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Weiden in
der Oberpfalz (Kreisstadt)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Hinweis: Die Jüdische Gemeinde Weiden hat eine eigene
Website: www.jg-weiden.de
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Weiden lebten Juden bereits im Mittelalter.
Ihre Zahl blieb vermutlich gering, sodass es nicht zu der Bildung einer
jüdischen Gemeinde kam. 1359 wird ein Jude aus Weiden in Nürnberg genannt,
1378 einer in Regensburg, 1388 war wenigstens ein Jude (beziehungsweise eine
jüdische Familie) in der Stadt wohnhaft. 1416 werden im Abgabenverzeichnis
keine Juden in der Stadt genannt. Damals hätte jeder in Weiden oder in der
Herrschaft siedelnde Jude jährlich 10 Gulden Schutzgeld zahlen müssen.
Zwischen 1465 und 1488/89 waren etwa vier jüdische Familien in der Stadt (Isaac
und Sohn Leb mit Familie, Israel und Sohn mit Familie), die die vorgeschriebenen
Abhaben und Steuern bezahlten. 1470 wird ein Juden aus Weiden in Neustadt am
Kulm erwähnt. Die jüdischen Familien lebten vom Geld- und wohl auch
Warenhandel. Nach 1489 finden sich keine Nachrichten mehr über Juden in
Weiden.
Erst im 17. Jahrhundert konnten - in der Zeit des Dreißigjährigen
Krieges - vorübergehend einige jüdische Familien in der Stadt zuziehen.
Zwischen 1636 und 1640 waren es bis zu 40 Personen in neun Familien.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1867 5 jüdische Einwohner (0,1 % von insgesamt 3.184 Einwohnern),
1871 18 (0,5 % von 3.670), 1880 76 (1,6 % von 4.858), 1890 101 (1,7 % von
5.818), 1900 124 (1,2 % von 9.959), 1910 156 (1,0 % von 14.921).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde seit 1887/89 einen Betsaal
beziehungsweise ein Gemeindezentrum mit einer Synagoge (s.u.), und Räumen für den
Religions- und Schulunterricht sowie für die Gemeindeverwaltung. Von 1889
bis 1939 bestand eine Israelitische Elementarschule (Israelitische
Volkshauptschule) in Weiden (bis 1902 als Privat-Elementarschule, danach als
öffentliche Elementarschule, siehe Bericht von 1902 unten). Ein
rituelles Bad war vor 1938 in Floss nicht vorhanden, es wurde die Mikwe
in Floss mitbenutzt. Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden zunächst in Floss
beigesetzt, bis 1901 ein eigener Friedhof
in Weiden angelegt werden konnte. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der
Gemeinde war
ein jüdischer Elementarlehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und
Schächter tätig war (siehe Ausschreibungstext von 1889), zeitweise wurde für das
Schächten eine weitere Person angestellt (siehe Anzeige von 1921). Erster
Elementarlehrer der Gemeinde war W. Hirnheimer (ab 1889). Ihm folgte 1897 Emanuel Strauß, der bis
bis zu seiner Auswanderung nach Uruguay über England im Juni 1939 als
Oberlehrer in der
Gemeinde tätig war (1930 war er zum Oberlehrer befördert worden; siehe Berichte unten).
Jüdische Gewerbetreibende trugen wesentlich zur
wirtschaftlichen Entwicklung in Weiden bei. Sie waren u.a. im Immobilienbereich
tätig sowie im Handel mit Stoffen, Pech, Hopfen und Glasprodukten.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Paul Klein (geb.
3.8.1893 in Nürnberg, gef. 28.3.1915). Sein Name stand von 1928 bis 1954 auf
dem Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges in der Bahnhofstraße,
das 1955 durch ein neues Denkmal ohne namentliche Nennungen ersetzt
wurde.
Um 1924 als etwa 150 Gemeindeglieder gezählt wurden (0,7 % der
Gesamteinwohnerschaft von etwa 22.000 Personen), waren die Vorsteher der
jüdischen Gemeinde Gustav Rebitzer, H. Baum, Anton Spitz, L. Sterzelbach und H.
Fuld. Als Hauptlehrer und Kantor war Emanuel Strauß (auch 1932) tätig, als
Synagogendiener und Hausmeister Gottfried Krauß. Die Israelitische
Volkshauptschule wurde von 11 Kindern besucht (1932: 14 Kinder). An den
öffentlichen Schulen der Stadt erhielten 17 Kinder Religionsunterricht (1932:
16 Kinder). Die Gemeinde gehörte zum Distriktsrabbinat in Regensburg
(beziehungsweise Bezirksrabbinat Regensburg-Neumarkt). 1932 war Vorsteher
der Gemeinde Gustav Rebitzer. Als Schatzmeister war Anton Spitz tätig. Zur
jüdischen Gemeinde gehörten inzwischen auch die in Erbendorf lebenden
jüdischen Einwohner (28 Personen). An jüdischen Vereinen bestanden: der
1910 gegründete Israelitische Frauenverein (Heilige Schwesternschaft,
1932 Vorsitzender Luise Bloch; Zweck und Arbeitsgebiete: Unterstützung
hilfsbedürftiger Frauen sowie Bestattungswesen, 1932 61 Mitglieder), die 1890
eingerichtete Israelitische Unterstützungskasse (Kupat Zedaka,
Träger: Israelitische Kultusgemeinde, Vorsitzender Emanuel Strauß, Zweck und
Arbeitsgebiete: Wanderfürsorge, Subventionierung der Wohlfahrtsanstalten) sowie
Ortsgruppen des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens
(Vorsitzender Emanuel Strauß), der Zionistischen Vereinigung und des Jüdischen
Nationalfonds Keren Kajemet le Jisrael.
1933 lebten 168 jüdische Personen in Weiden (0,8 % von insgesamt 22.775
Einwohnern). Bereits im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen
Machtübernahme wollte der SA-Sonderkommissar die jüdischen Gutachten auf den
städtischen Banken beschlagnahmen, was jedoch vom bayerischen Innenministerium
im April 1933 untersagt wurde. Restrikte Maßnahmen richteten sich jedoch
alsbald gegen alle jüdischen Einwohner, angefangen vom Verbot des Besuches der
städtischen Bäder im Juli 1934 usw. Im Dezember 1934 wurden die
Schaufenster jüdischer Geschäfte zertrümmert. Mehrfach kam es zu organisiertem
Boykott jüdischer Geschäft, organisiert durch die örtliche NSDAP. Zwischen
1933 und 1939 verließen 140 jüdische Einwohner Weiden, 87 konnten emigrieren
(20 nach England, 17 in die USA, 14 nach Palästina, elf in die Tschechoslowakei,
sieben nach Ostafrika, fünf nach Argentinien, vier nach Kuba, einzelne in
andere Länder), 53 verzogen in andere deutsche Orte (München, Berlin,
Frankfurt am Main, Nürnberg, Regensburg). Neun jüdische Einwohner verstarben
bis 1939 in Weiden. Beim Novemberpogrom 1938 wurden die jüdischen Wohnungen
zerstört; die Plünderung wurde durch den Bürgermeister untersagt. 30 bis 40
jüdische Einwohner wurden zum Rathaus geschleppt und dort brutal verprügelt.
Am 23. Oktober 1939 wurden nur noch 16 jüdische Einwohner gezählt. Sie wurden
in einem der Stadt gehörenden Haus zwangsweise untergebracht. Von den zwölf
jüdischen Einwohnern, die im Oktober 1941 noch anwesend waren, wurden am 2.
April 1942 neun nach Piaski bei Lublin deportiert, die drei letzten am 23.
September 1942 in das Ghetto Theresienstadt.
Von den in Weiden geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"; Liste ist vermutlich unvollständig - bei den Angaben von Yad Vashem
gibt es einzelne Verwechslungen mit Weiden bei Aachen oder Wieden in
Österreich; diese Namen sind hier nicht aufgenommen): Ludwig Blech (1882),
Johanna Boscowitz
geb. Oppenheimer (1886), Fritz Friedmann (1912), Emma Grünebaum geb. Bloch
(1870), Edgar Gutmann (1884), Hermann Hausmann (1925), Otto Hausmann (1891),
Rosa Hausmann geb. Plaut (1901), Wilhelm (Willi) Hausmann (1927),
Elisabeth (Liesel) Heimann geb. Adler (1898), Hannelore Kahn (1929), Frieda Katzenstein geb. Bloch
(1871), Mina Klein geb. Kupfer (1870), Adelheid Kohner geb. Reis (1885), Adolf
Kohner (1926), Eduard Kohner (1882 oder 1884), Elisabeth Kohner (1856 oder
1860), Irma Kohner geb. Pollak (1900), Karl Kohner (1875,
zu Familie Kohner siehe zu
Altenstadt VOH), Luise Kohner (1921),
Rosa Kohner geb. Lusberger (1880), Siegfried Kohner (1909), Otto Kupfer (1873),
Babette Lebrecht geb. Strauss (1873), Luise Maienthau geb. Sterzelbach (1883), Ernestine
Rebitzer geb. Boschkowitz (1874), Gustav Rebitzer (1869), Hanetta Rubens geb.
Weil (1863), Irma Spitz geb. Steiner (1912), Alfred Steiner (1889), Walter Steinhart
(1880), Selma
Wilmersdörfer geb. Marx (1880), Walter Wilmersdörfer (1909), Max Zeilberger (1891), Selma Zeilberger geb.
Wilmersdörfer (1895).
Nach 1945 wurde durch Überlebende von Konzentrationslagern
eine neue Gemeinde begründet. Im Sommer 1945 hielten sich in der Stadt etwa
1.000 jüdische Überlebende des KZ Flossenbürg auf. Im Dezember 1946 wurden
643 jüdische Personen in Weiden gezählt. Nach Gründung des Staates
Israel wanderten die meisten von ihnen dorthin oder in die USA aus. Ein
kleinerer Teil blieb in Weiden und gründete 1953 eine neue jüdische Gemeinde,
die "Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Weiden". Die Zahl der
Gemeindeglieder nahm in den folgenden Jahrzehnten zunächst kontinuierlich ab,
im Januar 1976 waren es noch 59, um 1990 nur noch 36 Personen, die meisten von ihnen über 60 Jahre alt.
In den 1970er- und 1980er-Jahren amtierte als Rabbiner und Wanderlehrer
in Weiden Rabbiner Julius Klieger, der die wenigen jüdischen Kinder in
Weiden, Amberg und Hof unterrichtete. Von 1984 bis 1992 wurden die Kinder der
Gemeinde Weiden vom Lehrer und Kantor der israelitischen Kultusgemeinde
Nürnberg, Herrn Baruch Grabowski, betreut. Von 1992 war Marcus
Schroll - parallel zu seinem Studium an der Heidelberger Hochschule für
jüdische Studien - in der Gemeinde Weiden als Lehrer und Vorbeter tätig und
unterrichtete die nunmehr durch die Zuwanderer an den früheren GUS-Staaten
zahlreich gewordenen Kinder; er war zudem für die religiöse Betreuung der
Gemeindemitglieder zuständig. Von September 1998 bis 2002 amtierte Rabbiner
Michael Leipziger aus Sao Paulo in der Gemeinde.
Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Weiden war über 40 Jahre lang Hermann
Zwi Brenner (1916 in Chrzanow bei Krakau - 2004), der sechs
Konzentrationslager überlebte und 1945 nach Weiden kam, wo er als Buchhändler,
später als Textilkaufmann tätig war. Neben dem Vorsitz der IKG Weiden war er
mehr als 30 Jahre im Präsidium des Landesverbandes der Israelitischen
Kultusgemeinden in Bayern. Ein Sohn von Hermann Zwi Brenner ist der seit 1997 an
der Ludwig-Maximilians-Universität München (Historisches Seminar, Abteilung
für jüdische Geschichte und Kultur) lehrende Professor für Jüdische
Geschichte Dr. Michael Brenner (geb. 1964 in Weiden, lehrte 1994-1997an
der Brandeis University in Waltham Mass./USA; Artikel
bei wikipedia).
Durch Zuwanderung aus den GUS-Ländern ("Jüdische
Kontingentflüchtlinge") stieg die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder seit
1994/95 stärker an. Ende 2001 gehörten 291 Personen zur jüdischen
Gemeinde, davon 269 aus dem Personenkreis der Kontingentflüchtlinge mit 170
nichtjüdischen Familienangehörigen, die gleichfalls von der Gemeinde betreut
wurden. Ende 2002 wurden 310 jüdische Gemeindeglieder gezählt.
Seit 1995 war Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Gabriele Brenner. Den
derzeitigen Vorstand (Ende 2013) bilden Leonid Shaulov, Svetlana Mats und
Yevgenij Lerner.
Anfang März 2003 erhielt Weiden in der Person von Gesa Schira Ederberg eine
Rabbinerin (studierte und wurde ordiniert am Solomon Schechter Institute
Jerusalem). Diese ist zugleich Leiterin des Masorti-Zentrums (Verein zur
Förderung der jüdischen Bildung und des jüdischen Lebens) in Berlin (Link
zum Masorti-Zentrum). Rabbinerin Ederberg war in Weiden bis September 2006.
Im Juni 2007 wurde sie als Rabbinerin an die Synagoge Oranienburger
Straße in Berlin berufen.
Der derzeitige (Ende 2013) Rabbiner ist Dr. Daniel Katz. Kontaktadresse:
E-Mail info[et]jg-weiden.de.
Das jüdische Gemeindeleben in Weiden wurde in den Nachkriegsjahrzehnten immer
wieder überschattet von antisemitischen Vorfällen, unter anderem wurde um
2000/2002 mehrfach das von der Gesellschaft für christlich-jüdische
Zusammenarbeit errichtete Holocaust-Denkmal in der Weidener Innenstadt
geschändet. 2002 wurden Steine in die Synagoge und in das Geschäft von Familie
Brenner geworfen.
Im Oktober 2014 konnte die jüdische Gemeinde Weiden mit einem Festakt das 125. Jubiläum ihrer
Synagoge feiern.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1889 und
1921
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Mai 1889: "Offene
Stelle. Für die unter Aufsicht der Königlichen Regierung stehende
israelitische Elementar- und Religionsschule Weiden (Bayern) wird ein
seminaristisch gebildeter, junger, lediger Mann mit guten Zeugnissen als
Lehrer, Schächter und Vorbeter gesucht. Eintritt per 1. August laufenden
Jahres. Gehalt bei freier Wohnung inklusive der Schächtergebühren Mark
1.000.
Der Synagogen-Verein Weiden (anerkannter Verein). Josef Wilmersdörfer, Vorstand".
|
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. August 1921:
"Die israelitische Kultusgemeinde Weiden (Bayern) sucht per 1.1.1922
einen Schochet (evtl. auch Kantor), dem Gelegenheit geboten ist, sich
einen Nebenverdienst zu verschaffen. Angebote mit Gehaltsanspruch sofort
erbeten an die Verwaltung". |
Anzeige des ersten Lehrer der Gemeinde -
W. Hirnheimer (1892)
Anzeige
in der
Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Februar 1892. |
Anzeige von Lehrer Emanuel Strauß (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. August 1901: "Zwei
israelitische Knaben, welche die hiesige Real-, Latein- oder
israelitische Volksschule besuchen wollen, finden noch für das Schuljahr
1901/02 bei dem Unterzeichneten Aufnahme.
Strenge Aufsicht. Gute Verpflegung bei mäßigem
Pensionspreis.
Em. Strauß, Lehrer, Weiden, Oberpfalz." |
Die israelitische Privat-Elementarschule wird in eine
öffentliche Elementarschule umgewandelt (1902)
Anmerkung: mit Lehrer M. Strauß ist (verschrieben?) Lehrer Emanuel Strauß
gemeint.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 30. Dezember 1902: "Weiden, 26. Dezember (1902). Mit
hoher Entschließung der Königlichen Regierung der Oberpfalz und von
Regensburg vom 20. Dezember dieses Jahres wurde die hiesige israelitische
Privat-Elementarschule in eine öffentliche Elementarschule umgewandelt
und die definitive Lehrerstelle dem Lehrer M. Strauß
übertragen." |
Rabbiner
Dr. D. Brader - Lehrer an der Königlichen Realschule in Weiden - wird Lehrer an
der Königlichen Oberrealschule in Ludwigshafen (1913)
Anmerkung: es handelt sich um Rabbiner Dr. David Brader (geb. 1879 in Ichenhausen
als Sohn des Lehrers Israel Jizchak Brader und der Karoline geb. Weinbach):
studierte in Berlin und Erlangen, war 1906-1908 Rabbinatssubstitut in Ansbach,
bis 1910 Dozent an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Köln, 1910
Rabbiner des Vereins zur Wahrung der religiösen Interessen für die Provinz
Westfalen mit Sitz in Recklinghausen, 1912 Realschullehrer in Nürnberg, ab 1912
auch Lehrer in Weiden; 1913 Lehrer an der
Oberrealschule in Ludwigshafen; 1917 bis 1925 Distriktsrabbiner in Ansbach,
1925 in die Schweiz verzogen.
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 10. Januar 1913: "Ludwigshafen. Dr. D. Brader,
früher Rabbiner in Recklinghausen und gegenwärtig Oberlehrer an der
Königlichen Realschule in Weiden, ist an die hiesige Königliche
Oberrealschule versetzt worden." |
25-jähriges Ortsjubiläum von Hauptlehrer Emanuel Strauß (1922)
Mitteilung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. November 1922: "Weiden,
26. Oktober (1922). Am 1. November dieses Jahres werden es 25 Jahre, dass
Herr Hauptlehrer Emanuel Strauß, hier, in der Gemeinde Weiden tätig
ist." |
Beförderung des jüdischen Lehrers
Emanuel Strauß (1930)
Artikel in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 7. August 1930: "Weiden i. Pf., 3. August (1930).
Herr Hauptlehrer Emanuel Strauß, Lehrer an der hiesigen jüdischen
Volksschule, wurde von der Regierung der Oberpfalz ab 1. August zum
Oberlehrer etatsmäßig befördert." |
40-jähriges Amtsjubiläum und 60. Geburtstag von Oberlehrer Emanuel Strauß
(1936)
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom
15. November 1936: "Oberlehrer Strauß (Weiden) feierte vor kurzem in
aller Stille seinen 60. Geburtstag und gleichzeitig sein 40-jähriges
Amtsjubiläum. Auch ihm sei an dieser Stelle nochmals herzlichst
gratuliert." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Misshandlungen jüdischer Bürger im
KZ Dachau (1934)
Hinweis: es handelt sich wohl um den
Weinhändler Justin Wilmersdorfer (geb. 10 Oktober 1903 in Weiden), dem in
der NS-Zeit noch die Emigration nach Haifa (Palästina/Israel) gelungen ist.
Artikel
in "Die neue Welt" vom 13. April 1934: "'Bitte, erschießen Sie mich
doch!'
Der jüdische Arzt Dr. Erich Braun aus
Coburg wurde am 1. Juli im Keller unter der Gefangenenküche unter
Aufsicht des Scharführers mit einem Ochsenziemer und Gummiknüppeln derart
geschlagen, dass ihm die Haut und das Fleisch in Fetzen von Gesäß und Rücken
hingen. Dr. Braun lag monatelang im Revier. Vom rechten Gesäßbacken wurde
ihm später das abgestorbene Fleisch ausgeschnitten, wobei ein fast zwei
Hände großer Fleischfetzen abgelöst werden musste. Als Dr. Braun nach seiner
Genesung in die Kiesgrube abkommandiert wurde, schlug man ihn neuerdings
bewusstlos. Der Reisevertreter J. Wilmersdörfer aus Weiden
wurde so oft und so fürchterlich gepeinigt, dass er den Scharführer Frank
wiederholt bat: 'Herr Scharführer, bitte, erschießen Sie mich doch!'" |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeigen der Manufaktur- und
Konfektionshandlung Ludwig Heller (mit Filiale in Waldsassen) (1887)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juli 1887: "Ich
suche bis zum 1. oder 15. August für meine Filiale in Waldsassen eine
tüchtige branchekundige Verkäuferin aus Bayern. Solche, die im
Kleidermachen, Weißzeugnähen tüchtig sind, werden bevorzugt. Auch ein
Lehrmädchen aus gutem Hause findet freundliche Aufnahme. Offerten mit
Zeugnisabschriften und Photographie nebst Gehaltsansprüchen sind direkt
an mich zu richten.
Ludwig Heller, Manufaktur und Konfektion. Weiden
(Bayern)." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Oktober 1890:
"Ich suche per sofort eine religiöse, tüchtige Köchin, welche den
Haushalt selbstständig zu leiten hat. Auch findet ein Knabe mit guter
Schulbildung Stellung als Lehrling unter günstigen Bedingungen bei
Ludwig Heller, Manufakturwaren- und Konfektionsgeschäft, Weiden
(Bayern)." |
Verlobungsanzeige von Relly Strauss und Moritz Marx
(1928)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Januar 1929:
"Relly
Strauss - Moritz Marx. Verlobte.
Weiden / Oberpfalz - Kitzingen am Main - Dezember 1928 - Kitzingen am
Main." |
Verlobungsanzeige von Minni Strauss und Gustav Rosemann
(1934)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. August 1934:
"Statt Karten Minni Strauss - Gustav Rosemann.
Verlobte.
Weiden (Oberpfalz) / Fürth in Bayern, Mathildenstraße 40 -
Hamburg Rappstraße 20 / Bremen, Kleine Allee 19." |
Gustav Rosemann war Lehrer und Kantor, ab
1933 in Bremen. |
Artikel
im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Bremen" vom 15.
Dezember 1933: "Bremen. Neuer Lehrer und Kantor. Zum
Nachfolger des seligen Oberkantors Mehrgut ist Herr Gustav Rosemann,
ein gebürtiger Hamburger, berufen worden. Bis Mitte November in den
Spessartgemeinden Orb und Wächtersbach
tätig, hat Herr Rosemann sein Amt am 1. Dezember angetreten und den
Unterricht in der Religionsschule begonnen. Die schulentlassene Jugend
wird in Kantor Rosemann einen eifrigen Förderer finden. Wir wünschen dem
neuen Beamten ein zufriedenes und segensreiches Wirken." |
Verlobungsanzeige von Berta Sterzelbach und Dr. Kossy
Strauß (1934)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 8. November 1934:
"Statt Karten
Berta Sterzelbach - Dr. Kossy Strauß Dipl.Ing.
Verlobte
Weiden (Opf.) Birmingham 17 229 Quinton Road / Weiden (Opf.)"
|
Sonstiges
Kennkarte aus der NS-Zeit
KK (Weiden 1939)
für Adelheid Kohner
(geb. 21. Dezember 1885 in Groß-Zimmern
(Rohproduktenhändlerehefrau), wohnhaft in
Weiden, 1942 deportiert in das
Konzentrationslager Majdanek, umgekommen |
 |
Zur Geschichte der Synagoge
Aus dem Mittelalter und aus dem 17. Jahrhundert wird von keinem
Betsaal / einer Synagoge berichtet.
Die seit den 1860er-Jahren zugezogenen jüdischen Familien besuchten zunächst
die Gottesdienste in der Synagoge in Floß. Von
mindestens 1882 bis 1889 wurden die Gottesdienste in einem Betraum im Haus von
Joseph Wilmersdörfer abgehalten (siehe Fotos unten). 1889 konnte ein jüdisches Gemeindezentrum mit Synagoge und Schule erbaut
und eingerichtet werden. Beim Gebäude handelt es sich um ein
zweigeschossiges Reihenhaus, das im ersten Stock gotisch anmutende
Spitzbogenfenster hatte. Im Hochparterre behanden sich die Schule und die
Wohnung für den Lehrer, im Obergeschoss der Synagogenraum mit Toraschrein. Die feierliche Einweihung der Synagoge fand am 20.
September 1889 (Freitag vor Rosch Haschana 5650) in Anwesenheit von Rabbiner
Wittelshöfer aus Floß statt.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. November
1889:
"Floß, 21. Oktober (1889). Die Israeliten in Weiden, welche schon
seit zwei Jahren Synagoge und Schule in gemieteten Lokalitäten
unterhielten, besitzen nun ein eigenes Kultusgebäude. Am Freitag vor Rosch
Haschana (Neujahrstag) wurde die geräumige und hübsch ausgestattete
Synagoge eingeweiht. Die Einweihungs-Predigt hielt Herr Rabbiner
Wittelshöfer von Floß und den Gesang
führte Herr Lehrer Wetzler von da mit seinen Schülern aus, da Lehrer
Hirnheimer von Weiden zur Zeit zum Militär einberufen war. Dem jüdischen
Leben in Weiden ist nun eine Zukunft gesichert. Das Verdienst der
Israeliten in Weiden um diesen Bau ist um so anerkennenswerter, da sie
ganz bedeutende Opfer dafür brachten." |
An besonderen Ereignissen in der Geschichte der Synagoge wird 1903
von der Einweihung einer neuen Torarolle berichtet, die Heinrich Bloch
gestiftet hatte:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. September 1903:
"Weiden, 7. Elul (= Sonntag, 30. August 1903). Eine heilige
Veranlassung versammelte heute unsere Gemeinde zu einem von der
Vorstandschaft anberaumten Festgottesdienst in der festlich geschmückten
Synagoge. Anlässlich der glücklichen Geburt eines Mädchens hatte Herr
Heinrich Bloch, der schon des öfteren unsere junge Gemeinde mit
hochherzigen Spenden bedacht, eine neue Sefer Thora (Torarolle)
gestiftet. Nach Beendigung des Morgengottesdienstes wurde die Feier durch
Rezitation des Psalms 19 eingeleitet. Anknüpfend an den Vers: 'Die
Tora hat uns geboten Mose, verehrt an die Gemeinde Jakobs' (5. Mose
33,4) sprach Herr Lehrer Strauß tief empfundene, der feierlichen Stunde
angepasste Worte, verbunden mit der herzlichen Danksagung für das edle
Geschenk. Das neue Sefer (Torarolle), von M. Grünbaum in Fulda
(geschrieben), verdient in jeder Beziehung die vollste Anerkennung." |
1905 musste ein größerer Umbau vorgenommen werden, um
die Sicherheit in dem Gebäude zu erhöhen, da sich zu besonderen Anlässen oft
mehr als 100 männliche und weibliche Personen in dem Betsaal versammelten und
nur eine relativ enge Treppe in den Betsaal führte. Man entschloss sich zur
Anlage eines Notausganges und einer eisernen Nottreppe an der Hofseite. Im
November 1905 war der Umbau beendet.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde von ortsansässigen Mitgliedern
der SA und der SS die Inneinrichtung der Synagoge und fast alle Ritualien zerstört.
Zwei Torarollen konnten gerettet und nach Regensburg verbracht werden. Das Gebäude wurde auf Einspruch des Bürgermeisters nicht niedergebrannt.
Später wurde es verkauft und in ein Geschäftshaus umgewandelt. Die
bisherigen Spitzbogenfenster wurden durch Rechteckfenster ersetzt.
Im August 1948 standen fünf der an den Ausschreitungen im November 1938
Beteiligten vor dem Landgericht Weiden. Zwei Angeklagte erhielten
Gefängnisstrafen von einem Jahr und einem Monat beziehungsweise von einem Jahr,
drei wurden freigesprochen. Im Juni 1952 wurde ein weiterer Beteiligten zu einer
Strafe von zehn Monaten Gefängnis verurteilt.
1948 erhielt die jüdische Gemeinde ihren früheren Besitz zurück. Das
Synagogengebäude wurde restauriert. In ihm befindet sich im ersten Stock der
Betsaal mit 70 Plätzen und einer Frauensynagoge; im Erdgeschoss ist unter
anderem das Gemeindebüro und ein Gemeindesaal (für 100 Personen). Auch ein Schulzimmer,
eine koschere Küche und ein rituelles Bad befinden sich im Bereich des
Gemeindezentrums. Der Betsaal wurde 1948 durch Julian Pfeiffer aus Bedzin mit
Wandmalereien versehen (zweifacher Zodiakus, Phantasielandschaften). Pläne für den Neubau eines Gemeindezentrums sind vorhanden.
Adresse/Standort der Synagoge: Ringstraße 17
Fotos
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Oktober 2014:
Die Synagoge wurde 125 Jahre alt
|
Mit verschiedenen Veranstaltungen wurde im
Oktober 2014 ein besonderes Jubiläum gefeiert: die Weidner Synagoge wurde in
diesem Jahr 125 Jahre alt. |
|
Februar 2020:
Führung durch die Synagoge
|
Artikel von Helmut Kunz
im onetz.de vom 19. Februar 2020:
"Wechselvolle Geschichte der jüdischen Gemeinde Weiden
250 Mitglieder zählt die jüdische Gemeinde heute. Dass das in Weiden einmal
anders war, davon lässt sich der SPD-Ortsverein Stadtmitte bei einem Besuch
in der Synagoge berichten. Auch "Stolpersteine" waren ein Thema.
'Pogrome gegen Juden ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte',
erklärte Werner Friedmann am Dienstagabend beim Besuch des SPD-Ortsvereins
Stadtmitte in der Synagoge der jüdischen Gemeinde. Immer wenn es den Leuten
wirtschaftlich schlecht ergangen sei, habe man Juden ermordet und
vertrieben. 'Juden waren Außenseiter. Jemand, der sich abgesondert hat,
nicht zur Masse passte", sagte Friedmann. 'Auch Christen waren dafür
verantwortlich, dass Juden nicht erwünscht waren.' Und dies nicht nur in
jüngster Vergangenheit. Friedmann blendete Jahrhunderte zurück. Juden hätten
auch nicht überall in deutschen Städten wohnen dürfen. Ihnen wurden Gebiete
zugewiesen. In Floß etwa 1760 der Judenberg. Weiden sei als als Wohnort
nicht erlaubt gewesen. Ansiedlungen außerhalb des jüdischen Gebiets waren
verboten. Erst 1861 seien die Judengesetze aufgehoben worden. 'Man erreichte
Gleichstellung.' 1863 wurde Weiden dann wirtschaftliches Zentrum und Juden
durften zuziehen. Ihre Muttergemeinde sei aber nach wie vor
Floß gewesen.
1889 habe man das Grundstück mit der Synagoge in der Ringstraße erworben.
Seit 1900 sei die jüdische Gemeinde in Weiden eigenständig. Friedmann
erinnerte an die Reichspogromnacht, in der das Gebäude verwüstet und
anschließend arisiert worden sei - als Teil einer Bonbonfabrik der
angrenzenden Firma Landgraf. Erst 1947 sei die Synagoge auf Betreiben der
Besatzungsmacht wieder in jüdische Hände gekommen. Aus dieser Zeit stammten
auch die Wandmalereien im Gebetssaal. Die Gemeinde zählt heute 250
Mitglieder. Sie sei, so Friedmann, kulturelles, gesellschaftliches und
religiöses Zentrum.
Gemeindevorsitzender Leonid Shaulov gestattete den SPD-Mitgliedern einen
Blick auf die drei Thorarollen, die zwischen 110 und 130 Jahre alt sind. Die
Originale hätten zwar im Dachgeschoss des Alten Rathauses versteckt werden
können, befänden sich aber heute irgendwo auf der Welt. Niemand wisse wo.
Thorarollen, die fünf Bücher Mose, dürften nur dann beim Wortgottesdienst
verwendet werden. Sie müssen handschriftlich mit einer bestimmter Naturfarbe
auf koscherem Papier verfasst sein. Friedmann fühle sich als Oberpfälzer,
sagte er abschließend. 'Wir sind alle hier geboren und sind echte Weidener.'
Die Besucher wollten noch wissen, wie die jüdische Gemeinde zu
'Stolpersteinen" stehe, wie sie in Regensburg im Gedenken an den Holocaust
angelegt worden seien. 'Anfangs wollten wir das nicht", sagte Friedmann.
"Aber inzwischen wären wir einverstanden.' Denn Stelen vor den Häusern
ehemaliger jüdischer Mitbürger oder Erinnerungstafeln an den Hausfassaden
anzubringen, scheitere wohl daran, da die Gebäude sich in Privatbesitz
befänden."
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Mai 2020:
Zum Tod von Henny Brenner
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Artikel von Dr. Jörg Skriebeleit im "onetz.de"
vom 19. Mai 2020: "Weiden in der Oberpfalz. Tiefe Trauer um Zeitzeugin
Henny Brenner aus Weiden.
Henny Brenner erlebte und überlebte als Jugendliche die Zeit der NS-Diktatur
in Dresden. Nun ist die Jüdin, die nach dem Krieg in Weiden lebte, im Alter
von 95 Jahren verstorben. Die Erinnerung an sie bleibt lebendig..."
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Juli 2024:
Paket kommt nach 82 Jahren an
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Artikel von Christine Ascherl in "oberpfalzecho"
vom 15. Juli 2024: "Unglaublich: Holocaust-Überlebender erhält nach 82
Jahren Paket seiner Eltern.
Weiden/Tel Aviv. Am Samstag konnte in Tel Aviv ein Paket an den
Holocaust-Überlebenden Daniel Heiman (98) übergeben werden. Seine Mutter
Elisabeth, geborene Adler, hatte es 1942 vor ihrer Deportation bei einer
Vertrauten in Weiden deponiert. Erst jetzt ist es gelungen, den Sohn
ausfindig zu machen.
Redakteurin Christine Ascherl brachte das Paket am Wochenende persönlich
nach Israel. Ins Haus von Daniel Heiman kam dazu auch Dr. Marco Mattheis von
der deutschen Botschaft in Tel Aviv. Der Kulturattaché übermittelte die
Grüße des Botschafters Steffen Seibert: 'Ich bin sehr dankbar, dass ich bei
der heutigen Übergabe dabei sein darf. Es war mein Land, das Ihnen und Ihrer
Familie dieses unvorstellbare Unrecht angetan hat.'
Der 98-Jährige lebt in einem gepflegten, kleinen Haus in Hod Hasharon, einem
Vorort von Tel Aviv. Seine Söhne, geboren in den 50ern, sind hier
aufgewachsen. Im geliebten Gärtchen steht ein Gartenzwerg. Ein
ausgeklügeltes Bewässerungssystem lässt die Bougainvillea blühen, trotz
Trockenheit und 34 Grad Hitze. Heiman hat 1946 einen Kibbuz in der Negev
Wüste gegründet. Er weiß, wie man mit wenig Wasser trockene Böden begrünt.
Mitten in Tel Aviv: Geschirr von Bavaria Tirschenreuth. Sohn,
Schwiegertochter und Enkel wollen bei der Übergabe dabei sein. Im Wohnzimmer
wird es eng. Der Tisch biegt sich vor Speisen und Getränken. Feigen,
Trauben, Pfirsiche aus Israel. Sesamstangen und Käsekuchen, alles serviert
auf Geschirr, das einem bekannt vorkommt. Es trägt den Stempel „Bavaria
Tirschenreuth'. Selbst das Service hat Vergangenheit. Daniels Eltern hatten
es 1922 in Nürnberg zur Hochzeit bekommen. Als ihnen klar war, dass ihnen
alles genommen würde, schickten sie es zu nichtjüdischen Verwandten nach
Dresden. Für den 98-Jährigen ist die Übergabe des Pakets ein großer Moment.
'Es kommt nicht alle Tage vor, nach 82 Jahren ein Paket von seinen Eltern zu
bekommen.' Er hat den Holocaust überlebt, weil ihn seine Eltern als
13-Jährigen 1939 mit dem Dampfer nach Palästina schicken konnten. Seine
Schwester Käthe (damals 16) wurde mit dem 'Kindertransport' nach England in
Sicherheit gebracht.
Auswanderung der Eltern scheiterte. Nur den Eltern, Max und Elisabeth
Heimann, gelangt die Flucht nicht. All ihre verzweifelten Bemühungen um
Auswanderung zerschlugen sich. Die Mutter schreibt an Verwandte in Uruguay:
'Helft uns!! Unsere lieben Kinder sollen noch einmal im Leben unsere Kinder
sein.' Das Ehepaar und Heimans Bruder Nathan wurden 1942 gemeinsam von
Nürnberg nach Izbica in Polen deportiert. Ihre Spur verliert sich in den
Vernichtungslagern im Osten. Vorher taten sie das, was jetzt zum
Israel-Besuch führte: Sie packten eine Schachtel für ihre Kinder. In dem
Karton landete alles, was ihnen wichtig erschien, adressiert an 'Theo und
Käthe'. 50 Schwarz-Weiß-Fotos, Zeugnisse, Eheverträge, Zeitungsartikel über
Isidor Adler. Er war Geschäftsführer der Glasfabrik Kupfer, aus der später
die Flachglas hervorging. Das Paket wurde Anna Karban aus Weiden anvertraut,
der früheren Haushälterin der Adlers. Sie verwahrte es (öffnete es nie!). Es
wurde zweimal vererbt, zog mit um. Ehe 1992 eine Nichte den Karton an ein
Mitglied der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gab. Es
wurden etliche Versuche unternommen, Nachfahren zu finden. Die Kinder Theo
und Käthe schienen 'verschollen', wie es 1996 in den Oberpfälzer Nachrichten
hieß.
Der Grund für schwere Suche: Kinder änderten Namen. Es war eine
kleine Sensation, als im Juli 2024 plötzlich doch der Durchbruch gelang. Bei
Recherchen zu den Stolperstein-Verlegungen half Hila Kohner aus Tel Aviv,
eine Nichte des Weideners Werner Friedmann. Sie übersetzte Schriftstücke und
fand heraus, dass sich die Vornamen der Kinder geändert haben. Theo war in
Israel vom Schuldirektor der hebräische Name 'Daniel' verpasst worden. Käthe
wurde in England von ihrer Gastfamilie in 'Ruth' umbenannt. Und: Daniel
lebt. Und wie. Der 98-Jährige erzählt stundenlang quicklebendig aus seinem
ereignisreichen Leben. Wie er als 13-Jähriger an Bord des Schiffs nach
Palästina ging. Ohne Eltern. Ohne zu wissen, was auf ihn zukommt. Seine
Kindheit bei wechselnden Verwandten, dann in der Landwirtschaftsschule. Dort
besuchte ihn 1942 ein Onkel und teilte ihm mit, dass er nun Waise sei. Wie
er mit anderen jungen Leuten den Kibbuz Urim in der Wüste Negev gründete:
'Die Ansiedlung war unsere Antwort auf den Nazismus und ein Beweis, dass wir
die Sieger waren.' Seine Schwester Käthe/Ruth sah er erstmals 1947 wieder.
Sie war inzwischen in den USA verheiratet und besuchte den Bruder just in
den Tagen, in denen Ben Gurion den Staat Israel ausrief. Ruth musste aus
Sicherheitsgründen sofort abreisen. Und Daniel kämpfte für die Hagana im
Unabhängigkeitskrieg.
Ein Leben im Krieg. Der Krieg begleitet die Familie durch alle
Generationen. Am gastlichen Kaffeetisch am Shabbat wird das Thema
ausgespart: der Überfall durch die Hamas vom 7. Oktober und der folgende
Krieg im Gaza-Streifen. Dann und wann wird auf den Smartphones die
Nachrichtenlage gecheckt. Auch der 98-Jährige besitzt eines. An diesem Tag
wird die mutmaßliche Tötung des Hamas-Militärchefs in Gaza gemeldet. 90
Tote, 300 Verletzte. In einer Distanz, kürzer als von Weiden nach
Regensburg. In ganz Tel Aviv flattern gelbe Schleifen von den Seitenspiegeln
der Autos. Die Straßen sind flankiert von Plakaten mit Fotos der 240
Verschleppten. 'Bring them back' ist allgegenwärtig. Im Hotel in Tel Aviv
gilt der erste Hinweis dem Bomb Shelter (Luftschutzbunker), der bei
Raketenalarm aufgesucht werden soll. 'Und wenn Sie gerade am Strand sind,
gehen Sie einfach den anderen Menschen hinterher', empfiehlt der Portier.
Das Lebensmotto: 'Richte dich auf'. 'Wie hält man das alles aus?',
will Botschaftsvertreter Mattheis am Ende von dem Senior wissen. 'Der Mensch
kann alles überstehen', antwortet Heiman. 'Aber es lässt seine Spuren
zurück.' In einem Buch über sein Leben berichtet Daniel Heiman, wie 1982
sein jüngerer Sohn Rani im Libanon-Krieg fiel. Die schlimmste Nachricht
seines Lebens. Auf der Fahrt zur Beerdigung im Taxi habe ihn sein älterer
Sohn Ofer aufgefordert: 'Tistakev', was so viel bedeutet wie: 'Richte dich
auf.' Das ist sein Lebensmotto. "
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
 | Germania Judaica III,2 S. 1559-1560. |
 | Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 198-200. |
 | Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 289-290. |
 | Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 156-157.
|
 | Michael Brenner: Am Beispiel Weiden. Jüdischer
Alltag im Nationalsozialismus. 1983. |
 | Sebastian
Schott: "Weiden a mechtige kehile".
Eine jüdische Gemeinde in der Oberpfalz vom Mittelalter bis zur Mitte des
20. Jahrhunderts (Taschenbuch). 631 S. 3. Aufl. 1999. |
 | Verschiedene Artikel aus dem "Mitteilungsblatt des
Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern"
(1986-2007).
|
 | Artikel von Irina Leytus: Portrait der
nordbayerischen Gemeinde Weiden, in der eine Frau auf der Bima steht. 2004. Online
zugänglich (pdf-Datei) oder als html-Seite
(Zentralrat der Juden in Deutschland) |
 | Artikel von Thomas Olivier: "Power unter der
Kippa. Deutschlands einzige Gemeinde-Rabbinerin lehrt und betet in Weiden in
der Oberpfalz vor - Über dem Betraum wölbt sich ein Sternenhimmel.
2005. Online
zugänglich (pdf-Datei). |
 | Paul Spiegel: Grußwort
zum Amtseinführung von Rabbinerin Ederberg.
|
 | "Mehr als
Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Band I:
Oberfranken - Oberpfalz - Niederbayern - Oberbayern - Schwaben.
Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager. Hg.
von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz.
Reihe: Gedenkbuch der Synagogen in Deutschen. Begründet und
herausgegeben von Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3:
Bayern. Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im
Allgäu.
ISBN 978-3-98870-411-3.
Abschnitt zu Weiden S. 309-319 (die Forschungsergebnisse
konnten auf dieser Seite von "Alemannia Judaica" noch
nicht eingearbeitet werden).
|

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Weiden Upper Palatinate. Jews
are mentioned in the 14th century and maintained a limited presence on a Jewish
street (Judengasse), still in existence in 1930, until their expulsion in
1640. The modern community dates from the second half of the 19th century. A
Jewish school was opened in 1884 and a synagogue was dedicated in 1889. Jews
dealt in real estate, textiles, pitch, hops, and glassware. In 1933 the Jewish
population numbered 168 (total 22.775). On Kristallnacht (9-10 November
1938) the synagogue was vandalized and dozens of Jews arrested. Between 1933 and
1939, 87 Jews emigrated and 53 moved to other German cities. Of the 12 Jews
remaining in 1941, nine were sent to Piaski in the Lublin district (Poland) on 2
April 1942 and threee to the Theresienstadt ghetto via Regensburg on 23
September 1942.

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