung neu errichteten Ehrenmal (1970 neu konzipiert) fehlt der Name von Abraham Schloss.   
  
Um 1924, als noch 39 jüdische Personen am Ort lebten (0,8 % von 3.413 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Albert Fuld und Karl Fuld. Den Religionsunterricht der damals noch drei schulpflichtigen jüdischen Kinder am Ort erteilte Lehrer Max Katz aus Aschaffenburg. Er hatte auch das Schächteramt in Großostheim inne. 1932 waren die Gemeindevorsteher weiterhin Albert Fuld (1. Vorsitzender) und Karl Fuld (Schatzmeister). Im Schuljahr 1931/32 war vier Kindern aus der Gemeinde Religionsunterricht zu erteilen.   
   
Bis nach 1933 waren noch mehrere jüdische Gewerbebetriebe im Besitz jüdischer Familien, darunter das Textilhaus der Gebrüder Fuld (Kreuzung Breite Straße / Bachstraße, später: Post-Apotheke), die Viehhandlung von Josef Wertheimer (Fachwerkhaus Ecke Breite Straße 24 / Turmstraße; das Gebäude von 1727 steht unter Denkmalschutz), die Metzgerei von Hermann Neumann (Breite Straße), die Viehhandlung von Max Neumann (Haarstraße 1) u.a.m..  
 
1933 lebten noch 28 jüdische Personen in Großostheim (0,7 % von insgesamt 3.840 Einwohnern). In der Folgezeit ist ein Teil von ihnen auf Grund der zunehmenden Repressionen und der Entrechtung sowie der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts vom Ort verzogen oder ausgewandert. Zu antijüdischen Aktionen kam es bereits im August 1936, als Unbekannte ein jüdisches Haus beschmierten und die Fenster einschlugen. Anfang November 1938 lebten noch 18 jüdische Personen am Ort. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zerstört, danach wurden jüdische Wohnungen überfallen, das Inventar teilweise völlig demoliert, jüdische Personen misshandelt. Überfallen wurden das Haus des Viehhändlers Albert Fuld in der Kauschrübenstraße (dabei wurde Isaac Reis aus Pflaumheim misshandelt, er ist wenig später gestorben), das Haus des Viehhändlers Max Neumann in der Haarstraße 1 sowie das Haus der Viehhändler Simon Ehrmann und Josef Wertheimer Ecke Breite Straße / Turmstraße; verschont blieben das Textilhaus Fuld und das kurz vorher verkaufte Haus der Metzgerei Neumann in der Breiten Straße. Mehrere jüdische Männer wurden verhaftet; die Familie Josef Wertheimer wurde gezwungen, in das Haus der Familie Max Neumann (Haarstraße 1) einzuziehen. Die letzten sechs jüdischen Einwohner Großostheims wurden im April beziehungsweise im August/September 1942 deportiert.   

Von den in Großostheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Marta Dannenberg geb. Gärtner (1889), Babette David geb. Sichel (1885), Sofie Dornheim (1882), Albert Fuld (1876), Karoline Fuld (1922), Klara Fuld (1881), Selma Fuld geb. Reis (1883), Ludwig Gärtner (1869), Frieda Hellmann geb. Sichel (1893), Rosa Bertha Hirsch geb. Gärtner (1879), Mathilda (Meta) Mayer geb. Wertheimer (1907), Betty Neumann (1867), Max Neumann (1868), Rosa Neumann geb. Rau (1886), Klara Schellenberg geb. Fuld (1882), Jenny Schloss geb. Fuld (1877), Rosel Schloss geb. Gutheim (1917), Julius Sichel (1888), Max Sichel (1892), Hedwig Spier geb. Gärtner (1883), Hedwig Weichsel geb. Fuld (1885), Johanna (Hanna) Westheimer geb. Ehrmann (1877). 
   
Zum Gedenken an die die Judenverfolgungen in der NS-Zeit findet sich seit dem 24. November 1991 am alten Rathaus in der Breiten Straße eine Gedenktafel. Sie wurde damals in Anwesenheit des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Würzburg, David Schuster s.A. eingeweiht. Sie enthält die Inschrift: "Jesaja 48,18: hättest du doch auf meine Gebote geachtet dein Glück wäre wie ein Strom und dein Heil wie die Wogen des Meeres. Zum Gedenken an das Schicksal unserer jüdischen Mitbürger."    
Die Namen der aus Großostheim Umgekommenen stehen auch auf einem Gedenkstein im Bereich des Ehrenmals für die Gefallenen. 
  
  
  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Ausschreibungen der Stelle der Religionslehrers, Vorbeters und Schächters 1882 / 1889 / 1899 / 1902  

Grossostheim Israelit 23051882.jpg (40244 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1882: "Annonce. Die hiesige Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle ist vom 1. Juni an zu besetzen. Gehalt nach Übereinkunft. Reflektierende (wenn auch nicht seminaristisch geprüft) belieben sich mit Abschrift ihrer Zeugnisse an den Unterzeichneten zu wenden. 
Großostheim (Bayern). Löb Reiß, Kultus-Vorstand."
 
Grossostheim Israelit 09121889.jpg (31286 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Dezember 1889: "Die hiesige Lehrer-, Schochet- und Vorbeter-Stelle ist sofort zu besetzen bei einem fixen Gehalt von 500 Mark und 200 Mark Nebenverdienst.   
Groß-Ostheim. Die israelitische Kultus-Gemeinde. Moses Oppenheimer."  
 
Grossostheim Israelit 05101899.jpg (64979 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Oktober 1899: "Die Stelle eines israelitischen Religionslehrers, der zugleich den Vorbeter- und Schächterdienst versieht, ist bis zum 1. Dezember dieses Jahres dahier zu besetzen. Reflektanten belieben sich deshalb an den Unterzeichneten zu wenden. Bemerkt wird, dass Polen und Russen unberücksichtigt bleiben.   
Großostheim in Bayern. Emanuel Gärtner, Kultus-Vorstand."  
 
Grossostheim Israelit 30041902.jpg (61506 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. April 1902: "Die hiesige Lehrerstelle ist vakant und soll durch einen seminaristisch gebildeten unverheirateten Religionslehrer, Vorbeter und Schochet sofort besetzt werden. Gehalt 550 Mark, sowie ca. 500 Mark Nebenverdienst. 
Bewerber wollen sich unter Vorlage ihrer Zeugnisse an den unterzeichneten Vorstand wenden. 
Großostheim, Bayern. 
Der Vorstand der israelitischen Gemeinde: Emanuel Gärtner.

   
Zur Verabschiedung von Lehrer Max Silbermann (1889, Lehrer in Großostheim von 1884-1889)

Grossostheim Israelit 25031889.jpg (96216 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. März 1889: "Nachruf! Am 10. dieses Monats hat uns Herr Lehrer Max Silbermann verlassen, um seine neue Stelle in Homburg v.d. Höhe anzutreten. So gerne wir dieses Avancement dem Herrn Silbermann gönnen, so aufrichtig ist das Bedauern ihn bei uns zu vermissen und sprechen wir ihm andurch öffentlichen Dank aus für dessen, während seines fünfjährigen Aufenthaltes dahier, bewährte gewissenhafte und uneigennützige Tätigkeit in seinem Amte, sowie für das freundschaftliche Verhalten gegen Jedermann, welches ihm die Liebe und Anhänglichkeit der ganzen Gemeinde erworben hat. Möge derselbe auch in seiner neuen Stellung Würdigung und Anerkennung finden. 
Hochachtungsvoll ergebenst 
Der Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde, Moses Oppenheimer, Großostheim."   

   
  
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen   
Anzeige von David Gärtner (1890)   

Grossostheim Israelit 19051890.jpg (30785 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Mai 1890: "Suche für meinen kleinen Haushalt ein ordentliches israelitisches Mädchen, welches sich allen häuslichen Arbeiten unterzieht. Eintritt bis 1. Juli.  
David Gärtner, Großostheim, Bayern".   

    
    
    
Zur Geschichte der Synagoge   
                   
    
Ein Synagoge in Großostheim wurde wohl Mitte des 18. Jahrhunderts erbaut; in der Synagoge wurde ein Toramantel aus dem Jahr 1751 aufbewahrt, möglicherweise dem Baujahr der ersten Synagoge. Das Gebäude lag in einem Hinterhof abseits der Breiten Straße, unmittelbar mit einem jüdischen Wohnhaus verbunden.
   
Um 1840 war die umfassende Renovierung der Synagoge notwendig geworden. Es handelte sich nicht um einen Neubau, sondern um eine "Raparatur der Synagoge". Da dennoch die eigenen finanziellen Mittel der wenigen jüdischen Familien dafür nicht ausreichten, wurde hierfür die Durchführung einer Kollekte bei der Regierung beantragt. Diese wurde im Oktober 1840 genehmigt und in der Folgezeit in einem Teil der (oder später sogar in allen) jüdischen Gemeinden Bayerns durchgeführt. Im Aufruf vom Oktober 1840 ist nur von einer Kollekte im Regierungsbezirk der jüdischen Gemeinde Großostheim die Rede (sc. Unterfranken und Aschaffenburg), doch wurde im Januar 1842 auch das Ergebnis aus den Regierungsbezirken Schwaben und Neuburg mitgeteilt, sodass die Kollekte vermutlich noch in den anderen Regierungsbezirken Bayerns durchgeführt wurde.      
   
 
Kollekte zur Renovierung der Synagoge in Großostheim (1840)    

Artikel im "Intelligenzblatt von Unterfranken und Aschaffenburg des Königreichs Bayern 24. Oktober 1840: "22. Oktober 1840.
(Das Gesuch der Israelitischen Gemeinde zu Großostheim um allergnädigste Bewilligung einer Kollekte zur Aufbringung der Kosten für die Synagoge daselbst betreffend).
Im Namen Seiner Majestät des Königs.
Nachdem seine Majestät der König allerhuldreichst zu gestatten geruht haben, dass zur Deckung der Kosten für die Reparatur der Synagoge in Großostheim eine Kollekte bei den israelitischen Glaubensgenossen des Regierungsbezirks veranstaltet werde; so erhalten die betreffenden Polizei-Behörden den Auftrag, diese Sammlung durch die Kultusvorsteher vornehmen zu lassen und binnen 14 Tagen das Ergebnis einzusenden, oder Fehlanzeige zu erstatten.
Würzburg den 18. Oktober 1840. 
Königliche Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg, Kammer des Innern. Graf Fugger.   Hübner."      
 
Artikel im "Intelligenzblatt von Unterfranken und Aschaffenburg des Königreichs Bayern vom 11. Januar 1842: "(3. Januar 1842) (Das Gesuch der Israeliten um Bewilligung einer Kollekte zur Herstellung ihrer Synagoge im Regierungsbezirke Schwaben und Neuburg betreffend).
Im Namen Seiner Majestät des Königs
.
Aus nachstehender Übersicht ist der Ertrag der für die Israeliten zu Großostheim zur Herstellung ihrer Synagoge bei den Glaubensgenossen im Regierungs-Bezirke von Schwaben und Neuburg veranstalteten Sammlung.
Übersicht des Ertrages der Kollekte zur Herstellung der Synagoge zu Großostheim bei den israelitischen Glaubensgenossen im Regierungs-Bezirke von Schwaben und Neuburg...
Würzburg, 24. Dezember 1841.
Königliche Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg, Kammer des Innern.    Graf Fugger     Hübner." 
Aus der Übersicht gehen die Erträge der Sammlung der einzelnen Behörden/Ämter hervor. Es handelt sich nur um die Erträge aus den Regierungsbezirken von Schwaben und Neuburg, nicht um die Erträge aus Unterfranken oder anderen Regierungsbezirken.    

    
Um 1900 wurde die Synagoge erneut umfangreich renoviert 
    
Im Wohnhaus bei der Synagoge befand sich in den 1920er-/1930er-Jahren die Stoffhandlung von Max Sichel. Sichel war damals Synagogen-Hausmeister. Da die Gemeinde keinen eigenen Lehrer mehr hatte, waren zu den Gottesdiensten als (ehrenamtliche) Vorbeter Max Neumann und Simon Ehrmann tätig.  
   
Beim Novemberpogrom 1938 konnten die Torarollen und Ritualien am Morgen des 10. November noch in Sicherheit gebracht werden - sie wurden im gegenüberliegenden Anwesen des Altbürgermeisters Eduard Hock versteckt. Am Abend des 10. November 1938 kamen SS-Leute aus Aschaffenburg, Babenhausen und überfielen zusammen mit  Nationalsozialisten vor Ort die Synagoge. Das Inventar wurde völlig zerschlagen. Die Synagoge wurde nur auf Grund der Gefährdung der Nachbarhäuser nicht angezündet, das Gebäude blieb erhalten. 
   
Das Synagogengebäude blieb nach 1945 in Privatbesitz und wurde zu einem Wohnhaus umgebaut.
Nach anderer Darstellung wurde das Synagogengebäude abgebrochen und an seiner Stelle das hier seitdem stehende Wohnhaus erbaut.  

   
   
Adresse/Standort der Synagoge:    Hinterhof des Gebäudes Breite Straße 53  (Adresse 1932: Breite Straße 300); das ehemalige Synagogengebäude ist nur durch das Tor des Hauses Breite Straße 53 zu erreichen.         Link zu den Google Maps.   
   
   
Fotos   
(Quelle: wenn keine Angabe, dann aus der Website "Großostheim im Krieg", s.u. bei Links)   

Vom ehemaligen Synagogengebäude sind noch keine Fotos vorhanden (historische oder aktuelle) - 
über Zusendungen freut sich der Webmaster; Adresse siehe Eingangsseite.
 
     
      
Ehemalige jüdische Häuser   Grossostheim JG 152.jpg (165074 Byte) Grossostheim JG 153.jpg (50529 Byte)
   Textilhaus der Gebrüder Fuld 
(Ecke Breite Straße/ Bachstraße)
Haus der Viehhändler Ehrmann/Wertheimer 
vor der Restaurierung (aus Schwierz 1992 S. 68)
    
Grossostheim JG 150.jpg (126758 Byte) Grossostheim JG 154.jpg (96131 Byte) Grossostheim JG 151.jpg (213662 Byte)
Anbringung der Gedenktafel am alten Rathaus 1991 (siehe unten bei Berichte) Gedenkstein im Bereich des Ehrenmals für die Gefallenen  

  
  
Erinnerungsarbeit vor Ort - einige Berichte       
(Die Presseartikel bis 2008 wurden zur Verfügung gestellt von Joachim Braun, Würzburg)   
    
Berichte von 1998 - 60 Jahre Reichspogromnacht  

Grossostheim PA 06111998.jpg (318089 Byte)Artikel im "Main Echo" (Ausgabe Aschaffenburg) vom 6. November 1998: "Die trügerische Hoffnung auf die Gemeinschaft im Dorf: Pogromstimmung erfasste auch im ländlichen Raum Mob.   In Kleinstädten wütete der Mob erst einen Tag nach der 'Kristallnacht' am 9. November 1938: Das Beispiel Großostheim.  
Großostheim. Die Geschichte hat einen langen Atem - erst recht, wenn es um einmalige staatliche Greueltaten geht wie der Judenverfolgung der Nationalsozialisten im Dritten Reich... Am 9. November jährt sich das unter dem verniedlichenden Namen 'Reichskristallnacht' in die Geschichte eingegangene Pogrom zum 60. Mal. 
Betroffen davon ist im Raum Aschaffenburg - beispielhaft - auch die Marktgemeinde Großostheim: Hier lebten 1938 - fünf Jahre nach Hitlers Machtergreifung - noch über 20 Juden. Sie hießen Fuld, Wertheimer, Ehrmann, Neumann, Dornheimer, Sichel, Reiß, und Stern...  
   
Grossostheim PA 06111998a.jpg (194785 Byte)ebd. im Artikel im "Main Echo" (Ausgabe Aschaffenburg) vom 6. November 1998 mit Fotos: 
-  oben: "Das Wertheimer Haus in Großostheim von 1727 gehörte den jüdischen Viehhändlern Josef Wertheimer und Simon Ehrmann. Hier tobte sich der nationalsozialistische Mob während der sogenannten 'Reichskristallnacht' am 10. November 1938 besonders aus." 
-  unten: "Zum Gedenken an die Judenverfolgungen im Dritten Reich hat die Marktgemeinde Großostheim am alten Rathaus in der Breiten Straße eine Gedenktafel angebracht. Dort wird Bürgermeister Hans Klug am 60. Jahrestag der Reichspogromnacht in einer Gedenkveranstaltung einen Kranz niederlegen".   

      
Erinnerung an die Deportationen 1942 (2007)  

Grossostheim PA 08092007.jpg (281934 Byte)Artikel im "Main-Echo" (Ausgabe Aschaffenburg) vom 5. September 2008: "Von Großostheim über Aschaffenburg und Theresienstadt in den Tod.  9. September vor 65 Jahren: Die Familien Neumann und Fuld werden als letzte Juden der Gemeinde in Vernichtungslager deportiert.    
Großostheim
. Am Sonntag vor 65 Jahren, am 9. September 1942, begann für die letzten Großostheimer Juden die Reise in den Tod. Im August hatten sie bereits nach Aschaffenburg in die Webergasse 2 ziehen müssen. Im Register der Gemeinde ist das lapidar als 'Wegzug' vermerkt. Von Aschaffenburg ging es später über die Würzburger Aumühle nach Theresienstadt und weiter in die Vernichtungslager..."  

     
Berichte von 2008 - 70 Jahre Reichspogromnacht    

Grossostheim PA 08112008.jpg (96449 Byte)Foto zur Erinnerung an 1991: "Erst 1991 wurde in Großostheim für die ehemaligen jüdischen Mitbürger eine Gedenktafel am alten Rathaus errichtet. Im Gedenken an die Toten vereint: stellvertretender Bürgermeister Josef Honecker (links) und der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Würzburg, David Schuster". 
  
Grossostheim PA 08112008a.jpg (317712 Byte)Artikel von Bernd Hilla im "Main Echo" (Ausgabe Aschaffenburg) vom 8./9. November 2008: "Das Grauen kam später. Pogromnacht: Erst am 10. November kam der SS-Mob auch nach Großostheim". (Artikel)  
Mit Fotos 
-  oben: "Vor der Ausreise nach Amerika heiratete Karl Reiß (zweiter von links) 1938 Lina Neumann. Die Ausreise war damals gar nicht so einfach, denn die USA verlangten Bürgen für den Fall der Arbeitslosigkeit der Neuankömmlinge. Cousin und Cousine, die schon 1936 ausgewandert waren, standen bereit. Vater Max Neumann (rechts) vertraute immer noch auf eine Besserung. Er kam auf dem Transport nach Theresienstadt um". 
-  unten: "Auf einem Gedenkstein im Bereich des Ehrenmals für die Gefallenen wird auch namentlich der im Dritten Reich umgekommenen Juden gedacht". 

   

Juni 2019: Verlegung von acht weiteren Stolpersteinen in Großostheim      
Artikel von Bernd Hilla im "Main-Echo" vom 25. Juni 2019: "Acht weitere Stolpersteine erinnern an Großostheimer Juden. Künstler Gunter Demnig vor Ort
Großostheim. Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat am Montag zum Gedenken an die ermordeten Großostheimer Juden acht weitere Stolpersteine verlegt.
Die beiden achten Klassen der Mittelschule begleiteten zusammen mit Rektor Jürgen Seyfried und Klassenleiter Harald Römer das Geschehen und verlasen Texte über das Schicksal der ehemaligen jüdischen Mitbürger. Auch einige interessierte Bürger waren gekommen. Über 71.000 Stolpersteine in 26 Ländern hat Demnig schon verlegt. Und es werden immer mehr, 'denn der Mantel des Schweigens lichtet sich vielerorts erst jetzt', sagte er.
Begonnen wurde bei der ehemaligen Synagoge. Bürgermeister Herbert Jakob (CSU) betonte, dass der Kampf gegen das Vergessen des Naziterrors nie aufhören dürfe. Die Rechtsradikalen schreckten auch heute nicht vor Gewalt zurück, wie der Mord an dem Kassler Regierungspräsidenten gezeigt habe. Im Hinterhof des Anwesens Breite Straße 53 lag einst die Synagoge, in der Max Sichel Hausmeister war. Die Inneneinrichtung wurde am 10. November 1938 in der Folge der Reichspogromnacht verwüstet. Die Nazis steckten sie wegen der benachbarten Fachwerkhäuser nicht in Brand. Max Sichel konnte sich in der Nachbarschaft in Sicherheit bringen und floh nach Belgien und anschließend in die Niederlande, wo sich seine Spur verlor. Die baufällige Synagoge wurde abgerissen und an ihre Stelle ein Wohnhaus gebaut.
Jenny Schloss, eine geborene Fuld, wohnte im Birkenhain. Sie war mit Abraham Schloss verheiratet, der als Soldat im Ersten Weltkrieg für Deutschland gefallen war. Sein Name steht auf einer Gedenktafel neben der Kirche St. Peter und Paul auf dem Marktplatz. Wie viele andere Juden glaubte sie, dass ihr - wegen ihres bewussten Deutschseins - nichts von den Nazis geschehen würde. Sie irrte sich ebenso wie ihre Tochter Rosel. Sie flüchteten zunächst nach Frankfurt-Sachsenhausen in die Gartenstraße 114. Rosel trat später eine Stelle als Hausmädchen im Weinort Oestrich/Winkel am Rhein an, kehrte aber später wieder mit Sohn und Ehemann Gutheim nach Frankfurt zurück. Hier lebten jetzt auch ihre Verwandten, denen noch auf den letzten Drücker die Flucht gelingen sollte. Jenny und Rosel Schloß-Gutheim wurden mit ihrer Familie dagegen 1941 nach Lodz, das die Nazis Litzmannstadt nannten, in ein Getto deportiert, wo alle umkamen.
Karl Fuld betrieb mit seinem Bruder Moses an der Ecke Bach- und Breite Straße einen Textilhandel. Während des Pogroms 1938 wurde der Laden beschmiert. Sie verließen daraufhin mit Frau und vier Kindern Großostheim und zogen nach Frankfurt-Sachsenhausen zu ihrer Cousine Jenny Schloss. Karl Fuld sah für sich keine Hoffnung mehr und nahm sich das Leben. Moses Fuld gelang mit seiner Familie im Juni 1941 noch eine abenteuerliche Ausreise über Spanien in die USA. Die beiden Söhne kehrten als amerikanische Soldaten nach Deutschland und Großostheim zurück.
In Auschwitz ermordet. Das Häuschen von Sophie Dornheimer in der Bachstraße an der heutigen Grünanlage 'Alte Wet' existiert nicht mehr. Sie war, so wird berichtet, eine liebenswerte, aber arme Person, die vom Hausieren lebte. Einem festen Personenkreis verkaufte sie Haushaltswaren. Über Aschaffenburg wurde sie 1942 nach Theresienstadt und dann ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo sie 1944 ermordet wurde.
Albert Fuld war ein Vetter der Textil Fuld und lebte mit Frau und zwei Töchtern in der Kauschrübenstraße 12 und handelte mit Vieh. Während des Reichspogroms wurden er und seine Familie stark gedemütigt. Tochter Clementine wanderte daraufhin in die USA aus. Die anderen Familienmitglieder sollten nachkommen. Allerdings lag nur für die Tochter Karoline ein Ausreise Visum bereit. Sie wollte jedoch ihre Eltern nicht alleine lassen und wurde von Aschaffenburg 1942 deportiert und in Krasnystaw ermordet. Selma und Albert Fuld wurden mit dem gleichen Transport wie Sophie Dornheimer nach Theresienstadt gebracht, wo Albert 1943 ermordet wurde. Selma erlitt das gleiche Schicksal 1944 im Vernichtungslager Auschwitz."  
Link zum Artikel  

   
    

Links und Literatur

Links:

bulletWebsite der Marktgemeinde Großostheim  
bulletWebsite Großostheim im Krieg im Artikel von Bernd Hilla: "Emigration und Deportation der Großostheimer Juden"   
bulletInformationen zum Gefallenen des Ersten Weltkrieges auf einer Seite des Hauses der Bayerischen Geschichte 

Literatur:  

bulletGermania Judaica Bd. II,1 S. 306.
bulletSalomon Bamberger: Historische Berichte über Juden der Stadt und des ehemaligen Fürstentums Aschaffenburg. Strassburg 1900. S. 13.17.30.59.87.88.97.
bulletBaruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 310-311.  
bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 62-63; 1992² S. 67-68.    
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany - Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 448-449.   
bulletDirk Rosenstock: Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13. Würzburg 2008. S. 220.   
bulletBayern Synagogengedenkbuch IMG_20150803_0001.jpg (85625 Byte)"Mehr als Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Teilband III: Unterfranken, Teil 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger. Hg. von Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid und Gury Schneider-Ludorff in Verbindung mit Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3: Bayern. 1. Auflage 2015. Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im Allgäu (mit umfassenden Quellen- und Literaturangaben)
ISBN 978-3-89870-449-6.
Hinweis: die Forschungsergebnisse dieser Publikation wurden in dieser Seite von "Alemannia Judaica" noch nicht eingearbeitet.
Abschnitt zu Großostheim S.83-91.

      
       


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Grossostheim,  Lower Franconia. Jews are mentioned in connection with the Rindfleisch massacres of 1298 and again in the early 18th century. The Jewish population numbered 79 in 1890 (total 2.664) and 28 in 1933. Ten left in 1935-1938 and another eight after Kristallnacht (9-10 November 1938), when the synagogue was vandalized. The last five Jews were deported to the Theresienstadt ghetto on 10 September 1942.     
      
       

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 17. April 2020