Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Gonnesweiler (Gemeinde Nohfelden, Kreis St. Wendel) 
Jüdische Geschichte / Betsaal

Übersicht:  

bulletZur jüdischen Geschichte in Gonnesweiler  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletZur Geschichte des Betraumes   
bulletFotos / Darstellungen 
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   
bulletLinks und Literatur   

     

Zur jüdischen Geschichte in Gonnesweiler      
   
In Gonnesweiler bestand zu keiner Zeit eine selbständige jüdische Gemeinde. Die am Ort lebenden jüdischen Familien gehörten zur Synagogengemeinde in Bosen. Dennoch unterhielt man am Ort eigene Einrichtungen (siehe unten).   
  
Nach den Überlieferungen der jüdischen Familien Kahn am Ort kam deren Vorfahre R. Abraham Kahn 1574/75 auf der Flucht aus einem polnischen Städtchen mit seiner Familie nach Gonnesweiler (siehe Bericht unten). Schriftliche Nachweise über die ersten Juden am Ort liegen aus der Zeit um 1700 vor. Im Laufe des 18. Jahrhunderts siedelten sich drei weitere Familien an. 
   
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1808 20, 1817 18 jüdische Einwohner (in drei Familien), 1841 sechs jüdische Familien, 1849 37 jüdische Einwohner, 1900 16, 1923 22. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist die Zahl der jüdischen Einwohner durch Auswanderungen nach Nordamerika und Abwanderungen in de Industriezentren an der Saar zurückgegangen.     
        
In Gonnesweiler waren 1817 die jüdischen Haushaltsvorstände: Salomon Neumark (Kleinhändler), Isaak Kahn und Jacob Kahn (beide waren Viehhändler). Die drei Familien lebten in armseligen Verhältnissen. 
  
An Einrichtungen der jüdischen Familien am Ort war ein Betraum vorhanden (s.u.), ein rituelles Bad (1841 erbaut) und ein Friedhof
  
1933 lebten noch acht jüdische Personen am Ort. Es handelte sich um die Familie des Händlers Josef Kahn (mit Frau Charlotte geb. Bach), um Hedwig Kahn (später mit Ernst Meyer verheiratet, um Witwe Elma Mendel geb. Lion mit ihren Lindern Leo, Elise und Elfriede und um Lina Heymann. Die letzten jüdischen Einwohner wurden 1942 vom Ort aus deportiert.        
   
Von den in Gonnesweiler geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", überarbeitet und ergänzt durch Reiner Schmitt): Ida Herrmann geb. Kahn (1873), Maximilian Herrmann (1869), Abraham Heymann (1872), Isaak Heymann (1870), Lina Heymann (1872), Max Heymann (1905), Norma Heymann geb. Teusch (1909, Ehefrau des Max Heymann), Reni Heymann (1930), Rosa Heymann geb. Loring (1904), Walter Heymann (1903), Hermann Hirsch (1886), Hans Erich Jost (1927), Charlotte Kahn geb. Bach (1877), Ida Kahn (1873), Joseph Kahn (1870), Elfriede Mendel (1922), Elise Mendel (1919), Elma Mendel geb. Lion (1892), Leo Mendel (1914), Delwina Meyer geb. Hirsch (1885), Hedwig Meyer geb. Kahn (1906), Markus Reinheimer (1890), Gertrud von der Walde geb. Baum (1870).
Zu nennen ist auch Hans Jost, der als sogenannter "Halbjude" 1945 von der SS erschossen wurde. 
   
   
   
Zur Geschichte des Betraumes           
   
Von der Mitte des 18. Jahrhunderts an gab es einen Betraum am Ort, der sich im Wohnhaus der Familie Mendel befand. Der heutige eingeschossige Wohnhaus war auch noch in den 1930er-Jahren im Besitz derselben Familie. Noch damals soll der Betraum vorhanden gewesen sein. 
   
   
Standort des Hauses mit dem Betraum   Hauptstraße 64   
  
 
 
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
Bericht aus dem 16. Jahrhundert nach den Überlieferungen der Familie Kahn in Gonnesweiler
- wiedergegeben von Landrabbiner Dr. Loevy in Birkenfeld (1903)   

      

Zusammenfassung:  Herzog Heinrich von Anjou wurde 1574 König in Polen. Unter den polnischen Juden gab es kurzzeitig Hoffnung eines stärkeren Schutzes vor dem polnischen Antijudaismus. Die Hoffnung wurde jedoch getäuscht. In einem polnischen Städtchen X begannen die Vorbereitungen zum Passafest. Im Haus des R. Abraham Kahn und seiner Frau Tölzele wurde der Sederabend gefeiert. Die Feier wurde jedoch jäh unterbrochen, nachdem die Magd Katinka im Keller des Hauses die Leiche eines kleinen Kindes fand. Sie war von dem örtlichen Metzger Borowski heimlich im Hause des R. Abraham abgelegt worden. Borowski hatte die Kinderleiche dem örtlichen Totengräber Jaschko abgenommen, um am Ort einen Pogrom gegen die Juden durchführen zu können. R. Abraham ließ nach dem Fund voller Entsetzen die Leiche im Ofen des Hauses verbrennen, um weiteres Unheil vor der jüdischen Gemeinde des Ortes abzuwehren und entschied sich dazu, dass die ganze Familie mit der Magd Katinka fliehen sollte. Er selbst blieb im Hause und musste noch in der Nacht miterleben, wie der Pöbel des Ortes das Haus gewaltsam überfiel. Borowski hatte das Gerücht verbreitet, dass ein Kind im Haus des R. Abraham ermordet worden wäre. Der Pöbel konnte im Haus jedoch nichts finden und zündete es hierauf an. R. Abraham wurde verschleppt und sollte gefoltert werden. Es gelang ihm aber, vor der wütenden Menge die Schuldigen zu überführen. Mit seiner Familie floh er in den Westen und fand eine neue Heimat im folgenden Jahr in Gonnesweiler, wo ein Jahr nach den fürchterlichen Ereignissen das Passafest gefeiert werden konnte.

Schluss der Erzählung zitiert: "Ein ganzes Jahr war seitdem vergangen. Nach langen, beschwerlichen Wanderungen, nach mancherlei Belästigungen und Gefahren hatte R. Abraham Kahn auf deutschem Boden, in dem freundlichen Dörfchen Gonnesweiler eine neue Heimat gefunden, woselbst es ihm auch gelang, mit dem geringen Überreste des einst so stattlichen Vermögens ein bescheidenes Häuschen zu erwerben. So konnte Tölzele, als das Pessachfest herannahte, wieder im eigenen Heim die feierliche Sedertafel anrichten. Zwar blitzten darauf keine goldenen und silbernen Geräte mehr, wie einst vor Jahresfrist in der fernen polnischen Heimat, denn alles hatten sie im Unglück veräußern müssen, desto heller und freudiger aber strahlten im Bewusstsein der Sicherheit und des göttlichen Schutzes Aug' und Antlitz R. Abrahams und der Seinigen, und als er, eines im Augenblicke höchster Not geschehenen Gelübdes eingedenk, der Magd mit den Worten winkte: 'Heiz' den Ofen!' da fielen sich die Gatten in die Arme und schluchzten laut und weinten Tränen der Freude und des Dankes gegen Gott, der sie einst an diesem Abend wunderbar errettete aus fürchterlicher Gefahr. Noch heute wahren die Nachkommen R. Abraham Kahns an jenem Orte den alten, geheiligten Brauch ihrer Ahnen, und an jedem Sederabend ertönt es von den Lippen des Hausherrn: 'Heiz' den Ofen!'"    

   
  

Fotos   

Zur jüdischen Geschichte in Gonnesweiler sind noch keine Fotos vorhanden.   
     

 
 
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   

November 1993: Presseartikel zur jüdischen Geschichte in Sötern, Bosen und Gonnesweiler   
Soetern PA 120.jpg (587191 Byte)Der Artikel von F. Glutting erschien im November 1993 in der "Saarbrücker Zeitung" (erhalten von Reiner Schmitt); abgebildet ist das Haus der früheren Mikwe in Sötern
Zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken.    
  
November 2012: In Gonnesweiler werden "Stolpersteine" verlegt     
Artikel in der "Saarbrücker Zeitung" vom 17. November 2012 (auszugsweise zitiert): "Steine wider das Vergessen. Schüler unterstützen das Kunstprojekt
Nohfelden
. Am Montag, 19. November, ab 15.30 Uhr verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig in Bosen, Gonnesweiler und Sötern die ersten Stolpersteine in Gedenken an Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Der Auftakt erfolgt vor dem ehemaligen Haus Lion, Nohfelden-Bosen, Bostalstraße 62. Mit der Aktion "Stolpersteine" möchten die Veranstalter, die Gemeinde Nohfelden, die Gesamtschule/Gemeinschaftsschule Türkismühle und das Adolf-Bender-Zentrum St. Wendel, ein Zeichen wider das Vergessen setzen...
Eine 14-köpfige Schülergruppe der Gesamtschule/Gemeinschaftsschule Türkismühle recherchierte gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe im Adolf-Bender-Zentrum jüdische Schicksale aus ihren Heimatorten, die während der NS-Zeit deportiert und ermordet wurden. Besonders bewegt hat die Gruppe die Geschichte der Kinder, zum Beispiel die der Lotte Koschelnik. Ihrer Nachbarin gab sie vor der Deportation eine Puppe in Obhut. Dies war das letzte Mal, dass sie ihre Freundin gesehen hat. Lotte, damals 13 Jahre alt, wurde mit ihrer Mutter Johanna Hedwig Koschelnik und ihrem Bruder Friedrich 1943 ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und ermordet. Die Spur ihrer Schwester Leonore verlor sich bereits ein Jahr zuvor im Konzentrationslager Riga. Insgesamt werden für vier Familien in Bosen, Gonnesweiler und Sötern Stolpersteine in den Gehweg eingelassen.
Um 17.30 Uhr ist Gedenkfeier mit Vorstellung des Projektes durch die Schülergruppe, Lesung und Theaterstück in der Gesamtschule/Gemeinschaftsschule Türkismühle. Die Bevölkerung ist eingeladen, an der Verlegung der Stolpersteine in der Gemeinde Nohfelden teilzunehmen. red
Informationen beim Adolf-Bender-Zentrum, Telefon (0 68 51) 8 08 27 90...
Die Stolpersteine in der Gemeinde Nohfelden werden am Montag verlegt und zwar: 15.30 Uhr, Bostalstraße 62, Bosen, vier Stolpersteine für die Familie Lion; 15.55 Uhr, Nahetalstraße 31 bis 32, Gonnesweiler, fünf Stolpersteine für die Familien Hirsch/Kahn; 16.20 Uhr, Hauptstraße 47, Sötern, sechs Stolpersteine für die Familie Wolf; 16.45 Uhr, Hauptstraße 55, Sötern, vier Stolpersteine für die Familie Koschelnik. Anschließend findet gegen 17.30 Uhr eine Gedenkfeier in der Gesamtschule statt."  
Link zum Artikel    
  

     
      

Links und Literatur  

Links:  

bulletWebsite der Gemeinde Nohfelden 
bulletZur Seite über den jüdischen Friedhof in Gonnesweiler (interner Link)    

Literatur:   

bulletSt Wendel Synagoge 101.jpg (37750 Byte)Michael Landau (Hg.): Damit es nicht vergessen wird. Beiträge zur Geschichte der Synagogengemeinden des Kreises St. Wendel. Veröffentlichungen des Adolf-Bender-Zentrums e.V., St. Wendel 1988.   
  
     
bulletEva Tigmann: "Was geschah am 9. November 1938?" - Eine Dokumentation über die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung im Saarland im November 1938. Eine Veröffentlichung des Adolf-Bender-Zentrums St. Wendel. 1998.  
bulletLandesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Mainz 2005. S. 442 (mit weiteren Literaturangaben).  
bulletReiner Schmitt: Gedenkbuch - Die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung aus den Orten des Birkenfelder Landes 1933-1945 (Abentheuer, Baumholder, Birkenfeld, Bosen, Gonnesweiler, Grumbach, Hoppstädten, Hottenbach, Idar-Oberstein, Nahbollenbach, Niedereisenbach, Oberreidenbach, Offenbach, Rhaunen, Ruthweiler, Sensweiler, Sien, Sötern, Stipshausen, Thallichtenberg, Weierbach). 332 S. 2011. 
Hinweis: der genannte Beitrag von Reiner Schmitt ist in der Stadtbibliothek Trier und im Landeshauptarchiv Koblenz zugänglich. Er ist nicht im Druck erschienen. Über Fernleihe kann die Publikation aus der Stadtbibliothek Trier ausgeliehen werden.  
bulletWolfgang Schmitt-Kölzer: Sie bekamen keine Karten für die Schiffspassage. Das Leben von Ernst Meyer (1895-1942), Hedwig Kahn (1906) und Lilly Kahn (1917-1995). Artikel in "Die Warte Perspectives" der Tageszeitung "Luxemburger Wort" vom 27. April 2023. Der Beitrag (eingestellt als pdf-Datei) findet sich auch im digitalen Holocaust-Memorial Luxemburg www.memorialshoah.lu unter https://www.memorialshoah.lu/de/story/0121-meyer-kahn.
Hinweis: Hedwig geb. Kahn wurde am 7. Juli 1906 in Gonnesweiler als Tochter von Joseph Kahn aus Gonnesweiler und seiner Frau Charlotte geb. Bach aus Trier geboren.    

    
      

                   
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Stand: 30. Juni 2020