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Kirtorf (Vogelsbergkreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Kirtorf bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18.
Jahrhunderts zurück. 1661 wird erstmals ein jüdischer Einwohner in der
Stadt genannt, der freilich auf Grund einer landgräflichen Verordnung wieder
"auf ein Dorf weichen" musste. 1696/1700 gab es drei jüdische
Familien in der Stadt (Moses, Israel und Abraham).
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts dürfte es zur Bildung einer Gemeinde
gekommen sein: 1770 lebten sechs jüdische Familien in der Stadt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie
folgt: 1828 49 jüdische Einwohner, 1861 57 (5,2 % von insgesamt 1.102
Einwohnern), 1880 66 (6,7 % von 947), 1895 64, 1900 45 (5,3 % von 851), 1905 55
(6,3 % von 882), 1910 51 (5,7 % von 894). Die jüdischen Familien lebten vor
allem vom Waren-, Vieh- und Pferdehandel. Seit der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts hatten mehrere von ihnen Handlungen, Manufakturwaren- und
Lebensmittelgeschäfte eröffnet. Fast alle Familien lebten in eigenen Häusern
und betrieben teilweise etwas Landwirtschaft.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Schule, ein
rituelles Bad und ein Friedhof. Die jüdische Schule wurde kurzzeitig (von 1840
bis 1842 als israelitische Elementarschule geführt, als die Gemeinde 20
schulpflichtige Kinder hatte. Als Elementarlehrer war in dieser Zeit Baruch Hecht eingestellt.
Ab 1842 wurde die Schule von Lehrer M. Cahn in Ober-Gleen mitbetreut. In der
Folgezeit wird auch in Kirtorf wieder ein eigener Lehrer angestellt gewesen sein, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war.
Um 1900 suchten beide Gemeinden - Kirtorf und Ober-Gleen wieder einen
gemeinsamen Lehrer (siehe
Ausschreibungen der Stelle unten von 1900/1904); möglicherweise war auch bereits zuvor
ein Lehrer für beide Gemeinden zuständig). Als die Zahl der Gemeindeglieder an
beiden Orten weiter zurückging, erteilte der Alsfelder Lehrer auch den jüdischen
Kindern in Kirtorf (und Ober-Gleen) den Religionsunterricht. Die Gemeinde
gehörte zum orthodoxen Provinzialrabbinat in Gießen.
Bereits im Krieg 1870/71 nahmen jüdische Gemeindeglieder teil. Auf der
Gedenksäule zum Krieg 1870/71 werden zwei jüdische Namen unter der
Überschrift: "Es waren im Felde" genannt: S. Sondheim und
Seligmann Stern. Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Karl Höchster
(geb. 15.4.1888 in Kirtorf, gef. 10.1.1915) und Siegfried Lamm (geb. 1.10.1890
in Kirtorf, gef. 12.10.1915).
Um 1924, als zur Gemeinde 45 Personen gehörten (5,5 % von insgesamt 813
Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Louis Kaufmann, David Kaufmann und
Jakob
Lamm. Den Religionsunterricht der damals zehn jüdischen Kinder der Gemeinde
erteilte Lehrer Leopold Kahn aus Alsfeld. 1932
waren die Gemeindevorsteher Louis Kaufmann (1. Vors.), Siegmund Plaut (2. Vors.)
und Albert Kaufmann (3. Vors.). Im Schuljahr 1931/32 erhielten noch vier
jüdische Kinder Religionsunterricht. Der im Gemeindevorstand genannte
Louis Kaufmann war zeitweilig im Gemeinderat der Stadt; er war auch Vorsitzender
des hessischen Viehhändler-Verbandes.
1933 wurden noch 35 jüdische Einwohner gezählt (4,2 % von insgesamt 839
Einwohnern. In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Zehn Personen sind nach
Amerika emigriert, je eine Person nach Palästina und England. Neun Personen sind innerhalb von Deutschland verzogen, sieben sind in der Zeit von 1934 bis
1941 noch am Ort verstorben. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge
geschändet und verwüstet (s.u.). 1939/40 lebten noch
zehn jüdische Personen in der Stadt. Die letzten sieben wurden 1942
deportiert.
Von den in Kirtorf geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Hirsch Herrmann (1872),
Rosalie Herrmann geb. Sondheim (1875), Albert (Adalbert) Kaufmann (1881), David
Kaufmann (1879), Gitta Kaufmann geb. Sommer (1889), Rebekka Lamm geb. Kaufmann
(1876), Siegmund Plaut (1880), Therese Sommer geb. Münz (1861), Therese
Sondheim (1880), Franziska Tausig geb. Sondheim (1877).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
1900 / 1901 / 1904 - gemeinsam mit Ober-Gleen
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Februar 1900: "Die
Religionslehrer-, Chasen- und Schochetstelle in den Gemeinden Kirtorf Ober-Gleen ist bis 1. April, eventuell auch früher zu besetzen.
Gehalt 7-800 Mark und ziemliches Nebeneinkommen. Bewerber, ledig
bevorzugt, wollen sich unter Angabe ihrer seitherigen Tätigkeit bei dem Vorstand
der israelitischen Gemeinde Kirtorf, Oberhessen, melden." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. August 1901:
"Die Stelle als Religionslehrer, Vorbeter und Schochet für
die Gemeinden Kirtorf - Ober-Gleen ist per 1. September dieses Jahres zu
besetzen. Gehalt 700-750 Mark, freie Wohnung und Nebeneinkommen. Bewerber
(ledig bevorzugt), wollen ihre Offerten nebst Zeugnisse und Photographie
einsehen den den Vorstand der israelitischen Gemeinde Kirtorf,
Oberhessen". |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 12. Dezember 1901: "Lehrer-Gesuch.
Die beiden Gemeinden Ober-Gleen und Kirtorf
suchen gemeinschaftlich einen Religionslehrer, der auch
gleichzeitig die Schechita in Kirtorf auszuüben hat. Wohnsitz ist in Ober-Gleen
zu nehmen. Bewerbungen sind zu richten an den Vorsteher der
israelitischen Gemeinde Herrn Lazarus Lamm in Ober-Gleen
(Hessen)." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. März 1904:
"Die Gemeinden Ober-Gleen und Kirtorf suchen einen Religionslehrer
und Vorbeter zum alsbaldigen Eintritt bei einem Gehalt von 800 Mark
sowie Nebeneinkommen und freie Wohnung (Unverheiratet, seminaristisch
gebildet). Bewerber wollen sich bei dem Vorstand der Israelitischen
Gemeinde Ober-Gleen melden, unter Beifügung von Zeugnissen und
Photographie." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 2. Mai 1904:
Derselbe Text wie oben; die Besetzung der Stelle gestaltete sich wohl
etwas schwierig, da sie über mehrere Wochen ausgeschrieben war.
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Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Manufaktur- und Kolonialwarengeschäftes
Elias Hirsch (1899) beziehungsweise des Manufakturwaren- und Konfektionsgeschäftes
Elias Hirsch Nachf. (1912)
Anzeige
in "Der Israelit" vom 1. Mai 1899: "Für mein Manufaktur- und
Kolonialwarengeschäft suche einen jüngeren Kommis als Verkäufer
und Detailreisenden, für kleinere eingeführte Touren. Offerten mit
Gehaltsansprüchen, Photographie und Zeugnisabschriften erbeten.
Elias Hirsch, Kirtorf, Oberhessen." |
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Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 20. Dezember 1912:
"Zum baldigen Eintritt suche
Lehrling.
Kost und Wohnung im Hause. Schabbos und Feiertage geschlossen.
Elias Hirsch Nachf.
Manufakturwaren und Konfektion, Kirtorf
(Oberhessen)." |
Zur Geschichte der Synagoge
Schon 1696 war wohl eine Betstube eingerichtet. Da zwei
der jüdischen Familien sehr nahe an der Kirche wohnten, kam es damals zu
Beschwerden christlicher Einwohner. Diese beanstandeten, dass sie beim
Kirchenbesuch durch "ein laut Getön" der jüdischen Beter gestört
würden. Auch der Bau "ihrer Lauberhütten" würde sie belästigen.
Nach vielem Hin und Her konnte die Familie des Abraham in seinem Haus wohnen
bleiben; Israel sollte mit seiner Familie wegziehen.
Von einer Synagoge (vermutlich ein Betraum in einem der jüdischen
Häuser) unbekannten Alters erfährt man erst wieder
Anfang des 19. Jahrhunderts. 1811 wurde für diese Synagoge ein neues Parochet
(Toraschrein-Vorhang) gestiftet.
Etwa 30 Jahre danach (1843) wurde in einem von
der Gemeinde für 400 Gulden erworbenen Wohnhaus am Marktplatz eine
Synagoge mit Schulraum für den Unterricht der Kinder und ein rituelles Bad
eingerichtet. Nach einigen Jahren stellte sich jedoch der schlechte Bauzustand
des Gebäudes heraus, sodass die Gemeinde das Gebäude 1852 für 320 Gulden
wieder verkaufte.
1852 wurde ein anderes Haus gekauft und dieses zur Synagoge mit Schulraum
und Bad umgebaut. Dieses stand vermutlich in nächster Nähe oder auch am selben
Platz wie das 1901 errichtete
Synagogengebäude am Alsfelder Tor. Das Gebäude stand auf einem Grundstück von
67 qm.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die 1901 erbaute Synagoge geschändet. Die Ritualien
und die Inneneinrichtung wurden zerstört und auf dem Marktplatz
verbrannt. Im Oktober 1939 kam das Gebäude in den Besitz einer
ortsansässigen Bauern. Nach 1945 gab es Überlegungen, im ehemaligen
Synagogengebäude ein Café oder ein Gottesdienstraum der katholischen
Kirchengemeinde einzurichten. 1951 wurde das Gebäude jedoch vom Besitzer
abgebrochen, da es baufällig geworden sei.
An Stelle der Synagoge wurde ein Mistplatz angelegt. Teile des Steinstockels,
der Treppe und der Umfassungsmauern der ehemaligen Synagoge umfrieden den
Mistplatz. In der gemauerten Böschung gegenüber wurde 1983 nach einer
Mahnfeier ein kleiner Gedenkstein angebracht. Die Inschrift lautet: "Zur
Erinnerung an die zerstörte Synagoge. Für Frieden und Freiheit. Kirtorf,
9.11.1983".
Adresse/Standort der Synagoge: Am
Alsfelder Tor 5
Fotos
(Quelle: Plan, Rekonstruktionen und sw-Fotos: Altaras s.Lit.;
Farbfotos: aus der Website www.juedisches-museum-vogelsberg.de
mit Seite
zu Kirtorf; weitere Fotos werden noch
erstellt)
Plan und Link
zu den Google-Maps |
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Link
zu den Google-Maps
(Standort der Synagoge) |
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Skizze von Kirtorf im Bereich
Alsfelder Tor,
Neustädter Straße und Alsfelder Straße mit
Eintragung
der Standort Synagoge und Mikwe |
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Einziges Foto, auf dem die
Synagoge
erkennbar ist (von 1925) |
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Die Synagoge ist mit einem
Pfeil markiert |
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Nach 1945: ein Mistplatz
innerhalb der
restlichen Synagogenmauern
(Foto August 1989) |
Reste der
Synagogenmauern |
Gedenkstein von 1983
gegenüber dem
Standort (Inschrift siehe oben) |
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Das rituelle Bad |
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Links Grundriss
des ehemaligen rituellen Bades (K = Kassel, P = Pumpe, O = Ofen, W =
eventuell Wand, Z = Zulauf); Mitte
Rekonstruktion der Nordostfassade;
rechts senkrechter Schnitt (vgl. Eintragung des Schnitts in Grundriss
links) |
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Blick auf das Badehäuschen
von Osten |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
November 2009:
Gedenken zum 71. Jahrestag des Novemberpogroms
1938 |
Artikel im "Gießener Anzeiger"
vom 11. November 2009 (Artikel): "Gedenken als Mahnung und als Bitte für Frieden auf der Welt.
KIRTORF - Reichspogromnacht: Religiöse Welt der Kirtorfer Juden auf dem Marktplatz verbrannt.
(ia). Damit Gewalt und Hass gegen die jüdische Bevölkerung nicht in Vergessenheit geraten, luden die evangelische Kirchengemeinde Kirtorf und das Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus Kirtorf auch am 71. Jahrestag der so genannten Reichspogromnacht zu einer feierlichen Gedenkstunde am Platz der früheren Kirtorfer Synagoge am Alsfelder Tor
ein..." |
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November 2017:
Auf den Spuren der Vorfahren in
Kirtorf |
Artikel von Joachim Legatis in der
"Alsfelder Allgemeinen" vom 5. November 2017: "Besuch aus den USA - Gebet
für den Urgroßvater
Vater Hans flüchtete 1937 aus Kirtorf in die USA und befragte später als
US-Soldat deutsche Kriegsgefangene. Nun erlebte sein Sohn Ron Kaufman einen
bewegenden Aufenthalt am Gleenbach.
Seit den 1930er Jahren hat sich in Kirtorf viel verändert. Das merkte Ron
Kaufman schnell, als er mit Helmut Meß die Heimat der Vorfahren erkundete.
Zusammen mit seiner Frau Alene war der 67-Jährige kürzlich das erste Mal in
Deutschland. Im Anschluss an eine Rundfahrt auf den Spuren der jüdischen
Vorfahren besuchte das Paar auch Kirtorf, aus dem der Vater Rons stammte.
Hans Kaufmann war 1937 als 17-Jähriger in die USA gekommen, 'sein Onkel hat
für ihn gebürgt, das war damals die einzige Möglichkeit, in die Staaten zu
kommen,' erläutert Ron. Hans änderte seinen Namen in Harry Kaufman ab, weil
er befürchtete, als US-Soldat bei einer möglichen Gefangenschaft als
deutscher Jude erkannt zu werden.
Gemälde zurückgegeben. Das alte Wohnhaus der Familie steht nicht
mehr, auf dem Grundstück an der Marburger Straße begann dennoch mit Helmut
Meß vom Heimatverein Stadt Kirtorf die Spurensuche. Auf dem Areal steht
heute der Laden der Gärtnerei Strack. Gundula Strack hatte noch eine alte
Weihnachtskarte von Harry und Anne Kaufman an ihren Vater. Sie erinnerte
sich daran, dass die Steine vom alten Haus auf dem Grundstück vergraben
wurden. Beim Verlegen einer Telefonleitung entdeckten die Bauarbeiter den
alten Türsturz mit einer Rille und einer Münze darin. Vielleicht sollte das
Glück bringen, vermuteten Ron Kaufman und Gundula Strack. Auf dem Friedhof
betete das Paar am Grab von Feist Sommer, Rons Urgroßvater, der von
Crainfeld nach Kirtorf gezogen war. Meß
hat noch zwei weitere Grabstätten von Angehörigen Ron Kaufmans ermittelt,
auf denen die Besucher ebenfalls ein Steinchen zum Gedenken platzierten.
Weitere Stationen waren das Museum Stadt Kirtorf, das alte Schulgebäude und
die frühere Mikwe (jüdisches Tauchbad). Ein Besuch der ehemaligen
Synagoge Ober-Gleen rundete die
Rundfahrt durch den Heimatort der Vorfahren ab. Im Rathaus trafen die
Kaufmans mit Bürgermeister Ulrich Künz zusammen. Übersetzt von Veronika
Bloemers versicherte Künz den Besuchern, welchen Stellenwert der jüdischen
Geschichte in Kirtorf beigemessen wird. So habe man schon vor Jahren in
Büchern über dieses Kapitel der Gemeindegeschichte informiert. Viel
Recherche habe Albert Naumann geleistet. Mit großem Aufwand wurde die
leerstehende alte Synagoge Ober-Gleen
restauriert. Zufällig gesellte sich zu dem Gespräch im Rathaus Ursula Lang
hinzu, die sich mit Freude an den guten Kontakt ihrer Mutter mit Hans
Kaufmann erinnerte. Im Museum gab Meß einen Überblick über die
Ortsgeschichte.
Stolpersteine werden verlegt. Ron erinnerte an viele Schilderungen
seines Vaters zu Kirtorf. Als Harry Kaufman in den 1980er Jahren zu Besuch
war, sprach ihn eine Ortsbewohnerin an, die ihn gleich wieder erkannte. Sie
überreichte ihm ein Gemälde, das die Kaufmanns 50 Jahre zuvor den Nachbarn
anvertraut haben. Es war bewegend, nach fünf Jahrzehnten das
Erinnerungsstück wieder zu bekommen, sagt Ron Kaufman. Mit großem Interesse
hörten Alene und Ron Kaufman von Helmut Meß, dass im nächsten Jahr
Stolpersteine in Kirtorf verlegt werden sollen. Das ist eine Aktion des
Künstler Gunter Demnig aus Köln, der Betonwürfel mit Messingschild in
Gehwege setzt. Sie erinnern namentlich an die Bewohner des betreffenden
Hauses, die im Dritten Reich in den Tod verschleppt wurden. Drei Angehörige
Ron Kaufmans stehen auf der Liste des Heimatvereins. Den ersten Besuch in
Deutschland fanden Alene und Ron Kaufman ausgesprochen anregend und
spannend. 'Besonders das deutsche Bier' lobte der ehemalige Mitarbeiter der
US-Küstenwache."
Link zum Artikel |
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März 2018:
Verlegung von "Stolpersteinen" in
Kirtorf |
Artikel
von Rolf Schwickert in der "Alsfelder Allgemeinen" vom 3. März 2018: "Stolpersteine
mahnen..."
Zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken.
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November 2018:
Zur Erinnerung an den
Novemberpogrom 1938 in Kirtorf und Ober-Gleen |
Artikel von Joachim Legatis in
der "Alsfelder Allgemeinen" vom 15. November 2018: "Für demokratischen
Zusammenhalt
Vor 80 Jahren brannte das Mobiliar der Synagoge Kirtorf auf dem
Marktplatz und SA-Männer verwüsteten Häuser von jüdischen Ober-Gleenern.
Daran erinnerte eine Veranstaltung des Aktionsbündnisses für Vielfalt im
Kulturhaus Alte Synagoge Ober-Gleen
mit Berichten, Geräuschen und Liedern. Hinweise auf die Rückkehr einer
'völkischen' Sprache, die eine Ausgrenzung von Minderheiten möglich macht
und das emotionale Lied 'Donna, Donna' bewegten die Besucher. Cynthia Lotz
und Katja de Tullio-Depoi stellten die Alte Synagoge vor, die seit einem
Jahr als Kulturhaus genutzt wird. Erbaut wurde sie 1874 mit einem angebauten
Gemeindehaus. Damals lebten 58 Juden in Ober-Gleen, rund acht Prozent der
Dorfbevölkerung. 1930 waren es noch 25 Personen. In Kirtorf wurde
1843 in einem Wohnhaus am Marktplatz eine Synagoge mit Schulraum und
rituellem Bad eingerichtet. 1901 baute man ein Synagogengebäude am Alsfelder
Tor. Die jüdische Gemeinde verfügte außerdem über Schule, rituelles Tauchbad
und Friedhof. 1880 lebten 66 Juden in Kirtorf, 1930 noch 40 Menschen. Meist
lebten die Menschen in den Dörfern friedlich miteinander, Juden kämpften als
Soldaten im Ersten Weltkrieg mit, wie de Tullio-Depoi anfügte. 1933 begann
das 3. Reich, in dem bald Menschen in 'höherwertige' und 'minderwertige'
differenziert wurden, wie Jenny Wahl sagte. Als 'volksschädigend' sahen die
Nazis Menschen mit Behinderung, Homosexuelle, Sozialhilfeempfänger und
Alkoholkranke an. Als minderwertig wurden Sinti, Juden und Schwarze
angesehen. Valdivielso meinte, diese Einteilung wurde 'völkisch' genannt,
ein Begriff, den heute Vertreter der AfD und der NPD propagierten. Mit dem
Gedicht 'Reichspogromnacht' erinnerte man an eine Nacht der Grausamkeit und
des Schreckens, in der viele Menschen litten. Um den 9. November 1938 wurden
400 Menschen ermordet oder in den Suizid getrieben. Über 1400 Synagogen,
Betstuben und Versammlungsräume sowie Tausende Geschäfte und Wohnungen
wurden zerstört.
Bogen zur Jetztzeit. Aus der Synagoge Ober-Gleen haben SA-Leute die
Inneneinrichtung und Schriften zerstört. Auch an Häusern der jüdischen
Familien vergriffen sich SA-Männer. In Kirtorf wurde die Synagoge demoliert,
Ritualgegenstände und Einrichtung auf dem Marktplatz verbrannt. 'Die
jüdischen Kirtorfer haben sehr gelitten', bedauerte ein Zeitzeuge. An 27
Opfer der Judenverfolgung erinnerten Abgeordnete des Kreisjugendparlaments.
Sie verlasen die Namen der Getöteten und legten für jeden einen
Erinnerungsstein auf das Fenstersims. Ein siebenarmiger Leuchter, die
Menorah, wurde entzündet. Christiane Finking verlas das Gedicht 'Wir sind ja
trotz allem Menschen', das die Ausgrenzung der Juden einst thematisiert. Der
Frauenchor der evangelischen Kirchengemeinde sang das Lied 'Donna, Donna',
begleitet von Veronika Bloemers auf dem Klavier. Den Bogen zur Jetztzeit
schlug man mit einem Ausschnitt aus einem Rechtsrock-Konzert 2004 im
Schweinestall in Kirtorf. Ein Lied forderte zum Ermorden von Juden auf.
Valdivielso erinnerte an verharmlosende Worte von AfD-Spitzenleuten zur
deutschen Geschichte. Helmut Gläser mahnte, alle müssten für die Untaten von
einst 'die historische Verantwortung' übernehmen. Begrüßt wurde die
Resolution von Vereinsvertretern und Stadtverordneten aus 2004 in Kirtorf,
die sich eindeutig gegen rechte Hetze und Gewaltaufrufe richtet. Andreas Fey
stellte sie noch einmal vor. Der kleine Chor um Veronika Bloemers sang zwei
Lieder und alle stimmten 'Shalom Chaverim' an. Mit dem Wunsch, sich für den
demokratischen Zusammenhalt der Gesellschaft einzusetzen, schloss die
Veranstaltung."
Link zum Artikel |
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November 2019:
Gedenken zum 81. Jahrestag des
Novemberpogroms 1938 |
Artikel im "Gießener Anzeige" / "Wetterauer
Zeitung" vom 1. November 2019: "Gedenken an Pogromnacht
Kirtorf (pm). Am 9. November jährt sich die Reichspogromnacht. In der
Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 mehrten sich die Übergriffe der
Nationalsozialisten gegen Juden und jüdische Einrichtungen, auch in Kirtorf
und Ober-Gleen. Zudem gebe es aktuelle Ereignisse, die aufschrecken. 'Vor
wenigen Wochen wurden in Halle zwei Menschen von einem rechtsradikalen
Terroristen ermordet. Dasn ist nicht die Handlung eines Einzeltäters,
sondern eines Menschen, der sich getragen fühlt vom sich ausbreitendem
gewaltbereiten Gedankengut'. Das Aktionsbündnis für Vielfalt Kirtorf lädt am
Freitag, den 9. November, ab 17 Uhr zu einer Gedenkveranstaltung ein. Bürger
haben die Möglichkeit, mit Konfirmanden und Vertretern des Vogelsberger
Jugendparlaments an den Stolpersteinen vor den entsprechenden Häusern der
Reichspogromnacht zu gedenken.
Treffpunkt ist vor dem Rathaus. Ab 19 Uhr findet eine Gedenkveranstaltung
mit Beiträgen am Gedenkstein gegenüber dem Rathaus statt. Zwischen den
Veranstaltungen gibt es die Möglichkeit, sich im Rathaussitzungssaal zum
Thema Reichspogromnacht in Kirtorf zu informieren. Für warme Getränke ist
durch die Veranstalter gesorgt."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 447-449. |
| Kein Artikel zu Kirtorf bei Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988. |
| Artikel zu Kirtorf in dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 99-101 sowie in
Neubearbeitung der beiden Bände 2007² S. 258-260. |
| Annette Weber-Möckl: Die Judengemeinde in Kirtorf und
Oberkleen. In: Magistrat der Stadt Kirtorf (Hrsg.): Kirtorf und das
Eußergericht. 1989. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 196-197. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 292-293. |
| Katharina Jakob (Verein Landjudentum Vogelsberg): Juden in Kirtorf.
2011. Eingestellt
als pdf-Datei. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Kirtorf
Hesse. Numbering 66 (7 % of the total) in 1880, the Jews were mainly livestock
traders. From 1933 the Nazi boykott hastened their departure. Over one-third
(12) emigrated and the last seven were deported in 1942.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|