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Thalmässing (Marktgemeinde,
Kreis
Roth bei Nürnberg)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In der ehemals den Markgrafen von Ansbach gehörenden
Ortschaft Thalmässing gab es Juden bereits im späten Mittelalter, doch
dürften im Bereich von Thalmässing bereits im 13./14. Jahrhundert Juden gelebt
haben. Mitte
des 15. Jahrhunderts (vor 1468) machten ein oder mehrere Thalmässinger
Juden Pfandgeschäfte. 1489 handelte einer mit Getreide in Nürnberg. 1480 lebte
am Ort ein Jude unter dem Schutz des Markgrafen. 1449 wird ein nach Thalmässing
benannter Jude in Regensburg genannt. Auch in der ersten Hälfte des 16.
Jahrhunderts werden Juden am Ort genannt (vor 1531: erster markgräflicher Schutzbrief
des Thalmässinger Juden Mayr / Meir), die jedoch 1560 und 1569
ausgewiesen wurden. Wie streng die Ausweisung gehandhabt wurde, ist nicht
bekannt. 1600 erhielt ein Jude von Thalmässing einen fürstlichen
Geleitsbrief.
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in die Zeit des 17.
Jahrhunderts zurück. 1618 lebten fünf jüdische Familien am Ort, nach
dem Ende des Dreißigjährigen Krieges jedoch nur noch eine jüdische Familie
oder Person. 1674 waren es acht, 1689 vierzehn, 1714 21 Familien, die in
Thalmässing lebten. Eine
Höchstzahl wurde 1743 erreicht, als 227 jüdische Einwohner gezählt
wurden, darunter 118 Kinder. Die jüdischen Familien lebten in 32
Häusern.
Bis Anfang des 19. Jahrhunderts war die Zahl der jüdischen
Einwohner bereits leicht zurückgegangen. Es liegen für das 19. Jahrhundert folgende
Zahlen vor: 1811/12 210 jüdische Einwohner (20,9 % von insgesamt 1.006
Einwohnern), 1835 335 (etwa ein Drittel der damaligen Bevölkerung), 1867 202 (17,0 % von 1.191), 1880 112 (10,1 % von 1.105), 1890 98
(8,4 % von 1.163), 1900 67 (5,9 % von 1.127).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Israelitische Religions- und Elementarschule,
ein rituelles Bad und seit 1832 einen Friedhof
(zuvor wurden die Toten der Gemeinde in Georgensgmünd beigesetzt). Die Gemeinde
gehörte bis 1851 zum Bezirksrabbinat Schwabach
und wurde in diesem Jahr dem Rabbinatsbezirk Sulzbürg zugeteilt.
Für
die Schule wurde 1840 ein jüdischen Schulhaus eingerichtet. An der Schule
wirkten israelitische Religions- und Elementarlehrer. In besonderer
Erinnerung blieb Lehrer Jesajas Prager (von 1830 bis um 1860 in
Thalmässing) sowie Lehrer Samuel Loew Hommel (von 1859 bis 1907 in
Thalmässing, seit 1906 als Oberlehrer).
Außer den Lehrern hatte die jüdische Gemeinde im 19. Jahrhundert zeitweise als weiteren
Kultusbeamten einen
Vorbeter für die Wochentage angestellt, der zugleich als Schächter sowie als
Gemeinde- und Begräbnisdiener tätig war (vgl. Ausschreibungstext unten).
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Unteroffizier
Siegfried Rosenfeld (geb. 18.11.1895 in Thalmässing, gef.
16.8.1918).
Um 1925, als noch 42 Personen der jüdischen Gemeinde
angehörten (3,8 % der Einwohnerschaft von etwa 1.100 Personen), waren die Gemeindevorsteher
Siegmund Süß-Schülein und Ludwig Schülein. Als Religionslehrer und Kantor
wirkte Sally Cohn. Es waren damals noch fünf jüdische Kinder an der
Religionsschule zu unterrichten. An jüdischen Vereinen bestanden die Chewroh
Kadischa (Sozial- und Bestattungsverein unter dem Vorsitz von Siegmund
Süß-Schülein mit 1924 9 Mitgliedern) sowie der Israelitische Frauenverein
unter dem Vorsitz von Rosa Schülein (1925 7 Mitglieder, 1932 Vorsitz Emma
Neuburger). Die jüdische Gemeinde gehörte inzwischen zum Rabbinatsbezirk Nürnberg. 1932
waren die Gemeindevorsteher Siegmund Süß-Schülein (1. Vors.), Julius
Schülein (2. Vors.) und Heinrich Holländer (3. Vors.). Als Kantor war
inzwischen Elieser Rachelsohn tätig (1943 mit Frau und Tochter im KZ Auschwitz
ermordet).
1933 lebten noch 33 jüdische Personen am Ort (vor allem die vier
Familien Neuburger, Süß, Rosenfeld und Schülein; 2,9 % von insgesamt 1.131
Einwohnern). Im Sommer 1933 kam es zu ersten Aktionen gegen jüdische Einwohner.
Auf Grund der zunehmenden Repressalien und der Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts wurden die Lebensbedingungen auch für die jüdischen
Familien in Thalmässing immer schwieriger. Im Juli 1934 beschwerte sich Martin
Rosenfeld, der (jüdische) Besitzer einer großen Lebensmittelfirma in
Thalmässing beim bayerischen Wirtschaftsministerium darüber, dass ihn seine
Kunden, vor allem Bauern aus der Umgebung, boykottierten, da am Ort die Devise
ausgegeben worden sei: "Wer beim Juden kauft, ist ein
Volksverräter". Bis Mai 1939 verließen alle jüdischen
Einwohner den Ort: 13 konnten emigrieren (sieben in die USA, je drei nach
Frankreich und Argentinien), 20 verzogen innerhalb Deutschlands (sechs nach Nürnberg,
vier nach München, zehn in andere Orte). Die letzten neun hatten sich zum
Wegzug aus Thalmässing nach den Ereignissen beim Novemberpogrom 1938
entschlossen.
Von den in Thalmässing geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", ergänzt durch einige Namen
auf dem Gedenkstein an der Synagoge in
Georgensgmünd): Henriette (Jette, Henny) Benario geb. Schwarz (1875),
Sophie Bock geb. Heydecker (1870), Babette (Babetta) Böhm geb. Pappenheimer (1856),
Hermann Dachauer (1869, "Stolperstein" in
Eichstätt, Luitpoldstraße 14), Dr. David Erlanger (1867), Dr. Michael Erlanger (1864),
Bella Pauline Guggenheim geb.
Haas (1869), Bernhard Haas (1871), Ludwig (Ludwik, Louis) Haas (1870), Alexander Heydecker (1887), Justus
Hommel (1878), Max Hommel (1867), Hedwig Hubert geb. Schülein (1901), Frieda
Kaiser geb. Schönfrank (1901), Emma (Esther, Ester) Lindner geb. Rosenfeld (1862), Berta Meier geb. Haas (1898),
Bernhard Neuburger (1875), Moritz Neuburger (1868), Rosa Neuburger geb. Meyer
(1873), Salomon Neuburger (1862), Selma Neuburger (1896), Mathilde Neuhaus geb.
Schwarz (1869), Louis (Luis) Pappenheimer (1861), Jette (Henriette) Pessel geb. Hommel
(1866), Kathi (Kathie) Pessel geb. Hommel (1869), Doris Rachelsohn (1921), Elieser Rachelsohn (1884),
Hanna Rachelsohn geb. Schochet (1887), Max Rosenfeld (1859), Selly Rosenfeld
(1894), Siegfried Schönfrank (1898), Berta Schülein (1883), Justin Schülein (1874), Ludwig Schülein
(1872), Elise Seller geb. Schülein (1876), Recha Strauß
geb. Hommel (1877), Bertha Süß-Schülein (1869), Sigmund Süß-Schülein (1868), Antonie
(Antonia Toni) Weinfeld geb.
Heydecker (1882).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Zur Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1871
(Schochet, Gemeindediener und Vorsänger), 1927 (Lehrer, Vorbeter und Schochet)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Oktober 1871:
"Erledigte Stelle. In der hiesigen israelitischen Kultusgemeinde
erledigt sich mit dem 1. Januar 1872 die Stelle eines Schächters,
Gemeinde- und Begräbnisdiener und Vorsängers für die Wochentage. Der
Gehalt besteht in 200 Gulden fix, 30 Gulden Wohnungsentschädigung, in
Schächtergefällen, die mindestens 200 Gulden betragen und in sonstigen Akzidenzien
und Zuflüssen aus Stiftungen. Die Stelle ist provisorisch, kann aber bei
zufriedenstellenden Leistungen nach Ableben des in Quiescenz getretenen
Schächters definitiv verliehen werden.
Bewerber um dieselbe werden aufgeforderte, ihre Gesuche binnen 4 Wochen
unter Beilage ihrer Befähigkeitszeugnisse bei dem Unterfertigten
einzureichen und müssen in der Lage sein, zur Sicherheit der
anzuvertrauenden Gelder und Gemeindeeigentümer eine Kaution von
mindestens 300 Gulden aufrecht machen zu können. Unverheiratete Bewerber
werden bevorzugt.
Thalmässing (Mittelfranken), den 9. Oktober 1871. Der Kultus-Vorstand A.
Erlanger." |
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Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 9.
Februar 1927: "Wir suchen zur sofortigen Besetzung unserer
Stelle einen seminaristisch gebildeten Lehrer zugleich als Chasen und
Schochet (Reichsdeutschen). Israelitische Kultusgemeinde Thalmässing in
Mittelfranken." |
Zuschuss der königlichen Kreisregierung zum Bau des jüdischen Schulhauses (1840)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. April 1843:
"Im Jahre 1840 erwarb die jüdische Gemeinde zu Thalmessing ein
eigenes Schulhaus, und die königliche Kreisregierung, an die sie sich
deshalb wendete. wies ihr fünfhundert Gulden als Staatsbeitrag bei der
königlichen Kasse an. - Gewiss ein eklatanter Beweis von Toleranz, den
man im intelligenten, phrasenreichen Preußen vergeblich suchen
dürfte." |
Zum Tod des israelitischen Schullehrers Jesajas Prager (1870;
Lehrer in Thalmässing seit 1830)
Artikel
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Mai 1870: "Thalmessing
(Bayern). Am 8. April starb dahier der israelitische Schullehrer, Herr
Jesajas Prager, im 89. Lebensjahre. Das am 11. stattgefundene
Leichenbegängnis desselben legte Zeugnis ab, wie sehr der Verblichene
dahier in Ansehen stand und wie doch das Volk fortschreitet, wahres
Verdienst um die Jugenderziehung anzuerkennen. Es hatten sich hiezu
nicht nur die Mitglieder und Angehörigen der gesamten israelitischen
Gemeinde, die drei hiesigen protestantischen Herren Geistlichen, die
Herren Lehrer von hier und mehrere der Umgegend, die sämtlichen Herren
Gemeindebeamten, sondern auch ein sehr großer Teil der hiesigen
christlichen Bürgerschaft eingefunden, um dem Entschlafenen das letzte
Ehrengeleit zu geben. Am Grabe angekommen, ergriff der Distrikts-Rabbiner,
Herr Dr. Löwenmeyer, aus Sulzbürg das Wort, um ein ebenso
charakteristisches als treues Lebensbild des Seligen zu entrollen, indem
er der aufopfernden Liebe, der treuen Hingabe und des unermüdeten
Diensteifers gedachte, womit derselbe während seiner 60jährigen
Aktivität als Erzieher und Lehrer zum Frommen der hiesigen Gemeinde in
und außer der Schule wirkte, dessen anspruchslose Bescheidenheit und
Demut, dessen schlichtes, einfaches und von der reinsten Moral
geregeltes Leben, sowohl im Kreise seiner Familie und Kollegen, als im
Verkehre mit seinen Vorgesetzten und Mitbürgern rühmte, um so
schließlich denselben als einen echten, wackeren und treuen
Volksschullehrer zu bezeichnen, der für das Prinzip lebte und wirkte, in
jedem Menschen den Mitbruder und das Kind des Vaters, der die ganze
Menschheit mit gleicher Liebe umfasse zu erkennen. Hieran reihte sich eine
gleich ausgezeichnete warme Ansprache des durch seine Toleranz und edle
Menschenfreundlichkeit allgemein beliebten und hochverehrten hiesigen
protestantischen Dekans und Distriktsschulinspektors Herr Reichenbach,
worin er sich, bezüglich der vielen Verdienste des Verblichenen dem Herrn
Vorredner anschloss und bemerkte, dass gerade die auch an dem
Entschlafenen gerühmte, in der zivilisierten Welt sich mehrende Liebe und
Toleranz es seien, die den gegenseitigen Hass der Konfessionen
abgeschwächt haben und wie er hoffe, gänzlich beseitigen werden. Mit
wahrhaft rührenden Worten sprach der Redner hierauf dem Seligen, bevor
ihn die Mutter Erde aufnahm, seinen innigen Dank für alle erwiesene Liebe
und traue aus. Mit gespannter Aufmerksamkeit und sich steigernder
Empfindung folgte die einen großen Teil des Friedhofes ausfüllende
Versammlung den Ausführungen beider Herren Redner, und Tränen sah man
fließen aus den Augen dankbarer Schüler, väterlicher Vorgesetzten und
treue Kollegen und Freunde. |
Volksschullehrer Samuel Loew Hommel erhält den Titel Oberlehrer (1906)
Mitteilung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. Januar
1906: "Thalmässing (Bayern). Herr Volksschullehrer Samuel
Loew Hommel erhielt den Titel Oberlehrer." |
Abschiedsfeier von Oberlehrer Hommel (1907; war von 1859 bis 1907 als Religions- und
Elementarlehrer in Thalmässing)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1907: "Thalmässing
(Mittelfranken), 12. Mai (1907). Zu einer erhebenden Kundgebung gestaltete
sich jüngst die von der jüdischen Gemeinde zu Ehren des in den Ruhestand
getretenen Herr Oberlehrers Hommel arrangierte Abschiedsfeier, an welcher
alle Stände und Berufsarten ohne Unterschied des Glaubens sich
beteiligten. Mit tiefem Bedauern sieht man in allen Kreisen der
Bevölkerung Herrn Hommel, der in Thalmässing 48 Jahre in überaus
segensreicher Weise als Religions- und Elementarlehrer gewirkt, von dem
Orte dieser seiner Wirksamkeit nunmehr scheiden. Herrn Hommel wurde
bereits vor zwei Monaten unter Anerkennung seiner Verdienste die
nachgesuchte Pensionierung bewilligt. Jetzt vor seinem Weggang nach
Nürnberg ward ihm noch eine besondere Würdigung zu Teil, die Ernennung
zum Ehrenbürger, worüber der Kunstmaler Hans Treiber in München ein
Diplom anfertigte. Am 5. dieses Monats erfolgt die feierliche
Überreichung des Diploms durch den Bürgermeister, Herrn Pfitzinger. Herr
Dekan Gruber, der Lokalschulinspektor schilderte im Anschluss an die
ehrenden Worte des Bürgermeisters die Leistungen Hommels als
Schulmann. Herr Kultusvorsteher Salomon Neuburger, brachte die
Gefühle, die die israelitische Gemeinde für Herrn Hommel hegt, zum
Ausdruck und überreichte in deren Namen als ein Zeichen dauernder
Anhänglichkeit eine goldene Uhr. Tiefgerührt dankte der Scheidende für
alle diese Beweise der Liebe und Dankbarkeit." |
Tod von Oberlehrer Hommel (1912 in Nürnberg)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. März 1912:
"Nürnberg. Der früher in Thalmässing amtierende und hier den
Ruhestand genießende Oberlehrer Hommel starb vor einigen Wochen. Nach seinem Ableben ist nun die Ehrenmedaille
des Luitpoldkreuzes für ihn eingetroffen." |
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Hinweis auf Oberlehrer Justus Hommel |
Nach der Datenbank zu den jüdischen Lehrer
in Bayern -
https://www.bllv.de/projekte/geschichte-bewahren/erinnerungsarbeit/datenbank-jued-lehrer/datenbank
- war Justus Hommel (geb. 30. August 1878 in Thalmässing) "der letzte
jüdische Lehrer in Thalmässing)".
Aus anderen Quellen konnten dazu nicht weitere Angaben gefunden werden. In
der Datenbank wird Rossmeissl und das Bundesarchiv (Gedenkbuch) als Quelle
angegeben. Justus Hommel (vermutlich ein Lehrer von Oberlehrer Hommel) wurde
am 29. November 1941 von Nürnberg nach Riga-Jungfernhof deportiert und dort
ermordet. |
Wiederbesetzung der Schulstelle mit Lehrer W. Goldberg (1927)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 19.
September 1927: "Unter Beihilfe des Verbandes wurden folgende Stellen
wieder besetzt: Thalmässing durch W. Goldberg aus Ichenhausen,
Bechhofen durch E. Heimann, früher in Odenbach, Schwanfeld durch M.
Selmanson, bisher in Lübeck und Oberlauringen durch Schia Kraushaar,
bisher in Frankfurt am Main." |
Weitere Beiträge zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Über die Anfänge der neuzeitlichen jüdischen Gemeinde -
Artikel von 1842
In
seinem grundlegenden Beitrag "Über die ersten Niederlassungen der
Juden in Mittelfranken" von 1842 kommt E. M. Fuchs auf diese erste
Geschichte in Thalmässing zu sprechen: "Greding. Die
Burggrafen Johann und Albrecht erhielten im Jahre 1355 von Karl IV. als
einen besonderen Vorzug das Recht, Juden aufnehmen zu dürfen; im Jahre
1419 waren 3 Judenhäuser in Eysölden, und zu gleicher Zeit einige
Judenfamilien zu Aue, eine halbe Stunde von Thalmässing. In den Jahren
1560 und 1569 wurden sie ausgeschafft; dieses Gebot scheint jedoch nicht
mit gehöriger Strenge vollzogen worden zu sein, da sie 1618 die
landesherrliche Bewilligung für fünf Familien in Thalmässing
erhalten haben. Auf diese Zahl bestand man lange Zeit, indessen stieg sie
1674 auf acht und 1689 auf 14 Familien; im Jahre 1743 waren 42 Familien
vorhanden, welche 32 Häuser, 118 Kinder und so viel Dienstboten hatten,
dass die jüdische Bevölkerung auf 227 Seelen stieg. Die Synagoge ist
1690 und der Begräbnisplatz 1825 entstanden. |
Über eine 1845 in die Welt gesetzte
Ritualmordlegende in Thalmässing (Artikel von 1892)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. Juli 1892:
"Im Jahre 1845 tauchte das Märchen vom Christenblut in einem
mittelfränkischen Dorfe auf. Die 'Deutsche Allgemeine Zeitung' vom 3.
Juni 1845 berichtet aus Nürnberg Folgendes: 'In Thalmessingen,
einem mittelfränkischen Dorfe, hat sich dieser Tage ein Fall ereignet,
welcher lebhaft an die berüchtigte Geschichte von dem Morde des Pater
Thomas in Damaskus erinnert und den nicht eben erfreulichen Beweis
liefert, dass auch in unseren zivilisierten Ländern Vorurteile, deren
Haltlosigkeit eine gründliche Forschung und die Aufklärung des
Jahrhunderts längst dargetan hat, noch nicht ganz erloschen sind. Eine
Lumpenhändlerin hatte ihr Kind verloren: sofort erklärte sie, die Juden
hätten dasselbe beiseite geschafft und in einen Schweinestall gesperrt,
damit es von den Scheinen gefressen werde und sie dann dessen Blut
bekämen! Auf die Frage: woher sie das wisse? gab sie zur Antwort: der
heilige Geist habe es ihr gesagt. Die Aufregung in dem Örtchen war groß;
glücklicherweise aber fand sich das Kind, noch ehe die drohenden Exzesse
zum Ausdruck kamen, in dem Hause der Mutter selbst unversehrt und
wohlbehalten wieder. Als man der Lumpenhändlerin die Nachricht brachte,
erklärte sie: sie wisse es schon, auch dies habe ihr der heilige Geist
gesagt. Gegen die Lumpenhändlerin wurde nun kriminell verfahren, und die
Juden drangen auf Veröffentlichung des Prozessergebnisses.' Dieser
Vorfall mag zugleich als Beleg gelten für das inhumane Beginnen gewisser
Leute, die einer gelehrten Grille zu Liebe aus vermoderten Scharteten
bogenreiche Schriften zusammentragen, um das Vorurteil von dem Gebrauche
des Christenblutes bei den Juden wieder in Aufnahme zu bringen --- ein
Vorurteil, das, so oft ein Ereignis es zu bestätigen scheint, durch
genaue Erforschung des Tatbestandes nur um so schlagender widerlegt
wird." |
Scharlachepidemie (1852)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. November 1852:
"In der Gemeinde Thalmessingen grassiert der Scharlach bösartig unter den
Kindern. Der zuständige Rabbiner, Herr Dr. Löwenmaier in Sulzbürg, soll
deshalb ein dreitägiges Fasten und zweimaliges Psalmensagen des Tages
angeordnet haben. Wie gut ist's doch, dass so viele Rabbinen Doktoren sind.*
(*Letzteres ist als ironische Anmerkung der fortschrittlich-liberalen
"Allgemeinen..." gegen den konservativ-orthodoxe Rabbiner zu
verstehen). |
Thalmässing schließt sich dem Rabbinatsbezirk Sulzbürg an (1851)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. Dezember
1851: "Am 3. Oktober starb in Lehrberg im 60ten Jahre der tüchtige,
vielgeprüfte Lehrer, Herr Marx Gotthelf, Bruder des Redakteurs des
'Eilboten', und am 8. November im 65ten Jahre der Distriktsrabbiner Herr
Uri Veitel in Dittenheim. Nach einem sehr bewegten Leben hatte der
Letztere bei einem mäßigen Einkommen und einem überaus glücklichen
Familienleben den Hafen der Ruhe gefunden und wahrhaft fromm und bieder
und einer mäßigen Reform zugetan, besonders auch wegen seiner
Uneigennützigkeit, die Liebe seiner Gemeinden und die Achtung Aller sich
erworben, während Ersterer fortwährend mit dem Elend und der
Kleinlichkeit zu kämpfen hatte. In beiden Fällen hatte der Distriktsrabbiner
Herr Grünbaum aus Ansbach durch extemporierte Vorträge dem gerechten
Schmerz würdigen Ausdruck gegeben, sich selbst aber viele Herzen aufs
Neue gewonnen.
Da der Distrikt Dittenheim in dem seltenen Fall ist, eine
erhebliche Stiftung zum Rabbinatsgehalte zu besitzen, so wird hier nach
Umfluss des der Witwe zu gewährenden einjährigen Nachsitzes ein
Rabbinatskandidat eine Stelle finden. Schwabach aber ist bereits
angeschlossen, d.h. die das Rabbinat Schwabach gebildet habenden Gemeinden
sind, mit Ausnahme Thalmessingens
(Thalmässing), das sich an Sulzbürg angeschlossen,
dem Rabbinate Oettingen definitiv zugeteilt, dass allmählich ein kleines
Bistum zu werden scheint." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Über Josef Schülein (1854-1938)
Gemälde
links im Stadtmuseum München.
Joseph Schülein (1854 in Thalmässing - 1938 in Kaltenberg)
gründete 1895 in Haidhausen die "Unionsbrauerei Schülein &
Co." (heute Gaststätte Unionsbräu-Haidhausen). 1905 wurde von
dieser die Münchner-Kindl-Brauerei übernommen. 1923 ging die
Unionsbrauerei in der Münchner Löwenbräu auf. In der NS-Zeit zog sich
Schülein auf seinen Besitz Kaltenberg zurück, wo er 1938 starb. In Berg
am Laim wurden eine Strauße und ein Platz (mit Schüleinbrunnen) nach ihm
benannt (nach Umbenennung in der NS-Zeit) 1945 wieder
Rückbenennung. |
Links: Seite
des Berg-am-Laim-Kalenders zu Joseph Schülein |
Beitrag von Rolf Hofmann: Die
Liebmann Brauerei in New York und ihre Beziehung zu den Familien Schülein
und Steiner (interner Link, pdf-Datei) |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine erste Synagoge wurde 1690 in der
ehemaligen Badstube eingerichtet.
1857/58 wurde am selben Standort wie die alte Synagoge eine neue
Synagoge erbaut.
Bei der Auflösung der jüdischen Gemeinde Thalmässing 1937 wurde die Synagoge
geschlossen. Sechs Torarollen kamen in Verwahrung zum Verband der Bayerischen
israelitischen Gemeinden nach München. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die
Inneneinrichtung der Synagoge mit allen noch vorhandenen Möbeln und Ritualien
zerstört.
Das Synagogengebäude wurde im Zweiten Weltkrieg als Getreidespeicher,
später als Turnhalle (noch in den 1960er-Jahren) zweckentfremdet und blieb bis zum Abbruch
im Jahr 1972 erhalten.
Nach dem Abbruch der ehemaligen Synagoge wurde auf dem Grundstück ein Wohnhaus erstellt. Ein Gedenkstein für die Synagoge ist unweit des
Standortes der Synagoge aufgestellt.
Adresse/Standort der Synagoge: Ringstraße
/ Merleinsgasse
Die ehemalige jüdische Schule, ein zweigeschossiger Walmdachbau befindet sich
in der Schulgasse 10; das Gebäude der ehemaligen Mikwe befindet sich in der
Nähe des Synagogengrundstücks Ringstraße 6 (Mikwe zugeschüttet).
Fotos / Abbildungen
(Aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries; neuere
Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 4.12.2009)
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Ansichtskarte von Thalmässing
um 1900, rechts
Ausschnittsvergrößerungen: |
Pfragnerei (Kaufladen) des
jüdischen Gemeindeglieds Isack Schülein,
dahinter die Synagoge |
Die 1857/58 erbaute Synagoge
von Thalmässing mit separaten
Eingängen für Männer und Frauen |
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Die ehemalige
Synagoge
vor dem Abbruch
(Fotos erhalten von
Renate Pannenbecker, Kaarst) |
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Das Foto ist auch eingestellt
in höherer Auflösung |
Innenraum
der ehemaligen Synagoge; die
Frauenempore ist erkennbar; die Ringe
erinnern an die Nutzung als Turnhalle |
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Der
Gedenkstein für die ehemalige Synagoge |
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Blick auf den
Gedenkstein für die ehemalige Synagoge |
Meditation zur Bedeutung der
Zahl 7 in Judentum und Christentum - unten Markierung eines
vorbeiführenden Jakobsweges |
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Gedenkstein mit
Erinnerungen an die Gedenkfeier von 2009 zum Novemberpogrom 1938 (siehe
Bericht unten);
Inschrift der
Gedenktafel "Zum Gedenken (hebräisch) - 'What is so awesome
about this place, it's a place of God.' (Genesis 28,17; deutsch: 'wie
ehrfurchtgebietend ist dieser Ort, hier ist nichts anderes als Gottes Haus').
Im Gedenken an die jüdische Gemeinde in Thalmässing. 1531 Erste
Erwähnung von Juden - 1690 Bau der Synagoge - 1832 Errichtung des
Friedhofes - 1857 Neubau der Synagoge - 1938 Pogrom und Vertreibung der
Juden - 1972 Abriss der Synagoge". |
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Faltprospekt
"Jüdische Heimat Thalmässing"
(erschienen 1998; verantwortlich Ev. Kirchengemeinden Thalmässing und
Ralf Rossmeisl) |
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Andernorts entdeckt |
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Grabsteine im
jüdischen Friedhof in Augsburg für
Jacob Waitzfelder
(geb. 1844 in Mönchsdeggingen
- 1903 in Augsburg) und Deborah
Waitzfelder
geb. Oettinger (geb. 1854 in Thalmässing - 1927 in Augsburg) |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
1998 gab
es in Thalmässing einer Ausstellung "jüdische Heimat
Thalmässing", in der die Ergebnisse der Forschungen des
Historikers Ralf Rossmeissl gezeigt wurden. |
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November 2009:
Gedenken zum 71. Jahrestag des Novemberpogroms
1938 |
Artikel in der "Hilpoltsteiner
Zeitung" vom 11. November 2009 (Artikel):
"Steine als mahnende Erinnerung - Thalmässinger gedachten der Reichspogromnacht
vor 71 Jahren.
Mit einer schlichten, aber würdigen Gedenkveranstaltung an der Stelle der früheren Thalmässinger Synagoge gedachten rund 20 Leute der Pogromnacht am 9./10. November 1938, die vor 71 Jahren in ganz Deutschland den Auftakt zur systematischen Judenverfolgung darstellte.
THALMÄSSING - Musikalisch umrahmten Ursula Klobe an der Querflöte und Margot Schwab aus Eysölden am indischen Harmonium die Gedenkveranstaltung. Im Namen der Marktgemeinde Thalmässing und der SPD-Fraktion legte 2. Bürgermeisterin Ursula Klobe ein Blumengesteck vor dem Gedenkstein nieder.
Klobe und der evangelische Geistliche Rudolf Hackner aus Thalmässing gestalteten die Gedenkfeier und Andacht vor dem Gedenkstein, der an die Synagoge erinnert. Zunächst wies Klobe auf die Entwicklung der jüdischen Gemeinde in Thalmässing hin: Bereits 1409 seien drei Judenhäuser in Eysölden und einige jüdische Familien in Aue nachgewiesen.
'Der 1531 vom Fürstentum Ansbach aufgestellte Schutzbrief wurde 1560 aufgehoben, und Juden aus dem Staufer Land wurden vertrieben', berichtete sie.
'Um 1582 war das Oberamt Stauf judenfrei.' Nach dem 30-jährigen Krieg habe 1648 in Thalmässing nachweislich nur ein Jude oder eine jüdische Familie gelebt.
'1690 wurde die Synagoge in der ehemaligen Badstube errichtet', berichtete
Klobe. 'Damals ist bereits Jud Löw als maßgeblich beteiligt erwähnt.' 1712 habe Thalmässing zu den wohlhabendsten jüdischen Siedlungen in Franken gezählt. Seitdem habe die Zahl der jüdischen Bewohner in Thalmässing stetig zugenommen.
'An der Leiten' sei 1825 der jüdische Friedhof angelegt worden. '1835 waren in Thalmässing 335 jüdische Einwohner bekannt, das entsprach etwa einem Drittel der damaligen Bevölkerung des Kernortes Thalmässing.' 1857 sei der Neubau der Synagoge auf den Grundmauern der alten vonstatten gegangen. 1933 seien nur noch die vier jüdischen Familien namens Neuburger, Süß, Rosenfeld und Schülein ansässig gewesen.
'Das Zusammenleben von Juden und Nichtjuden verlief bis dahin friedlich', sagte die 2. Bürgermeisterin.
'So war es völlig normal, bei jüdischen Geschäftsleuten einzukaufen und mit ihnen Handel zu treiben.' Thalmässinger Frauen hätten sich ihr Haushaltsgeld aufgebessert, indem sie bei jüdischen Familien putzten, im Haushalt halfen oder Näharbeiten verrichteten. Die Mikwe, das rituelle Badehaus, sei von einer Nichtjüdin beheizt worden. Die zu Ostern von Juden gebackenen Mazzen, das ungesäuerte Brot, sei auch an Nichtjuden verteilt worden.
Ab 1933 habe sich das Zusammenleben der jüdischen und nichtjüdischen Bevölkerung schlagartig verändert. Von örtlichen Parteiorganisationen seien Tafeln angebracht worden, die zum Ausdruck brachten, dass Juden am Ort unerwünscht seien.
'Wegen des Verbots, bei Juden zu kaufen und zu arbeiten, wurden die geschäftlichen Aktivitäten nachts abgewickelt', so Ursula Klobe.
Den Satz 'Wer von Juden kauft, ist ein Volksverräter' hätten die jüdischen Thalmässinger Geschäftsleute deutlich zu spüren bekommen. Schließlich seien viele von ihnen gezwungen gewesen, ihre Geschäfte aufzugeben und ihren Besitz zu verkaufen. So habe sich die jüdische Gemeinde in Thalmässing aufgelöst. 1936, noch vor der Reichspogromnacht, sei die Synagoge als Getreidelager umfunktioniert worden.
'So lange es noch so viele Menschen gibt, die nicht wissen, was damals geschah, es sogar leugnen, so lange ist es unsere Pflicht, die Erinnerung wach zu halten', unterstrich
Klobe. 'Mit unserem Gedenken an unsere jüdischen Mitbürger zeigen wir den Überlebenden des Holocaust, ihren Nachkommen und Freunden in aller Welt, dass auch wir in Thalmässing unsere ehemaligen Mitbürger nicht in Vergessenheit geraten lassen werden.'
'Wir gedenken, was am 9. November 1938 hier in Thalmässing geschehen ist', sagte Pfarrer Hackner und bedauerte, dass in diesem Jahr nur rund 20 Personen zu der kleinen Gedenkfeier gekommen waren.
'Gedenken heißt zu erschrecken vor den Möglichkeiten, schuldig zu werden.' Gedenken heiße auch, sich an die Leiden der vielen Opfer zu erinnern, deren Fensterscheiben zu Bruch gingen, deren Synagogen zerstört, deren Häuser abgebrannt und die ermordet wurden, erklärte er.
Gedenken sei nur fruchtbar, wenn man neue Wege im Umgang mit jüdischen Mitbürgern gehe.
'Hier in unserem Land wurden Juden über Jahrhunderte entrechtet und verfolgt, es wurde geplündert und gemordet, Tausende wurden in Lager gebracht', sagte
Hackner. 'Wie konnten Menschen so unmenschlich werden?', fragte der Pfarrer.
'Wir spüren die Kälte des Herzens, wir erschrecken über das Schweigen unserer Kirchen, über die Lästerung des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs, wir erschrecken über das Schweigen danach und das Verdrängen der Schuld.
'Jeder lasse einen Stein zur mahnenden Erinnerung zurück, wie es die Juden an ihren Gräbern tun', erinnerte Pfarrer Hackner an einen jüdischen Brauch.
'Damit wollen wir ausdrücken: Du bist nicht vergessen. Und das wollen wir auch heute tun.' Anschließend legte jeder Teilnehmer der Gedenkveranstaltung einen Stein auf dem Gedenkstein nieder. Gemeinsam sang man zum Ausklang die jüdische Volksweise
'Shalom chaverim'."" |
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September 2018:
Zum 80. Jahrestag des
Novemberpogroms wurde ein neuer Gedenkstein aufgestellt |
Artikel von Robert Unterburger im "Hilpoltsteiner
Kurier" vom 17. September 2018: "Den Ermordeten ein Andenken.
Thalmässing ergänzt die Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof um einen
Gedenkstein für 33 Deportierten.
Thalmässing 'Den Thalmässinger Juden, die der Nazidiktatur zum Opfer
fielen. Sie haben weder Grab noch Grabstein.' So lautet die Inschrift eines
Gedenksteins, der am Sonntag neben dem jüdischen Friedhof mit einem Festakt
eingeweiht worden ist. Initiator war der hiesige Schriftsteller Willi
Weglehner.
Auf der dreieckigen Granitsäule stehen die Namen der 33 Bürger Thalmässings
jüdischen Glaubens, die in den Jahren 1938 bis 1943 deponiert und in
verschiedenen Vernichtungslagern ermordet worden sind. Der Stein steht
direkt neben dem jüdischen Friedhof. Das Umfeld ist im Vorfeld schön
hergerichtet worden: Ein Platz wurde mit Granitsteinen gepflastert und vier
Birken wurden an den Ecken gepflanzt.
Der Festakt erregte Interesse: Rund 70 Menschen wohnten der Einweihung des
Gedenksteins bei. Bürgermeister Georg Küttinger hob in seiner Begrüßung
besonders hervor, dass Nachfahren der zum Großteil ermordeten jüdischen
Familie Neuburger eigens aus Israel, den USA und aus Berlin angereist waren.
'Die Nachfahren der jüdischen Familien Schülein und Rosenfeld konnten nicht
kommen', bedauerte Küttinger, der auch hervorhob, wem man den Gedenkstein
verdanke: 'Ohne Willi Weglehner wären wir heute nicht hier', sagte Georg
Küttinger. Der Stein sei auf Initiative des umtriebigen Schriftstellers und
ehemaligen Lehrers aufgestellt worden.
'Wir alle sind uns der historischen Verantwortung bewusst', erklärte der
Bürgermeister, 'wir erinnern uns an die historischen Wurzeln der jüdischen
Gemeinde Thalmässing.' Die jüdische Vergangenheit Thalmässings sei ein
wichtiger Teil der Ortsgeschichte, der Gedenkstein sei ein Mahnmal und
Symbol gegen Nationalsozialismus und Faschismus. 'Es darf keinen
Antisemitismus mehr bei uns geben', forderte der Bürgermeister, 'wir müssen
uns für die freiheitlich-demokratische Grundordnung starkmachen.' In diesem
Zusammenhang sprach Küttinger auch die jüngsten Vorkommnisse in Chemnitz an.
Notwendig sei 'ein friedliches Miteinander der Kulturen und Religionen'. So
sei der Gedenkstein auch ein Symbol für eine offene Gesellschaft: 'So etwas
wie im ,Dritten Reich' darf sich niemals wiederholen.'
Auch die Bundestagsabgeordnete Marlene Mortler machte ihre Aufwartung. 'Der
heutige Tag ist ein ganz besonderer Tag für die Gemeinde Thalmässing und für
den Landkreis Roth', sagte sie. Sie selbst beschäftige sich 'seit
Jahrzehnten mit der Geschichte der Juden', so Mortler, so habe sie schon als
Schülerin am Gymnasium in Lauf ein Referat über das Judentum gehalten. 'Ich
weiß, wie wichtig es ist, sich der Geschichte bewusst zu sein und zu
werden.'
Ein Grab helfe, die Erinnerung in Trauer wachzuhalten, führte Mortler aus.
'33 Thalmässinger Juden hatten bisher kein Grab', sprach sie Weglehners
Intention an, sich für den Gedenkstein einzusetzen. 'Das Gedenken an sie hat
jetzt einen Ort.' Der Gedenkstein setze nun ein klares Zeichen gegen
Judenhetze: 'Lasst uns die Menschenrechte bewahren und schützen!',
appellierte Mortler, die ebenfalls einen Bogen in die Gegenwart spannte:
'Wir dürfen nicht schweigen, nicht nachgeben, das wäre der falsche Weg',
sprach die Bundestagsabgeordnete die jüngsten antisemitischen Vorfälle in
Deutschland an. 'Die Bundesregierung distanziert sich klar vom
Antisemitismus.' Die Nazi-Ideologie sei mit dem 'Dritten Reich' nicht
untergegangen, bedauerte sie. Gegen Geschichtsklitterung müsse man nach wie
vor kämpfen: 'Ich bitte Sie alle, dass wir die ganze Wahrheit verbreiten.'
Ähnlich äußerte sich Landrat Herbert Eckstein: 'Viele Menschen heute haben
aus der Geschichte nichts gelernt.' Vor 20 Jahren - im November - sei die
Ausstellung 'Jüdische Heimat Thalmässing' im Gemeindezentrum St. Marien
eröffnet worden. Er selbst habe seinerzeit noch ein mulmiges Gefühl gehabt.
Erst die Begegnung mit einer alten Dame habe ihm die Augen geöffnet und er
habe gelernt, mit der Geschichte umzugehen. 'Vergangenheitsbewältigung darf
keine Vergangenheitsverdrängung sein', forderte der Landrat, 'es geht um das
miteinander leben.'
Landrat Eckstein dankte der Marktgemeinde Thalmässing dafür, dass sie die
eigene Geschichte aufarbeite. Schließlich sei heute jedem klar: 'Menschen
aus Thalmässing haben fliehen müssen und sind umgebracht worden.' Ecksteins
hob hier vor allem die Leistungen von Hermann Beckstein und Willi Weglehner,
hervor, die Entscheidendes beigetragen hätten, die jüdische Geschichte des
Ortes aufzuhellen. 'Lernen wir aus dieser schlimmen Vergangenheit!',
wünschte sich der Landrat.
Auch heute stehe unsere Gesellschaft vor einer großen Herausforderung. Und
auch heute gelte, dass jedes Opfer ein Opfer zu viel sei. 'Warum sucht
unsere Gesellschaft immer Schuldige?', stellte Eckstein fragend in die große
Runde der Zuhörer. Und gab selbst die Antwort: 'Als Schuldige werden immer
nur die Schwächsten genommen - das macht mich betroffen.'
Nach so langer Zeit einen Gedenkstein aufzustellen, mach den Tag zu etwas
Besonderem, sagte Joino Pollak vom Landesverband der israelitischen
Kultusgemeinde Bayern. Mit Auswirkungen für das Heute und die Zukunft: 'Nur
wenn wir gedenken, können wir verhindern, dass so etwas wie Verfolgung und
Vernichtung der Juden wieder geschieht.' Pollak zeigte sich dankbar, dass
die Schüler der Thalmässinger Mittelschule den jüdischen Friedhof von
Thalmässing pflegen.
Ursula Klobe, die stellvertretende Bürgermeisterin von Thalmässing, gab
einen Abriss der jüdischen Geschichte Thalmässings, die schon seit 1419
nachweisbar sei, wie sie ausführte. Ihr Dank für die Erforschung der
Historie galt Hermann Beckstein und Martin Hauke, der am Gymnasium
Hilpoltstein in der zwölften Klasse eine Facharbeit über das jüdische Leben
in Thalmässing geschrieben hat. Danach las sie die Namen aller 33 ermordeten
Thalmässinger Juden vor.
Die Nachfahren der Familie Neuburger legten für jeden Toten einen Stein an
der Granitsäule des Gedenksteins ab. Dies ist ein Brauch, der noch heute von
den Juden auf der ganzen Welt ausgeübt wird. Abschließend sprach der Urenkel
eines der ermordeten Thalmässinger Bürger das Totengedenken in hebräischer
Sprache."
Link
zum Artikel |
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Fotos des
Gedenksteines
(Fotos: Markus Schirmer) |
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November 2018:
Gedenkstunde zur Erinnerung an den
Novemberpogrom 1938 |
Gedenken an Reichspogromnacht in Thalmässing mahnt zur Vorsicht in heutigen Tagen Thalmässing (HK)
Der 80. Wiederkehr der Reichspogromnacht haben in Thalmässing am Freitagabend 30 Menschen gedacht. Die stellvetretende Bürgermeisterin Ursula Klobe und Diakon Lothar Michel gestalteten die Veranstaltung und erinnerten in Ansprachen an die Verbrechen, die 1938 an jüdischen Bürgern in ganz Deutschland - und auch in Thalmässing - verübt worden sind."
Link zum Artikel im "Donaukurier" vom 11. November 2018 |
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November 2018:
Erinnerung an die Ereignisse beim
Novemberpogrom 1938 |
Artikel von Robert Unterburger im "Donaukurier" vom
9. November 2018 (nur auszugsweise zitiert): "In der Reichspogromnacht vor 80 Jahren wurden jüdische
Mitbürger in der Region übel drangsaliert -
Gejagt und vertrieben
Hilpoltstein/Thalmässing/Georgensgmünd/Schwabach/Allersberg. In
Thalmässing,
Georgensgmünd und
Schwabach kam es in den Morgenstunden des 10.
November 1938 zu von Nazis organisierten Demonstrationen. Jüdische Geschäfte
und Wohnungen wurden verwüstet und geplündert, jüdische Mitbürger verhaftet
und später, wie in Allersberg die Familie Geiershoefer, enteignet. Genau 80
Jahre ist es jetzt her, dass es bei der Reichspogromnacht - auch
fälschlicherweise 'Reichskristallnacht' genannt - zu Übergriffen gegen
jüdische Mitbürger gekommen ist. Auch der heutige Landkreis Roth und die
Stadt Schwabach waren davon betroffen. Ein Rückblick.
Überall in Mittelfranken habe, wie in der Ausgabe der 'Rother Volkszeitung'
vom 11. November 1938 zu lesen ist, die 'Bevölkerung ihrer Erregung endlich
Luft gemacht, nachdem sie bis dahin geschwiegen und vorbildliche Disziplin
gezeigt hatte'. In diesem Zeitungsartikel schwelgt das NS-Blatt im damaligen
Parteijargon förmlich von dem 'hellhörig gewordenen Volk von Franken', das
nun eine 'handgreifliche Warnung an das Judentum' gegeben habe. 'Als bekannt wurde, dass der deutsche Gesandtschaftsrat Ernst vom Rath den
Verletzungen erlegen ist, die ihm der jüdische Mörder Herschel Seibel
Grünspan beibrachte, bemächtigte sich der Schwabacher Bevölkerung eine
starke Erregung, die um so verständlicher ist, als der jüdische Hass gegen
alles Nichtjüdische gerade am 9. November, dem Gedenktag der Blutopfer in
München, ein weiteres Blutopfer gefordert hat.' Damit spielt das Blatt auf
den gescheiterten Hitler-Putsch am 9. November 1923 an.
Weiter heißt es in diesem perfiden Artikel: 'Schon in den frühesten
Morgenstunden des gestrigen Tages bildeten sich in den Straßen Schwabachs
Demonstrationszüge, und die begreifliche Erregung der Bevölkerung machte
sich in einer drohenden Haltung gegen die noch hiesigen Juden Luft. Aus
diesem Grunde sah sich der Vorstand des Bezirksamtes in seiner Eigenschaft
als Stadtkommissar veranlasst, die Juden durch die Polizei verhaften zu
lassen und in das hiesige Amtsgerichtsgefängnis einzuliefern.
So wurden morgens um 6.30 Uhr die beiden Schwabacher Juden Levite und Graf
in ihrer Wohnung verhaftet. Der Jude Krauß meldete sich in der ersten
Morgenstunde bei der Polizei ab und reiste nach Ungarn, dessen
Staatsangehörigkeit er besitzt. Nicht nur in der Stadt Schwabach, sondern
auch in Georgensgmünd und Röthenbach war die Bevölkerung über die Bluttat in
Paris aufs äußerste aufgebracht, so dass der Vorstand des Bezirksamtes dort
zu ähnlichen Maßnahmen greifen musste wie in Schwabach. In Georgensgmünd
wurden zwei Juden und in Röthenbach ein Jude verhaftet. Einige
Fensterscheiben in den von Juden bewohnten Häusern gingen in Trümmer.
'Misshandlungen sind keine vorgekommen.' Soweit die Nazi-Zeitung im O-Ton.
[...]
In Thalmässing lebten 1933 noch 33 Menschen mosaischen Glaubens.
Wirtschaftlich gesehen, spielten sie eine große Rolle, da viele Geschäfte
hier von Juden betrieben wurden. Viele Bauern und Handwerker aus dem Raum
Thalmässing kauften in deren Geschäften ein und waren abhängig von ihnen, da
es viele Dinge nur dort zu kaufen gab.
Bereits fünf Jahre vor der von Propagandaminister Joseph Goebbels
ausgerufenen und von NSDAP und SA organisierten Pogramnacht kam es in
Thalmässing zu Übergriffen. Kurz nach der Machtübernahme der Nazis wurden
schon im März 1933 in mehreren jüdischen Geschäften in Thalmässing die
Fenster eingeschlagen. Damals machte man jedoch die Kommunisten dafür
verantwortlich. Im Juni oder Juli 1933 drangen in Thalmässing Nazis in das
israelitische Schulhaus ein, in dem die Familie Rachelsohn wohnte. Sie
zerschlugen Fenster, Türen, Möbel und ein Klavier. Außerdem wurden sämtliche
Schmucksachen und Bargeld gestohlen. Jüdische Firmen wurden boykottiert. Im
Juli 1934 beschwerte sich Martin Rosenfeld, der (jüdische) Besitzer einer
großen Lebensmittelfirma in Thalmässing beim bayerischen
Wirtschaftsministerium darüber, dass ihn seine Kunden, vor allem Bauern aus
der Umgebung, boykottierten, da am Ort die Devise ausgegeben worden sei:
'Wer beim Juden kauft, ist ein Volksverräter'.
In der Reichspogromnacht wurden in Thalmässing bei jüdischen Geschäften alle
Fenster eingeschlagen. Die jüdischen Mitbürger selbst wurden verhaftet und
ins Gefängnis nach Hilpoltstein gebracht. Die jüdischen Kaufleute aus
Thalmässing wurden gezwungen, ihre Geschäfte zu verkaufen.
1938 lebten nur noch ein paar Thalmässinger Familien jüdischen Glaubens in
der Marktgemeinde. Laut Alemannia Judaica, einer Arbeitsgemeinschaft für die
Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum,
lebten noch 33 Menschen jüdischen Glaubens in Thalmässing. Viele von ihnen
starben später in den Vernichtungslagern der Nazis. Ein Gedenkstein neben
der ehemaligen Synagoge in Georgensgmünd erinnert an die ermordeten
Thalmässinger. Im September dieses Jahres wurde auch in Thalmässing ein
Gedenkstein mit den Namen der Opfer neben dem jüdischen Friedhof eingeweiht.
Das Pogrom vom 9. /10. November, in dem auch der Friedhof geschändet wurde,
ist nicht grausiger als in Hunderten anderen Gemeinden verlaufen. In der
Nazi-Zeit tat sich in Thalmässing einer der beiden Pfarrer als
antisemitischer Hassredner hervor. Der andere Pfarrer verweigerte sich dem.
Zwei Tage nach der 'Reichskristallnacht' brachte ein Oberlehrer aus Landersdorf, der gleichzeitig NS-Ortsgruppenleiter war, in die Schule
Rechnungen des jüdischen Eisenwarenhändlers Schülein und des
Kolonialwarenhändlers Rosenfeld mit, die die Kinder durcharbeiten mussten.
Sie mussten heraussuchen, mit welchen christlichen Geschäftsleuten die
beiden Geschäfte gemacht hätten....".
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| S(igfried) Haenle*: Geschichte der Juden im
ehemaligen Fürstentum Ansbach. Ansbach 1867 (Reprint Hainsfarth 1990.
Reihe: Bayerische jüdische Schriften Hg. von Karl W. Schubsky und
Hermann Süß Bd.1).
* geboren als Salomon Haenle 1814 in Heidingsfeld, 1854 Übertritt zum
Protestantismus, Taufname Franz Theodor Sigfried Haenle, gest. 1889 in
Ansbach. |
| Germania Judaica Bd. III,2 S. 1457. |
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 230-231. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 183. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 308-309.
|
| "Mehr als
Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Band II:
Mittelfranken.
Erarbeitet von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid,
Hans-Christof Haas und Angela Hager, unter Mitarbeit von
Frank Purrmann und Axel Töllner. Hg.
von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz.
Reihe: Gedenkbuch der Synagogen in Deutschen. Begründet und
herausgegeben von Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3:
Bayern, Teilband 2: Mittelfranken. Lindenberg im Allgäu 2010.
Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im
Allgäu.
ISBN 978-3-89870-448-9. Abschnitt zu Thalmässing S.
639-651. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Thalmaessing
Middle Franconia. Jews are first mentioned in 1531 and were expelled in 1560 and
1569. Though restricted to five families in 1618, the community thereafter grew
steadily, numbering 227 in 1743 and being among the wealthiest and most
important in the Ansbach principality. A cemetery was consecrated in 1832 and a
new synagogue was erected in 1857. By 1880 the Jewish population had fallen to
112 (total 1.105). In 1933, when the Nazis came to power, there were 33 Jews
left. The synagogue was vandalized on Kristallnacht (9-10 November 1938). By May
1939 all Jews had left Thalmaessing, 13 emigrating and 20 moving to other German
cities.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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