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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Menzingen (Stadt Kraichtal,
Kreis Karlsruhe)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts als Besitz der
Freiherren von Menzingen zum Ritterkanton Kraichgau gehörenden Menzingen
bestand eine jüdische Gemeinde bis 1921. Ihre Entstehung geht in die Zeit des
16. Jahrhunderts zurück. Erstmals werden 1546 Juden am Ort genannt.
Während des Dreißigjährigen Krieges sind die Juden aus Menzingen großenteils
abgewandert (sofern sie die Kriegsjahre überlebten). Nach dem Krieg kamen
langsam einige Familien zurück. 1693 erlaubte die Herrschaft jedem Juden in
Menzingen, je Familie zwei Stück Vieh jährlich zu schächten, später wurde die
Bestimmung auf vier Stück Groß- und Kleinvieh jährlich erweitert.
1800 lebten 16 jüdische Familien mit zusammen 74 Personen in Menzingen. Im
weiteren Verlauf des 19./20. Jahrhunderts entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1825 78 jüdische Einwohner, 1832 81, 1836 89, 1938 98, höchste Zahl um 1864 mit 116,
1871 94, 1875 96, 1880 67, 1887 67, 1885 69, 1890 84, 1895 80, 1896 81 (in 15
Familien, von insgesamt 1.477 Einwohnern), 1900 73 (in 10 Haushaltungen), 1901
81 (in 11 Haushaltungen). Seit 1900 ging die Zahl sehr schnell zurück:
1905 40 jüdische Einwohner, 1910 19, 1925 sechs, 1933 sieben, die der
jüdischen Gemeinde in Odenheim zugeteilt
waren.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge, eine Schule
(Religionsschule) und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden im
jüdischen Friedhof in Oberöwisheim
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. die
Ausschreibungen der Stelle unten). Aus dem 19. Jahrhundert ist vor allem Lehrer Josua
Liebmann zu nennen, der von 1818 bis 1868 in Menzingen als Lehrer tätig
war (gest. 1876, siehe Bericht unten). Unter seinen Nachfolgern werden genannt:
um 1887/1890 Lehrer Bär, um 1893 J. Gundersheimer, um 1895 Lehrer J. Ehrlich
(unterrichtete 1895 20 Kinder an der Religionsschule der Gemeinde), 1896/1897
Lehrer D. Strauß (unterrichtete 1896 20, 1897 21 Kinder in Menzingen, dazu die
Kinder in Münzesheim), um 1901 Meyer Oppenheimer (unterrichtete 1901 19 Kinder
in Menzingen und 10 Kinder in Münzesheim), 1902/03 Lehrer Eisenberger, dann in
1903 W. Prager (unterrichtete 1903 15 Kinder in Menzingen und 7 Kinder in
Münzesheim); möglicherweise war dieser der letzte
Lehrer der Gemeinde.
Von den Gemeindevorstehern werden genannt: um 1895/1897 S. Lindauer und
A. Stiefel, um 1899 S. Lindauer, A. Stiefel und Herr Westheimer, um 1901 S.
Lindauer, M. Lindauer und H. Westheimer, um 1903 F. Ledermann, H. Lindauer und
M. Lindauer, dazu als Rendant (Rechnungsführer der Gemeinde) A. Stiefel.
Von den jüdischen Vereinen und Stiftungen werden genannt: um 1903 die
Samson Lindau'sche Stiftung und die Kaufmann'sche Stiftung (Stiftung
zu wohltätigen Zwecken), 1905 genannt als "Vereinige israelitische
Stiftungen", dazu wird 1905 ein Israelitischer Frauen-Verein
erwähnt (beide unter Leitung von F. Ledermann).
Seit 1827 gehörte die
Gemeinde zum Rabbinatsbezirk Bretten.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Sergeant Felix Ledermann
(geb. 25.9.1879 in Menzingen, vor 1914 in Heilbronn wohnhaft, verwundet 1.5.1918
und gest. 6.7.1918 im Feld-Lazarett 274 in Dechy; sein Grab ist auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Dourges in
der Nähe von Lens [Block
1, Grab 428]; Hinweis von Christoph Zimmer, Frankfurt am Main; Ehrenbuch
Heilbronn).
Am 7.
Dezember 1921 wurde die Gemeinde aufgelöst.
Bis nach 1933 gehörte ein
Lebensmittel- und Manufakturwarengeschäft einer jüdischen Familie
(Lebensmittel- und Manufakturwarengeschäft Josef Stiefel, Heilbronner Straße 19). Im
Dezember 1938 wanderte Josef Stiefel mit seiner Familie in die USA aus,
nachdem er im Zusammenhang mit dem Novemberpogrom 1938 einige Tage in Dachau
interniert worden war.
Von den in Menzingen geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Frieda Bloch geb. Schlesinger (1886),
Berta Ermann geb. Lindauer (1894), Dora Ermann
geb. Lindauer (1889), Betty Hirsch geb. Herzog (1879), Rosa Hirsch geb. Herzog
(1883), Rosalie Jakob geb. Ullmann (1860), Paula Kaufmann geb. Herzog (1888),
Frieda Ledermann geb. Lindauer (1887), Albert Lindauer (1888), Klara Selma
Lindauer (1894), Ida Löb (1868), Babette Nußbaum geb. Jeremias (1870), Auguste
Pappenheimer geb. LIndauer (1869), Mathilde Rehbock geb. Westheimer (1872),
Josef Schlessinger (1883), Ludwig Schlessinger (1885), Nathan Schlessinger
(1857), Johanna Silberstein geb. Stiefel (1895), Auguste Stern geb. Lindauer
(1883), Bertha Stiefel (1884), Emma Stiefel
(1886), Hedwig Stiefel geb. Isenberg (1883), Meta Stiefel (1887), Josephine Wessel (1894),
Frieda Westheimer (1892), Kurt Karl Westheimer (1869), Martha Wiener geb.
Lindauer (1900), Flora Wormser geb. Herzog (1886).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers-/Vorbeters und Schächters (1869
/ 1878 / 1879
/ 1891 / 1893 / 1902)
Anzeige
in der "Karlsruher Zeitung" vom 17. August 1869: "Menzingen.
Offene Lehrerstelle.
Ein Religionslehrer, der schon als Vorsänger und Schächter praktiziert hat,
wird zur Ausübung sämtlicher Funktionen unter Zusicherung annehmbaren
Gehalts zum alsbaldigen Eintritt aufzunehmen gesucht.
Bewerber dieser Stelle belieben sich entweder persönlich oder brieflich
anher zu wenden.
Menzingen, den 16. August 1869. Der Synagogenrats-Vorstand.
Münzesheimer." |
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Anzeige
in "Der Israelit" vom 13. November 1878: "Die Religionsschul-,
Vorsänger- und Schächterstelle in Menzingen, Amtsbezirk Bretten
(Baden), ist durch eine geeignete Persönlichkeit ledigen Standes zu
besetzen.
Einkommen 800-850 Mark jährlich nebst freier Wohnung. Auch ist Aussicht
vorhanden, möglicherweise durch Erteilung des Religionsunterrichts in dem
benachbarten Münzesheim das Einkommen
um Erkleckliches zu vermehren.
Bretten, 11. November 1878. Das Bezirksrabbinat." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Oktober 1879:
"Die Religionsschul-, Vorbeter- und Schächterstelle zu Menzingen ist
zu besetzen. Das Einkommen besteht in einem jährlichen Gehalt von fünfhundertundfünfzig
Mark, einer freien Wohnung für einen Verheirateten
und in den obengenannten Funktionen entfließenden Gefällen. Dasselbe
kann durch 2mal wöchentliche Religionsunterrichterteilung in der
Kultusgemeinde Münzesheim um
mindestens ca. 180 Mark per Jahr vermehrt werden. Süddeutsche erhalten
den Vorzug.
Bretten, 17. Oktober 1879. Die Bezirks-Synagoge: L. Schleßinger,
Bezirks-Rabbiner". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Mai 1891: Die Religionsschul-,
Vorsänger- und Schächterstelle zu Menzingen, Amtsbezirk Bretten, ist
Anfangs August dieses Jahres zu besetzen. Fixum 600 Mark, Nebeneinkommen
ca. 300 Mark und freie Wohnung. Geeignete deutsche Bewerber ledigen
Standes haben ihre Franko-Meldungen mit den nicht zurückgegeben werdenden
getreuen Zeugnisabschriften innerhalb 3 Wochen einzusenden an die
Großherzogliche Bezirks-Synagoge zu
Bretten." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. November 1893: Bretten.
Das Religionsschul-, Vorsänger- und Schächteramt in der
Israelitengemeinde zu Menzingen, Rabbinatsbezirks Bretten, mit einem
jährlichen Gehalt von 600 Mark, freier Wohnung, einem Nebenverdienst von
ca. 400 Mark und Vergütung für die Erteilung des Religionsunterrichts in
der Filiale Münzesheim, ist wegen Stellenwechsel des bisherigen Inhabers
bis zum 1. Februar, oder eventuell auch früher, mit einem tüchtigen
Kultusbeamten deutschen Nationalität, der ledigen Standes, oder nur eine
kleine Familie hat, wieder zu besetzen. Frankierte Meldungen mit nicht
zurückgegeben werdenden Zeugnisabschriften über Studiengang etc. und
Lebenslauf sind innerhalb 3 Wochen zu richten an die Bezirkssynagoge
Bretten." |
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Anzeige
in "Der Israelit" vom 24. Oktober 1898: " Die Religions-Schule-,
Vorsänger- und Schochet-Stelle in Menzingen, Rabbinatsbezirks
Bretten, ist mit dem 15. Januar kommenden Jahres und eventuell auch früher,
mit einem seminaristsich-gebildeten Lehrer neu zu besetzen. Bevorzugt werden
Süddeutsche ledigen Standes, oder mit kleiner Familie. Das Einkommen besteht
aus einer geräumigen Dienstwohnung, Jahresgehalt 700 Mark, Nebenverdienst
400-500 Mark, und circa 120-130 Mark aus der damit verbundenen Filiale
Münzesheim.
Frankierte Meldungen mit einem curriculum vitae, belegt mit
Zeugnisabschriften, sind baldmöglichst uns einzusenden.
Die Bezirkssynagoge Bretten: Schleßinger, Bezirks Rabbiner. " |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. März 1902: "Die
mit Vorsänger- und Schächterdienst verbundene Religionsschulstelle hier,
mit Filial für Religionsunterricht in Münzesheim wird per 1. April frei.
Das Einkommen beträgt: Fixum Mark 700 und freie Wohnung, nebst circa Mark
300 Nebeneinkommen und aus der Filiale Münzesheim Mark 130.
Menzingen, 2. März (1902). Der Synagogenrat: Ferdinand
Ledermann." |
Zum Tod von Lehrer Josua Liebmann, Lehrer in Menzingen von 1818 bis 1868 (1876)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Mai 1876:
"Eppingen (Baden). Vor Kurzem starb der Lehrer Josua Liebmann aus
Menzingen in dem hohen Alter von 80 Jahren. Der Verstorbene hatte
pflichtgetreu 50 Jahre in seinem Geburtsort und in den letzten acht Jahren
in dem benachbarten Mühlheim (gemeint vermutlich:
Münzesheim)
(an letzterem Platze unentgeltlich) als Lehrer gewirkt und stets ein
religiöses Leben vollführt. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens. E". |
Josua Liebmann wurde im jüdischen Friedhof in Eppingen beigesetzt: |
Inschrift und Übersetzung des Grabsteines für Lehrer (oben rechts
versehentlich "Lehser") Josua Liebmann, gest. in Mühlbach den
5. April 1876". Quelle: Ralf Bischoff/Reinhard Hauke: Der jüdische
Friedhof in Eppingen. Eine Dokumentation. 1989 (Rund um den Ottilienberg
Nr. 5). S. 182. |
Lehrer Eisenberger wirbt für eine Pension und
Restaurant in Bad Ilmenau (1903)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Januar 1903:
"Koscher
Pension und Restaurant Koscher
in Bad Ilmenau
(Thüringen) -
Eröffnet am 1. April 1903. Eisenberger, Lehrer zur Zeit in
Menzingen (Baden)." |
Berichte aus dem jüdischen
Gemeindeleben
Ergebnis einer Gemeindekollekte
(1879)
Anmerkung: in den jüdischen Gemeinden wurden regelmäßig und für die
unterschiedlichsten Zwecke Kollekten durchgeführt. Die Ergebnisse wurden in
jüdischen Periodika mitgeteilt.
Mitteilung
in "Der Israelit" vom 3. September 1879: "Menzingen. Durch Vorstand
M. Lindauer: M. Lindauer 1.50, S. Lindauer 2, V. Lindauer 1, Kaufmann
Westheimer 1, M. Herzog 2.50, J. Stiefel 1.50, G. Herzog 2, A. Westheimer
0.50, F. Ledermann 1.50, F. Schleßinger 1, L. Schleßinger 1, L. Schleßinger
1, zusammen 16.50 Mark." |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Joseph Münzesheimer wurde Opfer eines Diebstahles
(1833)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1833 S. 952 (Quelle: Stadtarchiv
Donaueschingen): "Diebstahl.
Dem Handelsjuden Joseph Münzesheimer von Menzingen wurden in der
Nacht vom 8. auf den 9. dieses Monats mittelst Einbruchs in dessen Keller
drei ganze eine in der Mitte durchschnittene und ungefähr 6 bis 10
Stücke größere und kleinere Sohlhäute im Wert von 132 fl. - und ein
Hängschluss im Wert von 36 kr. entwendet.
Der Bestohlene hat sich erboten, dem Entdecker dieses Diebstahls eine
Belohnung von 111 fl. - zu geben.
Wir bringen dies zum Zweck der Fahndung zur öffentlichen Kenntnis.
Bretten, am 10. November 1833. Großherzoglich Badisches Bezirksamt. Ertel".
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Zum Tod von Julius Westheimer
(1907)
Anmerkung: Julius Westheimer ist am 26. Dezember 1854 in Menzingen als Sohn
des Handelsmannes Kaufmann Westheimer und seiner Frau Klara geb. Münzesheimer
geboren. Nachweis über das Geburtsregister s.u. (Bild 230). Kaufmann Westheimer
wird auch in der Liste der Kollekte 1879 (s.o.) genannt.
Mitteilung
im "Bericht der Großloge" vom Mai 1907: "Aus dem Gedächtnisbuch der
Grossloge.
Seit unseren letzten Angaben hatten wir den Tod folgender Brüder zu
beklagen.
Es starben: ...
33. Am 21. März 1907 Bruder Julius Westheimer, Mitbegründer der
München-Loge in München. - 21. März 1897 - geboren den 26. Dezember 1854 in
Menzingen. " |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeigen der Zigarrenfabrik Hermann Lindauer (1897 /
1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. September 1897:
"Für das Comptoir meiner Zigarrenfabrik suche ich einen aufgeweckten
Jungen, Sohn anständiger Eltern als
Lehrling.
Nur selbstgeschriebene
Offertbriefe finden Berücksichtigung.
Hermann Lindauer, Menzingen bei
Bruchsal (Baden)." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Oktober 1900:
"Lehrling
mit guter Schulbildung zum sofortigen Eintritt, eventuell
per 1. Januar 1901 gesucht. Selbstgeschriebene Offertbriefe sind zu
richten an die
Menzinger Zigarren-Fabrik,
Hermann Lindauer, Menzingen,
Baden." |
Weitere Dokumente
Aus der Familie von Ferdinand Schlessinger (geb. 1875 in Menzingen, später
in Tiengen verheiratet)
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Der am 25.
Oktober 1939 in Waldshut ausgestellte Pass von Ferdinand Schlesinger und
Jenny geb. Levi. Der Pferdehändler Ferdinand Schlesinger ist am 16.
Februar 1875 in Menzingen geboren und wohnte später in Tiengen
(weitere Informationen dort; gest. 1950 in Israel). |
Zur Geschichte des Betsaals / der Synagoge
Die heutige
Mittelstraße hieß früher "Judengasse", möglicherweise ein Hinweis auf
das frühere Wohngebiet der jüdischen Familien.
Eine Synagoge
wurde 1787 erbaut.
Nachdem die Gemeinde in der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts größer geworden war, wurden um 1840 Überlegungen zur Vergrößerung
der Synagoge angestellt. Man bat hierzu Maurermeister Leonhard Vogt aus
Gochsheim um ein Gutachten, das am 21. Januar 1843 bei Bezirksamt Bretten
einging. Vogt hatte überprüft, ob ein zweiter Stock auf das einstockig ausgeführte
bisherige Synagogengebäude aufgebaut werden könnte und kam zum Ergebnis, dass
die Umfassungsmauern keinen zweiten Stock tragen könnten. Den Vorschlag der
Gemeinde, in diesem Fall eine neue Synagoge in dem benachbarten Garten des Isak
Wertheimer zu bauen, hielt er für ungeeignet, da auf diesem Grundstück wegen
seiner niedrigen Lage eine starke Fundamentierung erstellt werden müsse. Der
Garten gegenüber wäre geeigneter zum Bau einer Synagoge. Auf Grund dieses
Gutachtens beschloss die Gemeinde, den Neubau einer Synagoge "vier bis fünf
Jahre" hinauszuschieben, um in dieser Zeit ihren Baufond aufstocken zu können.
Das Bezirksamt Bretten, das grundsätzlich "von der Vergrößerung der Synagoge
zu Menzingen überzeugt" war, hielt die Überlegungen von Maurermeister Vogt für
"zweckmäßig". Am 11. Dezember 1842 konnte der Synagogenrat dem Bezirksamt
mitteilen, dass von den im Baufond zu einem Neubau mindestens erforderlichen
1.100 Gulden inzwischen 950 angesammelt seien. Man hatte damals Kosten von 2.500
bis 2.800 Gulden für einen Neubau hochgerechnet. Insgesamt freilich sah die jüdische
Gemeinde selbst den Neubau noch nicht für so dringend an, da in der Synagoge
noch "so viel Platz (sei), dass man sie noch einige Jahre erhalten kann, ohne
dass der Gottesdienst darunter leidet oder gestört wird" (Brief vom 24. Januar
1843 an das Bezirksamt). Zwölf Jahre später (1855) war eine neue Situation
gegeben. Damals waren bereits mehrere Familien aus Menzingen abgewandert. Man
hielt es für wahrscheinlich, dass noch andere Familien folgen würde und kam
zum Beschluss, "dass unsere jetzige Synagoge, wenn die beantragte Renovation zur
Ausführung kommt, noch ein ganzes Jahrhundert unserem Bedürfnis entspricht"
(Bericht des Synagogenvorstandes vom 1. Juli 1855). Dem war offenbar doch nicht
so. Ende der 1860er-Jahre führten neue Überlegungen in der Gemeinde, über die
noch keine Dokumente in den Archiven gefunden werden konnten, dazu, dass der
Synagogenneubau ausgeführt und die neue Synagoge am 22. Dezember 1871
eingeweiht werden konnte. Darüber berichtet ein kurzer Artikel in der
Zeitschrift "Der Israelit".
Einweihung der Synagoge (1872)
Artikel aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Januar 1872:
"In Menzingen wurde am 22. vorigen Monats die neuerbaute Synagoge
durch Herrn Bezirks-Rabbiner Schleßinger in Bruchsal eingeweiht. Die
Einweihungsrede erfreute sich allseitigen Beifalls." |
Knapp 50 Jahre später - 1921 - wurde
die jüdische Gemeinde aufgelöst, da die meisten Familien inzwischen
abgewandert waren. Nach der Auflösung wurde das
Synagogengebäude an die politische Gemeinde verkauft, die darin eine Gewerbe-
und Industrieschule (zunächst Mädchenfortbildungsschule, später Ländliche
Berufsschule für Knaben und Mädchen) einrichtete. Im unteren Bereich des
früheren Betsaales wurde eine Schulküche eingerichtet. Später wurden im Haus
auch Räume für einige Klassen der örtlichen Volksschule
eingerichtet.
Das Synagogeninventar blieb für die nächsten Jahre erhalten und fand
Verwendung in der Ausstattung der 1926 eingeweihten Synagoge der
orthodox-jüdischen Gemeinde Adaß Jeschurun in Pforzheim.
Das Synagogeninventar kommt nach Pforzheim (1926)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. September 1926:
"Pforzheim, 5. September (1926). Am gestrigen Schabbat Nizawim
WaJelech (4. September 1926) wurde das neue Beit Haknesset
(Synagoge) der hiesigen Adaß Jeschurun in Benutzung genommen und damit
einem lange gefühlten Bedürfnis entsprochen, da die Räume, welche
bisher den Zwecken der Gemeinde dienten, in jeder Beziehung unzulänglich
waren und nur infolge der Wohnungsnot nicht aufgegeben werden konnten. Von
einer größeren Feier musste aus äußeren Gründen Abstand genommen
werden, und des freudigen Anlasses wurde deswegen beim Gottesdienst am Schabbat
gedacht. In seiner Ansprache gab der 2. Vorsitzende, Herr S. Puder, einen
geschichtlichen Überblick über die Entstehung des Minjan, welches
sich aus den kleinsten Anfängen im Jahre 1905 bis zu dem jetzigen
Bestande trotz der schweren Zeit des Krieges und der Nachkriegszeit
entwickelt hat und nur unter Aufwendung größter Energie und erheblicher
materieller Opfer für jedes Mitglied zu erhalten war. Herr Louis
Reutlinger gab alsdann in längerer Rede unter Anlehnung an den
Wochenabschnitt dem Geiste Ausdruck, welcher die Gründer und Erhalter des
Minjan beseelte und wies auf die Pflichten hin, welche die Idee des
Tora Im Derech Erez im Sinne S. R. Hirschs - das Gedenken an den
Gerechten sei zum Segen - jedem Einzelnen in Lehre und Leben
auferlegt, ganz besonders im Hinblick auf die Erziehung der Kinder zu
wissenden Juden. Herr J. Goldberg schloss die Reihe der Redner mit
geistvollen Zitaten aus Midrasch und Gemara.
Die Adaß Jeschurun verfügt jetzt über eine schöne und würdige
Synagoge mit 60 Männer- und 50 Frauenplätzen, welche bereits alle
vergeben sind. Der Badische Oberrat der Israeliten hat durch den
Synagogenrat in dankenswerter Weise eine sehr schöne Inneneinrichtung,
welche früher der leider eingegangenen Gemeinde Menzingen bei Bruchsal
gehörte, nebst einer herrlichen Sefer Tora (Torarolle) zur Verfügung
gestellt und damit das vorhandene Inventar ergänzt. Es ist zu
wünschen, dass die Adaß Jeschurun, welche das traditionell gesinnte
Element in der Pforzheimer, von jeher neologen Gemeinde darstellt, den
vielen und schweren Aufgaben, welche ihrer warten, mit Gottes Hilfe
gerecht werden kann. |
Das ehemalige Synagogengebäude in
Menzingen ist als Wohnhaus erhalten.
Standort der Synagoge: Mittelstraße 6.
Fotos
Historische Fotos:
Historische Fotos sind nicht bekannt, eventuelle
Hinweise bitte an
den Webmaster, E-Mail-Adresse siehe Eingangsseite |
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Foto (1960er-Jahre?)
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Die beiden Fotos
finden sich in der Publikation von Wilhelm Hertenstein und Dr. Karl Sommer
(hrsg. vom Heimat- und Museumsverein Kraichtal-Menzingen): 400 Jahre Schulen
in Menzingen. Erschien ca. 1992/93 (der Verfasser Wilhelm Hertenstein ist um
1965 verstorben). |
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Foto um 1965
(Quelle: G. Bienwald,
Menzingen s. Lit. S. 55) |
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Ehemalige Synagoge in Menzingen,
Mittelstraße 6 |
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Fotos 2003
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 15.9.2003) |
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Das Synagogengebäude von
Westen. |
Eingangsbereich |
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Ostwand der
ehemaligen Synagoge. Das Rundfenster über dem früheren
Toraschrein ist
erhalten |
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Blick auf die
ehemalige Synagoge von Süden bzw. Südwesten. Die durch den
Einzug einer
Zwischendecke unterbrochenen früheren hohen Rundbogenfenster
sind noch
erkennbar. |
Anbau an die
ehemalige
Synagoge. |
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Fotos 2022
(Fotos von privat erhalten,
Aufnahmedatum 22.8.2022) |
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Ansicht von Südosten |
Unter dem Dachkandel ist
ein Fries erkennbar |
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Ansicht von Nordnordwest |
Ansicht von Nord mit
Anbauten |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 222-223. |
| Otto Becher: Zur Geschichte der Juden in Menzingen. in: Bruhrain
und Kraichgau. Bruchsaler Geschichtsblätter. Nr. 1/2 1928 S. 1-4. |
| Günter Bienwald: Menzingen. Ein Gang durch seine 1200 Jahre Geschichte.
1970. S. 52-56 ("Vom Leben der Juden in der Dorfgemeinschaft"). |
| Jürgen Stude: Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe. 1990. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
| Norbert Jung: Kleine Zeittafel zur Geschichte der
Juden in Menzingen. Mitarbeit: Reinhold Ratzel. Hrsg. Norbert und Elka Jung.
ISBN 978-3-934096-70-7. 2. Auflage Heilbronn 2021.
Eingestellt als pdf-Datei. |
| Rolf Schmitt: Biografien von Dina Lindauer geb.
Löwenthal (1900-1998( und Hans Moritz Lindauer (1927-1945). Wie der Name
Lindauer nach Menzingen kam. In: Gedenkschrift zur 5. Stolpersteinverlegung
in Bruchsal am 27.3.2019. Hrsg. von der
Stadt Bruchsal. Bruchsal 2019 X. 12ff.
https://www.yumpu.com/de/view/62634248/gedenkschrift-zur-funften-stolersteinverlegung-in-bruchsal-am-27-marz-2019
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Menzingen Baden. Jews were present in
the 16th century and numbered 96 (total 1,555) in 1875. The last family
emigrated to the United States around the end of 1938.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|