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"Synagogen im Main-Kinzig-Kreis"
Hain-Gründau mit
Mittel-Gründau und Niedergründau (Gemeinde Gründau, Main-Kinzig-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Heinrich Georg Semmel,
Gründau)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Hain-Gründau bestand eine kleine jüdische
Gemeinde bis nach 1933. Ihre Entstehung geht in die Zeit der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts zurück.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: in Hain-Gründau 1828 vier jüdische Einwohner, 1861 gleichfalls
vier (0,7 % von insgesamt 562 Einwohnern), 1880 12 (2,0 % von 607; die beiden Familien
Goldschmidt und Grünebaum), 1900 13 (2,0 % von 649), 1910 15 (2,0 % von
736). Zur Gemeinde gehörten auch die in Mittel-Gründau
und Niedergründau lebenden jüdischen
Personen. In Mittel-Gründau wurden 1830 sieben jüdische Einwohner
gezählt.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), ein rituelles Bad (im
Synagogengebäude) und ein Friedhof.
Die Gemeinde gehörte zum liberalen Provinzialrabbinat Oberhessen mit Sitz in
Gießen.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Gefreiter August
Hecht aus Mittel-Gründau (geb. 1.11.1872 in Mittelgründau, gest. an der
Kriegsverletzung am 19.4.1919) und Jakob Grünebaum aus Niedergründau (geb.
15.1.1894 in Niedergründau, gef. 7.8.1915, siehe Bericht unten).
Um 1924, als zur Gemeinde 13 jüdische Personen in Hain-Gründau gehörten
(1,6 % von insgesamt 784 Einwohnern, dazu fünf Gemeindeglieder in
Mittelgründau [von 975 Einwohnern] und sechs in Niedergründau), waren die Gemeindevorsteher
Karl Hecht in Mittelgründau und J. Goldschmidt in Hain-Gründau. Damals bestand
eine enge Beziehung zur jüdischen Gemeinde in Lieblos:
Gottesdienste wurden abwechselnd in den beiden Gemeinden abgehalten. 1932
waren die Gemeindevorsteher Sally Goldschmidt (1. Vors.), Karl Hecht (2. Vors.)
und Markus Grünebaum (3. Vors.). Als Lehrer der im Schuljahr 1931/32 zwei
jüdischen Kinder der Gemeinde kam regelmäßig Lehrer Max Halberstadt aus Büdingen
nach Haingründau.
1933 lebten noch 13 jüdische Personen in Hain-Gründau (1,5 % von 835; in
den drei Familien von Isaak Goldschmidt, Markus Grünebaum und Sally
Goldschmidt), dazu zwei jüdische Familien in Mittel-Gründau (Familie Hecht und
?). In
den folgenden Jahren sind alle von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Die letzten jüdischen
Einwohner Hain-Gründau verließen 1936 den Ort, als die Familie von Sally
Goldschmidt nach Frankfurt gezogen ist.
Von den in Hain-Gründau geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Adolf Goldschmidt
(1884), Sally Goldschmidt (1885), Alfred Grünebaum (1932), Bernhard Grünebaum
(1900), Kurt Leo Grünebaum (1928), Siegfried Grünebaum (1898), Berta Held geb.
Goldschmidt (1904).
Aus Mittel-Gründau ist umgekommen: Franziska Grünebaum
(1879).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Berichte
zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Trauerfeier für den im Krieg gefallenen Jakob
Grünebaum aus Niedergründau (1915)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. September 1915:
"Hanau, 1. September (1915). Ein erhebendes Zeichen der Toleranz und
des friedlichen Zusammenlebens der Einwohner verschiedener Konfessionen
des Dorfes Niedergründau bei Hanau bildete die Trauerfeier für den auf
dem Felde der Ehre gefallenen Kriegsteilnehmer Jakob Grünebaum. Unter
feierlichem Glockengeläute fanden sich am Sonntag, den 29. August um 2
Uhr im Saale der Gastwirtschaft des Herrn ... die Dorfbewohner fast
vollständig ein, während auch viele Freunde der leidtragenden Familie
aus der Umgegend erschienen waren. Die Schulkinder eröffneten die
würdige Feier mit einem Liede. Den Mittelpunkt der Gedächtnisfeier
bildete die von Pfarrer Schilling gehaltene, vom Herzen kommende und zu Herzen
gehende Rede, die alle Anwesende zu Tränen rührte. Der Redner wies in
sinniger Weise darauf hin, dass es den betrübten Eltern als besonderer
Trost gelten könnte, dass ihr Sohn gerade am geheiligten Sabbate zur
ewigen Ruhe eingegangen ist. Im weiteren Verlaufe seiner Ausführungen
gedachte der Herr Pfarrer des Heldentodes des jungen Mitbürgers, dem,
geliebt und geachtet von seinen Vorgesetzten und Kameraden, dauernd ein
ehrendes Gedenken aller Dorfeinwohner bewahrt bleiben
wird." |
Zur Geschichte der Synagoge
Die Synagoge ("Judenschule") befand sich seit
1866 in einem bis heute als Wohnhaus erhaltenen Gebäude. Bei diesem
Gebäude handelte es sich um einen ursprünglich eingeschossigen Bau mit einem
Betraum und dem Ritualbad im Sockelgeschoss.
In den 1920er-Jahren schlossen sich die jüdischen Gemeinden
Hain-Gründau und Lieblos zusammen, da es an
beiden Orten kaum mehr möglich war, die zum Gottesdienst nötige Zahl von zehn
religionsmündigen Männern zu erhalten. Nach den Angaben des "Handbuches
der Jüdischen Gemeindeverwaltung" 1924/25 wurden damals abwechselnd in Mittel-Gründau
(gemeint wohl Hain-Gründau, da sonst von einem Betraum in Mittel-Gründau nicht
die Rede ist) und Lieblos Gottesdienste
abgehalten.
Im April 1935 wurde das Synagogengebäude in Hain-Gründau von den
Vorstandsmitgliedern der Gemeinde an einen nichtjüdischen Privatmann für 1.300
RM verkauft, der es zu einem Wohnhaus umbaute. In den 1950er-Jahren
erfolgte ein größerer Umbau, dabei wurde das Gebäude um ein Stockwerk
aufgestockt und insgesamt so verändert, dass eine architektonische Analyse des
Zustandes davor nicht mehr gemacht werden kann.
Eine Hinweistafel am Gebäude ist angebracht; die Inschrift lautet:
"Judenschule - Synagoge, heute Wohnhaus - Synagoge bis zum erzwungenen
Wegzug aller jüdischen Einwohner 1935/36".
Adresse/Standort der Synagoge: Pfarrgasse 6
(nicht 20 oder 22, wie bei Thea Altaras 1988 und 1994 angegeben)
Fotos
(Quelle: Altaras 2007² S. 333; Farbfotos: Hahn)
Das Haus mit dem früheren
jüdischen Betsaal ("Judenschule") |
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Das Gebäude wurde
in den 1950er-Jahren
aufgestockt und hat durch diesen Umbau
sein früheres
Aussehen verloren |
Hinweistafel |
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Hinweis: bei Thea Altaras s.Lit.
1988
und 1994 (korrigiert in 2007²) ist
das Gebäude
rechts als "ehemalige Synagoge" abgebildet
und
beschrieben, doch handelt es sich dabei
um das alte evangelische
Pfarrhaus. |
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Das Gebäude der ehemaligen
Synagoge
im März 2010 |
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Blick auf das Gebäude |
Hinweistafel |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
März 2024:
In Gründau sollen "Stolpersteine"
verlegt werden |
Artikel von Philipp Franz in der "Gelnhäuser
Neuen Zeitung" vom 20. März 2024: "Gedenken an NS-Opfer - Gemeinde
Gründau verlegt 'Stolpersteine'
Das Parlament gibt grünes Licht für einen Antrag der CDU-Fraktion. Mit den
kleinen Gedenktafeln soll auf die Schicksale der Opfer des Nazi-Terrors
hingewiesen werden. Christdemokrat Engel betont die Bedeutung dieses
Gedenkens.
Gründau. Die Gemeinde Gründau wird künftig mit sogenannten
Stolpersteinen an das Schicksal der Menschen erinnern, die in der Zeit des
Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den
Suizid getrieben wurden. Das Gemeindeparlament hat in der Sitzung am
Montagabend im Dorfgemeinschaftshaus in Gettenbach einstimmig grünes Licht
für einen entsprechenden Antrag der CDU-Fraktion gegeben. Die Stolpersteine
werden vor den Wohnhäusern der NS-Opfer verlegt. Bis heute gibt es in
Gründau noch keine solcher kleinen Gedenktafeln, obwohl es auch in den Orten
der Gemeinde ein ausgeprägtes jüdisches Leben gab.
Nicht nur Mahnmal, sondern auch Aufruf zur Erinnerung und Wachsamkeit.
Für die CDU-Fraktion ergriff Christoph Engel das Wort. Er erinnerte zunächst
daran, dass am vergangenen Samstag ein neuer persischer Eisenbaum gemeinsam
mit der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde im Liebloser Bürgerpark gepflanzt
wurde. 'Ein zweites Mal, nachdem der erste mutwillig und wahrscheinlich aus
niederen Beweggründen zerstört wurde', sagte Engel: 'Nun haben wir ein
Zeichen gesetzt; denn der Baum symbolisiert nicht nur Wachstum und Leben,
sondern auch Toleranz, kulturellen Austausch und die Hoffnung auf eine
bessere Zukunft.' Engel weiter: 'Und weil wir es nicht hinnehmen, wenn
Unverbesserliche diese Zukunft zerstören wollen.' Mit dem Antrag zur
Verlegung von Stolpersteinen habe die CDU ebenfalls ein Zeichen setzen
wollen. Und dieses stehe im gleichen Kanon, wie das des Eisenbaums: 'Für
Toleranz, Menschlichkeit, eine bessere Zukunft und zusätzlich gegen das
Vergessen.' Stolpersteine seien nicht nur Mahnmale, sondern auch ein Aufruf
zur Erinnerung und zur Wachsamkeit gegenüber jeglicher Form von Intoleranz
und Diskriminierung.
Engel (CDU): Wichtiges Zeichen für Toleranz und Menschlichkeit. 'Die
Verlegung der Stolpersteine soll uns daran erinnern, dass wir die
Vergangenheit nicht vergessen dürfen. Sie sollen uns mahnen, wachsam zu sein
und uns aktiv für eine Welt ohne Hass und Vorurteile einzusetzen', betonte
Engel. Angesichts des vom Recherchentzwerk 'Correctiv' aufgedeckten Treffens
in Potsdam, das Engel an die Wannseekonferenz von 1942 erinnere, und
Ewiggestriger, die die Demokratie gefährden, sei es wichtig, Zeichen für
Toleranz und Menschlichkeit zu setzen."
Link zum Artikel |
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 316. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 150-151 (auf Grund falscher Informationen wird das
evangelische Pfarrhaus beschrieben). |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 136 (keine weiteren
Informationen). |
| dies.: Neubearbeitung der beiden Bände. 2007² S. 333
(hier wird das richtige Haus beschrieben). |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 208
(gleichfalls falsches Gebäude genannt). |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 175 (auch hier ist ein Foto des 1985 gerade in
Renovierung befindlichen alten Pfarrhauses Pfarrgasse 22 abgebildet). |
| Jürgen Ackermann: Juden in Niedergründau. In:
Festschrift Niedergründau. August 1992. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Hain-Gruendau
Hesse. This small impoverished community numbered 15 (2 % of the total) in 1910,
and no Jews remained there after 1936.
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