Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zurück zur Übersicht "Synagogen in Hessen"
Zur Übersicht
"Synagogen im Vogelsbergkreis"
Schlitz (Vogelsbergkreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Schlitz bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938. Nach jeweils vorübergehenden Niederlassungen von wenigen
jüdischen Personen im ausgehenden 16. Jahrhundert, im 17. Jahrhundert und ab 1730
(zwei jüdische Metzger in der Hallenburg) konnten sich erst in der 2. Hälfte
des 19. Jahrhunderts jüdische Personen niederlassen.
Nach 1860 entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1861 2 jüdische Einwohner (0,1 % von insgesamt 2.636 Einwohnern), 1871 7
(0,3 % von 2.514), 1880 24 (0,9 % von 2.570), 1885 36, 1900 53 (2,0 % von
2.589), 1910 64 (2,5 % von 2.575), 1925 35 (Angabe vermutlich falsch, evtl.
verschrieben für 53; 1,3 % von 2.760). Die jüdischen Familienvorsteher
verdienten den Lebensunterhalt als Viehhändler und als Textilkaufleute. Mehrere
eröffneten Läden und Handlungen in der Stadt.
Eine jüdische Gemeinde konnte 1880 gegründet werden.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Schule, ein
rituelles Bad und ein Friedhof. Zur Besorgung
religiöser Aufgaben der Gemeinde war vermutlich zeitweise (um 1900?) ein Lehrer angestellt, der auch
als Vorbeter und Schochet tätig war. Bereits in den 1920er-Jahren wurden die
schulpflichtigen Kinder durch auswärtige jüdische Religionslehrer
unterrichtet. Als Schochet war zeitweise Aron Stern tätig (1920er-Jahre). Die Gemeinde gehörte zum orthodoxen Provinzialrabbinat in
Gießen.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Emil Wallach (geb.
12.2.1889 in Breitenbach a.H., gef. 25.2.1916).
1932 waren die Gemeindevorsteher Julius Windmüller (1. Vors.), Raphael
Greif (2. Vors.) und Sußmann Rothdier (3. Vors.). An jüdischen Vereinen
bestanden zwei Wohltätigkeitsvereine: die Chewra (1932 unter Vorsitz von
David Windmüller; Zweck und Arbeitsgebiet: Unterstützung Bedürftiger und
Bestattungsweisen) sowie die Frauen-Chewra (1932 unter Vorsitz von Frau
S. Rosenmeyer; Zweck und Arbeitsgebiet: Unterstützung Bedürftiger). Im
Schuljahr 1932/32 erhielten 5 Kinder der Gemeinde
Religionsunterricht.
1933 lebten noch 43 jüdische Personen in Schlitz (1,5 % von insgesamt
2.811 Einwohnern, in 14 Haushaltungen). In
den folgenden Jahren (bereits seit 1934) sind die meisten von ihnen alsbald auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Nach Angaben bei Arnsberg
und Heinrich Sippel konnten 9 Personen in die USA emigrieren, 7 nach Südamerika
(Brasilien), 2 im Jahr 1937 nach Palästina. Vier der jüdischen Einwohner von
1933 sind noch in Schlitz gestorben. Beim Novemberpogrom 1938 wurde der von
Schlitz nach Bad Nauheim verzogene 66-jährige Fellhändler Aron Stern in das KZ
Buchenwald verschleppt; er verstarb dort, nachdem er auf brutale Weise von einem
SS-Mann zusammengeschlagen worden war.
Die letzten drei jüdischen Einwohner verließen im Dezember 1938 und im Mai 1939
Schlitz, unter ihnen Julius Windmüller (geb. 1883 in Schlitz), der letzte
Gemeindevorsteher, der am 1. Juni 1939 zusammen mit seiner Haushälterin Hedwig
Goldmann nach Frankfurt gezogen ist. Beide wurden jedoch von dort aus 1942
deportiert und sind umgekommen.
Von den in Schlitz geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Emilie Bacharach geb.
Mayer (1882), Willi (Wolf) Bacharach (1869), Ida Cohn geb. Weihl (1880), Hedwig
Goldmann geb. Levistein (1896), Frieda
Hirsch geb. Windmüller (1882), Bertha Katz (1923), Rosa Katz geb. Schwab
(1899), Franziska Kornblum geb. Windmüller (1879), Margarete Linz (1907), Ellen
(Helene) Löbenstein geb. Gottlieb (1890), Selma Neuhaus geb. Schwab (1901),
Johanna Paradies geb. Windmüller (1887), Lina Rosenstock geb. Bachrach (1902),
Ludwig Schwab (1909), Paula Seligmann geb. Greif (1891), Aron Stern (1872, an
ihn erinnert seit September 2018 ein "Stolperstein" in
Bad Wildungen), Abraham Strauss (1869),
Johanna Waldeck geb. Rosenmeyer (1895), Alfred Weihl (1892), Emil Weihl (1879),
Julius Windmüller (1883).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Manufaktur-, Konfektions- und Kolonialwarengeschäftes von Jacob
Rosenmeyer (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. April 1901:
"Für mein Manufaktur-, Konfektions- und Kolonialwaren-Geschäft suche
zum alsbaldigen Eintritt einen
Lehrling
aus achtbarer Familie, mit guter Schulbildung. Kost und Logis im
Hause.
Jacob Rosenmeyer, Schlitz,
Oberhessen." |
Anzeige des Manufakturwarengeschäftes S. Rothschild
(1922)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. März 1922: "Für
meine 16-jährige Tochter suche ich per 1.5. Stellung in nur gutem
religiösem Hause zur Erlernung des Haushaltes bei vollständigem
Familienabschluss, eventuell gewähre Vergütung, Süddeutschland
bevorzugt.
S. Rothschild, Manufakturwaren. Schlitz in
Oberhessen." |
Anzeige der Pension A. Stern (1925)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juni 1925: "Schlitz
- Oberhessen
in herrlicher waldreicher Gegend.
Pension A. Stern. Streng koscher / erstklassige
Referenzen / mäßige Preise." |
Es wird sich um Aron Stern
handeln: Aron Stern, geboren 1872 in
Langenschwarz
bei Fulda, besaß - nach Informationen aus Bad Wildungen anlässlich der
Verlegung eines Stolpersteines für ihn im September 2018 - in
Bad Wildungen einen Laden- und Reisegeschäft für Manufakturwaren und war
Mäkler mit Landesprodukten im Kleinen, Häutehändler im Kleinen,
Baumwollenzeugkrämer und Verkauf von Fleisch im Kleinen', so seine
Gewerbeanmeldung. Zudem war Stern Schächter der jüdischen Gemeinde in seinem
Wohnort Schlitz, später lebte er in
Bad Nauheim. Seine Frau Rickchen war
bereits 1935 gestorben. Das Paar hatte drei Töchter. 1937 zog er nach Bad Wildungen
und wohnte in der Hinterstraße 51. Nach der Pogromnacht wurde er ins KZ
Buchenwald deportiert, wo der Diabetiker am 18.11.1938 mit 66 Jahren starb..
|
Zur Geschichte der Synagoge
Nach
ihrer Gründung
konnte die jüdische Gemeinde 1899 ein Fachwerkhaus in der ehemaligen
Hintergasse - ein ehemaliges Badehaus - erwerben und dieses zu einem jüdischen
Gemeindezentrum umbauen. In diesem Haus wurden ein Betsaal, die Schule und
weitere Räume der Gemeinde eingerichtet.
Das jüdische Gemeindezentrum wurde nach
Wegzug der meisten jüdischen Einwohner 1937 geschlossen und an einen nichtjüdischen
Handwerker verkauft. Über Ereignisse beim Novemberpogrom 1938 ist nichts
bekannt. Das Gebäude wurde nach 1945 zu einem Wohnhaus umgebaut .
Adresse/Standort der Synagoge: Herrengartenstraße
9 (ehemalige Hintergasse)
Fotos
Historische Fotos |
Historische Fotos
der ehemaligen Synagoge / der jüdischen Schule sind nicht bekannt;
über
Hinweise oder Zusendung freut sich der Webmaster der "Alemannia
Judaica";
Adresse siehe Eingangsseite. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Das Gebäude der ehemaligen
Synagoge
und jüdischen Schule
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 9.4.2009) |
|
|
|
Dem an der
Herrengartenstraße stehenden Gebäude ist von seiner früheren Nutzung
nichts mehr anzusehen. |
|
|
|
|
|
|
|
|
Hinweistafel: "Synagoge
und Judenschule -
der 1880 gegründeten jüdischen
Kultusgemeinde." |
|
|
|
|
|
|
Gedenken am
Rathaus der Stadt Schlitz - Gedenktafel mit Text: "Wegen der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft mussten alle unsere jüdischen Mitbürger die Stadt
Schlitz in den Jahren 1933-1939 verlassen. Zu diesem Unrecht wurde damals
geschwiegen. Das Erinnern und das Bewusstsein dieser Schul machen
Versöhnung möglich und ermahnen uns, immer wieder für die
Menschenrechte einzutreten." |
|
|
|
Fotos vom Januar 2019
(Fotos: Klara Strompf; Aufnahmen vom 15.1.2019) |
|
|
|
|
|
Der
Eingangsbereich zum Rathaus der Stadt Schlitz mit der Gedenktafel |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Januar 2012:
Gedenkveranstaltung zum Holocaust-Gedenktag |
Artikel in der "Schlitzer Zeitung"
vom 21. Januar 2012: "Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag.
Schlitz. Vielen Schlitzern ist vermutlich gar nicht bewusst, dass Schlitz
auch eine jüdische Geschichte hat. Seit dem 19. Jahrhundert lebten Juden
in Schlitz...."
Link
zum Artikel |
|
|
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. S. 112-113. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S.
200-201. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 313-314. |
| Heinrich Sippel: Die Schlitzer Juden. Reihe: Studien
zur Schlitzer Geschichte. Nr. 10. März 1983. |
| ders.: Jüdisches Leben in Schlitz. In: Schlitz im Spiegel
der Geschichte. Heft 28 1997. Pulheim 1997. |
| Fritz Kumpf: Juden im Schlitzer Land. Betrachtungen,
Erinnerungen, Gedanken. In: Kulturverein Lauterbach e.V. (Hg.): Fragmente...
jüdischen Lebens im Vogelsberg. Lauterbach 1994 S. 50-56 und 2.
83-84. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Schlitz Hesse. Established in 1880,
when it numbered 24 (1 % of the population), the community grew to 64 (2 %) in
1910 and was affiliated with the Orthodox rabbinat of Giessen. By October 1938
most of the 43 Jews had left, and a year after Kristallnacht (9-10
November 1938), none remained.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|