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Gonnesweiler
(Gemeinde Nohfelden, Kreis St. Wendel)
Jüdische Geschichte / Betsaal
Übersicht:
Zur jüdischen
Geschichte in Gonnesweiler
In Gonnesweiler bestand zu keiner Zeit eine
selbständige jüdische Gemeinde. Die am Ort lebenden jüdischen Familien
gehörten zur Synagogengemeinde in Bosen.
Dennoch unterhielt man am Ort eigene Einrichtungen (siehe
unten).
Nach den Überlieferungen der jüdischen Familien Kahn am Ort kam deren Vorfahre
R. Abraham Kahn 1574/75 auf der Flucht aus einem polnischen Städtchen mit
seiner Familie nach Gonnesweiler (siehe Bericht unten). Schriftliche Nachweise
über die ersten Juden am Ort liegen aus der Zeit um 1700 vor. Im Laufe des 18.
Jahrhunderts siedelten sich drei weitere Familien an.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1808 20, 1817 18 jüdische Einwohner (in drei Familien), 1841 sechs jüdische Familien, 1849 37
jüdische Einwohner, 1900 16, 1923 22. In der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts ist die Zahl der jüdischen Einwohner durch Auswanderungen nach
Nordamerika und Abwanderungen in de Industriezentren an der Saar
zurückgegangen.
In Gonnesweiler waren 1817 die jüdischen Haushaltsvorstände:
Salomon Neumark (Kleinhändler), Isaak Kahn und Jacob Kahn (beide waren
Viehhändler). Die drei Familien lebten in armseligen Verhältnissen.
An Einrichtungen der jüdischen Familien am Ort war ein Betraum vorhanden
(s.u.), ein rituelles Bad (1841 erbaut) und ein Friedhof.
1933 lebten noch acht jüdische Personen am Ort. Es handelte sich um die
Familie des Händlers Josef Kahn (mit Frau Charlotte geb. Bach), um Hedwig Kahn
(später mit Ernst Meyer verheiratet, um Witwe Elma Mendel geb. Lion mit ihren
Lindern Leo, Elise und Elfriede und um Lina Heymann. Die letzten jüdischen
Einwohner wurden 1942 vom Ort aus
deportiert.
Von den in Gonnesweiler geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", überarbeitet und ergänzt
durch Reiner Schmitt): Ida Herrmann geb. Kahn
(1873), Maximilian Herrmann (1869), Abraham Heymann (1872), Isaak Heymann (1870),
Lina Heymann (1872), Max Heymann (1905), Norma Heymann geb. Teusch (1909,
Ehefrau des Max Heymann), Reni
Heymann (1930), Rosa Heymann
geb. Loring (1904), Walter Heymann (1903), Hermann Hirsch (1886), Hans Erich
Jost (1927), Charlotte Kahn geb. Bach (1877), Ida Kahn (1873), Joseph Kahn (1870), Elfriede
Mendel (1922), Elise Mendel (1919), Elma Mendel geb. Lion (1892), Leo Mendel (1914),
Delwina Meyer geb. Hirsch (1885), Hedwig Meyer geb. Kahn
(1906), Markus Reinheimer (1890), Gertrud von der Walde geb. Baum (1870).
Zu nennen ist auch Hans Jost, der als sogenannter "Halbjude" 1945 von
der SS erschossen wurde.
Zur Geschichte des Betraumes
Von der Mitte des 18. Jahrhunderts an gab es
einen Betraum am Ort, der sich im Wohnhaus der Familie Mendel befand. Der
heutige eingeschossige Wohnhaus war auch noch in den 1930er-Jahren im Besitz
derselben Familie. Noch damals soll der Betraum vorhanden gewesen
sein.
Standort des Hauses mit dem Betraum:
Hauptstraße 64
Berichte aus der
Geschichte der jüdischen Gemeinde
Bericht aus dem 16. Jahrhundert
nach
den Überlieferungen der Familie Kahn in Gonnesweiler
- wiedergegeben von Landrabbiner Dr. Loevy in Birkenfeld (1903)
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Zusammenfassung: Herzog Heinrich von
Anjou wurde 1574 König in Polen. Unter den polnischen Juden gab es
kurzzeitig Hoffnung eines stärkeren Schutzes vor dem polnischen
Antijudaismus. Die Hoffnung wurde jedoch getäuscht. In einem polnischen
Städtchen X begannen die Vorbereitungen zum Passafest. Im Haus des R.
Abraham Kahn und seiner Frau Tölzele wurde der Sederabend gefeiert. Die
Feier wurde jedoch jäh unterbrochen, nachdem die Magd Katinka im Keller des
Hauses die Leiche eines kleinen Kindes fand. Sie war von dem örtlichen
Metzger Borowski heimlich im Hause des R. Abraham abgelegt worden. Borowski
hatte die Kinderleiche dem örtlichen Totengräber Jaschko abgenommen, um am
Ort einen Pogrom gegen die Juden durchführen zu können. R. Abraham ließ nach
dem Fund voller Entsetzen die Leiche im Ofen des Hauses verbrennen, um
weiteres Unheil vor der jüdischen Gemeinde des Ortes abzuwehren und
entschied sich dazu, dass die ganze Familie mit der Magd Katinka fliehen
sollte. Er selbst blieb im Hause und musste noch in der Nacht miterleben,
wie der Pöbel des Ortes das Haus gewaltsam überfiel. Borowski hatte das
Gerücht verbreitet, dass ein Kind im Haus des R. Abraham ermordet worden
wäre. Der Pöbel konnte im Haus jedoch nichts finden und zündete es hierauf
an. R. Abraham wurde verschleppt und sollte gefoltert werden. Es gelang ihm
aber, vor der wütenden Menge die Schuldigen zu überführen. Mit seiner
Familie floh er in den Westen und fand eine neue Heimat im folgenden Jahr in
Gonnesweiler, wo ein Jahr nach den fürchterlichen Ereignissen das
Passafest gefeiert werden konnte. |
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Schluss der Erzählung zitiert: "Ein ganzes
Jahr war seitdem vergangen. Nach langen, beschwerlichen Wanderungen, nach
mancherlei Belästigungen und Gefahren hatte R. Abraham Kahn auf deutschem
Boden, in dem freundlichen Dörfchen Gonnesweiler eine neue Heimat
gefunden, woselbst es ihm auch gelang, mit dem geringen Überreste des einst
so stattlichen Vermögens ein bescheidenes Häuschen zu erwerben. So konnte
Tölzele, als das Pessachfest herannahte, wieder im eigenen Heim die
feierliche Sedertafel anrichten. Zwar blitzten darauf keine goldenen und
silbernen Geräte mehr, wie einst vor Jahresfrist in der fernen polnischen
Heimat, denn alles hatten sie im Unglück veräußern müssen, desto heller und
freudiger aber strahlten im Bewusstsein der Sicherheit und des göttlichen
Schutzes Aug' und Antlitz R. Abrahams und der Seinigen, und als er, eines im
Augenblicke höchster Not geschehenen Gelübdes eingedenk, der Magd mit den
Worten winkte: 'Heiz' den Ofen!' da fielen sich die Gatten in die Arme und
schluchzten laut und weinten Tränen der Freude und des Dankes gegen Gott,
der sie einst an diesem Abend wunderbar errettete aus fürchterlicher Gefahr.
Noch heute wahren die Nachkommen R. Abraham Kahns an jenem Orte den alten,
geheiligten Brauch ihrer Ahnen, und an jedem Sederabend ertönt es von den
Lippen des Hausherrn: 'Heiz' den Ofen!'" |
Fotos
Zur jüdischen
Geschichte in Gonnesweiler sind noch keine Fotos vorhanden. |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
November 1993:
Presseartikel zur jüdischen Geschichte in
Sötern, Bosen und Gonnesweiler |
Der
Artikel von F. Glutting erschien im November 1993 in der
"Saarbrücker Zeitung" (erhalten von Reiner Schmitt); abgebildet
ist das Haus der früheren Mikwe in Sötern.
Zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken. |
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November 2012:
In Gonnesweiler werden "Stolpersteine" verlegt |
Artikel in der "Saarbrücker
Zeitung" vom 17. November 2012 (auszugsweise zitiert): "Steine wider das
Vergessen. Schüler unterstützen das Kunstprojekt
Nohfelden. Am Montag, 19. November, ab 15.30 Uhr verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig in
Bosen, Gonnesweiler und Sötern die ersten Stolpersteine in Gedenken an Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Der Auftakt erfolgt vor dem ehemaligen Haus
Lion, Nohfelden-Bosen, Bostalstraße 62. Mit der Aktion "Stolpersteine" möchten die Veranstalter, die Gemeinde Nohfelden, die Gesamtschule/Gemeinschaftsschule Türkismühle und das Adolf-Bender-Zentrum St. Wendel, ein Zeichen wider das Vergessen setzen...
Eine 14-köpfige Schülergruppe der Gesamtschule/Gemeinschaftsschule Türkismühle recherchierte gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe im Adolf-Bender-Zentrum jüdische Schicksale aus ihren Heimatorten, die während der NS-Zeit deportiert und ermordet wurden. Besonders bewegt hat die Gruppe die Geschichte der Kinder, zum Beispiel die der Lotte
Koschelnik. Ihrer Nachbarin gab sie vor der Deportation eine Puppe in Obhut. Dies war das letzte Mal, dass sie ihre Freundin gesehen hat. Lotte, damals 13 Jahre alt, wurde mit ihrer Mutter Johanna Hedwig Koschelnik und ihrem Bruder Friedrich 1943 ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und ermordet. Die Spur ihrer Schwester Leonore verlor sich bereits ein Jahr zuvor im Konzentrationslager Riga. Insgesamt werden für vier Familien in
Bosen, Gonnesweiler und Sötern Stolpersteine in den Gehweg eingelassen.
Um 17.30 Uhr ist Gedenkfeier mit Vorstellung des Projektes durch die Schülergruppe, Lesung und Theaterstück in der Gesamtschule/Gemeinschaftsschule Türkismühle. Die Bevölkerung ist eingeladen, an der Verlegung der Stolpersteine in der Gemeinde Nohfelden teilzunehmen. red
Informationen beim Adolf-Bender-Zentrum, Telefon (0 68 51) 8 08 27 90...
Die Stolpersteine in der Gemeinde Nohfelden werden am Montag verlegt und zwar: 15.30 Uhr, Bostalstraße 62,
Bosen, vier Stolpersteine für die Familie Lion; 15.55 Uhr, Nahetalstraße 31 bis 32,
Gonnesweiler, fünf Stolpersteine für die Familien Hirsch/Kahn; 16.20 Uhr, Hauptstraße 47, Sötern, sechs Stolpersteine für die Familie Wolf; 16.45 Uhr, Hauptstraße 55, Sötern, vier Stolpersteine für die Familie
Koschelnik. Anschließend findet gegen 17.30 Uhr eine Gedenkfeier in der Gesamtschule
statt."
Link
zum Artikel |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Michael
Landau (Hg.): Damit es nicht vergessen wird. Beiträge zur Geschichte
der Synagogengemeinden des Kreises St. Wendel. Veröffentlichungen des
Adolf-Bender-Zentrums e.V., St. Wendel 1988.
|
| Eva Tigmann: "Was geschah am 9. November
1938?" - Eine Dokumentation über die Verbrechen an der jüdischen
Bevölkerung im Saarland im November 1938. Eine Veröffentlichung des
Adolf-Bender-Zentrums St. Wendel. 1998. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 442 (mit weiteren Literaturangaben).
|
| Reiner Schmitt: Gedenkbuch - Die Opfer der nationalsozialistischen
Judenverfolgung aus den Orten des Birkenfelder Landes 1933-1945 (Abentheuer,
Baumholder, Birkenfeld, Bosen, Gonnesweiler, Grumbach, Hoppstädten,
Hottenbach, Idar-Oberstein, Nahbollenbach, Niedereisenbach, Oberreidenbach,
Offenbach, Rhaunen, Ruthweiler, Sensweiler, Sien, Sötern, Stipshausen,
Thallichtenberg, Weierbach). 332 S. 2011.
Hinweis: der genannte Beitrag von Reiner Schmitt ist in der
Stadtbibliothek Trier und im Landeshauptarchiv Koblenz zugänglich. Er ist
nicht im Druck erschienen. Über Fernleihe kann die Publikation aus der
Stadtbibliothek Trier ausgeliehen werden. |
| Wolfgang Schmitt-Kölzer: Sie bekamen keine Karten
für die Schiffspassage. Das Leben von Ernst Meyer (1895-1942), Hedwig Kahn
(1906) und Lilly Kahn (1917-1995). Artikel in "Die Warte Perspectives" der
Tageszeitung "Luxemburger Wort" vom 27. April 2023. Der Beitrag (eingestellt
als pdf-Datei) findet sich auch im digitalen Holocaust-Memorial
Luxemburg www.memorialshoah.lu
unter
https://www.memorialshoah.lu/de/story/0121-meyer-kahn.
Hinweis: Hedwig geb. Kahn wurde am 7. Juli 1906 in Gonnesweiler als Tochter
von Joseph Kahn aus Gonnesweiler und seiner Frau Charlotte geb. Bach aus
Trier geboren. |
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