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Lichtenfels (Kreisstadt)
mit -Seubelsdorf
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Lichtenfels lebten Juden bereits im Mittelalter.
1268 war Graf Hermann von Henneberg bei Juden in Lichtenfels verschuldet.
Bei der Judenverfolgung 1298 (sog. "Rindfleisch"-Verfolgung) wurden
auch in Lichtenfels Juden ermordet, unter anderem der junge Lehrer Lemlein ben
Baruch. Erst Anfang des 15. Jahrhunderts werden wieder Juden in der Stadt
genannt. 1403 waren es zwei Juden (beziehungsweise jüdische Familien), 1450
fünf Familien. Zwei dieser Familien waren von Kronach zugezogen. Bis Mitte des
15. Jahrhunderts begegnen aus Lichtenfels stammende Juden in Coburg (1418,
1421), Wörth/Nürnberg (1435), Marktgraitz (1450) und Siemau (1450), später in
Kulmbach (1476) und in Stein am Rhein (1489). Die Lichtenfelser Juden lebten
auch im 15. Jahrhundert überwiegend vom Geldhandel. Nicht nur Einwohner von
Lichtenfels und Umgebung, auch der Bischof von Bamberg, die Stadt Bamberg und
Albrecht von Giech hatten bei ihnen Schulden. 1499 wurden die Juden aus
der Stadt ausgewiesen.
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht auf die Zeit der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück. 1667 werden wieder Juden in
Lichtenfels genannt. 1677 konnten Jacob und Isaias aus Redwitz zu ziehen.
Zwischen 1755 und 1764 kam es zu antijüdischen Unruhen in der Stadt. Die
in christlichen Häusern zur Miete lebenden jüdischen Familien wurden immer
mehr dazu gedrängt, gemeinsam in ein Ghetto zu ziehen. 1763 gab es
12 jüdische Haushaltungen in der Stadt mit insgesamt etwa 70 Personen, darunter
27 Kindern und 19 Dienstknechten und Mägden. Im Juni 1764 wurde der neu
zugezogene Nathanael Schola aus Mistenfeld von 25 Mann, an der Spitze
Bürgermeister Greim in seiner Wohnung überfallen. Sein geringer Besitz wurde
auf die Straße geworfen. Bürgermeister und die anderen Beteiligten wurden
dafür zwar von der Regierung bestraft, doch besserte sich zunächst nicht die
Situation der Lichtenfelser Judenschaft. 1790 wurden 79 jüdische Einwohner
gezählt.
Die jüdischen Familien lebten vom Handel mit Waren aller Art und vom
Viehhandel.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1812 155 (7,4 % von insgesamt 1.564), 1920 137, 1867 82 (3,9 % von
2.128), 1880 92 (3,7 % von 2.487), 1893 94 (in 25 Familien), 1894 100 (in 30
Familien), 1896 104 (in 35 Familien), 1898 110 (in 36 Haushaltungen), 1900 111 (2,8 % von 3.034), 1910 80 (1,8 %
von 4.453).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine Schule
(Religionsschule, Schulgebäude Judengasse 14 1804 erbaut), ein rituelles Bad und seit 1840 einen eigenen Friedhof
(zuvor Beisetzungen in Burgkunstadt). Von einem jüdischen
"Schulmeister" ist 1763 die Rede. Er wird die Kinder unterrichtet
haben sowie als Vorbeter tätig gewesen sein. Auch in der Folgezeit (bis in die
1930er-Jahre) hatte die jüdische Gemeinde einen eigenen Lehrer, der zugleich
als Vorbeter und Schächter tätig war (vgl. Ausschreibungstexte der Stelle
unten). Von den Lehrern werden genannt: um 1867/1887 Jos. Eisemann,
um 1892/1898 M. Oppenheimer (unterrichtete an der Religionsschule der Kinder
1893 8 Kinder, 1898 gleichfalls 8 Kinder, 1899 12 Kinder). Als Schochet und
Synagogendiener wird um 1889/1899 J. Kronacher genannt.
Von den Gemeindevorstehern werden genannt: um 1878 Benny Brüll, um 1887
B. Gutmann, um 1892 J. Cohn, um 1894/1896 S. Kohn, L. Gosser, W. Ehrmann, um
1898 S. Kohn, Ph. Zinn und V. Gutmann.
An jüdischen Vereinen werden genannt: ein Israelitischer
Wohltätigkeitsverein (1874 genannt). Dazu gab es mehrere Jahrzeitstiftungen.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Offz.St. Friedrich
Traub (geb. 21.8.1888 in Lichtenfels, gef. 9.11.1914) und Gefreiter Richard
Gosser (geb. 11.8.1891 in Lichtenfels, vor 1914 in Nürnberg wohnhaft,
gef. 23.10.1915). Ihre Namen stehen auf dem Kriegerdenkmal für die
Gefallenen des Ersten Weltkrieges vor dem städtischen Friedhof links hinter der
Kreuzung Friedhofsstraße/ Friedhofsweg/
Goldbergstraße.
Um 1925, als zur jüdischen Gemeinde 77 Personen gehörten (1,92 % von
insgesamt ca. 4.000 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Carl
Kraus und S. Grünhut. Als Lehrer wirkte Salli Schmid. Er hatte damals
noch drei jüdischen Kindern der Gemeinde Religionsunterricht zu erteilen (im
Alter von 1 bis 5 Jahren gab es - im Blick auf die Zukunft der Schule - damals
noch vier Kinder). Die Gemeinde
gehörte zum Distriktsrabbinat Burgkunstadt, der durch Rabbiner Dr. Salomon aus
Bayreuth mitbetreut und wenig später aufgelöst wurde. Acht jüdische Kinder,
die öffentliche Schulen besuchten, erhielten damals durch Lehrer Schmid
Religionsunterricht. An Vereinen bestanden damals u.a. eine Ortsgruppe
der Centralvereins (25 Mitglieder, Leitung Lehrer Schmid). Zur jüdischen
Gemeinde gehörten auch neun in Seubelsdorf lebende jüdische Personen
(hier in Seubelsdorf bestand zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde, jedoch
finden sich hier seit Beginn des 18. Jahrhunderts immer wenige jüdische
Familien bzw. Einwohner: 1712 zwei Familien, 1867 11 Personen).
1932 war erster Vorsteher der Gemeinde Carl Kraus, zweiter Vorsteher S.
Grünhut. Als Lehrer und Kantor wird Arnold Seliger (Seeliger) genannt. Er unterrichtete
nur noch zwei jüdische Kinder in Religion. Neben den in Seubelsdorf lebenden
acht jüdischen Personen gehörten inzwischen auch die letzten Mitglieder der
1928/29 aufgelösten jüdischen Gemeinde Oberlangenstadt
zu Lichtenfelser Gemeinde. An jüdischen Vereinen wird 1932 auch ein
"Verein für jüdisches Wissen" genannt (Vorsitzender Fritz
Bamberger). An Stiftungen (Hilfsfonds) gab es die Rabbiner Eisemannsche
Stiftung, die Ida- und Fritz-Traub-Stiftung sowie die Sam- und
Ida-Kohn-Stiftung.
1933 lebten noch 60 jüdische Personen in der Stadt (1,0 % von insgesamt
6.970 Einwohnern). Auf Grund der zunehmenden Repressalien, der Entrechtung und
der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts verließen bis September 1938 16
Personen die Stadt. 1936 wurde die Gemeinde dem Bezirksrabbinat Bamberg
zugeteilt. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der
Synagoge zerstört (s.u.) sowie jüdische Wohnungen und Läden brutal
überfallen. Warenvorräte wurden vernichtet oder gestohlen. Die jüdischen
Bewohner holte man nachts aus den Betten und schleppte sie halbnackt durch die
Straßen der Stadt ins Gefängnis. An den Ausschreitungen waren auch Bürger der
Stadt, unter ihnen ein Mitglied des Stadtrates beteiligt. Ein Jude beging noch
während des Pogroms Selbstmord. Die Frau des Gemeindelehrers ertränkte sich,
nachdem sie vergewaltigt worden war. Die jüdischen Männer wurden nach Hof
transportiert und dort wochenlang in Haft gehalten. Bis 1939 waren nur noch 17
jüdische Personen in Lichtenfels, die übrigen konnten emigrieren oder sind in
andere Städte verzogen. 1942 wurden die letzten 14 Juden aus Lichtenfels und
Seubelsdorf nach Izbica bei Lublin/Polen beziehungsweise in das Ghetto Theresienstadt deportiert.
Von den in Lichtenfels geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Emilie Bamberger geb. Kaumheimer (1879),
Fritz Bamberger (1862), Marie Bickart geb. Gutmann (1871), Grete Bohle geb. Zinn (1890), Elsa Brüll (1884), Frieda
Brüll geb. Freudenthal (1874), Friedrich Brüll (1888), Bernhard Fechheimer
(1858), Adelheid Grün(e)baum geb. Zenner (1865), Max Hellmann (1889),
Kathinka Hellmann geb. Erlanger (1893), Mosche Hellmann (1889), Emma
Hirsch geb. Brüll (1868), Josef Kraus (1895), Jeanette Kronacher (1873), Lina
Kronacher (1869), Marie Kronacher (1878), Rosa Lang geb. Brüll (1865), Minna Ledermann geb. Brüll (1874),
Else Marx geb. Zenner (1894), Erna Neuburger geb. Zenner (1898), Bertha Neuhaus
geb. Zenner (1857), Alfred
Oppenheimer (1903), Anni Oppenheimer geb. Krämer (1908), Babette Oppenheimer
geb. Zenner (1860), Betty Oppenheimer geb.
Malzer (1877), Klara Rosenbaum (1867), Arnold Seliger (geb. ?), Sofie Seliger geb. Gutmann (1881),
Alice Silbermann geb. Zenner (1894), Josef
Zenner (1859).
Von den in Seubelsdorf geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Ferdinand
Blum (1889), Louis Blum (1887), Rosa Blum (1894), Hugo Brüll (1873), Helene
Wolf geb. Brüll (1906).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Lehrer-/Vorbeterstelle 1889 / 1909 /1925
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Februar 1889:
"Für
unsere Religionsschule suchen wir einen seminaristisch gebildeten Lehrer, der
die Kantor- und eventuell Schächterstelle zu versehen hat. - Anfangsgehalt 800
Mark bei freier Wohnung und nicht unbedeutenden Nebeneinkünften. Geeignete
Bewerber (Reichsangehörige) wollen sich unter Einreichung ihrer
Qualifikationszeugnisse baldigst melden.
Lichtenfels "Bayern", 20. Februar 1889. Samuel Kohn,
Kultus-Vorstand". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Mai 1900:
"Für unsere Religionsschule suchen wir einen seminaristische
gebildeten Lehrer, der die Kantor- und eventuell Schächterstelle zu
versehen hat. Anfangsgehalt Mark 1.000 bei freier Wohnung und der
üblichen Nebeneinkünften. Geeignete Bewerber (Reichsangehörige) wollen
sich unter Einreichung ihrer Qualifikationszeugnisse bald melden. Lichtenfels,
Bayern, 15. Mai. Israelitische Kultusverwaltung. Samuel Kohn". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Februar 1909:
"Für unsere Religionsschule suchen wir einen seminaristisch
gebildeten Lehrer, der die Kantor- und Schächterstelle zu versehen hat.
Anfangsgehalt Mark 1000.- bei freier Wohnung und nicht unbedeutenden
Nebeneinkünften, da auch Privat-Realschule am Platze.
Geeignete Bewerber (Reichsangehörige) wollen sich unter Einreichung ihrer
Qualifikations-Zeugnisse baldigst melden.
Lichtenfels (Bayern). Israelitische Kultus-Gemeinde. Samuel Kohn,
Vorstand." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. April 1925:
"Wir suchen per 1. Juni eventuell später einen seminaristisch
gebildeten Religionslehrer, Kantor und Schochet bei entsprechender
Eingruppierung. Wohnung vorhanden. Bewerber wollen sich wenden an den Kultusvorstand
in Lichtenfels (Bayern)." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Beschneidung in Lichtenfels (1887)
Bericht
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Februar 1887:
"Lichtenfels. Am Schabbat Paraschat Beschallah (d.i. der
Schabbat mit der Toralesung Beschallah = 2. Mose 13,17 - 17,16; 5. Februar
1887) war bei uns eine Brit Mila (Beschneidung) bei Herrn Zinn, wo
Herr Gelbart von Burgkunstadt als Mohel (Beschneider) fungierte.
Einsender dieses war ganz überrascht, als er hörte, wie Herr Gelbert als
Chasan (Kantor) besondere Fähigkeit hat, einen Chor zu leiten. Als Baal
Kore (Vorbeter) der zu diesem Sabbat gelesenen Lieder (frei
übersetzt, u.a. wird an diesem Sabbat das Lied der Debora aus Richter 5
gelesen) hat derselbe eine so große Gewandtheit gezeigt, dass unsere
Gemeinde mit inniger Zufriedenheit und zwar mit dem Ausrufe: Ein solches Leienen
(Vorlesen aus der Tora) haben wir noch nicht gehört, das Gotteshaus
verließ.
Isaak Kronmacher in Lichtenfels". |
Besuch der Erzbischofs Dr. von Hauck in Lichtenfels (1927)
Berichtet wird von einem Besuch des Bamberger Erzbischofs Dr.
Johann Jakob von Hauck (1861-1943; Erzbischof in Bamberg von 1912 bis
1943).
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 23. Mai
1927: "Lichtenfels. Bei dem feierlichen Empfang des Erzbischofs,
Exzellenz Dr. von Hauck, wurde der Erzbischof von Vertretern aller
Konfessionen begrüßt. In einer längeren Unterredung, die der Erzbischof
mit dem Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde, Karl Kraus, hatte,
betonte er, dass ihn diese Begrüßung freue und dass es ja eine der
Hauptaufgaben des Christentums sein müsse, den Frieden zwischen den
Konfessionen aufrechtzuerhalten." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod des Arztes Dr. Ehrlich (1909)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 24. September 1909:
"Lichtenfels (Bayern). hier verschied der in allen Kreisen wegen
seiner Tüchtigkeit und seines edlen Charakters angesehene Arzt Dr. Ehrlich.
Er war in Schopfloch geboren und machte
den Feldzug von 1866 als Einjährig-Freiwilliger mit". |
99. Geburtstag der aus Lichtenfels stammenden Fanny Lüneburger (1930)
Fanny Lüneburger (oder Lünneburger) geb. Zenner ist
am 1. April 1831 in Lichtenberg als Tochter von Isaak und Charlotte Zenner
geboren. Sie war mit Leopold Lün(n)eburger verheiratet (Kaufmann in Ullstadt,
wo die Familie lebte) und starb als damals älteste Würzburgerin an ihrem 100.
Geburtstag am 1. April 1931 in Würzburg. In Würzburg hatte sie bei ihrer
Tochter Bertha verh. Siegel gelebt (nach R. Strätz: Biographisches Handbuch
Würzburger Juden I,361).
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
April 1930: "Ins 100. Lebensjahr. Würzburg, den 1. April
1930. An diesem Tag feierte Frau Fanny Lüneburger in Würzburg ihren 99.
Geburtstag. Ihr ältester Enkel, Herr Rechtsanwalt Dr. Michael Siegel in
München, schreibt uns dazu, dass sich seine Großmutter der besten
Gesundheit erfreut und ihren Geburtstag vergnügt im Kreise ihrer
zahlreichen Kinder, Enkel und Urenkel gefeiert
hat." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Lehrlingssuche der Eisen- und Kolonialwarenhandlung M.
Traub (1884)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. April 1884:
"Zum Eintritt nach Ostern suche einen ordentlichen Lehrling. Kost und
Logis im Hause.
M. Traub, Eisen- und Kolonialwarenhandlung,
Lichtenfels in Bayern." |
Verlobungsanzeige von Trude Grünhut und Julius Sichel (1929)
Anzeige
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 24. Mai 1929:
"Trude Grünhut - Julius Sichel.
Verlobte.
Lichtenfels - München. 26. Mai 1929." |
Weitere Dokumente
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries; Anmerkungen auf
Grund der Recherchen von P. K. Müller)
Postkarte
an die Herren Simon Brüll Söhne
in Lichtenfels (1886) |
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Die Postkarte an die Herren Simon Brüll Söhne in
Lichtenfels wurde versandt von Mitwitz am 8. September 1886.
Simon Brüll (geb. 1. November 1814, gest. 13. Dezember 1884) war verheiratet mit
Rosette "Reizl " geb. (geb. 30. Juni 1819, gest. 5. Februar 1857). Beide sind begraben auf dem
jüdischen Friedhof in Lichtenfels.
Das Ehepaar hatte vier Kinder: Käthe (verh. Gosser) (geb. 24. Februar
1846), Fanny (verh. Gutmann) (geb. 16. September 1848) und die Brüder Oskar Brüll
(geb. 19. Mai 1847) und Louis Brüll (geb. 2. Februar 1851). Vermutlich war die Familie Brüll im Korbwarengeschäft tätig.
Quellen: http://www.geni.com/people/Simon-Bruell/6000000027707213401
http://www.bezirk-oberfranken.de/fileadmin/6_Kultur/publikationen/mitarbeiter/datei/1999Friedhoefe.pdf |
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Briefumschlag
von
Philipp Gutmann in Lichtenfels (1887) |
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Es handelt sich ein Briefumschlag von Philipp
Gutmann, der als Spediteur die in und um Lichtenfels herum produzierten Waren vom Hersteller - Händler direkt zum
Kunden lieferte. In diesem Fall handelte es sich um einen Brief an Heinrich Kerling in Michelau,
verschickt am 12. September 1887.
Die Spedition Philipp Gutmann war eine der ersten und der bedeutendsten Speditionen der Region, die im Zuge
der zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beginnenden Industrialisierung und der damit verbundenen
steigenden Produktivität, den Transport und die Lieferung von Waren vom Hersteller - Händler direkt zum Kunden in
den inzwischen immer mehr auch international werdenden Markt bewerkstelligte.
Philipp (Jecheskel) Gutmann (geb. 11. Oktober 1835, gest. 9. Juni
1891) war der Sohn von Abraham Gutmann und Mariann (Marie) geb. Brüll (alle
beigesetzt auf dem jüdischen Friedhof
Lichtenfels). Das Geschäftshaus - die Villa von Philipp Gutmann
- wurde 1899 erbaut und stand in der Bamberger Straße 19. Später gehörte die Villa dem Korbhändler Joseph Bamberger.
Der Briefempfänger Heinrich Kerling war Spross einer Korbmacher- und Korbhändler Familie. Ein Handbuch von 1868 erwähnt
unter den damaligen Michelauer Korbwarenfirmen auch die "Korbwaarenfabrik Heinrich Kerling".
Quellen: http://www.bezirk-oberfranken.de/fileadmin/6_Kultur/publikationen/mitarbeiter/datei/1999Friedhoefe.pdf
http://www.bezirk-oberfranken.de/fileadmin/6_Kultur/publikationen/mitarbeiter/datei/2004Stadt.pdf
http://www.bezirk-oberfranken.de/fileadmin/6_Kultur/publikationen/mitarbeiter/datei/1994Korbmacherei.pdf
http://anpfiff.info/sites/cms/artikel.aspx?SK=%201&Btr=705 |
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Postkarte
an die Herren
Samuel Zinn & Co. in Lichtenfels (1896) |
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Die
Postkarte an die Herren Samuel Zinn & Co in Lichtenfels wurde
versandt aus Modena/Italien am 2. November 1896. Samuel Zinn,
Sohn des Baruch Zinn, Korbmachermeister in
Redwitz war bereits 1862 auf der Weltausstellung in London mit
seinen Körben vertreten. 1876 eröffnete Samuel Zinn ein Geschäft in
Lichtenfels, das später von seinen Söhnen Sigmund Zinn und
Philipp Zinn weitergeführt wurde. Bereits 1887 ließ sich der
Korbhändler Sigmund Zinn in der Bahnhofstraße ein stattliches Wohnhaus
errichten. Zur Zeit der Verwendung der Postkarte weilte Samuel Zinn
nicht mehr unter den Lebenden. Er starb am 24. April 1887 und ist
begraben auf dem
jüdischen Friedhof in Lichtenfels. Die Söhne Sigmund und Philipp
führten das Geschäft weiter bis 1936. Die NS - Politik und
antisemitische Hetze bereiteten der Ära des Zinn´schen Korbhandel ein
jähes Ende.
Ein Absender der Karte ist nicht ersichtlich (ein Familienmitglied, ein
Firmenvertreter oder ein Kunde?). Anlass der Herausgabe dieser
besonderen Karte war die Hochzeit von Prinz Victor Emanuel III, Prinz
von Neapel mit Prinzessin Elena von Montenegro im Palazzo del Quirinale
in Rom am 24. Oktober 1896. Die Karte trägt zwei Poststempel von Modena
und einen Ankunftsstempel von Lichtenfels. In Modena steht eine 1873
erbaute Synagoge, die 2003 Opfer eines Terroranschlags wurde.
Quellen:
http://www.obermain.de/lokal/lichtenfels/art2414,99514,PRINT?_FRAME=33
http://www.bezirk-oberfranken.de/fileadmin/6_Kultur/publikationen/mitarbeiter/datei/1999Friedhoefe.pdf
http://www.bezirk-oberfranken.de/fileadmin/6_Kultur/publikationen/mitarbeiter/datei/2000Industralisierung.pdf
http://www.meranier-gymnasium.de/fileadmin/downloads/projekt_korbflechterei/geschichte.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Viktor_Emanuel_III.
http://de.wikipedia.org/wiki/Modena |
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Ansichtskarte
mit dem
Geschäftshaus der Firma Marchand |
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Die Ansichtskarte aus Lichtenfels zeigt das Geschäftshaus der Firma M. Marchand - Korbwaren - Manufaktur,
im Vordergrund einen Teil des Warensortiments - von großen Körben links gestapelt auf einer Schubkarre bis hin zu den
zusammengeschnürten Bündeln kleiner Körbe - flankiert wahrscheinlich von Mitgliedern der Familie Marchand und Mitarbeitern.
Max Marchand erwarb 1897 das sich seit 1853 in jüdischem Besitz befindende Haus
Marktplatz 30 (heute: Zauritz Immobilien). Er führte ein Handelshaus, über das er Körbe jeglicher Form und Aussehens vertrieb. Bereits Anfangs des 20. Jahrhunderts verschickte
die Firma bunte Werbeprospekte, in denen er die ganze Vielfalt der verschiedenen Korbformen und Korbarten bis hin zur
damals sehr begehrten Handtasche präsentierte.
Max Marchand starb am 10. März 1923. Henriette Marchand starb am 24. Juli 1935. Beide
wurden im jüdischen Friedhof in Lichtenfels beigesetzt. Sohn Willy Marchand wurde 1931 entmündigt, 1936 in die Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg
bei Ebensfeld eingewiesen und wurde 1940 als kognitiv behindert ein Opfer der
NS-Euthanasie. Die Beerdigung des Korbhändlers Willy Marchand
(Todesbescheinigung von der Berliner "T4"-Zentrale nach dem
fälschlich angegebenen "Standesamt Cholm, Post Lublin") war die letzte Beerdigung auf dem jüdischen
Friedhof in Lichtenfels.
Quellen: http://www.obermain.de/lokal/lichtenfels/art2414,99514,PRINT?_FRAME=33
www.frankentourismus.de/pdf/allgemein/tvf_industriekultur_2008.pdf
http://www.bezirk-oberfranken.de/fileadmin/6_Kultur/publikationen/mitarbeiter/datei/1999Friedhoefe.pdf |
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Rechnungen
der
Firma David Bamberger (1936/37) |
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Die
Rechnungen der Firma David Bamberger von 1936 und 1937 mit dem dekorativen Briefkopf wurden am
6. März 1936 beziehungsweise am 23. November 1937 verschickt. Der Firmengründer David Bamberger ist 1811 in Mitwitz
geboren und wurde dort 1837 im Handelsregister als Lebküchner, 1845 als
Krämer und 1865 als Einzelhändler geführt. 1875 schickte er seine
Söhne Philipp und Fritz nach Lichtenfels, um dort eine Niederlassung
seines schon einige Zeit vorher gegründeten Geschäftes zur Herstellung
von Körben aus Palmwedeln aufzumachen. Sechs Jahre später wurde das
Mitwitzer Geschäft geschlossen; der Betrieb in Lichtenfels florierte und
wurde in wenigen Jahren zur größten Firma in der Stadt (über 100
Mitarbeiter, dazu weitere etwa 100 in Heimarbeit) und eine der größten
Firmen in Europa für Materialien, die in der Korb- und Möbelindustrie
benötigt wurden. 1939 endete zwangsweise die Firmengeschichte; die
Firmeninhaber Alfred und Ludwig Bamberger flohen aus NS-Deutschland. Fritz
Bamberger, ein Sohn des Firmengründers ist 1942 in Theresienstadt
umgekommen.
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Sonstiges
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert:
Grabstein in New York für Henry Brill aus Lichtenfels (gest. 1888) und seine
Frau Fanny (gest. 188?)
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn;
der Geburtsname von Fanny Brill wird nicht mitgeteilt. .
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Grabstein für
"Our dear Father
Henry Brill
Born in Lichtenfels Bavaria
Died December 2nd 1888
Aged 72 Years" und
"Fanny Wife of Henry Brill
Died March 29th 188?" |
Grabstein in New York für Charlotta Weinberg aus Lichtenfels (1828-1879) und
Robert Weinberg aus Schenklengsfeld (1827-1880)
Anmerkung: die Gräber befinden sich in einem jüdischen Friedhof in
NY-Brooklyn; der Geburtsname von Charlotta Weinberg wird nicht mitgeteilt.
.
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Grabsteine für
"Charlotta Beloved Wife of Robert Weinberg
Born in Lichtenfels Bavaria Feby. 1st 1828
Died in New York July 19th 1859" und für
"Robert Weinberg,
Born in Schenklengsfeld Hesse
Cassel April 1st 1827
Died in New York Nov 1st 1880". |
Zur Geschichte der Synagoge
1757 (nach A. Eckstein, Bamberg S. 136) erhielt die
jüdische Gemeinde durch ein Regierungsdekret die Erlaubnis, eine Synagoge an
einem abgelegenen Ort, das heißt vor allem nicht an einer öffentlichen Straße
bauen zu können. Die Stadt stellte für den Bau ein Grundstück zur Verfügung. Die jüdische
Gemeinde musste sich verpflichten, neben den Abgaben an das Bistum jährlich 5
Gulden an das Kastenamt in Lichtenfels, dazu einen "Handlohn" bei einem
Verkauf oder Tausch eines Betstuhles in der Synagoge zu bezahlen. Von einem
jüdischen "Schulmeister" ist 1763 die Rede. Er wird die Kinder
unterrichtet haben sowie als Vorbeter tätig gewesen sein. Die Synagoge wurde 1797 erbaut und
1867 renoviert.
Beim Novemberpogrom 1938 drangen 20 bis 25 SA-Männer in die Synagoge ein,
zerschlugen die Fenster und zerstörten
die Inneneinrichtung und die Ritualien (darunter 10 Torarollen und wertvolle
Toraschrein-Vorhänge). Das Gebäude blieb stehen. Es kam im Dezember 1938 für
600 RM in den Besitz der Stadt und wurde als Alteisenlager, an Markttagen als
Schweinestall zweckentfremdet. Auch nach 1945 wurde das Gebäude als
Lager verwendet.
Bereits in den 1990er-Jahren gab es Bemühungen der Stadt, die ehemalige
Synagoge erwerben. Auch 2005 gab es derartige Bemühungen: es bestand der
Plan, in der ehemaligen Synagoge eine Gedenkstätte einzurichten. Im Juni
2010 beschloss der Gemeinderat die Sanierung der ehemaligen Synagoge (siehe
Pressebericht unten). Die Restaurierung konnte mit einer Wiedereinweihung des
Gebäudes im Oktober 2011 abgeschlossen werden.
An die ehemalige jüdische Schule in der Judengasse 14 erinnert seit 1995
der sogenannte "Schulbrunnen" mit dem folgenden Text auf der
Tafel: "Zur steten Mahnung an die Verbrechen der Pogromnacht vom 09. und
10.11.1938 und das Unrecht gegenüber ihren jüdischen Mitbürgerinnen und
Mitbürgern im Dritten Reich benennt die Stadt Lichtenfels diesen Brunnen nach
der damals im gegenüberliegenden Anwesen Judengasse 14 befindlichen
israelitischen Volksschule." Ein Ehrenmal zum Gedenken an alle jüdischen
Opfer wurde bereits 1952 am jüdischen
Friedhof errichtet.
Adresse/Standort der Synagoge: Judengasse 12
Fotos des Synagogengebäudes vor der Restaurierung
(Fotos der oberen beiden Fotoreihen: Jürgen Hanke, Kronach)
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Die ehemalige Synagoge |
Synagoge von der Judengasse |
Gedenktafel |
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Der
"Schulbrunnen" |
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Das Gebäude der
ehemaligen
Synagoge 2007
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 11.4.2007) |
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Straßenschild
"Judengasse" |
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Die ehemalige
Synagoge |
Gedenktafel |
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Die erhaltene,
originale Eingangstür |
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Das Haus der Familie
Otto Bamberger
(Fotos: Jürgen Hanke, Aufnahmen vom 4.10.2020) |
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Das 1914 erbaute
'Sonnenhaus' der Familie Otto Bamberger wurde errichtet durch Architekt
August Berger (Hildburghausen) in der Kronacher Straße 19 (ab 1937:
Adolf-Hitler-Straße 21, heute Kronacher Straße 21). Das Interieur der Villa
wurde 1928 durch Bauhaus-Designer Erich Dieckmann (1896–1944) komplett neu
gestaltet und ausgestattet. 1933 'Schutzhaft' des Hausherrn Otto Bamberger
(1885–1933) in Frankfurt am Main als jüdischer Unternehmer und SPD-Mitglied,
Verhör, kurz danach verstorben. 1938 Flucht der Witwe Henriette 'Jette'
Bamberger (1886–1978) geb.Wolff, in die USA. Ausstattung der Villa während
der Pogromnacht im November 1938 durch Lichtenfelser Nationalsozialisten
teils zerstört (historischer niederländischer Kachelofen) und hunderte
Bücher aus der Bibliothek auf die Straße geworfen. Namhafte und umfangreiche
Kunstsammlung hunderter Werke (z. B. Ernst Barlach, Max Beckmann, Marc
Chagall, Lovis Corinth, Otto Dix, Paul Klee, Oskar Kokoschka, Käthe
Kollwitz, Alfred Kubin, Wilhelm Lehmbruck, Max Liebermann, Franz Marc, Paula
Modersohn und Emil Nolde) als 'entartet' klassifiziert, beschlagnahmt und
größtenteils nie zurückerstattet. Die Villa steht heute unter Denkmalschutz
und wird künftig als Kinderhort genutzt.
Weitere Informationen siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Bamberger und
https://de.wikipedia.org/wiki/Sonnenhaus_(Lichtenfels).
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Berichte
zur Restaurierung des Synagogengebäudes 2010 - 2011
Februar
2010: Aus der ehemaligen
Synagoge soll ein Kulturraum werden |
Artikel in infranken.de (Artikel):
"Aus der Synagoge soll ein Kulturraum werden.
Im Mittelpunkt der Hauptversammlung des Vereins "Förderer der ehemaligen Synagoge in Lichtenfels" stand die bevorstehende Sanierung des Gebäudes, das einst den jüdischen Bürgern als Gotteshaus diente und nun eine kulturelle Nutzung erfahren soll.
Der Vorsitzende Dr. Jörg Welsch ging zunächst noch einmal auf die Ziele des gemeinnützigen Vereins ein. Man habe es sich zur Aufgabe gemacht, die Sanierung der ehemaligen Synagoge zu fördern und den öffentlichen Eigentümer bei der kulturellen Nutzung der Räumlichkeiten des ehemaligen Synagogengebäudes insbesondere im Hinblick auf einen Dialog zwischen den Religionen zu unterstützen.
Die notwendigen Mittel sollen durch die Mitgliedsbeiträge und vor allem durch Spenden aufgebracht werden.
Nach Abschluss der Arbeiten soll die ehemalige Synagoge für unterschiedliche Veranstaltungen genutzt werden, vornehmlich aber für Lesungen und Vorträge sowie für bestimmte Musikveranstaltungen. Das Gebäude könne dann nach Auffassung von Prof. Dr. Günter Dippold als ideale Ergänzung zum Stadtschloss dienen." |
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Juni
2010: Die ehemalige Synagoge wird
restauriert |
Artikel
von Guido Geelen im "Obermain-Tageblatt" vom 14. Juni 2010 (Artikel):
"Begegnungsort und mahnende 'Zeitzeugin'
'Grünes Licht' für aufwändige Sanierung der ehemaligen Synagoge / Multifunktionale Nutzung für die Kultur.
LICHTENFELS - Für die Sanierung der ehemaligen Synagoge gab der Stadtrat gestern
'Grünes Licht'. Das Gremium genehmigte die vorgelegte Planung und die Baumaßnahmen mit voraussichtlichen Gesamtkosten von
983.000 Euro (inklusive Grunderwerb). Der Eigenanteil der Stadt soll aber aufgrund der zu erwartenden Zuschüsse
'nur' bei 163.000 Euro liegen.
Das Architekturbüro Michel-Gräf-Grimme hat bei der Planung für die Sanierung, für den Anbau eines Technik- und Versorgungsbereich sowie die Neugestaltung der Außenanlage die oben genannten Gesamtkosten veranschlagt. Laut Erster Bürgermeisterin Dr. Bianca Fischer liegt von der Oberfrankenstiftung schon eine Zuschussbewilligung über
35.000 Euro vor. Das Landesamt für Denkmalpflege (10.000 Euro beantragt) und die Bayerische Landesstiftung
(60.000 Euro) hätten den förderunschädlichen Maßnahmenbeginn erteilt. Und von der Bezirksregierung, Städtebauförderungsabteilung, werde in den nächsten Tagen der vorzeitige Maßnahmenbeginn erteilt - von dieser Stelle sollen noch einmal
400.000 Euro fließen.
Konzeption.
Ulrich Sünkel, Leiter des Hochbauamtes der Stadt, hatte den Räten zuvor noch einmal die Konzeption für das Projekt erläutert, das in enger Abstimmung mit Denkmalpflege, Landratsamt Lichtenfels und Restaurator Uwe Franke entwickelt worden sei.
Im Synagogenraum (Veranstaltungssaal) werden die umfangreich erhaltenen bauzeitlichen Putze und farbigen Fassungen der Wände gefestigt, die Befundstellen mit Japanpapier gesichert. Ein dünnschichtiger Kalkspratzenmörtel wird als Baustellenmischung aufgebracht. Hierauf folgt als Auftrag mit der Bürste ein heller Anstrich. Eine Musterfläche mit historischem Aufbau bleibt sichtbar. Der Boden erhält einen Sandsteinbelag auf einer Bodenplatte im Bereich der
'Männersynagoge'. Der Bereich der 'Frauensynagoge' wird durch einen Eichendielenboden kenntlich gemacht. Der Standort der Bima soll mit Metallband im Bodenbelag gekennzeichnet sein. Das Tonnengewölbe erhält einen neuen, hellen Anstrich als moderne Neufassung.
Das historische Kreuzstockfenster von 1867 wird restauriert. Neue Fenster werden als Verbund- oder Kastenfenster in Konstruktion und Gestaltung den historischen Fenstern angepasst.
Der Thoraschrein sowie etwa 30 Zentimeter beidseitig davon sollen als Primärdokument der Zerstörung im jetzigen Zustand erhalten bleiben.
Der große Raum der Synagoge wird künftig multifunktional für Kulturveranstaltungen wie Vorträge, Konzerte, oder Ausstellungen genutzt.
Der Anbau (Foyer) wird an Stelle der derzeitigen Garage errichtet. Er erhält die nötigen Nutzräume (Technik, WC) für den Veranstaltungssaal und eine kleine Theke. Ebenso befindet sich dort ein Touchscreen der Infos zur Geschichte der Synagoge und dem aktuellen Kulturprogramm zugänglich macht. In den der linken Glas-Schiebetüre zur Synagoge werden die Opfer des Naziterrors in Lichtenfels, in der rechten Glas-Schiebetüre einige Zeitdaten des Gebäudes aufgelistet. Das
'Begrüßungsbildes' an der Süd-Ostseite wird künstlerisch gestaltet und vielleicht hinterleuchtet. Der Hauptzugang zum Gebäude ist behindertengerecht ausgeführt.
Der Anbau wird aus Kalksandstein- oder Ziegelmauerwerk mit Thermohaut ausgeführt und erhält einen hellen Anstrich. Zwei Lichtstreifen in der im Bestand vorgefundenen blauen Farbe markieren die Gebäudelage zwischen Rathaus/Marktplatz und dem Bahnhof. Das flach geneigte Dach, das hinter einer Attika verschwindet, wird als Grasdach ausgeführt.
Die Freifläche soll mit gelben Natursteinen gepflastert sein und erhält an der Straßenseite bepflanzte Grünflächen. Der
'Platz der Ruhe und des Gesprächs' ist dann durch Sandsteinquader begrenzt, die als Sitzflächen dienen. Der Weidenbaum symbolisiert die Verwurzelung des Korbflechterhandwerkes in Lichtenfels mit den ehemals ansässigen jüdischen Bürgern. Halbkreisförmig finden die Sandsteinquader-Fundstücke, die derzeit im Gebäudeinneren gelagert werden vor dem Anbau ihren Platz. Ergänzt werden könnten die Quader mit einem künstlerisch bearbeiteten Stein bzw. Skulptur zum Thema
'Mehr als Steine'. Im Portal aus Sandsteinquadern befindet sich ein Touchscreen mit Informationen zur Synagoge und den Veranstaltungen der neuen Begegnungsstätte. Das Grundstück wird durch einen Zaun aus Stahlstäben in Anlehnung an den ehemals vorhandenen Zaun eingegrenzt." |
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Juli
2010: Erster Spatenstich zum Beginn
der Restaurierung |
Foto links: Am Modell wird ersichtlich, wie das Ensemble der ehemaligen Lichtenfelser Synagoge einmal aussehen wird. Der "Platz der Ruhe und des Gesprächs" vor dem Gebäude erhalte eine gelbe Pflasterung, sagte Bürgermeisterin Bianca
Fischer.
Artikel in "infranken.de" vom 26. Juli 2010 (Artikel):
"Synagoge wird zu einem Ort der Begegnung.
Mit einem Volumen von 983.000 Euro wird die ehemalige Synagoge in Lichtenfels nun renoviert. Der große Raum soll künftig für kulturelle Veranstaltungen genutzt und um ein Foyer erweitert werden. Der Platz vor der Synagoge wird ebenfalls umgestaltet zu einem "Platz der Ruhe und des Gesprächs".
Mit dem symbolischen ersten Spatenstich eröffneten am Montagnachmittag Bürgermeisterin Bianca Fischer, Landrat Reinhard Leutner, Bezirksheimatpfleger Günter Dippold und andere die Renovierungsphase. Aus dem Gebäude aus dem 18. Jahrhundert soll - so sieht es das Konzept vor - eine Begegnungsstätte werden. Zudem werde die Synagoge ein Ort, an dem Vorträge, Konzerte und Ausstellungen stattfinden, sagte die Bürgermeisterin. Insgesamt seien 983 000 Euro für das Projekt veranschlagt, fuhr Bianca Fischer fort. Die Oberfrankenstiftung gebe 350 000 Euro dazu und über die Städtebauförderung erhalte man 356 000 Euro, so dass die Stadt Lichtenfels lediglich 207 000 Euro Eigenmittel aufbringen müsse.
Gemeinsam erarbeitetes Konzept. Das von mehreren Behörden und Institutionen unter Federführung von Prof. Günter Dippold erarbeitete Konzept erhielt großes Lob von der Bürgermeisterin. Und sie ist froh, dass nun mit der Renovierung begonnen werden kann: "Es war ein langer Weg, bis die Stadt das Gebäude 2005 erwerben konnte."
Landrat Reinhard Leutner stimmte zu: Es sei gut und richtig, dass aus der Synagoge eine Gedenk- und Mahnstätte wird, sagte er, "das steht einer Stadt gut an".
"Lichtenfels ist ohne seine jüdische Geschichte nicht denkbar, und die Synagoge ist das wichtigste Zeugnis dieser jüdischen Geschichte", sagte Bezirksheimatpfleger Günter Dippold. Es sei gut, dass dieses Gebäude nun hervorgeholt werde aus seinem Schattendasein: "Es soll ein Ort der Begegnung werden." Das Projekt, so Günter Dippold, stehe in guter Tradition des guten Miteinanders von Juden und Christen in Lichtenfels. Dieses Miteinander sei in Lichtenfels "ausgeprägter als an anderen Orten".
Die jüdische Gemeinde in der Stadt sei über die Jahrhunderte hinweg zahlreicher geworden, das Zusammenleben sei Normalität gewesen. In nachbarschaftlichem Verhältnis hätten Juden und Christen zusammengelebt, aber wie es bei Nachbarn eben so sei: "Nachbarn gibt's immer solche und solche."
Lichtenfelser Liberalismus. Günter Dippold charakterisierte Lichtenfels als eine Stadt, "in der der Liberalismus sehr stark war - ein Thomas Dehler kommt nicht zufällig aus Lichtenfels". Gleichwohl sei der Bruch 1933 in Lichtenfels "mindestens so brutal wie an anderen Orten" vollzogen worden. Die friedliche, jahrhundertelange Nachbarschaft von Juden und Christen habe spätestens in der Pogromnacht von 1938 eine grausame Wendung genommen, die bis hin zum Mord reichte.
Den schlichten, aber schönen Synagogenraum lobte Günter Dippold wegen der guten Akustik: "Das ist ein Raum, in dem es sich gut reden lässt, das wird ein guter Vortragsraum."
Die Bürgermeisterin hatte zuvor darauf hingewiesen, dass das Gesamtkonzept auch den Anbau betreffe, der zum Foyer umgestaltet werde. Außerdem werde die Freifläche vor dem Ensemble mit gelben Natursteinen gepflastert. Zur Straße hin runde eine Grünfläche das Areal ab, das zu einem "Platz der Ruhe und des Gesprächs" werden soll." |
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März
2011: Die Restaurierung der ehemaligen
Synagoge kommt voran - ein Kulturtreff wird
eingerichtet |
Foto
links: Außen und innen gehen die Arbeiten an der ehemaligen Synagoge in Lichtenfels
voran.
Artikel aus dem "Fränkischen Tag" vom 23. März 2011 (Artikel):
"120.000 Euro von der EU
Lichtenfels. Förderbescheide Die ehemalige Synagoge in Lichtenfels wird ein Kulturtreff, und dazu gibt's Geld aus dem Leader-Programm der Europäischen Union. Finanziell unterstützt wird auch der Pfad der
Flechtkultur.
Auf der Baustelle in der Judengasse geht es voran. Im Herbst soll die ehemalige Lichtenfelser Synagoge als Begegnungs- und Veranstaltungsstätte eröffnet werden und damit wieder eine angemessene Nutzung erfahren. Bevor die Stadt das aus dem 18. Jahrhundert stammende Gebäude im Jahr 2005 nach immer wieder geäußertem Bestreben - man muss sagen: endlich - erwerben konnte, diente es einer Firma als Lagerraum.
Lichtenfels erhält für dieses Projekt, für das Gesamtkosten von 983.000 Euro veranschlagt wurden, von verschiedenen Stellen finanzielle Unterstützung. Der Stiftungsrat der Oberfrankenstiftung hat einen Zuschuss von 350.000 Euro bewilligt, aus Mitteln der Städtebauförderung wurden 356.000 Euro angekündigt, so dass die Stadt "nur noch" 207.000 Euro selbst aufbringen muss.
Foto
links von Ramona Popp: Wolfgang Keck (links), Leiter der Strukturentwicklungsgruppe aus Wunsiedel, übergab Bürgermeisterin Bianca Fischer den Förderbescheid der Leader-Förderstelle für Einrichtung und Ausstattung der Lichtenfelser Synagoge zum einem Kulturtreff direkt auf der Baustelle. Mit im Bild (von rechts) Regionalmanager Timo Steiner und stellvertretender Landrat Helmut
Fischer.
Stätte mit Leben erfüllen. Bürgermeisterin Bianca Fischer freute sich nun darüber, dass auch das Leader-Förderprogramm der Europäischen Union (EU) die künftige Begegnungsstätte als unterstützenswert ansieht. Wolfgang Keck, der Leiter der Strukturentwicklungsgruppe, die am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Münchberg am Standort Wunsiedel angesiedelt ist, überbrachte gestern den offiziellen Förderbescheid. Von den 175.000 Euro, die für die Einrichtung und technische Ausstattung sowie die Gestaltung des Außenbereichs angedacht sind, soll ein Zuschuss von rund 73.500 Euro aus EU-Mitteln fließen. Ohne die Leaderförderung - initiiert von Regionalmanager Timo Steiner am Landratsamt - wäre eine so hochwertige Ausstattung nicht möglich. Besonders angetan zeigte sich die Bürgermeisterin davon, dass das Lichtenfelser Gymnasium bereits Interesse bekundet habe, diesen künftigen Kulturtreff mit Leben zu erfüllen. Einen Förderverein gibt es übrigens bereits seit 2007 in Lichtenfels.
Noch ein zweites Projekt im Zuständigkeitsbereich der Stadt Lichtenfels erfährt finanzielle Unterstützung durch die EU: der Pfad der Flechtkultur. Auf vorhandenen Wegen einer elf Kilometer langen Rundstrecke wird an über 13 Stationen die Geschichte von Korbmacherhandwerk, Korbindustrie und Korbhandel informiert und ein Bogen gespannt von der traditionellen Korbmacherei hin zu modernem Flechtwerk. Kein Lehrpfad im klassischen Sinn, sondern ein lebendiges Projekt soll es werden, attraktiv für einheimische wie auch für Touristen.
Diesen Aspekt griff auch stellvertretender Landrat Helmut Fischer (CSU) auf, der dabei war, als der Förderbescheid über rund 46.000 Euro übergeben wurde. Fischer erinnerte sich daran, als Junge in dem früheren Korbmacherdorf bei der Weidenernte mitgeholfen zu haben. Der Pfad wird die Stadt Lichtenfels und die Gemeinde Michelau, deren Bürgermeister Fischer ist, und damit das Dreigestirn von Staatlicher Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung, Innovationszentrum Lichtenfels und Deutschem Korbmuseum verbin-
den.
Leader ist ein EU-Förderprogramm zur Stärkung ländlicher Räume. In lokalen Arbeitsgruppen hatten die Bürger Gelegenheit, eigene Ideen einzubringen." |
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Oktober
2011: Einweihung der restaurierten
ehemaligen Synagoge |
Artikel von Andreas Welz und
Bürgermeisterin Bianca Fischer in der "Neuen Presse Coburg" vom
29. Oktober 2011 (Artikel):
"Synagoge wird Stätte der Begegnung
In das ehemalige Gebetshaus der Juden in Lichtenfels zieht neues Leben ein. Das Gebäude inmitten der Stadt soll das Andenken an seine Erbauer wach halten.
Lichtenfels - Die ehemalige Synagoge in Lichtenfels wurde am gestrigen Freitag als Kunst-, Kultur- und Begegnungsstätte ihrer Bestimmung übergeben. Bürgermeisterin Bianca Fischer lobte die gelungene Sanierung des 1798 errichteten Gebäudes. Es sei ein Denkmal, das an die lange Geschichte und vor allem auch an die gewaltsame Auflösung und die Vernichtung des Judentums in Lichtenfels erinnere, sagte sie bei dem bewegenden Festakt.
Als künftige Begegnungsstätte solle die Synagoge dazu beitragen, dass das Gedankengut und die Gesinnung, die den Naziterror erst ermöglichten, in Lichtenfels nicht mehr Platz greifen können. Bei der Planung und Umsetzung der Neugestaltung habe die Stadt Unterstützung und Förderung erfahren, sagte sie und dankte allen, die daran beteiligt waren. "Den ersten Teil, das Denkmal vor dem Verfall zu bewahren, haben wir gemeinsam geschafft. Es aber nachhaltig im Sinne seiner Erbauer mit Leben zu füllen, bleibt eine Herausforderung für uns alle", unterstrich das Stadtoberhaupt.
Als "Juwel im Stadtzentrum" bezeichnete Regierungspräsident Wilhelm Wenning die ehemalige Synagoge. Die Bürger hätten den Wert dieser Kultur- und Bildungsstätte erkannt und sich für den Erhalt eingesetzt. Auch als städtebauliches Projekt sei es beispielgebend, daher habe die Oberfrankenstiftung, die Bayerische Landesstiftung und die Städtebauförderung neben anderen Zuschussgebern die Maßnahme unterstützt. Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg, Heinrich Olmer, bezeichnete die Synagoge als wichtigstes Zeugnis der jüdischen Geschichte in Lichtenfels.
Bezirksheimatpfleger Günter Dippold ließ die Geschichte der Lichtenfelser Juden Revue passieren. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die über 100 Mitglieder der jüdischen Gemeinde völlig in die Bürgerschaft integriert. Ihre Handelshäuser befanden sich am Marktplatz und in belebten Straßen. Es entstand eine enge Verbindung des Korbflechterhandwerks mit den jüdischen Korbhändlerfamilien. Wie ihre Nachbarn zogen die Männer in den Ersten Weltkrieg, einige wurden hoch dekoriert. Die Kinder besuchten gemeinsam die Vereine. 1933 aber, nach der Wahl Hitlers zum Reichskanzler, begann auch in Lichtenfels der Boykott jüdischer Geschäfte, im November 1938 wurde die Synagoge geschändet und des gab die ersten Opfer.
Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich keine jüdische Gemeinde in Lichtenfels etablieren. Das Gemeindehaus wurde Versammlungsstätte der apostolischen Gemeinde und diente später als Lagerraum einer Firma. Seit 2005 ist das frühere jüdische Gebetshaus im Besitz der Stadt Lichtenfels. Im Juni 2010 gab der Stadtrat "grünes Licht" für die Sanierung der ehemaligen Synagoge.
Der historisch vielschichtige Raum soll als authentischer Ort erhalten werden, der Besucher die vielschichtigen Spuren von der Erbauungszeit bis zur Fremdnutzung nach 1945 erleben lässt. Jede Rückführung auf einen bestimmten Zeitabschnitt würde die unverzichtbare Breite der Anschauung und damit auch die authentischen Impulse des Erinnerns und Gedenkens zerstören.
Die Gesamtkosten des Umbaus liegen bei 983 000 Euro. Nach den vorliegenden Bewilligungsbescheiden ergibt sich laut Ulrich Sünkel vom Lichtenfelser Bauamt folgende Finanzierung für die Sanierung der ehemaligen Synagoge: Städtebauförderungszuschüsse (Bundes- und Landesmittelanteil): 300 000 Euro; Oberfrankenstiftung: 350 000 Euro; Bayerische Landesstiftung: 68 000 Euro; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege: 10 000 Euro; Erfassung und Auswertung der Genisa-Funde (Gegenstände, die aus religiösen Gründen nicht weggeworfen werden durften und deshalb aufbewahrt wurden), Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen: 6000 Euro; für Ausstattung, Technik und Kunst aus dem Leader-Programm: 73 000 Euro; Eigenmittel der Stadt Lichtenfels (das ist rund 20 Prozent): 176 000 Euro.
Die einzelnen Schritte der Sanierung. Störende und nachträglich eingebaute Elemente wie Toilette und Kamin wurden am Gebäude der ehemaligen Synagoge entfernt. Die umfangreich erhaltenen bauzeitlichen Putze sowie die farblichen Fassungen der Wände wurden gefestigt. Die Synagoge erhielt insgesamt einen hellen Anstrich. Der Fußboden der Männersynagoge bekam einen Sandsteinbelag, der der Frauensynagoge wird durch einen Eichendielenboden kenntlich gemacht. Außerdem wurde das historische Kreuzstockfenster restauriert. Das Foyer wurde in moderner Bauart errichtet und beinhaltet den großzügigen und freundlichen Eingangsbereich mit der Miniküche und der Infotheke. Von dort sind auch die Nebenräume wie der Technikraum, Herren-WC, Damen-/Behinderten-WC und die Garderobennische zugänglich. Der Altbau wurde im ältesten nachgewiesenen Farbton gestrichen, ebenso die Altbauwand im Foyer. Der moderne Anbau mit seinem als Gründach ausgeführten Flachdach und seiner schlichten grauen Farbe ordnet sich dem Hauptbau unter. Durch Granitsitzsteine wurde ein Platz zum Verweilen geschaffen, in dessen Mittelpunkt eine Kopfweide die Verbindung des Korbflechterhandwerks mit den jüdischen Korbhändlerfamilien symbolisiert." |
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Fotos
und Dokumente zum Abschluss der Restaurierung des Synagogengebäudes
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
September 2016:
Tag des offenen Denkmals - über
die ehemalige Synagoge in Lichtenfels |
Artikel in "Fränkischer Tag" vom September
2016: "Gegenwart. Eine Matinee und ein Gespräch anlässlich des Tages des
offenen Denkmals zeigten in Lichtenfels die Stärken der ehemaligen Synagoge
als kulturelles Zentrum.
Könnte die ehemalige Synagoge sprechen, sie hätte einiges zu erzählen. Fast
220 Jahre steht sie mitten in Lichtenfels und wurde lange von einer
jüdischen Gemeinde genutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich ihr
Bild, sie wurde als Lager und zeitweise als Schweinestall missbraucht. Kaum
vorstellbar, wenn man nun die 2011 nach dreijähriger Restaurierungsdauer
wiederhergestellte Synagoge sieht. Zum Tag des offenen Denkmals luden
Stadtarchivarin Christine Wittenbauer und Ulrich Sünkel, der Leiter des
Hochbauamts, zu einer Matinee mit anschließendem Gespräch in die Synagoge.
Auch Kreisheimatpflegerin Andrea Göldner wohnte der Veranstaltung bei.
Interessiert folgte eine kleine Gruppe Sünkel und Wittenbauer durch die
Synagoge. Zwar ist die Größe des Gebäudes überschaubar, trotzdem gibt es
viel darüber zu erzählen, und so manches Detail könnte einem leicht
entgehen: Die Nischen etwa hinter der letzten Stuhlreihe wurden in die Wand
geschlagen, damit mehr Gläubige einen Platz finden.
Blick in die Vergangenheit. Am hölzernen Tonnengewölbe oben rechts
unter einem Scheinwerfer wurde eine kleine Stelle im Originalzustand
belassen. Die 1798 erbaute Synagoge wurde 1897 umgebaut, damals erhielt sie
auch die charakteristische gewölbte Holzdecke mit den zierlichen
Blumenornamenten. Die Restaurateure fanden 2008 eine gelbweiße Lackierung
vor, die erst fachmännisch entfernt werden musste. Genauso wie die
Eichentür, die bis dahin zugemauert war. Zum Vorschein kamen damals auch der
Tora-Erker mit dem Misrachfenster und ein Brunnen im Innenhof. Und heute?
Seit einigen Jahren wird die ehemalige Synagoge für kulturelle
Veranstaltungen genutzt. Vorübergehend fänden dort auch Trauungen statt,
erzählt Sünkel. Man überlege sogar, den Raum auf Dauer dafür anzubieten.
Sünkel lobt die Vorteile des Gebäudes: barrierefrei, zentral gelegen und
trotzdem etwas abseits der Straße. Nicht zu vergessen ist eines der
hervorstechendsten Merkmale: 'Die Akustik ist ein Traum.' Überzeugen konnte
man sich davon bei der Matinee mit Musikschülern der
Heinrich-Faber-Musikschule Lichtenfels. Annika Gagel erinnerte mit zwei
jüdischen Liedern, die sie auf der Blockflöte spielte, an die lange jüdische
Geschichte des Hauses. Christoph Gagel hat sich mit 'Hava nagila' ein
hebräisches Volkslied ausgesucht. Mit sicherer und ruhiger Hand spielte er
außerdem 'Rigaudon' von Alexander Goedicke. Moritz Handke überzeugte mit dem
'Rondo alla turca' von Wolfgang Amadeus Mozart und 'River Flows in You' von
Yiruma. Esther Schadt, die erfahrenste der drei Pianisten bei dieser
Matinee, ließ einige Meister der Klaviermusik erklingen: Beethoven,
Mendelssohn, Johann Sebastian Bach, Rachmaninow. Besonders bei der 'Polichinelle',
einem Stück des letztgenannten Komponisten, erfüllten die kraftvollen Töne
den ganzen Raum.
Romantische Klänge. Aber auch die romantischen Klänge Mendelssohns
aus der Nummer 3, Opus 30, 'Lieder ohne Worte' entfalteten ihre Wirkung:
'Das sind besonders zauberhafte und gefühlsbetonte Melodien', so Schadt über
das Stück. Mit Melodien, mit Gesprächen, mit Leben bekommt das historische
Gebäude einen würdigen Platz in unserer Gegenwart. Des Denkmals, der
Geschichte, wird nicht nur gedacht, es wird wieder ein Bestandteil des
heutigen Lebens. Wittenbauer erzählt von einigen Nachfahren jüdischer
Gemeindemitglieder, die nach Lichtenfels gekommen waren, um die Synagoge zu
sehen. Sie seien begeistert gewesen."
Link zum Artikel |
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November 2016:
Keine Einigung zur Verlegung von
"Stolpersteinen" in Lichtenfels |
Artikel von Gerda Völk in "inFranken.de"
vom 8. November 2016: "Vertagung. 'Steine des Anstoßes' im Lichtenfelser Stadtrat
Der Lichtenfelser Stadtrat fand zu keiner Entscheidung über Stolpersteine von Gunter Demnig. Vielleicht soll das Gedenken anders lebendig gehalten werden.
Rund 56 000 Stolpersteine hat der Kölner Künstler Gunter Demnig in 20 europäischen Ländern verlegt, unter anderen in
Burgkunstadt. Die mit einer Messingtafel versehenen Stolpersteine sollen ans Schicksal ermordeter jüdischer Mitbürger während des Naziregimes erinnern. Bei der Stadt Lichtenfels sind, wie Bürgermeister Andreas Hügerich im Stadtrat erläuterte, zwei zweckgebundene Spendenzusagen für Stolpersteine eingegangen.
Die Frage, ob der Stadtrat die Verlegung im öffentlichen Raum genehmigen soll, sorgte im Gremium für Diskussionen. Die Kosten für einen Stolperstein liegen bei 120 Euro. Da der erste Stein von Künstler selbst verlegt wird, werden Gesamtkosten von rund 1000 Euro fällig. Alle weiteren Steine können in Absprache mit Gunter Demnig vom Bauhof selbst verlegt werden, erläuterte Ulrich Sünkel vom Stadtbauamt. Doch trotz langer Diskussion fiel im Stadtrat am Montag keine Entscheidung zu diesem Thema.
Bürgermeister Andreas Hügerich sprach sich für eine Verlegung der Stolpersteine aus, da sie an die düsterste Zeit der deutschen Geschichte erinnern. Anders dagegen Roland Lowig (Wählervereinigung Leuchsental Jura), der sich gegen eine Verlegung aussprach, da Demnig so etwas wie eine Monopolstellung besitze. Als sinnvoller erachtet es Lowig, im Vorgarten der Synagoge eine Tafel mit den Namen derer aufzustellen, die Opfer des Naziregimes wurden.
Arnt-Uwe Schille (SPD) befürwortete die Stolpersteine, da es in der Stadt Lichtenfels mehrere Orte gibt, wo Juden oder andere Verfolgte ansässig waren:
'Damit wird kenntlich gemacht, wo sie gelebt haben.'
Man solle sich der Geschichte stellen, forderte Bernhard Christoph (Bündnis 90/Die Grünen). Er erinnerte daran, dass sich Lichtenfels bei der Verfolgung von Juden besonders negativ hervorgetan habe.
'Man sollte nicht nur Stolpersteine verlegen, sondern auch eine Tafel
aufstellen', sagte Christoph.
Kritisch sieht Robert Gack (CSU) die kommerzielle Seite der Aktion, vor allem vor dem Hintergrund, dass bereits 56 000 Stolpersteine verlegt wurden. Dem hielt Monika Faber (SPD) entgegen, dass die Stolpersteine ein Mahnmal seien und auch ein Künstler nicht von der Hand in den Mund lebe.
Christian Barth (Junge Bürger) hätte das Thema lieber in nichtöffentlicher Sitzung diskutiert. Letztlich sprach sich das Gremium mit 22:7 Stimmen für eine Vertagung aus. Auch will die Stadt bei den Spendern nachfragen, ob nicht auch eine andere Form des Gedenkens (Stele, Wandtafel oder ähnliches) in Frage komme. Das Thema soll außerdem noch einmal in den Fraktionen und im Fachausschuss behandelt werden."
Link
zum Artikel |
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November 2017:
Auch in Lichtenfels sollen nun
"Stolpersteine" verlegt werden |
Artikel von Ramona Popp in "inFranken.de"
vom 2. November 2017: "Lichtenfels: Stolpersteine als Erinnerungen auf dem Weg
Auch in Lichtenfels sollen im Gedenken an einstige jüdische Mitbürger 'Stolpersteine' verlegt werden. Am 9. November wird ein geführter Rundgang
angeboten.
'Stolpersteine', jene nur etwa zehn Zentimeter kleinen, quadratischen Messingplatten, sind Teile eines europäischen Mahnmals und Kunstprojektes. Sie erinnern an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, an politisch Verfolgte und weitere Opfer des Nationalsozialismus. In Deutschland und 20 Ländern wurden mittlerweile über 61 000 dieser Erinnerungstäfelchen auf Wegen und Plätzen gesetzt, und ihre Zahl steigt. Der Künstler und Initiator Gunter Demnig vergibt bereits Verlegetermine für 2018. Im Sommer nächsten Jahres könnte es auch in Lichtenfels soweit sein.
Ein entsprechender Beschluss des Hauptausschusses steht seit Ende Mai. Das Gremium, bestehend aus Bürgermeister und zehn Stadträten, befürwortete es einstimmig, die Verlegung von
'Stolpersteinen' im öffentlichen Raum zuzulassen. Es liegen mittlerweile vier Zusagen für an diesen Zweck gebundene Spenden vor. Ein
'Stolperstein' kostet 120 Euro. Da jeweils den ersten an einem Ort der Künstler selbst verlegt, ist für diesen der finanzielle Aufwand größer.
Der Stadtrat hatte sich vor ziemlich genau einem Jahr noch zögerlich gezeigt und mit breiter Mehrheit eine Entscheidung vertagt. Angesprochen worden waren in der Diskussion die kommerzielle Seite des Projektes sowie als Alternative eine Gedenktafel im Vorgarten der ehemaligen Synagoge in der Judengasse.
Letztlich setzten sich aber die Befürworter der 'Stolpersteine' durch. Auf diese Weise kann deutlich gemacht werden, wo überall in der Stadt Juden oder andere Verfolgte gelebt haben. Das Gedenken an sie wird nicht in eine Ecke geschoben.
Diesen Aspekt findet auch Bezirksheimatpfleger Günter Dippold wichtig. 'Sie haben mitten unter uns gelebt, die Verbrechen der Reichspogromnacht sind quer durch die Stadt hindurch
geschehen', betont er. Zu einigen markanten Punkten wird der Historiker bei einem Rundgang am Donnerstag, 9. November, führen.
Es gäbe zahlreiche Frauen, Männer und Kinder, denen man in Lichtenfels einen der angedachten
'Stolpersteine' widmen könnte. Darunter sind Menschen, die nicht nur Opfer wurden, sondern die sich zuvor um die Stadt verdient gemacht haben. Darunter etliche Korbhändler, deren Villen heute noch das Stadtbild prägen.
'Nach keinem von ihnen ist eine Straße benannt', merkt Professor Dippold an.
Erinnerungskultur ist ein Thema, das ihm am Herzen liegt. Dies hatte er schon 2011 in seiner Rede zur Einweihung der ehemaligen Synagoge als Kunst-, Kultur- und Begegnungsstätte deutlich gemacht.
Die im 18. Jahrhundert erbaute Synagoge war in der Reichspogromnacht 1938 schwer beschädigt worden. Nach dem Krieg war sie zwar wiederhergerichtet worden, fristete aber Jahrzehnte lang ein Schattendasein, unter anderem als Lagerraum. Der Kauf im Jahre 2005 durch die Stadt war wegen knapper Kassen und zu erwartender Folgekosten umstritten. Eineinhalb Jahre dauerte die aufwendige Sanierung mit Umbau zu einer Kunst-, Kultur- und Begegnungsstätte. Die Urenkelin des vorletzten Vorsitzenden der israelitischen Kultusgemeinde Lichtenfels, Sharon Kohn aus Kansas City, ließ wenige Tage nach der Einweihung darin liturgische Gesänge erklingen. Ein bewegender Moment. Auch ein Beleg dafür, dass es heute im Gedenken an die Opfer nicht um Schuld, sondern um Verantwortung und Würde geht. Es gehe auch darum, vor menschenverachtenden Ideologien zu warnen, hatte Günter Dippold schon damals unterstrichen. Quasi über Nacht waren aus angesehenen Mitbürgern verachtete Juden geworden. Auf solche Mechanismen hinzuweisen sei heute mehr denn je geboten, findet er - nachdem eine Partei in den Bundestag gewählt wurde, in deren Reihen man den Begriff
'völkisch' wieder positiv besetzt haben möchte.
Friedensgebet am 9. November. Der 9. November ist der Jahrestag der Reichspogromnacht (1938). Gewalt gegen Juden, Zerstörung ihrer Häuser, Geschäfte und Gebetsstätten war der Auftakt zu staatlich organisiertem Massenmord. In der ökumenischen Veranstaltung an diesem Tag ab 18 Uhr vor dem Lichtenfelser Rathaus soll daran erinnert werden. Den Texten, Liedern und Gebeten für Frieden, Toleranz und Menschlichkeit wird sich ein Rundgang zu denkwürdigen Orten im Innenstadtgebiet unter der Leitung von Bezirksheimatpfleger Günter Dippold anschließen."
Link
zum Artikel |
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November 2018:
Veranstaltung zum Gedenken an den
Novemberpogrom 1938 |
Artikel im "Fränkischen Tag" (inFranken.de)
vom 11. November 2018: "Ein Licht für Miteinander und Versöhnung
Vor der ehemaligen Synagoge, dem einstigen spirituellen Zentrum der Juden,
versammelten sich am Jahrestag der Reichspogromnacht Hunderte Lichtenfelser.
Es lag eine Liturgie vor. Sie begann schon am Vortag und besonders auch
an diesem Ort. Beim Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht von 1938
waren am Freitag auch die jüdischen Mitbürger Arnold und Sofie Seliger unter
den Menschen, die zur ehemaligen Synagoge fanden. Zwar nur namentlich, aber
als "Stolpersteine" doch buchstäblich. Es mögen sich wohl bald an die 200
Menschen vor dem einstigen Gotteshaus eingefunden haben. Die Menora, der
siebenarmige Leuchter, sandte vor dem früheren Hauptportal Kerzenschein in
die Dunkelheit der Nacht. So wie es auch die Kerzen taten, die viele
Besucher mit zu dem Ort brachten, der spirituelles Zentrum der Juden in
Lichtenfels war.
'Frieden schaffen ohne Waffen'. Hier war Symbolik zu finden. Zwölf
Steinblöcke liegen um einen Baum, die zwölf Stämme Israels bezeichnend.
Dort, nahe bei ihnen, stand auch Bürgermeister Andreas Hügerich und blickte
in die Flammen. Eine Frau in der Schar der Besucher wandte sich an ihre
Nachbarin und plädierte dafür, diese alljährliche Besinnung auf das
Geschehen vom 9. auf den 10. November 1938 immer hier stattfinden zu lassen.
Andere Menschen hielten ein Spruchband mit der Aufschrift 'Frieden schaffen
ohne Waffen' in die Höhe. Das Gedenken an Einstiges und die Sorge um
Künftiges fanden in der Judengasse gegen 18 Uhr zueinander. 'Im Namen der
evangelischen und katholischen Jugend begrüße ich Sie. Ich bin begeistert,
dass es so viele sind, die hierher gefunden haben', eröffnete
Dekanatsjugendreferent Reiner Babucke, ans Mikrofon vor der Synagoge
tretend. Ihm zur Seite stand Pastoralreferent Tomas Reich. Gemeinsam schufen
sie mit den Bad Staffelsteiner Pfarrern Helmuth Bautz und Georg Birkel
musikalische und textliche Besinnlichkeiten. So lautete auch ein
beeindruckender Satz des Abends, der in seine Stille gesprochen wurde, wie
folgt: 'Was müssen wir tun, dass wir nicht vergessen, wie schnell Menschen
zu mitleidlosen Monstern werden?' Die Antwort darauf gab ein Lied,
mitgesungen aus allen Kehlen: 'Bleibet hier und wachet mit mir.'
Vorspiel zur Massenvernichtung. Wohl 400 Menschen jüdischen Glaubens fanden
reichsweit in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 durch
judenfeindliche Aktionen nazistischen Mobs den Tod. So zogen auch
gewaltbereite Schläger durch Lichtenfels, Geschäfte jüdischer Mitbürger
plündernd und verwüstend, die Tür der Synagoge mit einem Balken einrammend,
ihre Fenster zerschlagend und ihr Inneres verwüstend. Auch hier wie
reichsweit ein Vorspiel zur Massenvernichtung der Juden. Auch in Lichtenfels
kamen jüdische Mitbürger zu Schaden, wurden erniedrigt und gepeinigt. Für
sie verlosch Bautz immer wieder ein Licht an der Menora, für ein künftiges
besseres Miteinander sollte Birkel dort später aber auch wieder Licht
entzünden. Auch gemahnte Birkel an Zivilcourage, an Widerstandsbewegungen
wie die Weiße Rose, den Kreisauer Kreis oder die der Generale des 20. Juli.
Eine Stunde sollten die Menschen zusammenstehen und gemeinsam Andacht
halten. Als sie wieder auseinander gingen, gaben sie den Blick auf die
beiden Stolpersteine vor der Synagoge frei. Sie gehören Arnold und Sofie
Seliger, den Tod gefunden 1941 und 1938."
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November 2018:
In Lichtenfels werden auf Grund
der Recherchen von Gymnasiasten die ersten
"Stolpersteine" verlegt |
Artikel von Christa Burkhardt in "Fränkischer Tag"
(inFranken.de) vom 18. November 2018: "Nationalsozialismus. Als aus 13
ehrbaren Lichtenfelsern 'minderwertige' Juden wurden
In einem Werkstattgespräch erzählten Gymnasiasten, wie sie ein einzigartiges
Projekt angepackt haben und was es mit ihnen gemacht hat.
13 Namen, 13 vergilbte Fotos und 13 Geburtsdaten standen am Anfang. Dann
machten sich die Schüler des P-Seminars Geschichte zusammen mit ihrem Lehrer
Manfred Brösamle-Lambrecht an die Arbeit. Das Ergebnis füllt eine
umfangreiche Ausstellung, ein über 100 Seiten dickes Begleitbuch, knüpft
Kontakte nach Übersee, erregt bundesweit Aufsehen und hat das Gesicht von
Lichtenfels verändert. 'Wir wünschten, unser Thema wäre nicht so aktuell',
sagt Brösamle-Lambrecht zu Beginn und erinnert an rechte Parolen,
Verharmlosungen historischer Ereignisse, Diskriminierung und Anschläge. 2018
und nicht 1938. 'Wenn wir eines in diesem Seminar gelernt haben, dann dass
so etwas nie wieder geschehen darf', sagt Sophie Rauh. Wie gingen die
Schüler vor? Welche Spuren verfolgten sie? Was macht das mit einem, wenn man
die Biografien von 13 Menschen rekonstruiert, denen 1938 der Führerschein
entzogen wurde, weil sie Juden waren? Am Donnerstag luden sie zum
Werkstatt-Gespräch in die ehemalige Synagoge, um über ihre Arbeit und ihre
Gefühle zu sprechen. Im Internet suchten sie nach Grabsteinen, Inschriften
und Todesanzeigen. In Archiven in Lichtenfels, Bamberg oder Coburg nach
persönlichen Briefen, Steuerunterlagen und Deportationslisten. 'Wir fanden
als Erstes ein Dokument über Schutzhaft, Deportation und Ermordung von
Alfred Oppenheimer', sagt Luise Aumüller. 'Wir rekonstruierten sein Leben
und das seiner Familie und wussten von Anfang an, dass diese Geschichte mit
dem Tod endet.' Und sie spricht von Trauer, Wut und tiefen Gefühlen. 'Er
sieht so sympathisch aus auf dem Foto, deshalb habe ich ihn ausgesucht',
sagt Sophie Rauh. Sie spricht von Leo Wolf aus
Altenkunstadt, der im 1. Weltkrieg
verwundete Kameraden aus der Frontlinie gerettet hatte. Da war er noch
Deutscher gewesen. 1942 ging er mit drei Militärorden an der Brust in den
Tod. Da war er Jude. Seine Tochter Margot wurde nur 13 Jahre alt. 'Ich hätte
ihn gern kennengelernt', sagt Sophie.
Eine Spur verläuft im Sande. Die Suche nach Josef Kraus war
schwierig. 'Wir fanden viel über seinen Vater, den Stadtrat Carl Kraus, das
überschattete seinen Sohn', sagt Simon Bornschlegel über eine Recherche, die
viele Fragen offen ließ. Ein kleiner Lesefehler hatte große Folgen:
Fischbach statt Fischach entzifferten die Schüler und verfolgten eine Spur,
die im Sand verlief. Ein kleiner Lesefehler - auf einer Deportationsliste
der Nazis. 'Dieser Spur gehen wir auf jeden Fall noch nach', versichert
Markus Betz. 'Natürlich wissen wir aus der Schule viel über den
Nationalsozialismus, aber mit diesem Projekt wurden aus Zahlen Menschen, aus
schrecklichen Ereignissen konkrete Schicksale', sagt Francesca Schütz.
'Gänsehaut. Dieses Wort trifft das am besten, was wir immer wieder
empfanden', sagt Manfred Brösamle-Lambrecht. Gänsehaut bei guten
Nachrichten. Gänsehaut bei schlechten Nachrichten. Gänsehaut beim Schreiben
von Briefen und E-Mails an mögliche Nachkommen. 'Ich habe mir vorgestellt,
wie das für mich wäre, wenn ich aus einem anderen Land von einem wildfremden
Menschen eine Nachricht über meine Urgroßeltern bekommen würde', sagt Luise
Birkner.
Gänsehaut in langen Phasen des Wartens. Warten auf Antworten von Archiven
und jüdischen Gemeinden aus der halben Welt. Gänsehaut, als tatsächlich
Antworten kamen. 'Wir sind sehr aufgeregt.' 'Ich weine.' 'Ich will mit
Deutschland nichts mehr zu tun haben.' 'Wir finden euer Projekt großartig
und kommen gern zur Vernissage.' Gänsehaut, als sie endlich Fotos in Händen
halten und 'Gänsehaut, als wir die Familien abgeholt haben und diesen
Menschen wirklich begegnet sind', erinnert sich Victoria Thiel. Gänsehaut,
wenn sie darüber nachdenken, was ein kleines Schulprojekt alles bewirkt hat.
Acht der 13 Führerscheininhaber konnten emigrieren. Ihre Familien leben in
den USA und Südamerika. Kontakte nach Australien sind geknüpft. Fünf
Menschen und ihre Familien wurden von den Nazis umgebracht. Ellie, die
Urenkelin von Inge Stanton, die die Reichspogromnacht in Lichtenfels als
Achtjährige von einem Nachbarn versteckt miterlebt hatte, sprach bei der
Verlegung der Stolpersteine ein Gebet. Auf Englisch, denn sie lebt in den
USA. 'Ellie ist so alt wie wir. Sie würde vielleicht zusammen mit uns Abitur
machen', sagt Clara Aumüller. - wenn ihre jüdischen Vorfahren in Lichtenfels
hätten bleiben können. Gänsehaut, die immer wieder kommt. Alle 13
Führerschein-Inhaber waren gebildete, produktive und angesehene Mitglieder
der damaligen Gesellschaft. Sie arbeiteten, sie engagierten sich in
Vereinen, sie besaßen Häuser, sie gründeten Familien. Und sie sprachen
Deutsch. Trotzdem gelang es vor 80 Jahren aus Mitmenschen Minderwertige zu
machen, die man schikanieren, enteignen und töten darf. 'Wir wünschten,
unser Thema wäre nicht so aktuell', sagt Brösamle-Lambrecht. Stadtarchivarin
Christine Wittenbauer versichert: 'Die Arbeit , die diese jungen Menschen
angefangen haben, wird auf jeden Fall fortgesetzt.' Im Frühjahr werden
weitere Stolpersteine verlegt. Angehörige der 13 Führerschein-Inhaber haben
ihren Besuch angekündigt. Schon wieder Gänsehaut. Das Seminar 2pg 2017/18
des Meranier-Gymnasiums ist Geschichte. Die Geschichte geht weiter."
Link zum Artikel
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April 2019:
Weitere elf "Stolpersteine" wurden
verlegt |
Artikel in "inFranken.de" (Fränkischer Tag)
vom 4. April 2019: "Stolpersteine. Lichtenfels setzt Zeichen gegen das
Vergessen.
In der Kreisstadt wurden weitere 'Stolpersteine' im Gedenken an verjagte und
ermordete jüdische Mitbürger gesetzt. Bürgermeister Andreas Hügerich (SPD)
begrüßte dabei ein zweites Mal den Künstler und Initiator dieser Aktion,
Gunter Demnig, in Lichtenfels. Am 9. November 2018 hatte dieser die ersten
Erinnerungssteine hier gesetzt. Ein dritter Termin wurde bereits
angesprochen. Was während des Nazi-Regimes geschehen sei, könne man nicht
mehr gutmachen, sagte Hügerich, aber man wolle ein Zeichen setzen, damit es
nicht vergessen wird - ein Zeichen gegen Antisemitismus und Fremdenhass, für
Offenheit und Toleranz. Eigens zu diesem Termin war aus Tel Aviv der Enkel
eines deportierten Lichtenfelser Ehepaars gekommen, das 1942 umgebracht
wurde. Gabriel Hellmann sprach in bewegenden Worten über sich und seine
Familie.
Ein Stolperstein ist ein Zeichen gegen das Vergessen. Um elf mit Namen
versehene kleine Messingplatten ist die Stadt seit Donnerstag reicher.
Zwischen Marktplatz und Bamberger Straße wurden sie vor den einstigen
Wohnungen jüdischer Mitbürger verlegt; jede Station eine Erinnerung an
Schicksale, an Menschenleben. Den weitesten Weg hatte Gabriel Hellmann auf
sich genommen, um dabei zu sein. Er, geboren vor 67 Jahren in Israel, ist
der Enkel eines ermordeten Ehepaars. Seine Heimat ist Tel Aviv, aber seine
Wurzeln sind hier am Obermain. Er begrüßt mit einem 'Shalom', spricht ein
gutes Deutsch und bemüht sich gar nicht zu verbergen, wie sehr ihn das
Geschehen bewegt. 'Mein Vater hat nie über die Eltern gesprochen', berichtet
er, und dass er sich zu einer 'Generation ohne Großeltern' zähle. Von den 40
Kinder in seiner Klasse hätten zwei oder drei Großeltern gehabt. Dabei sei
Opa-sein doch das Beste in der Welt, wie er heute weiß.
Biografien erforscht. Bevor man gemeinsam zu der Stelle kommt, wo Max
und Kathinka Hellmann wohnten, berichten Schüler des Gymnasiums gemeinsam
mit ihrem Lehrer Manfred Brösamle-Lambrecht von dem, was sie in einem
Geschichtsseminar über die jeweiligen Familien herausgefunden haben. Diese
Forschungsarbeit geht weiter, wie Stadtarchivarin Christine Wittenbauer
aufzeigt. Gunter Demnig setzt derweil schweigend die Steine. Mitarbeiter des
Bauhofs assistieren. Manchmal genügt ein Stemmeisen, manchmal braucht es die
Schlagbohrmaschine dazu, um den Untergrund vorzubereiten. Aber immer geht
der Künstler in die Knie - eine Tätigkeit mit Symbolcharakter. In Israel
kennt man das Projekt und schätzt es sehr, erfahren die Umstehenden von dem
Gast aus Tel Aviv. Man habe ihm aufgetragen: 'Wenn Du Demnig triffst, sag
ihm danke!' Es ist ein sonniger Vormittag in Lichtenfels. Passanten gehen
vom Einkauf oder anderen Erledigungen kommend vorbei, manche eilig, manche
innehaltend - neugierig, was da geschieht, warum hier Rosen niedergelegt
werden. Aus heutiger Sicht sei es kaum zu glauben, was vor 80 Jahren
geschehen ist, sagt Gabriel Hellmann. Heute zeige er als Reiseleiter in
Israel Deutschen sein Land. Die Verbindung der Menschen ist ihm wichtig, er
spricht ein Gebet auf Hebräisch, das Amen findet ein Echo. Am Schluss eine
Umarmung mit dem Bürgermeister. Eine Geste, die in Erinnerung bleibt.
An Josef Motschmann erinnert. Josef Motschmann (1952-2016) war
Forscher und Kenner der Geschichte der Juden am Obermain. Seine
Heimatgemeinde Altenkunstadt ernannte ihn zum Ehrenbürger. Im Lichtenfelser
Rathaus, vor dem Setzen weiterer Gedenksteine für ehemalige jüdische
Mitbürger, begrüßte Bürgermeister Hügerich am Donnerstag auch Motschmanns
Witwe Elfriede Fischer. Sie und ihre Familie pflegen seit Jahren
freundschaftliche Bande zu dem Gast, den die Stadt zu dieser
Gedenkveranstaltung eingeladen hatte: Gabriel Hellmann aus Tel Aviv. Er ist
der Enkel von Max und Kathinka Hellmann. Max Hellmann war Altenkunstadter
und als Hausierer tätig. Ein Lottogewinn 1937 ermöglichte es ihm, mit seiner
Familie nach Lichtenfels zu ziehen und dort das lange ersehnte eigene
Geschäft, ein Fachgeschäft für Schmierstoffe, zu eröffnen. Doch das Glück
währte nur kurz: Das Ehepaar wurde 1942 aus Lichtenfels deportiert und
ermordet. Sohn Siegfried (*1920), gelang die Flucht. Gabriel Hellmann
berichtete, dass der frühere Altenkunstadter Bürgermeister Fred
Hermannsdörfer Kontakt zu seinem Vater aufgenommen und zu einem Treffen
eingeladen hatte. Daraus sei eine Freundschaft entstanden. Auch an
Motschmanns Verdienste erinnerte er: 'Er sollte heute hier sein.'
Ausstellung erneut zu sehen. In einem Geschichtsprojekt haben Schüler
des Meranier-Gymnasiums Lichtenfels die Biografien ehemaliger Mitbürger
erforscht, deren Führerscheine 1938 eingezogen worden waren, weil sie Juden
waren. '13 Führerscheine. Dreizehn jüdische Schicksale' heißt die
Ausstellung, die das Kultusministerium mit dem Bayerischen P-Seminarpreis
ausgezeichnet hat. Sie ist bis Ostermontag erneut in der ehemaligen Synagoge
in Lichtenfels zu sehen.
Bis Ostern in der Synagoge. Die Öffnungszeiten: Samstag/Sonntag,
6./7. April, und Dienstag, 9. April, jeweils 14 bis 17 Uhr; Donnerstag. 11.
April, 16 bis 20 Uhr; Dienstag, 16. April, 14 bis 17 Uhr; Donnerstag, 18.
April, 16 bis 20 Uhr, Samstag/Sonntag/Montag, 20./21./22. April, 14 bis 17
Uhr. Stellvertretender Landrat Helmut Fischer (CSU) wünschte der Ausstellung
erneut viele Besucher. Im Vorfeld der Verlegung weiterer 'Stolpersteine'
dankte er der Stadt Lichtenfels für ihr Engagement. 'Man muss sich auch dem
Unangenehmen stellen.' Er selbst zählt zur Nachkriegsgeneration, von der er
sagte: 'Wir haben manchmal unser Problem mit Schuldzuweisungen. Aber
vergessen - das dürfen wir nicht.'"
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Juni 2019:
Gedenkzeremonie zur Verlegung von
"Stolpersteinen" in der Bamberger Straße und Am Marktplatz
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Artikel von Corinna Tübel in "inFranken.de"
(Fränkischer Tag) vom 2. Juni 2019: "Gedenken. Stolpersteine gegen das
Vergessen
Viele Nachfahren der in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgten
Lichtenfelser Bürger erinnerten sich in einer Gedenkzeremonie an deren
Schicksale. Schüler des Meranier-Gymnasiums machten die Biografien lebendig.
Die Bamberger Straße in den 1930er Jahren: Im Anwesen der heutigen
Hausnummer 33 wohnten die Brüder Arthur und Manfred Goldmeier und betrieben
eine Viehhandlung und kommissionsweise einen Güterhandel, später ein
Immobiliengeschäft. 1938 wurden sie von den Nationalsozialisten gezwungen,
ihre Immobilien zu verkaufen und vorübergehend ins Judenhaus zu ziehen.
Zusammen mit ihren Frauen gelingt beiden getrennt die Flucht. Sie erreichen
1940 die USA, wo sie von ihren bereits zuvor ausgereisten Kindern empfangen
werden. Es ist schwer, sich ein neues Leben im fremden Kontinent aufzubauen,
aber durch Mut und den Rückhalt der Familie schaffen es beide.
Heute steht die Enkelin Arthur Goldmeiers vor dem Haus ihres Großvaters.
Lori Gallo ist bewegt: 'Es ist wichtig für mich zurückzukommen und
zurückzublicken, was vor 81 Jahren hier passiert ist. Es ändert nichts mehr,
aber es schließt ein Kapitel für mich ab.' Auch die Besichtigung des
früheren Wohnhauses sei ihr sehr nahe gegangen. Im Rahmen der
Gedenkzeremonie zu den bereits im April 2019 eingeweihten Stolpersteinen
würdigten der Erste Bürgermeister der Stadt Lichtenfels, Andreas Hügerich
(SPD), sowie Stadtarchivarin Christine Wittenbauer nicht nur die
Stolpersteine für die verfolgten Juden aus Lichtenfels, sondern vor allem
die Erinnerung an diese. Schüler des P-Seminars des Meranier-Gymnasiums
Lichtenfels hatten bereits im Herbst durch ihr Projekt '13 Führerscheine -
13 jüdische Schicksale' die Leben einzelner jüdischer Familien aus
Lichtenfels erforscht und stellten sie an diesem Tag in lebendigen
Geschichten vor.
Nachfahren aus USA und Buenos Aires angereist. In einem symbolischen
Akt, der der letzten Handlung des abwesenden Künstlers Gunter Demnig
gleicht, kehrte Andreas Hügerich die Stolpersteine in der Bamberger Straße
sowie Am Marktplatz frei. In einer Gedenkminute zur Erinnerung an die Opfer
nahmen auch Bürger Lichtenfels Anteil an der Geschichte, ehe die Angehörigen
weiße Rosen niederlegten. Nachfahren der Brüder Goldmeier waren zu siebt aus
den USA angereist, um diesem Abend beizuwohnen. Auch vor dem Anwesen der
Bamberger Straße 7 wurde Geschichte lebendig. Eine Nachfahrin der Jüdin
Jenny Kraus, Bettina Kraus, war aus Buenos Aires angereist, um die letzte
freiwillig gewählte Wohnstätte ihrer Ahnin aufzusuchen und sich an sie zu
erinnern. Leider hat sie sie nie persönlich kennengelernt. Es gibt heute
nicht mehr viele Menschen, die von dieser Epoche erzählen können. 'Die
Jugendlichen des P-Seminars haben es geschafft, diese Zeit nicht nur in
Daten und Jahreszahlen darzustellen, wie wir es aus den Geschichtsbüchern
kennen. Selbst für uns ist es schwer, sich so eine dunkle Zeit annähernd
vorzustellen. Heute haben die Opfer ein Gesicht und eine Geschichte
bekommen', bewertet der Erste Bürgermeister der Stadt Lichtenfels die Arbeit
der Gymnasiasten: 'Wir können jetzt aufstehen und sagen: So etwas wird nicht
mehr geschehen.' Auch vor dem Haus in der Bamberger Straße 4 und dem
Marktplatz 21 liegen Stolpersteine. Sie erinnern an Florett und Max Nass,
die Tochter des Manfred Goldmann, die ebenfalls mit ihrer Familie in die USA
fliehen konnte, sowie Josef Kraus. Letzterer betrieb ein Geschäft für
Schnitt- und Kurzwaren. In der Nacht der Novemberpogrome wurde es geplündert
und verwüstet, später wurde Josef Kraus in einem Konzentrationslager in
Ostpreußen ermordet. 'All diese Menschen sind es wert und es ist unsere
Pflicht, an sie zu erinnern. Über die Steine soll man im Vorbeigehen
wirklich stolpern und sich an die Geschichte und die eigene Verantwortung
erinnern', so Andreas Hügerich. 'Wir können die Vergangenheit nicht
ungeschehen machen, aber wir können jetzt aufstehen und sagen: So etwas wird
nicht mehr geschehen.'
Den Abschluss des Menschenzuges, der in gemeinsamem Gedenken an eine längst
vergangene, aber doch präsente Zeit schritt, bildete eine Zusammenkunft in
der Synagoge Lichtenfels. Hier blickte der Erste Bürgermeister nicht nur auf
die Schicksale derjenigen zurück, deren zu Ehren die Stolpersteine verlegt
wurden, sondern würdigte auch die Kraft der Hinterbliebenen, den Weg für
diesen Abend auf sich genommen zu haben. Auch die Nachfahren Bettina Kraus
und Lori Gallo fanden Worte über die Bedeutung, sich hier am Ort des
Geschehens erinnern zu dürfen."
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April 2024:
Gedenken an deportierte jüdische
Lichtenfelser |
Artikel von Werner Diefenthal im
"Obermain-Tagblatt" vom 26. April 2024: "LICHTENFELS. Erinnerung an
Deportation von jüdischen Lichtenfelsern
Es ist eigentlich unvorstellbar, doch ist es Geschichte. Wie überall zur
Zeit der Nazi-Herrschaft, so wurden auch in Lichtenfels die jüdischen
Mitbürger entrechtet, verfolgt, misshandelt und am Ende ermordet. Wer nicht
rechtzeitig fliehen konnte oder nicht genug Geld für eine Flucht hatte, auf
den wartete am Ende der Transport in eines der vielen Vernichtungslager der
Nazis. Statt eines Namens hatte man nur noch eine Nummer, ein weiterer
Schritt, der zeigen sollte, dass man als Jude kein Mensch war. Im ganzen
Land und in den von den Nazis besetzten Ländern rollten Tag und Nacht die
Züge voller Menschen, auf die am Ende der Tod wartete. 'Umsiedlung' hieß es
offiziell, bis zum Ende wurden sie getäuscht und belogen.So auch die letzten
noch in Lichtenfels lebenden Juden, die am 24. April 1942 in den Zug DA 49
einsteigen mussten. Manfred Brösamle-Lambrecht erinnerte in seinem Vortrag
in der ehemaligen Synagoge an das Schicksal jener Menschen. 'Verschwunden im
Grauen', ein Titel mit Doppeldeutigkeit. Verschwanden die Menschen nicht nur
im Grauen eines ganzen Volkes, sondern auch im Grau der Geschichte. Die
Schicksale der Menschen, sie bewegen auch heute noch. So wie das der
Oppenheimers, die schon fast ausgereist waren. Doch fand man verbotene
Wertgegenstände in ihrem Gepäck, wofür sie ins Gefängnis mussten. Als sie
entlassen wurden, war es für eine Ausreise zu spät. Oder das Schicksal von
Josef Kraus, der freiwillig in Lichtenfels geblieben war. Über die Gründe
dafür kann man nur spekulieren. Es heißt, er wollte seinen pflegebedürftigen
Vater nicht alleine lassen. Andere Quellen sagen, er habe an TBC gelitten.
Und damit hätte er nirgendwo einreisen können.
Ein Leben in Angst. Die Juden zu dieser Zeit, sie alle lebten in
Angst. Sie waren bereits entrechtet, durften nicht mehr arbeiten, nicht mehr
reisen, lebten in Ghettos oder abgeschirmten Häusern in elenden
Verhältnissen, den Hungertod täglich vor Augen. Im September 1941 kam die
Anordnung zum Völkermord. Transport reihte sich an Transport. 'Das Ziel
eines jeden Transports, das waren keine Konzentrationslager. Es waren
Todesfabriken', stellte Manfred Brösamle-Lambrecht klar heraus. 'Man
übermittelte den Menschen den Transportbefehl. Mitnehmen konnten sie nur
das, was sie tragen konnten. Sie erhielten eine Nummer, sperrte sie in
Waggons. Verpflegung für mehrere Tage war mitzunehmen, doch das Problem war
Wasser. Aussteigen durften sie nicht, um Wasser zu holen. Und von der
Bevölkerung war keine Hilfe zu erwarten.' Der Transport dauerte vier Tage,
bis sie in Krasnystaw ankamen. Von dort ging es 17 Kilometer in einem
Gewaltmarsch nach Krasniczyn, einem Ort mit knapp 50 Häusern, den man vorher
geräumt hatte. Zu 40 Personen in engsten Verhältnissen, Essen gab es nicht.
Die hygienischen Zustände mag man sich nicht vorstellen. Eine Bewachung war
unnötig. Man befand sich mitten im besetzten Polen, von der dortigen
Bevölkerung war keine Hilfe zu erwarten. Am 6. Juni 1942 wurde dieses Ghetto
aufgelöst, die Menschen mussten sich draußen versammeln und wurden wieder
weitergetrieben. Wer nicht laufen konnte oder unterwegs nicht mehr konnte,
wurde von der Gruppe getrennt und erschossen. 19 Kilometer Marsch bis zum
Bahnhof, dann in Viehwaggons eingepfercht ging es auf die letzte Etappe nach
Sobibor, wo die noch lebenden Menschen mit Abgasen vergast wurden. Wann und
wie die Juden aus Lichtenfels ums Leben kamen, ist unklar. Am Ende waren
alle Insassen des Transportes durch die Nazis ermordet worden. Mit
eindrucksvollen Bildern und bewegter Stimme schilderte Manfred
Brösamle-Lambrecht das Geschehen. Nach einer Schweigeminute versammelten
sich die rund 80 Anwesenden zu einem Schweigemarsch zum Bahnhof, um dort 14
weiße Rosen in Gedenken an die jüdischen Mitbewohner abzulegen.
'Nie mehr ist jetzt'. Mit dieser Aktion, gemeinsam durchgeführt vom
Bündnis 'Lichtenfels ist bunt' und 'Omas gegen Rechts' sollte an diesem
Abend den Opfern gedacht werden. 'Wir erinnern an die Vergangenheit' und
'Nie mehr ist jetzt' stand auf den mitgeführten Transparenten, was auch von
Gudrun Rebhan von Omas gegen Rechts und Laura Göldner von Lichtenfels ist
Bunt in ihren kurzen Reden anführten. 'Wir erinnern uns', so Laura Göldner.
Diese Erinnerungen dürfen nie verblassen."
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 480; III,1 S. 741-742. |
| Heinrich Meyer: Die Lichtenfelser Juden. In:
Geschichte am Obermain 5 1968/69 S. 135-166. |
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 141-143. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 214-215. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 239-241.
|
| Susanne Troche: Widerstand gegen Hitler.
Einzelbeispiele aus dem Raum Lichtenfels. Fränkische Heimat am Obermain
Heft 32. Online
zugänglich. (Kapitel 6.4: Die Unterstützung von Juden). |
| Erwin Vollmuth: Der 9. November 1938
("Reichskristallnacht") in Lichtenfels. 1981. In Kürze online
zugänglich.
|
|
"Mehr als
Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Band I:
Oberfranken - Oberpfalz - Niederbayern - Oberbayern - Schwaben.
Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager. Hg.
von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz.
Reihe: Gedenkbuch der Synagogen in Deutschen. Begründet und
herausgegeben von Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3:
Bayern. Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im
Allgäu.
ISBN 978-3-98870-411-3.
Abschnitt zu Lichtenfels S. 193-200 (die Forschungsergebnisse
konnten auf dieser Seite von "Alemannia Judaica" noch
nicht eingearbeitet werden). |
|
| Klaus
Bamberger: Aus der Geschichte der Familie Bamberger.
Kindheitserinnerungen an Lichtenfels. Sonderheft 3 aus der Reihe
Lichtenfelser Hefte zur Heimatgeschichte (hrsg. vom Stadtarchiv
Lichtenfels).
Dieser Publikation liegen die beiden nachfolgend genannten Beiträge
zugrunde: |
| Claude P. Bamberger: A Biographical Essay. Carlstadt
N.J. 1989. |
| ders.: History of a Family. The Bambergers of Mitwitz and Lichtenfels, Germany 1770-1993. Tenafly N.J. 1993. |
| Hans-Peter
Süss: Jüdische Archäologie im nördlichen Bayern. Franken und
Oberfranken. Verlag Dr. Faustus Büchenbach 2010 (Reihe: Arbeiten zur
Archäologie Süddeutschlands Band 25). Zu Lichtenfels S. 83-85.
|
| Die
Lichtenfelser Synagoge. Festgabe zur Eröffnung der ehemaligen Synagoge
als Kunst-, Kultur- und Begegnungsstätte. Hrsg. von Christine Wittenbauer.
Reihe: Lichtenfelser Hefte zur Heimatgeschichte. Hrsg. vom Stadtarchiv
Lichtenfels. Heft 12. Lichtenfels 2011.
Selbstverlag der Stadt Lichtenfels, Postfach 1220, 96202 Lichtenfels. Bestellmöglichkeit
über Website der Stadt. ISBN 0944-8993. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Lichtenfels Upper
Franconia. The 13th century community was expelled during the Rindfleisch
massacres of 1298 and again in 1499 after reestablishing itself in 1447. The
community was renewed in 1668 under the protection of the Bishop of Bamberg. A
synagogue was built in the Jewish quarter in 1757. The Jewish population reached
155 in 1812 (total 1.564) and thereafter declined steadily to 69 in 1933 (total
6.970). On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue was
vandalized, ten Torah scrolls were burned, Jewish homes and stores were looted,
and 22 Jews were arrested. Fifty-three Jews left the city in the Nazi era,
including 15 to England and 13 to the United States. On 25 April 1942, six of
the remaining Jews were deported to Izbica in the Lublin district (Poland) and
another eight were sent to the Theresienstadt ghetto.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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