Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Schenklengsfeld (Kreis Hersfeld-Rotenburg)
Jüdische Geschichte / Synagoge  

Zur jüdischen Geschichte in Schenklengsfeld siehe auch die Seiten von 
  www.judaica-schenklengsfeld.de 
(Website des JudaicaMuseums in Schenklengsfeld) 

Übersicht:  

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen     
Zur Geschichte der Synagoge   
Fotos / Darstellungen 
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  
Links und Literatur   

       

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)        
   
In Schenklengsfeld bestand eine jüdische Gemeinde bis 1940. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 15./17. Jahrhunderts zurück. Ein erster Beleg für die Anwesenheit von Juden findet sich aus dem Jahr 1494, wonach Jud Joseph und seine Familie Wohnrecht für sechs Jahre am Ort erhielten. Im 17. Jahrhundert werden seit 1622 Juden am Ort genannt: 1622 Jud Jacob zu Schenklengsfeld, 1678 acht Schutzjuden (mit Familien): Bonus, Nathan, Itzig, Israel, Leckes, Wolf, Löwe und Meyer, 1700 auf Grund starker Erhöhungen der "Schutzgelder" nur noch fünf jüdische Personen (mit Familien) genannt.   
    
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: um 1800 sieben jüdische Familien, 1819 65 jüdische Einwohner (7,9 % von insgesamt 819 Einwohnern), 1833 99 (8,8 % von 1.122), 1850 140 (10,2 % von 1.173), 1861 144 (10,7 % von 1.343), 1871 142 (12,7 % von 1.121), höchste Zahl 1885 mit 188 Personen (17,0 % von 1.108), 1895 155 (14,0 % von 1.108), 1905 168 (17,9 % von 938).      
   
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine Schule (Israelitische Konfessionsschule seit mindestens 1845 bis 1936/38), ein rituelles Bad und einen Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Die folgenden Lehrer unterrichteten an der Israelitischen Konfessionsschule: Herz Spiro (von 1845 bis 1874, auch "Rabbi Spiro" genannt, der einen kabbalistischen Kreis um sich scharte, vgl. Bericht zu seinem Tod 1892 unten; unter Lehrer Spiro hatte es 1867 26, 1869 22 Schulkinder), Salomon Strauß aus Lichenroth (1875 bis 1879, dann nach Bergen), Jacob Spiro (Sohn von Herz Spiro, 1879 bis 1899/1900, dann nach Fulda; unter Lehrer Spiro gab es 1886 48, 1895 41 Schulkinder), Jacob Grünewald (1900 bis 1932), nach ihm noch seit August 1932 Lehrer Joseph Eschwege (bis 1936) und Lehrer Manfred Levisohn aus Frankfurt (bis 1938). Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk in Fulda.   
   
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Unteroffizier Hermann Abraham (geb. 10.7.1887 in Schenklengsfeld, vor 1914 in Niedenstein wohnhaft, gef. 20.10.1914), Heinemann Katzenstein (geb. 1.2.1885 in Schenklengsfeld, gef. 2.1.1915) und Jakob Katz (geb. 17.5.1877 in Erdmannsrode, gef. 20.12.1917). Eine ehemals in der Synagoge angebrachte Gedenktafel, die von der Ortsgruppe des Reichsbundes Jüdischer Frontsoldaten (RJF) gestiftet worden war, ist noch erhalten (JudaicaMuseum). Ein Gedenkstein für die Gefallenen befindet sich im jüdischen Friedhof der Gemeinde. Bei der Einweihung des Gefallenendenkmals der Gemeinde im Oktober 1929 sprach auch Lehrer Grünewald.      
    
Um 1925, als noch etwa 150 Personen zur jüdischen Gemeinde gehörten (12,7 % von insgesamt 1.169 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Bernhard Löwenberg und Louis Nussbaum. Lehrer Grünwald unterrichtete an der Jüdischen Volksschule die damals noch 14 jüdischen Kinder. An jüdischen Vereinen bestand eine Chewra Kadischah (Beerdigungs- und Unterstützungsverein), eine Chewras Bachurim (Unterstützung Hilfsbedürftiger, siehe Berichte zum 50-, 75- und 100-jährigen Bestehen dieses Vereins unten), eine Chewra Noschim (Frauen- und Unterstützungsverein), eine Chewra Limud Tora bzw. Chewras Talmud-Torah (Torastudienverein) und ein 1827 gegründeter Jugendverein. Um 1932 war erster Gemeindevorsteher Louis Nussbaum. Lehrer war inzwischen der bereits genannte Joseph Eschwege.   
   
Zu Beginn der NS-Zeit (1933) gehörten 127 Personen der jüdischen Gemeinde an. Auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien sowie der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts ist ein großer Teil von ihnen in den folgenden Jahren von Schenklengsfeld verzogen oder ausgewandert. 1937 wurden noch 64, 1938 29 jüdische Einwohner gezählt. Die antijüdischen Maßnahmen hatten in Schenklengsfeld sehr schnell eingesetzt. Bereits am 17. März 1933 wurden jüdische Geschäfte und Wohnhäuser angezündet. Im Mai 1933 wurde die jüdische Schule geschlossen. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge auf Grund des Einschreitens von Kreisleiter Kriep nicht abgebrannt. Dieser befürchtete ein Übergreifen der Flammen auf ein daneben stehendes Gehöft. Neun jüdische Männer wurden in "Schutzhaft" genommen und nach Kassel überführt, von dort kam ein Teil in das KZ Buchenwald. Ende 1939 gab es nur noch zwei jüdische Einwohner am Ort (Isaak Goldschmidt und Julius Weinberg).         
     
Von den in Schenklengsfeld geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", ergänzt durch Namen, die auf dem Gedenkstein des Friedhofes stehen, s.u.): Bernhard Abraham (1871), Fanni Atzel geb. Tannenberg (1887), Meta Buchsbaum geb. Abraham (1883), Bertha Cohn geb. Tannenberg (1876), Hermann Eichhorn (1889), Irma Eichhorn (1900), Bertha Eschwege (1891), Joseph Eschwege (1885), Zerline (Cäcilie) Eppstein geb. Weinberg (1868), Gerhard Goldschmidt (1923), Elsa Goldschmidt (1887), Fredy Salomon Goldschmidt (1914), Gerhard Goldschmidt (1923), Isaak Goldschmidt (1891), Johanna Goldschmidt geb. Löwenberg (1887), Menachem Goldschmidt (1885), Minna Goldschmidt geb. Abraham (1875), Jakob Grünewald (1869), Irma Grünewald (1903), Jakob Katz (1876), Karl Katz (1925), Liebmann Katz (1873), Max Katz (1891), Emma Katzenstein geb. Oppenheim (1885), Moritz Lauchheimer (1890), Johanna Levi geb. Löwenberg (1878), Recha Levi geb. Nathan (1878), Bernhard Löwenberg (1880), Emma Löwenberg geb. Plaut (1888), Fritz Löwenberg (1934), Kurt Löwenberg (1934; Fritz und Kurt waren Zwillingsbrüder - Foto bei Fulda-Wiki), Sally Löwenberg (1882), Johanna Levy geb. Löwenberg (?), Klara Löwenberg (1892), Leopold Nathan (1887), Jette (Jettchen) Nußbaum geb. Vogel (1858), Susanne (Sußme) Nußbaum (1891), Magnus Oppenheim (1867), Mathilde (Male) Oppenheim geb. Tannenberg (1875), Rosa Oppenheim (1893), Siegfried (Isaak) Oppenheim (1893), Sara Seligmann geb. Weil (1885), Irma Sichel geb. Grünewald (1903), Johanna Sommerfeld geb. Oppenheim (1877), Sara Selma Spiro (1887), Abraham Tannenberg (1874), Arthur Tannenberg (1900), Betti Tannenberg geb. Oppenheim (1882), Isaak Tannenberg (1865), Jonas Tannenberg (1878), Klara Tannenberg (1909), Levi Tannenberg (1879), Leopold Weil (1878), Hermann Weinberg (1876), Julius Weinberg (1901), Leopold Weinberg (1874), Dr. Magnus Weinberg (1867), Mathilde Weinberg (1890), Max Weinberg (1877), Eva Wolff geb. Tannenberg (1878).    
      
      
Das ehemalige Haus des jüdischen Lehrers (1912/13 an der Gemarkungsgrenze zu Oberlengsfeld erbaut) ist erhalten. Im Erdgeschoss dieses Hauses wurden nach der umfassenden Bausanierung 1996-1998 das "JudaicaMuseum" Schenklengsfeld und die "Begegnungsstätte für Geschichte und Kultur" eingerichtet.  
     
     
     
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
 
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Ausschreibungen der Stelle des Elementar- beziehungsweise Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1875 / 1878 / 1900 / 1932  
und eines Hilfsvorbeters 1923  

Schenklengsfeld Israelit 10111875.jpg (46080 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. November 1875: "Die hiesige vakante Elementar-, Religionslehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle soll besetzt werden. 
Fixer Gehalt 900 Mark für erstere und 90 Mark garantiert für letztere Funktion, nebst freier Wohnung. 
Bewerber werden ersucht, ihre Meldungsgesuche nebst Zeugnissen an Unterzeichneten einzusenden. Bemerkt wird, dass die mit 90 Mark garantierte Schächterfunktion bedeutend mehr einträgt. Reisekosten werden nur demjenigen, der die Stelle übertragen bekommt, vergütet. 
Schenklengsfeld (Preußisch Hessen-Nassau), den 26. Oktober 1875. H. Weinberg, Kreisvorsteher."  
   
Schenklengsfeld Israelit 06111878.jpg (48234 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. November 1878: "Die Stelle eines Elementarlehrers und Kantors in der israelitischen Gemeinde zu Schenklengsfeld ist sofort zu besetzen. Jährliches Gehalt Mark 810 neben freier Wohnung und Feuerung und Mark 90 für den Schochetdienst. Bewerber haben ihre Gesuche und Zeugnisse alsbald anher einzureichen.  
Fulda, 25. Oktober 1878. 
Vorsteher-Amt der Israeliten: Dr. M. Cahn. vt. Tannenbaum."  
   
Schenklengsfeld Israelit 05021900.jpg (69970 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Februar 1900: "Die Lehrerstelle an der israelitischen Volksschule zu Schenklengsfeld, Kreis Hersfeld, ist zum 1. April dieses Jahres zu besetzen. Das Grundgehalt beträgt 1.100 Mark, der Einheitssatz der Alterszulage 130 Mark; Dienstwohnung ist vorhanden. Vorbeter und Schächterdienst ist mit der Stelle verbunden; das Erträgnis derselben kann erfahrungsgemäß auf ca. 500 Mark veranschlagt werden.   
Nach Verfügung der Königlichen Regierung werden zur Bewerbung nur solche Lehrer zugelassen, die bereits im diesseitigen Regierungsbezirke an Volksschulen angestellt sind.  
Meldungen sind nebst beglaubigten Zeugnisabschriften alsbald an die unterzeichnete Stelle zu richten.   
Fulda, im Januar 1900. Das Vorsteheramt der Israeliten: Dr. M. Cahn."   
  
Schenklengsfeld Israelit 23081923.jpg (25964 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. August 1923: "Hilfsvorbeter für Jaum-Kippur (Schachris und Minchoh) gesucht. 
Offerten erbittet J. Grünewald, Lehrer, Schenklengsfeld (Kreis Hersfeld)."  
  
Schenklengsfeld Israelit 28011932.jpg (47718 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Januar 1932: "Für die durch Pensionierung des bisherigen Inhabers am 1. April dieses Jahres frei werdende Stelle an der öffentlichen israelitischen Volksschule (Staatsstelle) zu Schenklengsfeld (Kreis Hersfeld) wird ein orthodoxer Lehrer gesucht. Nebeneinkommen durch die Älter als Schochet und Chasan (Vorbeter), die gleichzeitig mit zu versehen sind. Freie Wohnung und schöner Garten. Reichsangehörige Bewerbungen mit Lebenslauf, Referenzen und Zeugnisabschriften sind alsbald einzureichen an das Vorsteheramt der Israeliten, Fulda."   

  
Lehrer Jacob Spiro sucht eine Lehrstelle für einen Gymnasiasten (1884) 

Schenklengsfeld Israelit 17031884.jpg (38068 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. März 1884: "Für einen Gymnasiasten, welcher zu Ostern dieses Jahres das Reifezeugnis für Ober-Sekunda erhält, wird eine Stelle als Lehrling, am liebsten in einem Bankgeschäfte, das Schabbat und Feiertag geschlossen, gesucht. 
Offerten erbittet I. Spiro, Lehrer, Schenklengsfeld, Regierungsbezirk Kassel."    

  
Zum Tod des Lehrers / Rabbiners Herz Spiro, Vater von Lehrer Jacob Spiro (1892)  

Schenklengsfeld Israelit 25081892.JPG (215133 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. August 1892: "Schenklengsfeld. Am 7. Ab (31. Juli 1892). haben wir einen Mann zu Grabe getragen, der eine Zierde unserer Gemeinde gewesen. Unser teurer Lehrer und väterlicher Freunde - Morenu HaRaw R. Spiro (Rabbiner Spiro) - ist nicht mehr; der unerbittliche Tod hat ihn uns entrissen. Groß ist der Schmerz und die Trauer um den edlen Heimgegangenen, dessen Leben nur dem Dienste Gottes geweiht gewesen. Fast 40 Jahre lang hat er hier als Lehrer und M"Z (= Lehrer der Gerechtigkeit, Rabbiner) gewirkt. Sein bescheidenes Wesen ist geradezu sprichwörtlich geworden. Man konnte dem gebrochenen Greise nicht ansehen, welch großer Geist die schwache Hülle barg. Unbegrenzt war sein Wissen im Talmud und in den Sammlungen rabbinischer Entscheidungen. Es gab wohl keine Stelle in der Gemara, die er nicht sofort mit der Angabe des Blattes bezeichnen konnte. Und nun die lautere Frömmigkeit dieses Mannes! Seit einigen Jahren war er infolge eines schweren, schmerzlichen Leiden ans Zimmer gefesselt, und ungeachtet dessen hat er keinen Fastentag versäumt. Es war ein zu Tranen rührender Anblick, ihn am verflossenen Jom Kippur in seinem Sterbekleide auf seinem Sessel zu sehen, wie er mit einer begeisternden Stimme sein Beten verrichtete. In des geliebten Lehrers Nähe vergaß man der Sorgen und Schmerzen. Verstand er es doch, wie selten einer, das gebeugte Gemüt aufzurichten. Nun weilt er im Garten Eden und wir rufen klagend aus: 'Wehe um die, welche dahinschwinden und nicht mehr aufzufinden sind'. Von zarter Jugend an widmete sich Herr Spiro dem Studium der Tora. Bis zum 14. Lebensjahre lernte er beim Rabbinen Seckel Worms in Fulda, seiner Geburtsstätte, und besuchte 5 Jahre hindurch die Jeschiwa in Gelnhausen, woselbst er Lieblingsschüler des Rabbinen Kunreuter gewesen. Dann lernte er wieder in Fulda und übernahm, durch die Not dazu gedrängt, die hiesige Lehrerstelle, die er bis 1874 verwaltete, um dann in Folge eines unheilbaren Leidens in den Ruhestand zu treten. Man fand ihn stets in seinem Stübchen, nur mit Lehren und Lernen beschäftigt. Die Hochachtung und Verehrung, die allseitig dem großen Gelehrten und Frommen (Gerechten) entgegengetragen worden, zeigte sich bei der Beisetzung. Nie hat unser Ort ein gleiches Leichenbegängnis gesehen. Ein unabsehbares Gefolge gab dem teuren Lehrer und Freunde das Geleite zur letzten Ruhestätte. In Abwesenheit unseres Herrn Rabbinen Dr. Cahn in Fulda - derselbe weilt in einem Seebade -, berief die Gemeinde Herrn Rabbiner Dr. Munk zur Abhaltung einer Trauerrede. In ergreifender Weise schilderte der geehrte Redner am Grabe die Tugenden des verklärten Rabbi und beleuchtete die Bedeutung des Verlustes eines Gerechten für die Gesamtheit. Dann widmete Herr Lehrer Nußbaum aus Hersfeld dem verblichenen Freunde und Lehrer ehrende Worte des Nachrufs und als hierauf unser hoch verehrter Lehrer, Herr Spiro, mit tränenerstickter Stimme von dem geliebten Vater und unermüdlichen Lehrer Abschied nahm, da ward jedes Auge zu Tränen gerührt. Wir werden dem edlen Entschlafenen ein dauerndes und dankbares Andenken bewaren. Das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen."       

   
Lehrer Jacob Spiro eröffnet ein Pensionat in Fulda (1900)  

Schenklengsfeld Israelit 08031900.jpg (58127 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. März 1900: "Am 1. April dieses Jahres eröffne ich in Fulda ein Pensionat für Knaben, die die höheren Schulen besuchen sollen. Liebevolle Behandlung und Nachhelfe in allen Schulfächern wird zugesichert. Auf Wunsch Privatunterricht in hebräischen Disziplinen. Referenzen erteilen gütigst  Seiner Ehrwürden Herr Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn in Fulda und Herr Seminar-Direktor Dr. Hoffmann, Berlin.   
Spiro, Lehrer, zur Zeit in Schenklengsfeld."  

  
30-jähriges Ortsjubiläum von Lehrer Jacob Grünewald (1930)        

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Mai 1930: "Fulda, 18. Mai (1930): Bei einer gesamten Dienstzeit von 42 Jahren als Lehrer, von denen 41 Jahre im öffentlichen Schuldienste verbracht wurden, beging der Lehrer und Vorbeter der Gemeinde Schenklengsfeld, Herr Lehrer Grünewald, am heutigen Schabbat die Feier seines 30-jährigen Ortsjubiläums. Da der Jubilar eine offizielle Feier abgelehnt hatte, sollte diese nur im engen Rahmen der Gemeinde abgehalten werden. Herr Provinzialrabbiner Dr. Cahn aus Fulda erfuhr noch rechtzeitig von der Feier und ließ es sich nciht nehmen, an derselben teilzunehmen. Die Gemeinde, welche schon tags zuvor ihr Jubiläumsgeschenk - einen prächtigen Klubsessel - überreichen ließ, hatte Schule und Synagoge würdig dekoriert. Beim Vormittags-Gottesdienst hielt Herr Dr. Cahn die Festpredigt, durch welche er die Verdienste des Jubilars in Schule und Gemeinde eingehend beleuchtete. Der Gemeindeälteste, Herr Levi Tannenberg, richtete eine herzliche Ansprache an den gewissenhaften Lehrer und dankte ihm für seine mühevolle 30-jährige Arbeit und aufopferungsvolle Tätigkeit. Dann sprach der Jubilar. Er schilderte seine Arbeit in Schule und Gemeinde, wies auf sein Verhältnis zur Gemeinde hin, lehnte jede Dankesverpflichtung gegen sich ab, sprach dagegen seinen Dank für alle ihm erwiesenen Ehrungen aus. Die Gemeinde lauschte andächtig den bewegten Worten ihres Führers. Zahllose Glückwünsche aus der Ferne waren eingetroffen und die Räume des Gefeierten in einen Blumengarten verwandelt. Der Abend vereinigte die ganze Gemeinde zu einem geselligen Zusammensein in der Gastwirtschaft am gedeckten und geschmückten Kaffeetisch. Herr Dr. Cahn eröffnete den Abend durch eine mit vielem Witz durchwürzte Tafelrede, in welcher er den Jubilar feierte und manche Mahnworte an die Gemeinde in humoristische Form kleidete. Unter bewährter Leitung von Frau Hirschfeld brachten die Schulkinder ihre Glückwünsche durch Reigen, poetische Vorträge dar. Ehemalige Schüler überbrachten Gratulationen von den in der Ferne weilenden Schülern. Den Glanzpunkt bildete eine Huldigung dreier Damen, die als Wandervögel den ehemaligen Lehrer begrüßten und seine 30-jährige Tätigkeit als Lehrer, Prediger, Vorbeter, Seelsorger humoristisch schilderten.   
Von lautem Beifall begrüßt, antwortete nunmehr der Jubilar. In spätester Nachtstunde schloss die schöne Feier nach einem heiteren Abschiedswort unseres verehrten Provinzialrabbiners."        
 
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und Waldeck" vom 23. Mai 1930: "Schenklengsfeld. Herr Grünewald konnte sein dreißigjähriges Jubiläum als Lehrer und Vorbeter in unserer Gemeinde feiern. Die Gemeinde, um die er sich große Verdienste erworben hat, veranstaltete ihm zu Ehren eine Feier."       

 
Beitrag von Lehrer Jacob Grünewald über die Verleihung des Chower-Titels (1931)  
(Chower = Rabbiner ehrenhalber)  

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. November 1931: "Der Chower-Titel am Grabe. Man liest häufig in den jüdischen Blättern, dass verdienstvollen Männern, namentlich Lehrern, der Chower-Titel am Grabe erteilt worden sei: Die Verleihung der reichlich verspäteten Chower-Würde mutet eigenartig an. Weil der amtierende Raw doch schließlich zur Überzeugung gekommen ist, dass der Verstorbene diese Würde längst verdienst hatte, soll die versäumte Pflicht noch schnell nachgeholt werden und man gibt ihm den Titel mit in das Grab. Männer, deren Verdienste wiederholt anerkannt worden, die Hervorragendes in ihrer Schule und in ihrer Gemeinde geleistet, das Judentum erhalten haben, erhalten den Chower-Titel nicht. Es werden 25-jährige, 40-jährige Jubiläen gefeiert, man vernimmt aus dem Munde des Raw begeisternde, anerkennende Worte über die großen Verdienste des Jubilars, der Chower-Titel wird ängstlich vermieden, und er würde doch das kostbarste Geschenk für den Jubilar bilden. Nur die Hoffnung bleibt ihm, dass er nach dem Abschied aus dem Leben die Würde erhält. Wir Lehrer geizen nicht nach solchen Auszeichnungen. Wir sind längst daran gewöhnt, uns bei Verleihung von Titeln und Auszeichnungen bescheiden zurückzuhalten. Aber dessen bin ich überzeugt, dass es nicht im Sinne der Entschlafenen liegt, wenn man ihm eine Ehrung, die ihm im Leben vorenthalten wurde, erst am Grabe verleiht. Warum ist man denn so vorsichtig, verdienstvollen, frommen Männern den Chower-Titel zu verleihen? Wird hierdurch der Abstand zwischen Rabbiner und Lehrer etwa verkleinert? Kann die Verleihung des Chower-Titels am Grabe ein Äquivalent für versäumte Pflicht bilden?  Grünewald, Schenklengsfeld."  

   
Lehrer Jacob Grünewald geht in den Ruhestand (1932)  

Schenklengsfeld Israelit 17031932.jpg (50779 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. März 1932: "Schenklengsfeld, 15. März (1932). Mit Ende dieses Monats tritt unser Lehrer, Herr Grünewald, in Pension, nachdem er die Altersgrenze erreicht hat. Auf Anregung des zuständigen Schulrates und des Herrn Provinzialrabbiners Dr. Cahn - sein Licht leuchte - in Fulda findet am 30. März, nachmittags 1/2 3 Uhr eine Abschiedsfeier statt, an der nicht nur die Gemeinde, sondern auch seine Kollegen der näheren und weiteren Umgebung teilnehmen werden. Eine Würdigung seines Wirkens als Lehrer und Führer seiner Gemeinde bringen wir in einer der nächsten Nummern von 'Erziehung und Lehre'."  
 
Schenklengsfeld Israelit 20041932.jpg (111825 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. April 1932: "Lehrers Abschied. Notverordnungsgemäß ist Herr Lehrer Grünewald aus Schenklengsfeld (Kreis Hersfeld) nach Erreichung des 62. Lebensjahres in den Ruhestand getreten. Auf Anregung des zuständigen Herrn Schulrat Wendling - Hersfeld und des Herrn Provinzialrabbiners Dr. Cahn - Fulda fand am 30. März eine in allen Teilen gelungene Abschiedsfeier statt. Im Schulsaal waren neben der Gemeinde und den Schulkindern als Gäste erschienen: die Herren Provinzialrabbiner Dr. Cahn, Schulrat Wendling, Landrat Graf Wedel, Hauptlehrer Weppler als Vorsitzender des Kreislehrervereins und viele andere Kollegen. Namens der Staatsregierung sprach Herr Schulrat Wendling dem scheidenden Lehrer den Dank für seine segensreiche Tätigkeit aus unter Hinweis auf die besondere Stellung und Wirksamkeit eines jüdischen Lehrers in seiner Gemeinde, wo er der kulturelle Mittelpunkt sei. Herr Landrat Graf Wedel sprach in ähnlichem Sinne. Er wies auf die Fürsorge des Staates für die religiösen Minderheiten hin. Diese Fürsorge gewährt auch den religiösen Minderheiten eigene konfessionelle Schulen, solange das Volksschulwesen sich auf konfessioneller Grundlage aufbaut. Für Rabbiner und Vorsteheramt sprach dann Herr Provinzialrabbiner Dr. Cahn Worte des Dankes und der Anerkennung angelehnt an den Schriftvers 'Und Moscheh und Aharon gingen hinein in das Stiftszelt und kamen heraus, und segneten das Volk und es erschien die Herrlichkeit des Ewigen dem ganzen Volke'. Er überreichte Herrn Grünewald das Buch Jesaja von Hirsch. - Einen Kidduschbecher überreichte Herr Vorsteher Nußbaum für die Gemeinde mit einem kurzen Dankeswort. Für den Kreislehrerverein sprach Herr Hauptlehrer Weppler, für die Israelitische Lehrerkonferenz Hessens Herr Gans - Niederaula  und für 'Bund und Jeschurun' Lehrer Oppenheim - Rhina. Den Dank der ehemaligen Schüler sprach Herr Norbert Weil aus. Gedichte, von Schülerinnen vorgetragen, umrahmten die Feier. Eine gemeinsame Kaffeetafel im Hause Grünewalds hielt die Gäste noch lange beisammen. S.O., R.." (vermutlich Lehrer Siegfried Oppenheim, Rhina).

    
    
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben   
Ein "Lern-Verein" wurde gegründet (1846)        

Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 10. März 1846: "In Schenk-Lengsfeld, Kreis Hersfeld, hat sich ein 'Lern-Verein' konstituiert. Allabendlich beschäftigen sich die Mitglieder eine Stunde lang mit dem Studium der Bibel, sowie der Kommentatoren. Die Anregung dazu ging aus von dem dortigen Lehrer Spiro aus Fulda."    

 
50jähriges Jubiläum der Chewrah Bachurim (1877)      

Schenklengsfeld Israelit 27061877.jpg (194937 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juni 1877: "Schenklengsfeld (Kurhessen). Dienstag, 1. Tammus (= 12. Juni 1877) fand hier eine erhebende Feier statt, die der Erwähnung in diesem geschätzten Blatte würdig ist. Die Chebrah-Bechurim feierte das Fest ihres fünfzigjährigen Bestehens. Bevor wir die Feier an und für sich schildern, wollen wir erst den Zweck des Vereins etwas näher beleuchten. Die Chebrah zählt ungefähr 20 Mitglieder, die sich jeden Schabbat und Feiertag versammeln, um Worte der Tora zu hören. Die Vorträge hält Herr Spiro, dessen tiefe Gelehrsamkeit schon von vorzüglichen jüdischen Autoritäten anerkannt worden. Er versteht es, die Zuhörer zu fesseln und so den Geist des wahren Judentums in unserer Gemeinde aufrecht zu erhalten. Der weitere Zweck des Vereins ist, den verschämten Armen auf die zarteste Weise zu unterstützen und hat er (der Verein) schon manche Träne getrocknet, manch gebeugtes Gemüt wieder aufgerichtet; ferner Wohltätigkeit zu üben als Krankenbesuche und die Beschäftigungen mit Toten. Gott sei Dank, es stehen auch Männer an der Spitze, die unserer Gemeinde zur wahren Zierde gereichen. Als erster Vorsteher entfaltet der sehr verehrte Herr Hirsch Weinberg eine rührige Tätigkeit. Die allseitige Liebe und Achtung, die ihm von Seiten der Gemeinde entgegengetragen wird, ist ein untrügliches Zeugnis der Würdigung seiner Leistungen, ein warmes Anerkennen der Verdienste um die segensreich wirkende Chewra. Ihm zur Seite steht der Vorsteher und Mitbegründer des Vereins, Herr Auscher Löwenberg, dessen Haupt zwar die Silberkrone zieret, dessen sprudelnder Humor jedoch die Jugend des Geistes erkennen lässt. Es würde zu viel Raum beanspruchen, wollten wir die biederen Männer all anführen, die dem Vereine als Mitglieder angehören. Gehen wir zu eigentlichen Feier über. Nach Beendigung des Morgengottesdienstes versammelten sich die Vereinsmitglieder in dem schön restaurierten Lokale der Frau Karoline Plaut. Eine allgemeine heitere Stimmung herrscht, und selbst der Himmel schien sich ob des Festes zu freuen, kein Wolkchen trübte den Horizont. - Mittags 1 Uhr versammelte man sich in der Synagoge. Herr Landrabbiner Dr. Kroner zu Stadtlengsfeld, der zu diesem Zwecke berufen, hielt die Festrede. Wer vermag die Gefühle zu schildern, die der Redner durch seinen hinreißenden, von echt jüdischem Geiste getragenen Vortrag in dem Herzen der zahlreichen Anwesenden - unter ihnen viele Nichtjuden - wachrief. Die Fülle der Gedanken, die mannigfachen Zitate, die schwungreiche Sprache zeugten von dem eminenten Wissen des in weiten Kreisen berühmten Redners. Nach Beendigung des Gottesdienstes begaben sich die Festgenossen in erwähntes Lokal, um auch dem Magen die frohe Stimmung zu geben, die das Herz bereits eingenommen hatte. Man würde uns mit Recht des Undankes zeihen, wollten wir nciht der vortrefflichen Küche lobend gedenken. Toaste und Toraworte gesagt von Herrn Landrabbiner und von Herrn Spiro gaben dem Mahle die schönste Würze. Erst gegen 12 Uhr, nachts, trennte man sich, mit dem Bewusstsein, eine ergebende Feier begangen zu haben, die recht lange in angenehmer Erinnerung bleiben wird."   

  
75-jähriges Bestehen der Cherath Bachurim (1902)  

Schenklengsfeld Israelit 04081902.jpg (122297 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. August 1902: "Schenklengsfeld, 30. Juli (1902). Die hiesige Chewra-Bachurim feierte am Rosch-Chodesch Tamus (1. Tamus = Sonntag, 6. Juli 1902) das seltene Jubiläum ihres 75-jährigen Bestehens. Nachdem sich zu Minchah die Vereinsmitglieder zu einem Gottesdienste zusammengefunden, hielt unser hochverehrter Herr Lehrer Grünewald in ergreifenden Worten eine der Bedeutung des Tages würdige Rede, in welcher er unter anderem der wackeren Begründer der Chewra gedachte, die, wenn auch unter dem Drucke der damaligen Zeit lebend, doch in heißer Liebe zum Judentum einen Verein geschaffen, der sich die Pflege von Tora, Aboda (Gottesdienst) und Gemilus Chasodim (Wohltätigkeit) auf sein Panier geschrieben, das auch dieser jederzeit getreu der Initiative seiner Begründer hochgehalten. Nach dem Gottesdienste fanden sich die Vereinsmitglieder zu einem Festessen im Schlitzer-Hof zusammen. Auch hier erfreute Herr Grünewald die Anwesenden mit manchen schönen Divre Thauroh (Toraworten). Eine Versteigerung des Birchas ha-Mosaun (Tischgebet) ergab einen ansehnlichen Betrag für einen wohltätigen Zweck, und trennte man sich erst spät nach längerem, gemütlichen Beisammensein mit dem Bewusstsein le-Schem Schomaijim (zur Ehre Gottes) einige freudige Stunden verlebt zu habe. Den Teilnehmern aber möge es vergönnt sein, auch die Centenarfeier ihres Vereins zu begehen. S.K."    

   
Über den Eruw (Markierung des Sabbatweges) in Schenklengsfeld (1913) 
Anmerkung: es ging um die Reparatur der Schlagbäume und Übernahme von Kosten durch die bürgerliche Gemeinde. Durch den Blick in alte Urkunden konnte die strittige Frage geklärt werden. Der Verfasser des Beitrages war der Lehrer Jacob Grünewald.  
Hinweis: über den in der letzten Zeile genannten "Antisemiten Werner" siehe Wikipedia-Artikel "Ludwig Werner".       

Schenklengsfeld Eruw Israelit 1913n.jpg (385485 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" 1913 Jg. LIV Nr. 36 S. 3-4 (Vorlage erhalten von Uri Kellermann, da nicht zugänglich über compactmemory.de): "Der Eruw in Schenklengsfeld. Seit undenklicher Zeit figuriert in der Gemeinderechnung der hiesigen Synagogengemeinde alljährlich ein Posten im Betrag von 5 Mark, den die israelitische Gemeinde an die bürgerliche Gemeinde für "Unterhaltung der Schlagbäume" zahlt. Die seither notwendigen Kosten für Reparaturen des Eruw wurden auch stets aus der Kasse der bürgerlichen Gemeinde anstandslos gezahlt. Durch Anlegung neuer Straßen und Wohnungswechsel von jüdischen Gemeindemitgliedern war in letzter Zeit ein neuer Eruw anzubringen. Das hiesige Bürgermeisteramt verweigerte jedoch die Zahlung der hierdurch entstandenen Kosten mit der Begründung, daß die bürgerliche Gemeinde wohl die Kosten für Unterhaltung der bestehenden, nicht aber die für neu anzulegende Schlagbäume zu tragen habe. Einen schriftlichen Vertrag konnte weder die jüdische, noch die bürgerliche Gemeinde vorweisen. Auf meine Veranlassung durchsuchte der Gemeindeälteste, Herr Israel Katzenstein, die uralten und achtlos zurückgelegten Gemeindeakten und entdeckte zwei Schriftstücke, deren Inhalt auch für die breite Öffentlichkeit nicht ohne Interesse sein dürfte. Die eine Urkunde vom Jahre 1795 besagt, daß schon lange vorher eine Vereinbarung der jüdischen mit der bürgerliche Gemeinde betreffs des Eruw bestanden haben mag. Die Urkunde lautet wie folgt: "Auf die Von der Judenschaft zu Schenklengsfeld gethane Anzeige, daß die Schlagbäume in diesem Orthe nicht in solcher Beschaffenheit und Ordnung, wie es dermit seyn und beständig erhalten werden solle. So wird dem Heimberger Hofmann bei willkührlicher Strafe hiemit befohlen, sogleich dahin nötige Anstalten zu treffen, daß dieße Schlagbäume sofort repariert und in Volligem Stande gesetzt werden, dermit die Judenschaft nach ihren Gottesdienstlichen Gesetzen durch deren Versäumnis nicht beunruhigt werde. Vacha pro Schenklengsfeld, den 10ten Jun. 1795. G. J. Hakert."
Aus dem nun im Jahre 1802 zustande gekommenen Vergleichsbescheid, der durch das Hessische Justizamt herbeigeführt wurde, geht hervor, dass beide Gemeinden einen Prozess wegen der Schlagbäume geführt haben. Es folgt hier der Wortlaut des Vergleiches: "Vergleichs Bescheid in Sachen des Schutz- und Handelsjuden Raphael Israel zu Schenklengsfeld, Namens der Judenschaft daselbst Klägerin entgegen Die Gemeinde Schenklengsfeld Beklagte. Die Reparation der Schlagbäume betreffend. Nachdem der zwischen der Gemeinde Schenklengsfeld und der daßigen Judenschaft bereits viele Jahre und von beiden Seiten mit großen Kosten geführte Prozess in Betreff der Schlagbäume , durch gütliche Übereinkunft dahin verglichen und beigelegt worden, ‚dass alle bisherigen aufgegangene Kosten, jeder Teil, so wie er solche gehabt vor sich, tragen und kein Teil dem andern davon Vergütung tun solle, dass die Gemeinde aber nunmehro die Ausrichtung der neuen und Reparationen der Schlagbäume vor beständig auf ihre alleinige Kosten übernehmen und bis zu Pfingsten dieses Jahres die sämtlichen bisher und vorhin gewesenen in ordentlichen, und dem Zwecke gemäßen aufrichten, in Stand setzen, und solche alle Zeit so lange in Schenklengsfeld Juden und in solcher Anzahl deßelbsten sind, dass sie Schule zu Gottes Verehrung halten ohne Mangel erhalten, jedoch der Gemeinde hierbei auch nachgelassen sein solle, wenn sie wollen statt der Stöcke, Steine zu nehmen und zu dem quer Holz oder Schlagbäume solches Holz oder starke Stangen von welcher Gattung es seye, wenn nur damit das Zumachen nach ihrem Jüdischen Gesetze besorgt ist, sich bedienen zu mögen. 
Dagegen aber versprechen die Juden ebenfalls vor sich und ihre Nachkommen, vor beständig, dass sie dafür der Gemeinde von jetzo und alsobald Dreißig Sechs Rthlr. (sc. Reichsthaler) sa 36 Rthlr. edictmäßige Wehrung und ein halben Centner Eisen vor die Aufrichtung und wieder in Standsetzung aller Schlagbäume bezahlen und abgeben, hinkünftig aber und alljährlich von diesem Jahre an, zu Michaelistag Zwei Rthlr edictmäßig bezahlen und abgeben, und solchergestalt denn auch die Gemeinde nunmehro alle Kosten wegen der Schlagbäume auf sich nehmen, und der Prozess beiderseits solchergestalt verglichen und beigelegt seyn solle,
Schenklengsfeld Eruw Israelit 1913na.jpg (69618 Byte)So wird auch vorstehender Verglicht des von einigen Gemeinde Gliedern dagegen gemachten unerheblichen Einwands und da mehr dann zween drittentheils der Gemeinde solchen beschlossen, und bei Amt nach agnoscirter Unterschrift darauf angelobet, hier nitt auch gerichtlich compensitis expressis bestättigen und beiden Teilen dessen Befolgung hiermit auf erlegt. V.R.W.   
Prommeiation Vacha pro Schenklengsfeld am 10ten Febr. 1802: Beiden Teilen hiervon Abschrift. 
Fürstlich Heß. Justiz Amt Landeck. C. Hartert.  
Notabene. Die Akten sind unter Num 304/2 Lit. J. ins Repertorium notiert und dasselbst zu fnden. C.H."  
Dieser Vertrag besitzt natürlich heute noch volle Rechtsgültigkeit. Der Wortlaut des Schriftstückes, das vom Geiste der Toleranz durchweht ist, klingt gerade in unserer Gegend, der Hochburg des Antisemiten Werner, wie ein verschollenes Märchen aus alter Zeit. J. Grünewald."    

    
100-jähriges Bestehen der Chewrath Bachurim (1927)  

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und Waldeck" vom 13. Mai 1927:  "Schenklengsfeld. Am 12. Juni dieses Jahres sind seit dem Bestehen der hiesigen 'Chewrat-Bachurim' 100 Jahre verflossen. Die Gemeinde wird diesen Tag festlich begehen".       
 
Schenklengsfeld Israelit 3061927.jpg (204124 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Juni 1927: "Schenklengsfeld, 15. Juni (1927). Der Tag des 100jährigen Bestehens unserer Chewrath-Bachurim wurde am Sonntag, den 12. Juni in einer Weise gefeiert, wie dieses eines so wichtigen Ereignisses würdig ist. Die Vorbereitung zur Feier lag in den bewährten Händen des rührigen Vorstandes, der Herren Sally Plaut und Sally Löwenberg, die sich in selbstloser Hingabe ihrer Aufgabe unterzogen. Den Auftakt zu der schönen Feier bildete das Aufrufen sämtlicher Chewrahmitglieder am vorausgegangenen Schabbat Behaaalotecha (Schabbat mit der Toralesung Behaalotecha = 4. Mose 8,1-12,16, das war 11. Juni 1927). wodurch die Gemeinde bereits in Festesstimmung versetzt wurde. Am Sonntag, den 12. dieses Monats begann die eigentliche Feier mit dem Festgottesdienst nachmittags 2.30 Uhr, an dem sich die Gemeinde ausnahmslos beteiligte. Eifrige Chewrahmitglieder wetteiferten miteinander, die Synagoge in einen blumengeschmückten Hain zu verwandeln, der festtäglich beleuchtet war. Der Gottesdienst begann mit dem Vortrag von Gebeten und Psalmen durch den vierstimmigen Männerchor, dann bestieg Herr Lehrer Grünwald die prächtig geschmückte Kanzel, um die Festpredigt zu halten, welche die Gemeinde bis zum letzten Augenblick fesselte. Der Redner ging auf die Tage der Gründung der Chewrah zurück, deutete den Namen Chewrat Bachurim, beleuchtete die Aufgaben der Chewrah, forderte Chewrah und Gemeinde zur Eintracht und Liebe auf und erflehte die Gnade und den Schutz des Allmächtigen. Es folgten Chorgesang und Sologesang des Herrn Grünwald. Nach dem Gottesdienste begaben sich die Chewroh-Mitglieder nebst Damen, sowie die als Gäste geladenen Miglieder der Chewroh-Kadischa nebst Frauen geschlossen zur Kaffeetafel nach dem 'Landecker Hof'. Dort begrüßte Herr Sally Plaut die Gäste mit herzlichen Worten, und Fräulein Blanka Plant trug einen Prolog vor, der die Aufgaben der Chewroh: 'Lehre, Leben, Liebe' zum Inhalte hatte. An der prächtig geschmückten Kaffeetafel, die kunstverständige Frauenhände geschmackvoll hergerichtet und mit den köstlichsten Backwaren reich besetzt hatten, vergingen die Stunden bei angenehmster Unterhaltung und Tafelkonzert sehr schnell, und um 8 Uhr abends begann das eigentliche Festessen. Die hier dargebotenen lukullischen Genüsse wurden verschönt von Diwreh Thora (Toraworten) des Herrn Lehrer Grünwald. Das erste Wort galt der Chewroh. Im Laufe der Abendstunden wechselten noch verschiedene Toaste des Lehrers Grünwald mit Ansprachen und Schülervortragen ab. Frl. Bertel Tannenberg brachte als Elfenkönigin der Chewroh ihre Huldigung dar. Herr Grünwald toastete auf den Senior der Chewroh, den 82-jährigen Moses Nathan, welcher der Chewrah bereits 60 Jahre als treues Mitglied angehört, zeichnete in einem Toast auf die Damen besonders die anwesende Frauen der dahingegangenen Mitglieder durch ehrende Worte aus, dankte im Namen der Chewrah-Kadischa dem Geburtstagskinde für die Einladung und insbesondere den Damen: Frau Referbach und Frl. Katz für die leiblichen Genüsse. - Die Schüler und Schülerinnen: Max Abraham, Hans Löwenberg, Berti Löwenberg und Käte Nußbaum leisteten das Bestmögliche durch Vorträge. Das Benschen wurde in üblicher Weise versteigert und ergab einen erklecklichen Betrag. - In später Nachtstunde trennten sich die Festteilnehmer in dem erhebenden Bewusstsein, einen Tag verlebt zu haben, welcher wahrer Freude über eine göttliche Weisung (Simchat schäl Mizwa) gewidmet war."    
 
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und Waldeck" vom  24. Juni 1927: "Schenklengsfeld. Eine Hundertjahrfeier. Die Feier des 100-jährigen Bestehens der hiesigen Chewrath-Bachurim wurde am Sonntag, den 12. Juni in würdiger Weise begangen. Den Auftakt der Feier bildete das Aufrufen aller Chewrath-Mitglieder zur Thora am vorhergehenden Sabbat. Das eigentliche Fest begann am Sonntagnachmittag mit einem Festgottesdienst, an dem die ganze Gemeinde teilnahm. Die Räume des Gotteshauses prangten in frischem Grün. Zunächst erklang das 'Ma tauwu' eines vierstimmigen Männerchors. Nach Verrichtung des Minchoh-Gebetes durch den Chewrahvorstand, Herrn S. Plaut, bestieg Herr Lehrer Grünewald die geschmückte Kanzel, um in seiner Festpredigt Aufgabe, Bedeutung und Geschichte der Cherah zu schildern. Nach Psalmvorträgen sang Herr Grünewald den Psalm 150 und hierauf mit dem Chor 'Haudu laschem ki tauw', das die Gemeinde besonders andachtsvoll stimmte."         

   
Weihe des Gefallenendenkmals der Gemeinde (1929)         

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und Waldeck" vom 18. Oktober 1929: "Schenklengsfeld (Kreis Hersfeld). Weihe des Gefallenendenkmals. Am vergangenen Sonntag wurde hier das Gefallenendenkmal eingeweiht. Sehr zahlreich hatten sich die Mitglieder der Gemeinde eingefunden, um an dieser schlichten, aber würdigen Feier teilzunehmen. Nach Lehrer und Pfarrer sprach auch Herr Grünewald als Vertreter der Israelitischen Gemeinde. In ergreifenden Worten gedachte auch er der Gefallenen. Ohne Unterschied der Parteien und der Konfessionen hatten sie sich in den Dienst des Vaterlandes gestellt. Obwohl zwölftausend Israeliten gefallen sind, würden sie noch immer in der niederträchtigsten Weise beschimpft. Dieses Denkmal solle ein Mahnzeichen zur Liebe sein. Mit den Worten 'Liebet die Wahrheit und den Frieden' schloss der Redner."             


Gerichtsverfahren wegen Religionsbeschimpfung gegen einen nationalsozialistischen Schriftleiter mit eidlicher Aussage eines jüdischen Händlers aus Schenklengsfeld (1930)    

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und Waldeck" vom 9. Mai 1930: "Schenklengsfeld. Im März vorigen Jahres hatte der ehemalige Student Bergemann, jetzt Schriftleiter der nationalsozialistischen Wochenzeitung 'Der Sturm' und Wanderredner für den Gau Hessen-Nassau Nord der NSDAP, in einer öffentlichen Versammlung in Hilmes (Kreis Hersfeld) nach Behandlung der Schächtfrage erklärt, das jüdische Religionsgesetz verlange, dass das an Nichtjuden abgegebene Fleisch vorher verunreinigt und besudelt werden müsse. Das geschähe dadurch, dass der Schlächter das Fleisch... Die Folge dieses Äußerung war, dass die Bevölkerung von Hilmes die Abnahme von Fleisch, das jüdische Metzger aus der Umgegend bisher dorthin geliefert hatten, bis zum heutigen Tage ablehnten. Der Landesverband Hessen-Nassau und Hessen des Zentralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens hatte deshalb Strafantrag wegen Religionsbeschimpfung (§ 106 des Strafgesetzbuches) gestellt, der aber mangels eines Dauerwohnsitzes des Angeschuldigten erst am 28. April 1930 vor dem Großen Schöffengericht in Kassel zur Verhaltung gelangen konnte. Wie nicht anders zu erwarten war, leugnete der Angeklagte Bergemann mit aller Entschiedenheit, die fragliche Äußerung gebraucht zu haben und versuchte sich damit herauszureden, dass er bei seinen damaligen Ausführungen auf das für Juden geltende religionsgesetzliche Verbot, das Hinterviertel geschlachteter Tiere zu genießen, hingewiesen habe. Er könne schon deshalb die Beschuldigung, die den Gegenstand der Anklage bilde, nicht erhoben haben, weil (wörtlich) er sich persönlich sehr eingehend mit Talmudübersetzungen beschäftigt habe und daher sehr genau wisse, dass es etwas Derartiges im jüdischen Religionsgesetz nicht gäbe. Die sämtlichen nichtjüdischen Zeugen aus Hilmes, die seinerzeit die Versammlung besucht hatten, bestätigten jedoch fast wörtlich die unerhörte Beschuldigung und einige Zeugen führten sogar hinzu, dass sie im Glauben an die Wahrheit dieser Beschuldigung bis heute den Bezug von Fleisch durch jüdische Metzger abgelehnt hätten. Interessant war hierzu die eidliche Aussage eines aus Schenklengsfeld vorgeladenen jüdischen Händlers, dass unmittelbar nach der Versammlung in Hilmes eine Bauersfrau einmal zwar Fleisch gekauft, es aber in seinem Beisein tüchtig abgerieben und unter die Wasserleitung gehalten habe mit dem Bemerken, es sei ja bekannt, dass die Juden das für Christen bestimmte Fleisch nach dem Religionsgesetz vorher verunreinigen müssten. Der Staatsanwalt geißelte in seinem Plädoyer scharf das Verhalten des Angeklagten, das eine Bestrafung nach der ganzen Schwere des Gesetzes erfordere, da Bergemann durch seine eigene Erklärung, dass er von dem Nichtbestehen derartiger Religionsvorschriften genau unterrichtet sei, zu erkennen gegeben habe, dass er seine Behauptung wider besseres Wissen aufgestellt habe, offenbar nur zu dem Zweck, um 'wie auch in seinen anderen Reden mit unredlichen Mitteln für seine Partei zu werben'. Der Staatsanwalt beantragte demgemäss eine Verurteilung zu drei Monaten Gefängnis. Das Gericht verhängte über den Angeklagten nach kurzer Beratung wegen eines Vergehens der Religionsbeschimpfung eine Gefängnisstrafe von zwei Monaten, die in eine Geldstrafe von 180 Mark umgewandelt wurde. In der Urteilsbegründung wurde ausgeführt, dass Bergemann in roher und verletzender Form die jüdische Religionsgesellschaft und ihre Gebräuche beschimpft habe und dass der außerordentlich schwere Vorwurf auch eine empfindliche Strafe verdiene."                  

   
   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
Die Lebensgeschichte von Meier Friede (geb. 1820 in Schenklengsfeld als Sohn des damaligen Lehrers Friede, 1842 nach Amerika ausgewandert)  

Schenklengsfeld AZJ 17121867a.jpg (139651 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. Dezember 1867: "Meier Friede.  Hatten wir es in der Schilderung der beiden Abgeordneten Nr. 14 und 22 mit Männern zu tun, die ihrer Geburt und gesellschaftlichen Stellung nach den Kreisen der amerikanischen Aristokratie angehören - auch Amerika, das südliche vorzugsweise, hat seine Aristokratie, und unter den Juden rechnen sich die von portugiesischer Abkunft dahin, und wohl auch solche, die sich dem portugiesischen Kultus angeschlossen haben und die nicht selten hochmütig auf ihre deutsch redenden Brüder herabsehen, während sie selbst ihr schlechtes Deutsch nur mit einem noch schlechteren Englisch vertauscht haben - in dieser Skizze haben wir es mit einem Manne zu tun, der aus den drückendsten und ärmlichsten Verhältnissen hervorgegangen, durch Geistes- und Willenskraft, durch Flei8ß und Ausdauer zu stattlichen Würden und materiellen Gütern gelangt ist, der im vollsten Sinne des Wortes der Schmied seines eigenen Glückes geworden.  
Meier Friede wurde um das Jahr 1820 in Schenklengsfeld, einem kleinen Orte in Kurhessen, geboren, woselbst sein Vater die Lehrer- und Vorsängerstelle bekleidete. Nur wenige Jahre zählte der Knabe, als der Vater starb, der seine Familie - die gewöhnliche Hinterlassenschaft der Lehrer - in Not und Armut zurückließ. Der geistvolle Knabe musste es sich gefallen lassen, bei einem Buchbinder als Lehrling angedrungen zu werden. Wie lange er dieses Handwerk getrieben, wissen wir nciht. Das Jahr 1842 findet ihn in Amerika. Den unvermeidlichen Hausiererbündel auf dem Rücken, durchstreift er mehrere Jahre hindurch das Land 'nach seiner Länge und nach seiner Breite', bis es ihm gelingt, einen 'store' zu eröffnen. Der 'Store' ist in der Regel der Gegenstand der heißesten Sehnsucht aller 'Peddlar' und der Schlussstein ihrer Wirksamkeit, nur dass mit der Zeit der 'store' zu 'stores' und das 'Retail' zu einem 'whole-sale-business' werden muss, dann ist das 'Goldland' erreicht. Nicht so bei unserem Friede. Als er durch sein Geschäft sich einiges Vermögen erworben hatte, verlegte er sich auf das Rechtsstudium, und nach wenigen Jahren finden wir in in St. Louis, in Missouri, die Advokatur ausüben und bald darauf als Richter an einem dortigen Gerichtshofe (court). Er kaufte in jener Zeit ein Stück  
Schenklengsfeld AZJ 17121867b.jpg (341685 Byte)Land von 960 Ackern an, das in dem damals noch sehr dünn bevölkerten Missouri um einen Spottpreis losgeschlagen wurde, das aber in Kurzem einen so hohen Wert erreichte, dass es seinen Besitzer zu einem der wohlhabendsten Männer des Staates machte. 
Im Jahre 1860 wählte ihn die jüdische Gemeinde 'Bnai-El' zu St. Louis zu ihrem Vorsteher, und seine Bemühungen waren es, die dieser Gemeinde einen geregelten, mit Orgel und Chor begleiteten Gottesdienst verschafften. Am 6. August desselben Jahres (1860) wurde er mit großer Stimmenmehrheit von Seiten der republikanischen Partei zur Staats-Legislatur von Missouri erwählt. Hier, in Jefferson-City, dem Sitze des Missouri-Gouvernements, fand Herr Friede bald Gelegenheit, nicht bloß seine Beredsamkeit zu entfalten, sondern auch für seine Glaubensbrüder in die Schranken zu treten. Wir lassen hier Herr Dr. Einhorn in seinem 'Sinai' (1861) sprechen.  
Der weitere Text ist noch nicht ausgeschrieben - bei Interesse bitte anklicken. 
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 Zum Tod von Joseph Plaut (1871)     

Schenklengsfeld Israelit 19041871.jpg (110489 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. April 1871: "Nekrolog. Am Schabbat Paraschat Sachor, den 4. März, entschlief dahier zu einem besseren Jenseits der Jüngling Joseph Plaut aus Schenklengsfeld in seinem 26. Lebensjahre und wurde am Taanit Ester (Fasten der Ester), den 6. März, mit großer Ehre zur Ruhe bestattet. Im elterlichen Hause zur Tora und Frömmigkeit angehalten, kam er schon in seinem 10. Jahre nach Zell bei Würzburg, woselbst er sich ca. 7 Jahre fleißig mit unserer Heiligen Tora beschäftigte. Nachdem lernte er einige Jahre bei Herrn Rabbiner Dr. Lehmann in Mainz, später widmete er sich dem Handelsstande und war seit 1870 hier im Geschäft seines Bruder tätig. In dieser Stellung versäumte er nicht, täglich einige Stunden zu lernen, um sich immer mehr in unserer Heiligen Tora zu vervollkommnen, sowie auch sein stetes Bestreben Tora und Gottesdienst war und ein Erfüller der Mizwot zu sein. Er war ein echter Jehudi und ein großer gottesfürchtiger Mann und bewies die allgemeine Teilnahme bei seiner Beerdigung, welch frommen Lebenswandel derselbe geführt. Möge er droben seinen Lohn finden für sein edles gottgefälliges Bestreben und mögen besonders seine Eltern und Geschwister sich mit dem Gedanken trösten, dass der Verewigte bei all Denen, die ihn gekannt, einen guten Namen hinterlassen und seine Seele nun im Garten Eden aufbewahrt ist. Sein Andenken gereiche uns zum Segen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens
Frankfurt am Main, im März 1871. S.K. 
(Auch wir weinen dem Dahingeschiedenen, der uns einst ein teurer Schüler gewesen, eine Träne der innigsten Wegmut nach. Red., sc. Dr. Lehmann)."   

    
Zum Tod von Jisaschar (Isacher) Plaut (1871)  

Schenklengsfeld Israelit 10051871.jpg (138787 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Mai 1871: "Nekrolog. Kaum begegnen wir in der Beilage zu Nr. 16 des 'Israelit' der Trauerbotschaft über den in Frankfurt am Main dahingeschiedenen frommen Jüngling Joseph Plaut aus Schenklengsfeld, als wir auch den Tod seines Bruders Jisaschar Plaut in Schenklengsfeld, zum unaussprechlichen Schmerz seiner Eltern und Geschwister und zum Leid aller Verwandten und Bekannten erfahren. Am Schabbat Chol HaMoed Pessach, den 8. April, entschlief derselbe in seinem 25. Lebensjahre, als eben die 30 Tage Trauerzeit um seinen Bruder zu Ende waren, zu einem besseren Leben und wurde den 3. Tag Chol HaMoed (3. Halbfeiertag von Pessach) zu Grabe getragen. Nachdem die beiden älteren Söhne des Rabbi Juda Plaut von ihrem Vater dem Tora-Studium gewidmet waren, wurde dieser dritte Sohn zur Mitwirkung im väterlichen Geschäfte angehalten. So oft aber derselbe ein Stündchen erübrigen konnte, wandte er solches zum Studium der Tora an und suchte, unterstützt von seinen Eltern, soviel es ihm nur möglich war, sich in dieser heiligen Wissenschaft zur Ehre Gottes Kenntnisse anzueignen. Nach Vollendung seiner Tagesgeschäfte konnte man ihn gar oft noch in der spätesten Nacht, ermüdet von des Tages Last, am Lerntische beim Pentateuch mit Raschis Erklärungen oder Chaje Adam beschäftigt sehen. Nie versäumte er das öffentliche Gebet und war stets einer der Ersten und Letzten in der Synagoge. Mochte er noch so große Eile haben und mochte noch so stark in ihn gedrungen werden, er wich nicht eher aus der Synagoge, bis auch das Gebet vollständig zu Ende war. Auf seinen Geschäftsgängen trug er stets sein kleines Gebetbuch bei sich und betete so, gehend oder fahrend, das Tagesgebet. Wo es eine Mizwa (Weisung) zu tun gab, fehlte er nicht; dies Alles war er, und noch viel mehr umschloss sein reiches Herz. Unersättlich im Gutes tun, war er immer nicht zufrieden mit sich selbst. Sein ganzes Leben und Streben war nur Tora, Weisung und gute Taten. Möge er droben seinen Lohn finden. Seine trauernden Eltern möge Gott trösten ob des herben Verlustes zweier so frommer gottseligen Söhne. Wir aber können nicht umhin, unsern Schmerz auszudrücken mit der Rufe: 'Wehe um die, die dahinschwinden, und nicht mehr aufzufinden sind'.  
Schenklengsfeld, im April 1871. Herz Spiro."  
Anmerkung: Isacher Plaut war einer der ersten auf dem jüdischen Friedhof Schenklengsfeld Beigesetzten (Grabstein in der vom Eingang hintersten Reihe 1 Nr. 1)  

  
Zum Tod der Frau von Juda Plaut (1878)  

Schenklengsfeld Israelit 13031878.jpg (98064 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. März 1878: "Nekrolog. Schenklengsfeld, den 21. Januar. Trauernd folgten wir heute dem Sarge, der die Hülle einer edlen Frau in sich schloss. Frau Juda Plaut ist nicht mehr. Die Dahingeschiedene, eine wackere Frau, verdient, dass ihr Name in diesem Blatte genannt wird. Durch ihre gottgefällige Handlungen hat sie sich ein bleibendes Denkmal in den Herzen derer, die sie kannten, gesichert. Was sie ihrem frommen Gatten, ihren in Liebe zu ihr erglühten Kindern gewesen, vermag diese Feder nicht zu schildern. Zwei ihrer Söhne, von denen der eine leider nicht mehr, widmete sie dem Studium der heiligen Tora, ihren im Wohl tun unermüdlichen Gatten unterstützte sie nach besten Kräften, den Armen spendete sie mit vollen Händen. - Die vielen schweren Prüfungen, die ihr die Vorsehung auferlegte, ertrug sie mit unaussprechlicher Geduld, mit unerschütterlichem Gottvertrauen. Als vor drei Jahren ein schweres Leiden sie befiel, zog es Herr Plaut vor, den Ort, der so viel schmerzliche Erinnerungen für ihn in sich barg, zu verlassen und nach Hersfeld zu übersiedeln. Auch auch hier suchte ihn die Vorsehung heim. Gott tröste ihn und die tieftrauernden in Schmerz aufgelösten Kinder. Möge die Dahingeschiedene eingehen in die Tore der Frömmigkeit. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."   

 
Zum Tod von Hirsch Weinberg (1905) 

Schenklengsfeld FrfIsrFambl 27101905.jpg (23636 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 27. Oktober 1905: "Fulda. Der vor einigen Jahren von Schenklengsfeld nach hier verzogene Kaufmann Hirsch Weinberg, ein prächtiger Mensch im traditionell jüdischem Sinne, verschied am Jaumkippur (Jom Kippur, das war der 9. Oktober 1905)." 

  
Goldene Hochzeit von J. Weil und Johanna geb. Löbenstern (1920)  

Schenklengsfeld Israelit 24061920.jpg (68164 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Juni 1920: "Schenklengsfeld, 20. Juni (1920). In körperlicher Rüstigkeit und geistiger Frische feierten am 16. Juni dieses Jahres - am 1. Tammus - Rosch Chodesch Tammus - die Eheleute J. Weil und Johanna geb. Löbenstern, das Fest der goldenen Hochzeit im Kreise ihrer zahlreichen Kinder und Enkelkinder und unter allgemeiner Beteiligung der Gemeinde. Eingeleitet wurde die Feier in der schön geschmückten Synagoge durch einen erhebenden Festgottesdienst, in welchem der Lehrer der Gemeinde, Herr Grünewald, eine zu Herzen gehende Ansprache hielt und ein Bild von der aufopfernden Wirksamkeit des Jubelpaares entwarf. Der Sohn des Jubelpaares, Herr Lehrer Weil, Neustadt, gedacht in rührenden Worten der mühevollen Aufopferung und selbstlosen Hingabe seiner Eltern zu ihren Kindern. Zur Verschönerung und weihevollen Stimmung des Festgottesdienstes trug auch wesentlich der gut geschulte Synagogenchor bei, der unter Leitung des Lehrers Grünewald in ergreifender Weise Ma tauwu sang. Möge dem ehrwürdigen Jubelpaar ein weiterer ungetrübter Lebensabend beschieden sein."  

  
90. Geburtstag von Marianne Abraham geb. Lustig (1928)  

Schenklengsfeld Israelit 16081928.jpg (15411 Byte) Meldung in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. August 1928: "Schenklengsfeld, 14. August (1928). Ihren 90. Geburtstag beging in größter Frische Frau Marianne Abraham geb. Lustig dahier."  
  
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und Waldeck" vom 17. August 1928: "Aus Schenklengsfeld. Ihren 90. Geburtstag beging in größter Rüstigkeit und Geistesfrische Frau Marianne Abraham geb. Lustig, dahier."      

   
Über Rabbiner Dr. Magnus Weinberg (1867 in Schenklengsfeld - 1943 im Ghetto Theresienstadt)  

Dr. Magnus Weinberg ist am 13. Mai 1867 in Schenklengsfeld geboren. Er studierte in Fulda, Halberstadt und am Rabbiner-Seminar in Berlin. Seit 1895 war der Bezirkrabbiner im bayerischen bzw. oberpfälzischen Sulzbürg (siehe die Artikel zu ihm), später in Neumarkt in der Oberpfalz. 1931 wurde er mit der Zusammenlegung der Rabbinate Rabbiner in Regensburg. Seit 1935 wohnte er im Ruhestand in Würzburg. Seine Frau Judith war die Tochter des Rabbiner Nathan Bamberger in Würzburg. Von März 1938 an übernahm Dr. Weinberg die geistliche Betreuung der Gemeinde Würzburg und wurde mit den letzten jüdischen Einwohnern der Stadt im September 1942 nach Theresienstadt deportiert. Seine Frau Judith starb Ende Dezember 1942 in Theresienstadt, er selbst im März 19043. Dr. Magnus Weinberg publizierte zahlreiche historische Beiträge.   

  
Über Dr. Rudolf Weinberg (1873 in Schenklengsfeld - 1941 in Frankfurt)   

Dr. med. Rudolf Weinberg ist 1873 in Schenklengsfeld geboren. Etwa ab 1900 war er als Arzt in Bad Orb tätig und besonders bei der armen Bevölkerung sehr angesehen. Nach 1938 musste er Bad Orb verlassen. Er starb 1941 in Frankfurt am Main  und wurde auf dem jüdischen Friedhof an der Rat-Beil-Straße beigesetzt. Die Stadt Bad Orb ließ nach 1945 auf seinem Grab eine Gedenktafel anbringen. In Bad Orb wurde eine Straße nach ihm benannt (Dr. Weinberg-Anlage). 

  
  
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen    
Anzeigen der Eisen- und Dielenhandlung bzw. Eisen-, Holz- und Maschinenhandlung Wolf Katz (1902 / 1904)  

Schenklengsfeld Israelit 31071902.jpg (27927 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Juli 1902: 
"Suche einen Lehrling 
mit guter Schulbildung für meine Eisen- und Dielenhandlung. Samstag und israelitische Feiertage geschlossen. 
Wolf Katz,
Schenklengsfeld."  
   
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. April 1904: 
"Suche per sofort für meine Eisen-, Holz- und Maschinenhandlung 
zwei tüchtige Verkäufer.
 
Samstags und israelitische Feiertage geschlossen. 
Wolf Katz,
Schenklengsfeld (Kreis Hersfeld)."  

        
Anzeige des Manufakturwarengeschäftes A. & S. Katz (1904)  

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Februar 1904: 
"Suchen für unser Schabbos und Jomtof (Feiertag) geschlossenes Manufakturwaren-Geschäft einen tüchtigen Detailreisenden  
für kleinere eingeführte Landtouren, bei angenehmer Stellung. 
A. & S. Katz, Schenklengsfeld."  

    
Todesanzeige für Abraham Katz (1938)   

Schenklengsfeld Israelit 10021938.jpg (44851 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Februar 1938: "Am 28. Januar verschied nach schwerem Leiden mein guter Gatte, unser lieber Vater, Schwiegervater, Großvater, Bruder, Schwager und Onkel 
Abraham Katz
im 73. Lebensjahre. 
Die trauernden Hinterbliebenen Clothilde Katz geb. Löbenberg. 
Haifa, Schenklengsfeld."  
Anmerkung: Abraham Katz (geb. 1865 in Buchenau) lebte mit seiner Familie (Frau Clothilde geb. Löbenberg und den Töchtern Frieda, Mally und Klara in einem 1962 abgebrochenen Haus an der Straßenkreuzung Friedewalder Straße/Landecker Straße. Katz war Inhaber eines weithin bekannten Geschäftes mit Eisenwaren, Baumaterialien und Haushaltsgeräten. Abraham und Clothilde Katz sowie Tochter Mally (verh. Gutmann) emigrierten im März 1936 über Frankfurt nach Palästina, wo seit zwei Jahren bereits die Tochter Klara (verh. Westheimer) lebte.  

  
  
Sonstiges        
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert: 
Grabstein in New York für Charlotta Weinberg aus Lichtenfels (1828-1879) und Robert Weinberg aus Schenklengsfeld (1827-1880)  
   
Anmerkung: die Gräber befinden sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn; der Geburtsname von Charlotta Weinberg wird nicht mitgeteilt
.  

Schenklengsfeld NY Cyprus 1760.jpg (134916 Byte)   Schenklengsfeld NY Cyprus 1760a.jpg (118450 Byte)   Grabsteine für 
"Charlotta Beloved Wife of Robert Weinberg 
Born in Lichtenfels Bavaria  Feby. 1st 1828 
Died in New York July 19th 1859" und für 
"Robert Weinberg
Born in Schenklengsfeld Hesse Cassel April 1st 1827  
Died in New York Nov 1st 1880". 

  
  
  
Zur Geschichte der Synagoge        
   
Zunächst war ein Betsaal, dann spätestens um 1820 eine erste Synagoge vorhanden. Bei der alten Synagoge handelte es sich um einen Anbau hinter dem Haus des Raphael Israel Weinberg, dem sie auch gehörte. Nach einem Bericht von 1821 war die Synagoge "geräumig genug, um sämtliche dazu gehörige Gemeindemitglieder aufzunehmen...". Damals gab es einen Streit in der Gemeinde: Hirsch Meyer Plaut hatte in seinem Haus eine Privat-Synagoge eingerichtet, die von den Behörden allerdings nur zu dem Zweck genehmigt wurde, dass Plaut für sich und seine Kinder darin Betstunde abhalten konnte, jedoch nicht gemeinsam mit anderen Familien des Ortes. Die Synagoge im Anbau hinter dem Haus von Raphael Israel Weinberg verfügt 1829 über 36 Männerplatze und 22 Frauenplätze. 1845 wurde die Synagoge durch Moses Weinberg erweitert. Sie reichte nun aus, bis 1876 von der jüdischen Gemeinde der Entschluss gefasst wurde, eine neue Synagoge zu bauen. Diese neue Synagoge wurde nach den Plänen des Hersfelder Architekten Ehrhart 1883 erbaut, nachdem die alte Synagoge abgebrochen worden war. Während der Bauzeit wurden die Gottesdienste in der jüdischen Schule am Marktplatz abgehalten.      
  
Am 15. November 1883 konnte die neue Synagoge eingeweiht werden. Sie war über 50 Jahre Mittelpunkt des religiösen Lebens der jüdischen Gemeinde in Schenklengsfeld. Dieses religiöse Leben in Schenklengsfeld war orthodox geprägt. 
  
Über einen besonderen Höhepunkt liegt ein Bericht von 1929 vor, in dem der festliche Gottesdienst in der Synagoge in Schenklengsfeld anlässlich der Einweihung einer neuen Torarolle in Anwesenheit von Provinzialrabbiner Dr. Cahn geschildert wird:  
    
Einweihung einer neuen Torarolle (1929)  

Schenklengsfeld Israelit 05121929.jpg (143544 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Dezember 1929: "Schenklengsfeld, 1. Dezember (1929). Am Schabbos Lech Lecha fand die feierliche Einweihung einer von Herrn Levi Tannenberg gestifteten neuen Sefer Tora (Torarolle) statt. Nach Beendigung des Minchagebetes am Freitag Nachmittag wurde die neue Torarolle durch die alten Torarollen, welche durch die ältesten Gemeindemitglieder der neuen Torarolle entgegengetragen wurden, eingeholt. Am Eingang der Synagoge nahm Herr Provinzialrabbiner Dr. Cahn die Torarolle in Empfang. Beim Einzug wurde sie durch das Boruch-Habboh des vierstimmigen Männerchores begrüßt. Hierauf folgten die Umzüge unter Gesang des Ono Haschem. Die Torarollen wurden unter Chorgesang Jehallalu und U'wenucho in die heilige Lade zurückgebracht. Nach der sehr eindrucksvollen Ansprache des Herrn Rabbiner sang der Chor En-Kelohenu, worauf das Abendgebet folgte. Den Glanzpunkt des feierlichen Tages bildete die Rede unseres verehrten Rabbiner beim Schabbosmorgengottesdienste. Seine herrlichen Worte, die von glühendster Begeisterung für Tora und Wahrheit getragen waren, zogen alle Hörer in Bann und versetzte die ganze Gemeinde in tiefste Ergriffenheit. Nach Sabbatausgang versammelte sich die Gemeinde mit  ihren Gästen zu einem 'gemütlichen Abend' im Saale des Gasthofes 'Zur Linde'. Der feierliche Abend wurde durch einen von Fräulein Tannenberg vorgetragenen Prolog eingeleitet. Hierauf wurde ein gemeinsamer Imbiss eingenommen, dem das Tischgebet folgte, welches versteigert wurde und einen ansehnlichen Betrag für das Heilige Land ergab. Herr Lehrer Grünewald hielt sodann eine Begrüßungsrede an die Festteilnehmer, in welche er den dank der Gemeinde an die Stifter der Torarolle einschloss und dem Wunsche Ausdruck verlieh, dass die Worte unseres verehrten Herrn Rabbiner reichliche Früchte tragen und mit der neuen Torarolle auch ein neuer jüdischer Geist in unsere Gemeinde, insbesondere in die Herzen des heranwachsenden Geschlechtes einziehen möchte. Musikstücke, theatralische Darbietungen und vorträge ließen die Stunden rasch vorübergehen und in später Nachtstunde trennte man sich mit dem Bewusstsein, einen Tag verbracht zu haben, der einer wirklichen - von Gott gebotenen Freude - geweiht war."     
 
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und Waldeck" vom 29. November 1929: "Schenklengsfeld. Am Sabbat Lech L'choh fand in hiesiger Gemeinde die Einweihung einer neuen Sefer-Thora statt, die von Herrn Levi Tannenberg gestiftet wurde. Der Freitagabend wurde durch Chorgesang und eine Ansprache des Provinzial-Rabbiners Dr. Cohn (Fulda) feierlichst begangen. Die eigentliche Festrede hielt der Herr Rabbiner beim Sabbat-Morgengottesdienst. Bei einem festlichen Zusammensein am Abend hielt Herr Lehrer Grünewald eine Begrüßungsrede, in die er den Dank der Gemeinde an den hochherzigen Stifter einschloss."         

In der Synagoge wurden vermutlich bis 1937/Anfang 1938 Gottesdienste abgehalten. Dann war die Zahl der jüdischen Einwohner so stark zurückgegangen, dass keine Gottesdienste mehr stattfinden konnten.  
  
Beim Novemberpogrom 1938 sollte die Synagoge angezündet werden, doch wurde ein Brandanschlag durch den Kreisleiter Kriep verhindert, der ein Übergreifen der Flammen auf ein nahe stehendes Gehöft befürchtete. Ende Februar 1939 wurde die Synagoge jedoch abgebrochen.  
 
Aus dem Synagogengrundstück wurde nach 1945 ein Wohnhaus erbaut. Eine Gedenktafel ist an der Mauer vor dem Synagogengrundstück angebracht.   
     
     
Adresse/Standort der Synagoge:   hinter Landecker Straße 17 
     
     
Fotos
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 7.4.2009; bei Angabe JudaicaMuseum ist die Quelle  www.judaicamuseum.de

Historische Ansichtskarte mit der 
Synagoge in Schenklengsfeld  
(Sammlung Hahn)  
 Schenklengsfeld Synagoge 201601sc.jpg (311009 Byte) Schenklengsfeld Synagoge 201601sca.jpg (36485 Byte)
        Die Karte wurde am 14.Mai 1906 von Schenklengsfeld an ein Fräulein Gutberlet nach Bad Hersfeld verschickt.    
     
Zeichnungen / Skizze des Synagoge 
(Quelle: JudaicaMuseum)
Schenklengsfeld Museum 190.jpg (67032 Byte) Schenklengsfeld Museum 191.jpg (71852 Byte)
  Bau-Schnittzeichnungen der 
Synagoge von 1883
Kolorierte Skizze der 
ehemaligen Synagoge
      
Schenklengsfeld Synagoge 172.jpg (103947 Byte) Schenklengsfeld Synagoge 170.jpg (120303 Byte) Schenklengsfeld Synagoge 171.jpg (74193 Byte)
Blick auf das Grundstück der ehemaligen Synagoge (Blickrichtung wie bei der 
Skizze rechts oben) 
Gedenktafel für die 
ehemalige Synagoge 
     
Die jüdische Schule in der
 Landecker Straße 14
Schenklengsfeld Museum 187.jpg (124359 Byte) Schenklengsfeld Ort 171.jpg (75682 Byte)
   Zeichnung des Schulhauses 
(JudaicaMuseum) 
Das völlig umgebaute 
Schulhaus (2009) 
       
Die Mikwe / 
rituelles Bad 
Schenklengsfeld Mikwe 170.jpg (74164 Byte)    
    Das rituelle Bad befand sich im 
Bereich des abgebildeten Wohnhauses 
   
     
Erinnerungen an die jüdische Geschichte in Schenklengsfeld im "JudaicaMuseum",
 ehemaliges Lehrerhaus der jüdischen Gemeinde 
Schenklengsfeld Museum 171.jpg (95275 Byte) Schenklengsfeld Museum 172.jpg (84839 Byte) Schenklengsfeld Museum 170.jpg (83313 Byte)
 Ansichten des früheren jüdischen Lehrerhauses, heute JudaicaMuseum. Das 
Lehrerhaus wurde 1912/13 erbaut und dann von den Lehrerfamilien Jakob Grünewald
 (1913-32), Joseph Eschwege (1932-36) und Manfred Levisohn (1936-38) bewohnt.  
 Tafeln an der Eingangstüre mit Hinweis 
auf die Auszeichnung durch den 
Hessischen Denkmalpreis 1999 
     
Schenklengsfeld Museum 175.jpg (100970 Byte) Schenklengsfeld Museum 174.jpg (49791 Byte) Schenklengsfeld Museum 192.jpg (64426 Byte)
   Original aus der Zeit als Lehrerhaus: Eingangstüre, Treppenaufgang    Fach-Bibliothek im JudaicaMuseum 
     
Schenklengsfeld Museum 130.jpg (53338 Byte)  Schenklengsfeld Museum 132.jpg (58648 Byte) Schenklengsfeld Museum 133.jpg (68127 Byte)
 Vitrinen im Judaica-Museum 
        
Schenklengsfeld Museum 177.jpg (86968 Byte) Schenklengsfeld Museum 181.jpg (69033 Byte) Schenklengsfeld Museum 131.jpg (60196 Byte)
Vitrinen im JudaicaMuseum
     
Schenklengsfeld Museum 189.jpg (71007 Byte) Schenklengsfeld Museum 178.jpg (69807 Byte) Schenklengsfeld Museum 178a.jpg (45844 Byte)
  Links in der Mitte: Kennzeichen von Semi Katzenstein, der im Ghetto Theresienstadt 
ls Gerichtsdiener für die (jüdische) Lagerleitung arbeitete; darüber (Ausschnitt rechts): 
der "gelbe Stern" von Martha Katzenstein, den sie in Theresienstadt bis zur Befreiung 
am 8.Mai 1945 tragen musste.
      
Schenklengsfeld Museum 185.jpg (54092 Byte) Schenklengsfeld Museum 182.jpg (81291 Byte) Schenklengsfeld Museum 184.jpg (77174 Byte)
Tefillin Originaler Matzenkorb zum Pessachfest der Familien Katz und Hirschfeld. Der Korb war 
über 100 Jahre im Gebrauch und wurde dem JudaicaMuseum von Judith Stein geb. Hirschfeld
 geschenkt. Die umlaufende hebräische Inschrift lautet: "7 Tage sollt ihr Mazzot essen".
  
     
Schenklengsfeld Museum 199.jpg (68648 Byte) Schenklengsfeld Museum 194.jpg (78282 Byte) Schenklengsfeld Museum 196.jpg (60181 Byte)
  Lehrerfamilie Jakob Grünewald 
im Jahr 1910 
Lehrer Joseph Eschwege und Frau Bertha 
geb. Adler; er war der letzte Lehrer der
 jüdischen Schule; beide wurden nach Riga
 deportiert und sind dort umgekommen.
 
      
   Schenklengsfeld Museum 198.jpg (74640 Byte) Schenklengsfeld Museum 197.jpg (61104 Byte)
   Reisepass von Beate Nussbaum,
 geb. 5.11.1919 in Schenklengsfeld 
Schulbuch von 
Lotte Katzenstein
           
Jüdisches Wohnhaus in Schenklengsfeld, noch 1934 erbaut Schenklengsfeld Ort 170.jpg (74434 Byte)   
     
     

     
     
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  

Juli 2009Martin Löwenberg (geb. 1928 in Schenklengsfeld) berichtet vor Schülerinnen und Schülern in der Lichtbergschule Eiterfeld
Artikel von Victoria Bottin der "Fuldaer Zeitung" vom 5. Juli 2009 (Artikel): 
Schenklengsfelder berichtet über KZ-Erlebnisse. 
EITERFELD
"Es geht mir immer noch durch den Kopf, und ich habe Alpträume", berichtet der KZ-Überlebende Martin Löwenberg den Schülern der Lichtbergschule Eiterfeld, und die Jugendlichen sind in diesem Moment mucksmäuschenstill...".    
 
März 2011: Video von Johannes Hesse: Martin Löwenberg zum Besuch auf dem jüdischen Friedhof in Schenklengsfeld    
 
 

    

   
Links und Literatur  

Links:   

Schenklengsfeld Friedhof 050.jpg (66595 Byte)Website der Gemeinde Schenklengsfeld mit Seite zum jüdischen Friedhof: hier anklicken (Foto stammt von dieser Seite) 
Website www.schenklengsfeld.info  mit Seiten: Zur jüdischen Gemeinde von Schenklengsfeld,   zur alten und neuen Synagoge in Schenklengsfeld,  zu den Opfern der Judenverfolgung 1933-1945 aus der Gemeinde SchenklengsfeldKarte mit den jüdischen Wohnhäusern um 1930 in Schenklengsfeld.    
Zur Seite über den jüdischen Friedhof in Schenklengsfeld (interner Link)      
Seite zum Judaica-Museum Schenklengsfeld www.judaica-schenklengsfeld.de                 
Seiten zur jüdischen Geschichte von Schenklengsfeld auch bei www.hassia-judaica.de   
Private Website zu Schenklengsfeld von Johannes Hesse mit Informationen zum jüdischen Friedhof 
Webportal HS 010.jpg (66495 Byte)Webportal "Vor dem Holocaust" - Fotos zum jüdischen Alltagsleben in Hessen mit Fotos zur jüdischen Geschichte in Schenklengsfeld

Quellen:  

Hinweis auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Schenklengsfeld 
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs (innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar: 
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41              
Zu Schenklengsfeld sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):    
HHStAW 365,755   Trauregister der Juden von Schenklengsfeld  1825 - 1933    https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v290100     
HHStAW 365,754   Geburtsregister der Juden von Schenklengsfeld  1925 - 1933   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v825446       
HHStAW 365,757   Sterberegister der Juden von Schenklengsfeld  1825 - 1938     https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v290101                
HHStAW 365,756   Trauregister der Juden von Schenklengsfeld  1877 - 1912; enthält auch Angaben zu Personen aus Bad Hersfeld     https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1900011     

Literatur:  

Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 268-270. 
Keine Abschnitte zu Schenklengsfeld in Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 und in dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. 
Schenklengsfeld Literatur 010.jpg (72771 Byte)Karl Honikel u.a.: Geschichte der jüdischen Gemeinde Schenklengsfeld. Schenklengsfeld 1988. 
Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 66-67. 
Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 595-597.
Lit 400 Jahre Juden Rhoen.jpg (135549 Byte)Michael Imhof: 400 Jahre Juden in der Rhön. Herausgegeben von Zukunft Bildung Region Fulda e. V.
21 x 29 cm, 344 Seiten, 562 Farb- und 59 S/W-Abbildungen, Klappenbroschur. ISBN 978-3-7319-0476-2
(D) 39,95 €, (A) 41,10 €, CHF 45,90. 
Erschienen im Michael Imhof-Verlag. Informationsseite zur Publikation mit Downloads und "Blick ins Buch"   
Seit 400 Jahren waren Juden in den Landstädten und Dörfern der hessischen Rhön urkundlich verbürgt. Ende des Mittelalters und noch zu Beginn der Frühen Neuzeit aus ihren angestammten Wohngebieten vertrieben, fanden viele von ihnen auf den Territorien von Ritterschaften und der Universität Würzburg auch in der Rhön eine neue Bleibe. Erst mit der rechtlichen Gleichstellung der Juden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte für sie ein wirtschaftlicher und sozialer Prozess ein, der den Namen Emanzipation verdient. In den Gemeinden der Rhön wurden sie zu wesentlichen Wegbereitern der Moderne. Dieser Entwicklung stellte sich ein zunehmender Antisemitismus schon in der Kaiserzeit entgegen. Als mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 der Judenhass zum Regierungsprogramm wurde, begann auch für die in der Rhön lebenden Juden eine Zeit der Demütigungen und Verfolgungen mit dem Ziel ihrer Vertreibung und Vernichtung.    

     
       


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Schenklengsfeld Hesse-Nassau. Established by 1673, the community was subject to various restrictions and only developed in the 19th century. Commercial success enabled the Jews to maintain an elementary school from 1843 to 1933. A new synagogue was built in 1883, and the population grew from 65 (8 % of the total) in 1819 to 188 (17 %) in 1885. The Jews paid one-third of the local tax bill and provided the village with seven of its 12 councilmen (1898), but their prominence and prosperity aroused Christian resentment. After Wordwar I, branches of the Central Union (C.V.) and the Jewish Was Veterans Association were active and the community became affiliated with the rabbinate of Fulda. From March 1933 there war recurrent Nazi violence. Through temporarily spared on Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue was demolished three months later. By September 1940 all the Jews had left. Of the 127 (4 %) registered there in 1933 84 emigrated (mostly to the U.S.); at least 23 perished in the Holocaust.  
   
     

                   
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Stand: 13. Dezember 2017