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Wetteraukreis"
Nieder-Florstadt (Stadt
Florstadt, Wetteraukreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Jürgen Reuß,
Stadtarchivbeauftragter der Stadt Florstadt und Mitglied des Arbeitskreises
Ortsgeschichte Florstadt;
Hinweis: Jürgen Reuß sucht Kontakte zu Nachfahren
jüdischer Familien aus Florstadt und weitere Informationen zur jüdischen
Geschichte der Stadt:
Kontakt über juergen.reuss@wsk.de /
Telefon: 0-6181-9540513)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Niederflorstadt bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16./18.
Jahrhunderts zurück. Ein erster Hinweis auf jüdische Einwohner ist eine Gemeinderechnung von 1592, in der es um
neue Fenster für das jüdische Badhaus (Mikwe) geht.
Bis 1806 gehörte der Ort zur Ganerbschaft
Staden.
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts wie
folgt: 1828 103 jüdische Einwohner, 1861 148 (11,9 % von insgesamt
1.246 Einwohnern), 1880 98 (7,0 % von 1.402), 1896 100, 1898 57, 1900 51 (3,5 % von 1.472),
1910 48 (2,7 % von 1.792), 1925 32 (1,7 % von 1.840).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule,
ein rituelles Bad (bereits 1592!) und ein eigener Friedhof. Zur Besorgung
religiöser Aufgaben der Gemeinde war - vermutlich bis zum Anfang des 20.
Jahrhunderts - jeweils ein Religionslehrer angestellt, der
zugleich als Vorbeter (vermutlich zeitweise auch als Schochet) tätig war. Bei anstehenden Neubesetzungen
wurde die Stelle immer wieder ausgeschrieben. Der Wechsel konnte manchmal sich
sehr rasch vollziehen. Allein zwischen 1875 und 1879 waren drei Ausschreibungen
nötig (siehe unten).
Gemeindevorsteher war um 1896/1898 A. Adler.
1931/32, als 33 jüdische Gemeindeglieder gezählt wurden, waren die
Vorsteher der
"Israelitischen Gemeinde Nieder-Florstadt" Hermann Adler (1. Vors.),
Albert Kahn I (2. Vors.), Sally Maier (3. Vors.). Ehrenamtlicher Kantor (Vorbeter) der Gemeinde
war, nachdem man auf Grund der zurückgegangenen Zahl der Gemeindemitglieder
keine hauptamtliche Person mehr anstellen konnte, Albert Kahn I. Die
Gemeinde war dem orthodoxen Provinzialrabbinat Oberhessen in Gießen zugeteilt. Die
jüdischen Familienväter verdienten ihr Einkommen als Kaufleute oder
Viehhändler, zwei von ihnen waren Metzger. Von etwa 1900 bis 1920 war Abraham
Adler zweiter Bürgermeister in Nieder-Florstadt; von 1920 bis 1930 war
Albert Kahn I Bürgermeister-Sekretär und leitete die Bürgermeisterei.
Kahn ist unter den 1942 nach Izbica deportierten und ermordeten jüdischen
Einwohnern.
1933 lebten noch 28 jüdische Personen in Nieder-Florstadt (1,4 % von
2.008). In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Mehreren von ihnen gelang
die Auswanderung in die USA. Bis 1939 ging die Zahl auf 10, zum 31. Dezember
1940 auf 7, zum 5. Februar 1942 auf 5 zurück. Die letzten fünf (in der Liste
unten kursiv hervorgehoben) wurden im September 1942 nach Izbica bei
Lublin/Polen deportiert und ermordet.
Von den in Nieder-Florstadt geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Auguste Adler geb. Seligmann (1881), Hermann Adler
(1881), Jenny (Jeanette) Adler geb. Kahn (1889), Albert Kahn (1883),
Ricka Bendheim geb. Reis (1867), Ricka Cahn geb. Stern (1859), Johana Gittel
geb. Reiss (1876), Hilda Goldschmidt geb. Reis (1886), Jeanette Grünebaum geb.
Stern (1878), Albert Kahn (1883), Julius Kahn (1881), Leopold Kahn
(1885), Nathan (Fritz) Kahn (1882), Ricka Kahn (Cahn) geb. Stern (1859), Samuel
Kahn (1879), Sara Kahn geb. Katz (1896), Recha (Regine) Katz geb. Kahn (1886),
Fanny Mortkowitz geb. Reis (1879), Jacob Oppenheimer (1868), Abraham Reis
(1882), Hugo Reis (1869), Wilhelm
Reis (1886), Nathan Simon (1859), Hermann Stern (1865), Isaac Stern (1875),
Arnold Tannenbaum (1928), Frieda
Tannenbaum (1902), Regina Tannenbaum geb. Münz (1883).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1859 / 1875 /
1878 / 1879
Anzeige
im "Friedberger Intelligenzblatt" vom 21. Juni 1859:
"Die Israelitische Gemeinde dahier beabsichtigt einen Religionslehrer
mit einem Gehalt von 200 fl. anzunehmen. Bewerber wollen sich, mit guten
Zeugnissen versehen, bei dem Unterzeichneten alsbald melden.
Florstadt, den 15. Juni 1859. Der Vorstand Joel Simon". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Dezember 1875:
"Für die hiesige israelitische Religionslehrer- und Vorbeterstelle,
womit nebst freier Wohnung etc. etc. ein Gehalt von 900 Mark jährlich verbunden
ist, wird ein mit guten Zeugnissen versehener Lehrer zum sofortigen
Eintritt gesucht.
Nieder-Florstadt in der Wetterau, 26. November 1875. Der
israelitische Vorstand: M. Adler". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. August 1878:
"Gesucht für sofort wird ein Religionslehrer und Vorbeter ledigen
Standes gegen eine jährliche Vergütung von ca. 600 Mark. Gefällige
Offerten beliebe man an den unterzeichneten Vorstand zu richten.
Nieder-Florstadt (Oberhessen) im August 1878. Der Vorstand der
israelitischen Religionsgemeinde." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juni 1879:
"Gesucht ein Religionslehrer und Vorbeter ledigen Standes zum 1.
September dieses Jahres. Gehalt 600 Mark Offerten unter Anschluss von
Zeugnissen an den Vorstand der Israelitischen Gemeinde Nieder-Florstadt,
Großherzogtum Hessen." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Einweihung einer neuen Torarolle in der Synagoge (1843)
(Anzeige erhalten von Jürgen Reuss, Florstadt)
Anzeige im "Friedberger Intelligenzblatt" vom 12. Oktober 1843:
"Einladung. Montag, den 16. dieses Monats, bei Einweihung
einer neuen Gesetzrolle der israelitischen Gemeinde dahier, ist bei dem
Unterzeichneten gut besetzte Tanzmusik anzutreffen, und ladet hierzu die
Israeliten der hiesigen Umgegend höflichst ein. Florstadt, den 10.
Oktober 1843. G. Wagner." |
Einladung zu einer "Tanzmusik für
Israeliten" (1855)
Anzeige im "Friedberger Intelligenzblatt" vom 2. Oktober 1855:
"Einladung.
Donnerstag, den 4. Oktober findet bei dem Unterzeichneten Tanzmusik für
Israeliten statt, wozu höflichst einladet.
Carl Petri. Florstadt." |
Einladung zum Ball der jüdischen Gemeinde an
Simchat Tora (1874)
Anzeige
im "Oberhessischen Anzeiger" vom 26. September 1874:
"Am Thorafreudenfest, Samstag, den 3. Oktober, findet in meinem Saale
ein Ball statt, wozu höflichst einlade.
Nieder-Florstadt. Ernst Dauernheim". |
Merkwürdige Berichterstattung über eine jüdische
Hochzeit (1896)
Anmerkung: In den überregionalen jüdischen Zeitungen wurde selten über
Ereignisse aus Nieder-Florstadt berichtet. 1896 findet sich immerhin ein Bericht des
damaligen Vorstehers der jüdischen Gemeinde - Herz Kahn - zu der merkwürdigen
Berichterstattung über die Hochzeit seiner eigenen Tochter im "Friedberger
Kreisblatt". Während man zunächst eine antijüdische Tendenz hinter
dieser Berichterstattung vermuten könnte, weist Herz Kahn in seiner Erklärung
auf die damaligen großen Spannungen zwischen liberalen und orthodoxen
jüdischen Gemeinden hin. Die Friedberger Gemeinde war liberal, die
Nieder-Florstadter orthodox geprägt. In Gießen gab es seit 1887 eine Trennung
zwischen der liberalen Israelitischen Religionsgemeinde und der orthodoxen
Israelitischen Religionsgesellschaft und wenig später auch zwei
Provinzialrabbiner, von denen der orthodoxe Rabbiner seit 1895 der unten
genannte Dr. Hirschfeld war:
Artikel
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. September 1896:
"Aus Oberhessen. Im Friedberger Kreisblatt war dieser
Tage die nachfolgende Notiz zu lesen:
Nieder-Florstadt. Vor einigen Tagen wurde hier eine
israelitische Hochzeit gefeiert. Nach vollzogener Trauung wollten die
Anverwandten und Gäste ihre Glückwünsche darbringen. Aber das junge
Paar war plötzlich aus der Mitte der Hochzeitsgäste verschwunden,
darüber allgemeine Entsetzung und große Bestürzung. Nur durch einen
Zufall gelang es die Verschwundenen zu entdecken. Eine Dame, die zur
Hochzeitsgesellschaft gehörte, wollte in einem neben dem Saal sich
befindenden Zimmer ihre Toilette wechseln. Jedoch sie fand verschlossene
Türen. Auf ihr langes und lautes Poltern, hörte sie von innen rufen.
'Wir sind eingeschlossen'. Jetzt klärte sich die Situation. Der
amtierende Geistliche, der die Trauung vollzog, Rabbi Dr. Hirschfeld aus
Posen, zur Zeit in Gießen, hatte das Ehepaar direkt nach der Trauung
eingeschlossen, weil, wie er auf Befragen erklärte, es
religionsgesetzliche Vorschrift sei. Wohl oder übel mussten sich die
Hochzeitsgäste mit dieser eigenen Art die Trauung zu beschließen,
zufrieden geben. So geschehen im August 1896.
(Solche nicht mehr zeitgemäße rituelle Vorschriften sollte man doch,
schon im Interesse des Anstandes nicht wieder aufwärmen wollen. Die
Redaktion des Friedberger Kreisblattes).
Als Vater der Braut, bei deren Trauung die oben berichtete
Schauergeschichte passiert sein soll, gestatte ich mir nun folgendes dazu
zu bemerken:
Nach der Trauung bat mich Herr Dr. Hirschfeld, die jungen Leute zu
veranlassen, eine Viertelstunde in ein besonderes Zimmer zu gehen. Ich
habe den jungen Leuten dieses mitgeteilt und sie haben sich hierauf in ein
Zimmer verfügt, welches nicht an den Hochzeitssaal stieß, die Türe war
unverschlossen und der Schlüssel stak im Schlüsselloch. Die Gäste,
welche sich ankleiden wollten, habe ich höflich gebeten, einen Augenblick
zu warten, was dieselben auch getan haben. Dass die jungen Leute gerufen
haben sollen: 'wir sind eingeschlossen', ist absolut unwahr, auch habe ich
von einer 'Entsetzung' meiner Hochzeitsgäste nichts gemerkt und von der
Bestürzung derselben gewiss nichts, ein jeder hatte schon in der Synagoge
seine Glückwünsche vorgebracht. Es lag also gar kein Grund vor, während
der kurzen Pause, zwischen Trauung und Mittagsmahl, das Brautpaar
aufzusuchen. Tatsächlich war auch das Letztere bei Beginn der Mahlzeit
die Ersten, die sich zu Tisch begaben. Von einem Verschwinden der jungen
Leute kann also gar keine Rede sein. Ich erkläre die ganze Sache für
eine niedrige Mache, die von Friedberger Reformern ausgegangen, um Herrn
Dr. Hirschfeld verächtlich und lächerlich zu machen. Schon die
Anonymität, hinter der sich der Herr Verfasser zu verkriechen sucht und
mit deren Hilfe er den Artikel aus Nieder-Florstadt datieren konnte,
während er doch tatsächlich anders woher stammt. charakterisiert die
Sache schon zur Genüge. Alle Vorstände der Provinz seien hierdurch zum
gemeinsamen Kampf und zu gemeinschaftlichen Schritten bei der Regierung
aufgerufen, damit wir einen frommen orthodoxen Rabbiner erhalten. Die
Herren Vorsteher ersehen aus Obigem, mit welchen Waffen hierzulande die
Reform ihre Zwecke zu erreichen sucht. Herz Kahn, Erster Vorsteher der
israelitischen Gemeinde zu Nieder-Florstadt". |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Goldene Hochzeit von Emanuel Blumenthal und Sofie geb.
Sondheimer (1908)
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 22. Mai 1908:
"Niederflorstadt bei Friedberg. Das Ehepaar Emanuel Blumenthal
und Sofie geb. Sondheimer feierte die Goldene
Hochzeit." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Verlobungsanzeige von Bella Tannenbaum und Ludwig Stern
(1936)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15.
Oktober 1936: "Gott sei gepriesen.
Bella Tannenbaum - Ludwig Stern. Verlobte.
Frankfurt am Main / Niederflorstadt - Frankfurt am Main,
Seilerstraße 19.
Zuhause, 17. und 18. Oktober 1936, Seilerstraße 19". |
Kennkarten
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarte
des in Nieder-Florstadt
geborenen Hermann Stern |
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Kennkarte
(ausgestellt in Mainz 1939) für Hermann Stern (geb. 3. Juli 1865
in Nieder-Florstadt),
Viehhändler, wohnhaft in Nieder-Florstadt und Mainz, 1939 in die
Niederlande emigriert,
am 23. März 1943 deportiert ab Westerbork in das Vernichtungslager
Sobibor, ermordet |
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Zur Geschichte der Synagoge
Bereits
Ende des 16. Jahrhunderts (in einer Gemeinderechnung von 1592) werden die Kosten
für ein neues Fenster für ein rituelles Badehaus erwähnt. Wenn am Ort damals
eine solche Mikwe bestand, kann davon ausgegangen werden, dass auch ein Betsaal
bzw. eine Synagoge vorhanden / eingerichtet war.
Seit
etwa 1800 stand die Synagoge auf dem heutigen Grundstück in der Faulgasse.
Damals kamen
zu den Gottesdiensten nach Nieder-Florstadt auch die im benachbarten Staden
lebenden jüdischen Einwohner. 1866 und 1876 standen Reparaturen der Synagoge
und der Mikwe an.
Reparaturarbeiten an der Synagoge, am Frauenbad und der
Lehrerwohnung (1866 und 1876)
Anzeige
im "Friedberger Intelligenzblatt" vom 18. August 1866: "Arbeits-Versteigerung.
Mittwoch, den 22. August, vormittags 10 Uhr, sollen zu
Nieder-Florstadt die bei der Reparatur der Synagoge, Frauenbad und
Lehrerwohnung vorkommenden Arbeiten, als:
Zimmerarbeit, veranschlagt zu 56 fl. 45 kr. Maurerarbeit
47 fl. 22 kr.
Weißbinderarbeit 42 fl. 37 kr.
Glaserarbeit 45 fl. Schreinerarbeit 41 fl.
20 kr.
Lieferung von 7500 Stück Russensteinen* und 12 Bütten grauem Kalk.
Friedberg, den 16. August 1866. Der Bezirksbauaufseher Schneider." |
*Hinweis: "Russensteine" waren
Ziegelsteine bzw. Backsteine in einer bestimmten, aus Russland
übernommenen Größe. |
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Anzeige
im "Oberhessischen Anzeiger" vom 11. Mai 1876: "Arbeits-Versteigerung.
Die für den Umbau der Synagoge für die israelitische Gemeinde Nieder-Florstadt
erforderlichen Arbeiten sollen auf dem Weg öffentlicher Submission
vergeben werden und sind die hierauf bezüglichen Offerten, welche die
Angebote in Prozenten der Anschlagssumme enthalten sollen, bei dem
Vorsteher der israelitischen Gemeinde daselbst mit der Aufschrift:
'Submission für die ....Arbeit an der Synagoge' bis zum 16. Mai,
nachmittags 3 Uhr, einzureichen.
Die Arbeiten sind veranschlagt: Zimmerarbeit 166 Mark 24 Pf. Maurerarbeit
146 Mark 64 Pf. Schreinerarbeit 284 Mark 20 Pf
Glaserarbeit 240 Mark Weißbinderarbeit 318 Mark.
Kostenanschlag und Bedingungen können bei dem Unterzeichneten eingesehen
werden.
Assenheim, den 7. Mai 1876. Wenck,
Bezirksbauaufseher". |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge niedergebrannt.
Die alarmierte Feuerwehr wurde auf Befehl der Führungskräfte der NSDAP daran
gehindert, die Brandbekämpfung vorzunehmen. Nur die umliegenden Häuser durften
vor Funkenflug geschützt werden. Die
Torarollen wurden zwar noch gerettet, mussten aber dann in die Nidda geworfen werden.
Von der Synagoge blieben nur noch die Grundmauern stehen, die in der
Folgezeit beseitigt wurden (1942). Das Grundstück wurde verkauft und
neu bebaut. Auf dem Grundstück wurde eine Schreinerei erstellt, die 1998
zu einem Wohnhaus umgebaut wurde. Eine Gedenktafel ist mit folgendem Text
angebracht: "Hier stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde
Nieder-Florstadt. Sie wurde am 9. November 1938 in der Reichskristallnacht durch
einen Brandanschlag zerstört und 1942 abgebrochen. In mahnender Erinnerung an
die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
1933-1945". Nach durchgeführten Umbau- und Verputzarbeiten am Haus wurde
die Gedenktafel am 9. November 2009 neu angebracht (siehe Bericht
unten).
Adresse/Standort der Synagoge: Faulgasse 13
Fotos
(die historischen Fotos - die einzigen bekannten Fotos, auf
denen die
Synagoge zu sehen ist - wurden vom Arbeitskreis Ortsgeschichte Nieder- und
Oberflorstadt zur Verfügung gestellt) :
Historisches Foto
aus der Zeit Anfang der 1930er-Jahre |
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Blick auf das
Synagogengebäude in Nieder-Florstadt: in der rechten Hälfte hinter den
hohen Rundbogenfenstern war der Betsaal, in der linken Hälfte vermutlich
die Lehrerwohnung und der Raum für die Religionsschule. Im Vordergrund
drei Weißbinderlehrlinge, die das eigentlich Motiv des Fotos waren. |
Historisches Foto -
zwischen 1933 und 1938 |
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Winterfoto mit
Kindern aus Nieder-Florstadt - zufällig ist rechts die Synagoge zu sehen
(Ausschnittvergrößerung rechts). |
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Modell der Synagoge -
2008 erbaut
durch Artur Fischbach (Arbeitskreis
Ortsgeschichte Florstadt) |
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Ansicht der Ostseite zur
Faulgasse |
Westseite |
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Südseite |
Nordseite |
Blick auf die
Rundbogenfenster und das
Rundfenster im Bereich des Toraschreines |
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Blick auf den Eingang -
links war vermutlich
die Lehrerwohnung und der Raum für die
Religionsschule. |
Fenster an der Südseite
im Bereich des Betsaales |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
November 2009:
Eine Gedenktafel erinnert (wieder) an die
frühere Synagoge |
Artikel in der "Wetterauer Zeitung" vom 11. November 2009
(Artikel):
"Gedenktafel erinnert wieder an frühere Synagoge
Florstadt (sl). 71 Jahre nach der so genannten Reichspogromnacht wurde in Florstadt eine Gedenktafel an der ehemaligen
Synagoge in Nieder-Florstadt (wieder-)enthüllt. Dazu waren Bürgermeister Herbert Unger, Kommunalpolitiker und Anwohner zusammengekommen.
Gemeinsam mit Kommunalpolitikern und Anwohnern enthüllt Bürgermeister Herbert Unger (3. von rechts) am 71. Jahrestag der Reichspogromnacht eine Gedenktafel. Sie soll an die Synagoge
erinnern, die hier, in der Faulgasse in Nieder-Florstadt, einst gestanden hat.
1988 hatten die Gemeindevertreter beschlossen, anlässlich des 50. Jahrestags an allen Standorten ehemaliger Synagogen in den sechs Ortsteilen Gedenkplatten anzubringen. Das jüdische Gotteshaus in Nieder-Florstadt stand in der Faulgasse und wurde wie
Tausende andere in der Reichskristallnacht angezündet. Dabei wurde das Treppenhaus so stark beschädigt, dass das Gebäude 1942 abgebrochen werden musste. Es entstand ein Neubau mit Schreinerei, dessen damaliger Eigentümer sich im November 1988 dazu bereit erklärte, die Gedenkplakette am Gebäude anzubringen. Die war bereits bei der Buderus Kundenguss GmbH in Auftrag gegeben worden: 30 mal 50 Zentimeter groß und aus Bronze gefertigt. Diese Plakette wurde am 9. November 1988 enthüllt - und vor wenigen Jahren wieder abgenommen, weil umfangreiche Umbau- und Verputzarbeiten am Gebäude vorgenommen wurden.
Aufgrund einer Nachfrage von Christine Katzer aus der SPD-Fraktion hatte Bürgermeister Unger nun die Zustimmung der neuen Eigentümer eingeholt, um die alte Gedenktafel auf einem Rahmenständer wieder vor dem Grundstück anzubringen. Den Ständertafel hatte der Bauhof rechtzeitig zum Jahrestag dort installiert.
»So enthülle ich diese Gedenkplakette an der ehemaligen jüdischen Synagoge, auf dass sie nun an dieser Stelle alle Jahre überdauern möge, um ein erinnerndes und mahnendes Zeichen dafür zu sein, dass sich dieses Unrecht, das in den Jahren 1933 bis 1945 in unserem Land und auch in Florstadt geschehen ist und am 9. November 1938 einen ersten negativen Höhepunkt erreichte, nie mehr wiederholen wird«, sagte Unger. Er hoffe, »dass alle Florstädter diesem langsam wieder erstarkten Ungeist pathologischer politischer Gesinnung energisch entgegentreten und Toleranz, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft unser Miteinander in Florstadt maßgeblich bestimmen werden.«
Abschließend dankte der Bürgermeister den Familien Lehr und Stahl für die erneuerte Genehmigung, »mit dieser Tafel an diesem historischen Ort dieses erinnernde und zugleich mahnende Zeichen setzen zu dürfen«." |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 133. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 319. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 271-272. |
| Festschrift "100 Jahre Freiwillige Feuerwehr
Nieder-Florstadt". 2005. S. 49: "Die dunkelste Stunde der
Feuerwehr". |
| Susanne Gerschlauer: Synagogen. In: Kirchen und
Synagogen in den Dörfern der Wetterau. Reihe Wetterauer Geschichtsblätter.
Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Band 53. Im Auftrag des Friedberger
Geschichtsvereins hrsg. von Michael Keller. Friedberg 2004 S.
289-326. |
| dies.: Katalog der Synagogen. In: ebd. S.
555-580.
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Nieder-Florstadt
Hesse. The community, numbering 148 (12 % of the total) in 1861, dwindled to 28
by 1933. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue was burned
down and most Jews left, some emigrating.
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