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"Synagogen im Kreis Groß-Gerau"
Wallerstädten (Stadt
Groß-Gerau, Kreis Groß-Gerau)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(vgl. Informationen in
https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/browse/page/290/sn/syn)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Wallerstädten bestand
eine jüdische Gemeinde bis Ende des 19. Jahrhunderts. Erstmals werden um
1620/30, dann wieder in
der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einzelne jüdische Familien am Ort genannt. Aus
dem Jahr 1739 wird die Geburt eines Sohnes des Schutzjuden Josef Löw zu
Wallerstädten berichtet. 1740 bekam Feist Löw in Wallerstädten einen
Sohn. Dem Götschel Feist werden 1752, 1757 und 1758 Söhne geboren.
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich wie folgt: 1830
33 jüdische Einwohner, 1895 17, 1905 12 (1,2 % von insgesamt 991 Einwohnern).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule, ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof
in Groß-Gerau beigesetzt. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinat Darmstadt.
Von den Gemeindevorstehern wird genannt: um 1888/92 G. Oppenheimer.
1933 lebten noch acht jüdische Personen in Wallerstädten, die zur
Gemeinde in Groß-Gerau
gehörten. Es handelte sich um die Familien Oppenheimer (drei Personen) und
Rohrheimer (bis zu neun Personen). Gustav Oppenheimer war Inhaber eines
Landprodukten-, Spezerei- und Textilhandels (Kirchgasse 6). Beim Novemberpogrom
1938 wurde sein Besitz geplündert. Familie Rohrheimer lebte Am Hanfgraben.
Von den in Wallerstädten geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben
nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem
und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Rosalie Blatt geb. Hirsch
(1882), Dina Oppenheimer geb. Kron (1864), Gustav Oppenheimer (1862), Gustav
Oppenheimer (1893), Jenny Oppenheimer (1889), Lina (Linchen) Rohrheimer (1860),
Salomon Rohrheimer (1864), Dora Weinberger geb. Oppenheimer (1885).
Berichte
aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Berichten zu
einzelnen Personen der jüdischen Gemeinde
Der aus Wallerstädten stammende
Heinrich Hirsch berichtet über seine Motivation zur Übernahme von Ehrenämter
(Artikel von 1932)
Anmerkung: Heinrich Hirsch ist am 23. Juli 1866 in Wallerstädten geboren und am
26. November 1937 in Frankfurt gestorben. Er war in Groß-Gerau als Fabrikant in
der Fa. H. Hirsch Söhne Wein- und Obstbrennerei, Fabrik feiner Liköre,
Weinessig-Fabrik tätig. Weitere Informationen (und ein Foto) zu ihm und seiner
Familie in der Seite
http://www.erinnerung.org/gg/haeuser/ab7.html
Artikel
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 21. Oktober
1932: "Ein offenes Wort. Der Vorsitzende der Ortsgruppe Groß-Gerau
des Centralvereins, der Fabrikant Heinrich Hirsch, wurde kürzlich
durch Überreichung der Goethe-Plakette besonders geehrt. Bei der
feierlichen Übergabe hielt Heinrich Hirsch eine Ansprache, in der er
unter anderem ausführte:
'Nach dem Schillerschen Satz: 'Ein offenes Herz zeigt auch eine offene
Stirn', will ich die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, um einmal vor
der Öffentlichkeit zu erklären, warum ich so viele Ämter übernommen habe.
Ich bin in Wallerstädten geboren und bis zu meinem zwölften Lebensjahr dort
aufgewachsen. Die Schule habe ich in Groß-Gerau, später in Darmstadt
besucht. Grundsätze meines Lebens waren die Worte: 'Tue Recht und scheue
niemand ' sowie 'Liebe deinen Nächsten wie dich selbst', die von alters her
Grundsätze meiner Familie waren. Lange Jahre habe ich mit Menschen ohne
Unterschied der Konfession verkehrt und nicht gewusst, dass man einen
Menschen wegen seiner Konfession ansehen würde. In den Jahren 1882 bis 1885
habe ich in Hessen-Kassel eine Lehrzeit durchgemacht. Dort kam im Jahre 1883
eine Welle von Antisemitismus auf, und damals habe ich zum ersten Male
kennengelernt, was das ist. Als junger Mensch von 17 Jahren habe ich
darunter gelitten, nach meiner Rückkehr in die Heimat im Jahre 1885 hat
diese Welle nicht aufgehört, besonders in
Trebur und im Odenwald, wohin mich das Geschäft führte. Das hat mich
immer mehr betrübt, erniedrigt und gequält. Und damals habe ich mir dann
vorgenommen zu zeigen, dass auch die Juden ihre Pflichten als deutsche
Staatsbürger zu erfüllen wussten. Deutsche Staatsbürger sind schon meine
Vorfahren gewesen; auch meine Urgroßeltern haben in Wallerstädten
gewohnt. Das ist das Schlimmste, wenn ein Mensch seine Pflicht erfüllt
und wegen seiner Konfession verachtet wird. Mancher wird fragen, ob
diese Ausführungen hierher gehörten. Ich habe, was schon lange das Herz
bewegt, nicht mit ins Grab nehmen mögen; da ich es ausgesprochen habe wird
mir leichter. Seit ihr zehnten stehe ich im öffentlichen Leben. Seit 19:02
Uhr gehöre ich dem Vorstand des Militärvereins an, im Jahre 19:03 Uhr wurde
ich Vorstandsmitglied der Hassia, dann sind mir noch viele Ämter und Ehren
zugefallen, unter anderem die Mitgliedschaft in der Industrie- und
Handelskammer, im Gemeinderat, im Aufsichtsrat der Volksbank sowie in meinen
Berufsverbänden. Ich habe stets meine Pflicht erfüllt, und ein Mensch, der
Pflichtgefühl hat, wird auch seinen Mann stellen. So ist es auch mir
ergangen; ich habe nur noch den einen Wunsch, dass es uns doch bald
wieder besser gehen möge, zum Segen des Deutschen Vaterlandes..
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Zur Geschichte der Synagoge
(vgl. Informationen in
https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/browse/page/290/sn/syn)
Am 9. Juli 1864
erhielt Feist Hirsch die Genehmigung, auf dem Grundstück Sanddeich 1 ein
Wohnhaus für die israelitische Gemeinde zu erbauen. 1865 wurde dieses
Haus als jüdisches Gemeindezentrum erstellt, in dem eine Synagoge (mit
Frauenempore) und die Wohnung für den Lehrer (im Dachgeschoss) eingebaut waren.
In einem Anbau von 1869 wurde ein rituelles Bad eingerichtet.
Bereits um 1895 wurde auf Grund der zurückgegangenen Zahl der jüdischen
Einwohner die Synagoge geschlossen. 1897 baten Gerson und Max Oppenheimer
um die Genehmigung zum Verkauf der Synagoge, da die Gemeinde damals nur noch aus
drei Männern bestand. 1898 ist das Gebäude an eine nichtjüdische Familie
verkauft worden, die es zu einem Wohnhaus umbaute.
In den folgenden Jahrzehnten erfuhr das Gebäude weitere Umbauten. In der Zeit
des Zweiten Weltkrieges wurde das Dach des Hauptgebäudes durch einen
Bombeneinschlag im benachbarten Friedhof stark beschädigt. Noch während des
Krieges wurde mit dem Wiederaufbau des Dachstuhls begonnen, der bei dieser
Gelegenheit um Dachgauben erweitert wurde. Nach 1945 wurde ein Anbau zur
Einrichtung eines Badezimmers und eines Heizungsraumes erstellt. Das Gebäude
ist als Wohngebäude erhalten.
Adresse/Standort der Synagoge: Sanddeich
1
Fotos
(Quelle: Obere Zeilen: Schleindl S. 341; Fotos von 2007:
Hahn, Aufnahmedatum 6.7.2007)
Hinweis von Birk Kröger, Wallerstädten: die unten abgebildeten Pläne wurden für
eine Bauplanung an einem anderen Standort einer neuen Synagoge in Wallerstädten
gezeichnet, sie sind undatiert, auch fehlt ein dazugehöriger Schriftverkehr; auf
einem nachträglichen Deckblatt werden die Pläne auf ca. 1860 (handschriftlicher
Vermerk daneben "1840?") datiert. Die Pläne für das Gebäude Sanddeich 1 -
inzwischen auch aufgefunden - wurden 1842 erstellt und 1864 genehmigt; nach der
Genehmigung wurden sie allerdings nur entfernt umgesetzt. Erhalten sind
gleichfalls die Pläne für den Anbau der Mikwe von 1869.
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 161. |
| Angelika Schleindl: Verschwundene Nachbarn.
Jüdische Gemeinden und Synagogen im Kreis Groß-Gerau. Hg. Kreisausschuss
des Kreises Groß-Gerau und Kreisvolkshochschule. Groß-Gerau 1990. |
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