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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Hochhausen (Gemeinde Haßmersheim, Neckar-Odenwald-Kreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Hochhausen bestand eine
jüdische Gemeinde bis zu ihrer Auflösung am 5. Juli 1913. Ihre
Entstehung geht vermutlich in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts zurück,
als die Familie von Helmstatt jüdische Familien aufnahm.
1825 lebten 113 jüdische Personen in Hochhausen. Die höchste Zahl jüdischer
Einwohner wurde um 1832 mit 127 Personen erreicht (fast 20 Prozent der
Ortsbevölkerung). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der
Juden am Ort rasch zurück. 1875 waren es noch 46 Personen, 1910 noch 17.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden im jüdischen
Friedhof bei Heinsheim beigesetzt. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben war ein Lehrer angestellt, der zugleich
als Vorbeter angestellt war (vgl. Ausschreibung der Stelle unten von 1843).
Zuletzt war gemeinsam mit Neckarzimmern
ein Lehrer angestellt (siehe Ausschreibung der Stelle von 1893, doch ist nicht
bekannt, ob die Stelle auf Grund der Ausschreibung nochmals besetzt wurde). Die
Gemeinde gehörte seit 1827 zum Bezirksrabbinat Mosbach.
Die nach 1913 hier noch lebenden jüdischen Einwohner wurden zunächst der
Mosbacher Gemeinde zugeteilt.
An jüdischen Vereinen gab es zumindest den Wohltätigkeits- und
Bestattungsverein Chewra Kadischa, der 1864 gegründet wurde und 1904
sein 40-jähriges Jubiläum feiern konnte (siehe Bericht unten).
Um 1925 gehörten die noch 17 jüdischen Einwohner zur Gemeinde in Heinsheim.
1933 lebten keine Juden mehr am Ort.
Von den in Hochhausen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): u.a. Leopold Blum (1898),
Nannchen Engelbert geb. Blum (1871), Wilhelm Reuter (1869).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers und
Vorsängers (1843)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 3. Mai 1843 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Mosbach. [Dienstantrag.]. Bei der israelitischen Gemeinde Hochhausen ist die
Lehrstelle für den Religionsunterricht der Jugend, mit welcher ein
Jahresgehalt von 139 fl., nebst freier Wohnung, sowie der
Vorsängerdienst samt den davon abhängigen Gefällen verbunden ist,
erledigt, und durch Übereinkunft mit der Gemeinde unter höherer
Genehmigung zu besetzen.
Die rezipierten israelitischen Schulkandidaten werden daher aufgefordert,
unter Vorlage ihrer Rezeptionsurkunde und der Zeugnisse über ihren
sittlichen und religiösen Lebenswandel, binnen 6 Wochen sich bei
diesseitiger Stelle zu melden.
Auch wird bemerkt, dass im Falle sich weder Schul- noch
Rabbinatskandidaten melden, andere inländische Subjekte, nach
erstandener Prüfung bei dem Rabbiner, zur Bewerbung zugelassen
werden.
Mosbach, den 24. Mai 1843. Großherzogliche Bezirkssynagoge." |
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
- gemeinsam mit Neckarzimmern (1893)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Dezember 1893:
"Lehrer-Vakanz. Die vereinigte Religionslehrer-Stelle Hochhausen -
Neckarzimmern soll sofort
durch einen ledigen Religionslehrer, Vorbeter und Schächter besetzt
werden. Einkommen: Mark 600 mit ungefähr Mark 150 Nebenverdienst.
Geeignete Bewerber wollen sich unter Vorlage von Zeugnisabschrieben bei
dem Unterzeichneten melden.
Mosbach, den 3. Dezember 1893. Dr. Löwenstein,
Bezirksrabbiner." |
Aus dem jüdischen
Gemeinde- und Vereinsleben
Feier zum 40. Stiftungsfest des Wohltätigkeitsvereins Chewra Kadischa
(1904)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Juni 1904: "Hochhausen
am Neckar. Schon vor langer Zeit sprach man hier in unserer leider so
klein gewordenen jüdischen Gemeinde von einer Festlichkeit, welche am
Samstag, 11. Juni, Paraschat Schelach Lecha (Schabbat mit der
Toralesung Schelach Lecha = 4. Mose 13,1 - 15,41) abgehalten werden
sollte. Und so wurde nun auch am genannten Schabbos die würdige Feier
veranstaltet, galt es doch unserer Chewra Kadischa, welche ihr vierzigjähriges
Stiftungsfest begehen durfte. Unter Anwesenheit Seiner Ehrwürden,
unseres verehrten Bezirksrabbiners Herr Dr. Löwenstein - Mosbach, sowie
einiger weggezogener Gründungsmitglieder, wurde die Feier mit einem
Festgottesdienst eröffnet, wobei Herr Dr. Löwenstein eine tiefgehende
Festpredigt hielt, sodass alle Anwesenden von derselben sichtlich gerührt
und mehr wie befriedigt derselben gedenken. Nachmittags fanden sich die
Mitglieder mit ihren Frauen zu einem Festessen zusammen, wobei es an gutem
Humor und Reden nicht fehlte. Das schöne würdige Fest schloss mit einem
Festbankett, wozu viele Fremden sich einfanden, und ist der Verlauf
desselben ein glänzender zu nennen. Bis zur frühen Morgenstunde waren
alle Festteilnehmer beisammen und wolle Gott uns die Gnade geben, das
50-jährige Jubiläum in ebenso fröhlicher Stimmung begehen zu lassen.
A.B." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Leopold Blum wird in den Gemeinderat gewählt
(1894)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. November 1894: "Hochhausen
am Neckar. Bei der am 23. November dieses Jahres vorgenommenen
Gemeinderatswahl wurde der Vorstand der hiesigen jüdischen Gemeinde Herr
Leopold Blum in den Gemeinderat unserer Stadt gewählt. Es galt dies als
ein doppelter und glänzender Sieg, indem Herr Blum als Ersatz für einen
der reichsten Grundbesitzer, der seit 18 Jahren dieses Ehrenamt
begleitete, gewählt wurde. Es herrscht nicht nur unter den 7 jüdischen
Wählern große Freude, die ganze Gemeinde ist mit dieser Wahl sehr
zufrieden. Ein Beweis, dass hier der Antisemitismus keinen Boden
findet." |
Über Meier Ohlhausen (1864 in Hochhausen - 1943 Ghetto
Theresienstadt)
(Angaben auf Grund der Recherchen von Wolfgang Jäger, Hamburg und Angaben aus
dem Stadtteilarchiv HH-Eppendorf www.stadtteilarchiv-eppendorf.de)
Meier
Ohlhausen ist 1864 geboren als Kind des Metzgers Leopold Ohlhausen und
seiner Frau Annette geb. Kochenthaler in Hochhausen (Neckar). 1874
emigrierte er in die USA und wohnte dort bei seinem Onkel und seiner
Tante, einem Ehepaar Lohmann in Omaha, Nebraska. In den USA nannte er sich
Maurice Ollhouse. Er war alsbald erfolgreich im Einzelhandel für
Handwerksartikel. Beim Tod seines Onkels und seiner Tante wurde er deren
Testamentsvollstrecker und Erbe. 1930 kehrte er wohlhabend nach
Deutschland zurück und ließ sich - zusammen mit seiner nichtjüdischen
Frau Gertrud (Heirat am 30. Juli 1931) in Hamburg nieder. Er investierte
sein Vermögen in Aktien, Hypotheken und Grundstücken und lebte zunächst
von den Erträgen seiner Finanzanlagen. 1937 kaufte er ein Einzelhandelsgeschäft
in Groß Borstel. 1942 wurde er kurzzeitig im KZ Fuhlsbüttel interniert. Am 26.
Februar 1943 wurde er in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er am
20. März 1943 umgekommen ist.
Am 13. Oktober 2016 wurde für Meier Ohlhausen ein
"Stolperstein" in Hamburg, Borsteler Chaussee 160 gesetzt (siehe
Foto links). Im Rahmen einer regionalen Gedenkandacht der
Alsterbundgemeinden am 9. November 2016 in der Kirche der Kirchengemeinde
St. Peter Groß Borstel wurde auch an das Schicksal von Meier Ohlhausen
erinnert. Dokumente befinden sich im Stadtteilarchiv
Eppendorf. |
Artikel von Maria Kosel und Wolfgang Jäger
vom November 2016 im "Borsteler Boten" für den Stolperstein für
Meier Ohlhausen: "'Er musste sich
melden!'" (pdf-Datei) |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Lehrlingssuchen der Zigarrenfabrik Leopold Blum
(1893 / 1905 / 1906)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. September 1893: "Lehrling
gesucht. Für das Comptoir und Lager meiner Zigarrenfabrik suche zum
sofortigen Eintritt einen Lehrling mit guter Schulbildung. Kost und Logis
im Hause. Samstags und Feiertage geschlossen. Leopold Blum, Zigarrenfabrik,
Hochhausen am Neckar." |
|
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 31. März
1905: "Lehrling.
Suche auf 1. Mai einen kräftigen Jungen, aus guter Familie, als Lehrling.
Kost und Wohnung im Hause. Samstag und Feiertage geschlossen.
Leopold, Blum, Zigarrenfabrik. Hochhausen am Neckar." |
|
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 23. März
1906: "Lehrling
mit guter Schulbildung für das Kontor meiner Zigarrenfabrik auf 15. April
gesucht. Samstag und Feiertage geschlossen. Kost und Wohnung
im Hause.
Leopold Blum, Hochhausen am Neckar,
Baden." |
Zur Geschichte des Betsaales/der Synagoge
Die Gemeinde besaß eine Synagoge,
in der auch die jüdische Schule eingerichtet war. Es ist nicht bekannt, wann
sie erbaut wurde. Nach einem Bericht der Mitglieder des Synagogenrates der
Gemeinde an das Bezirksamt Mosbach war die Synagoge 1864 "in einem so schlechten
Zustand, dass wir es kaum wagen können, einen Gottesdienst darinnen abzuhalten".
Jede Reparatur müsse man als "nutzlos" verwerfen. Die Gemeinde hätte auch längst
Schritte zu einem Neubau getan. Allerdings waren ihre Mitglieder so arm, dass
bislang kein Baufond angelegt werden konnte. Die Gemeindevorsteher David
Rothschild, M. Reuter und Moyses Hirsch wandten sich jedenfalls im Dezember 1864
an das Bezirksamt und fragten an, ob man von dort aus die nötigen Mittel
beschaffen oder eine Kollekte genehmigen könne. Bezirksrabbiner Weil aus
Mosbach wurde um eine Stellungnahme gebeten. Er bestätigte, dass die Synagoge
in Hochhausen in einem solch baufälligen Zustand sei, dass sie eigentlich wegen
Lebensgefahr sofort polizeilich geschlossen werden müsste. Das Bezirksamt
Mosbach sah jedoch außer der Durchführung einer Kollekte keine Möglichkeit
zur sofortigen Hilfe. Im Februar 1865 fragte der Synagogenrat beim bürgerlichen
Gemeinderat Hochhausens nach, ob die Möglichkeit bestünde, einen Neubau einer
Synagoge mit einem "ansehnlichen Betrag" zu unterstützen, da ja zugleich die jüdische
Schule untergebracht werden sollte. Der Gemeinderat lehnte allerdings
kategorisch ab, zumal die jüdischen Kinder zur Zeit die evangelische Schule
besuchen würden. Der Standpunkt des Gemeinderates war: "Jede
Religionsgesellschaft hat für die religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder
selbst zu sorgen und wir glauben nicht, dass wir angehalten werden können, zum
Bau eines Gebäudes, welches zu bloß religiösen Zwecken erbaut wird, beitragen
zu müssen, ebenso wenig wir von den Israeliten verlangen können, uns unsere
Kirche helfen zu bauen und zu erhalten" (Schreiben des Gemeinderates vom 22. Mai
1865). Daraufhin versuchte man es in den folgenden Jahren mit der Durchführung
einer Kollekte, wenngleich es auch hier nur schleppend voranging. Am 8. Februar
1872 genehmigte der Oberrat der Israeliten die Durchführung einer (erneuten?)
Kollekte. Mit besonderer Freude wurde im Oktober 1872 vermerkt, dass die
Gemeinde zum Umbau der Synagoge 55 Gulden Zuschuss von seiner königlichen
Hoheit dem Großherzog erhalten hatte. Vermutlich ist mit dem Geld dann nur noch
eine Reparatur der alten Synagoge bezahlt worden. Durch den damals schnellen Rückgang
der Gemeindeglieder erübrigte sich immer mehr der Neubau einer Synagoge in
Hochhausen.
Nach Auflösung der Gemeinde 1913 beschloss das
Bezirksrabbinat Mosbach unter Genehmigung des Oberrates der Israeliten Badens,
das Synagogengebäude zu versteigern. Bis zuletzt befand sich in dem Gebäude in
der Mühlgasse 6 ein Schulraum im Erdgeschoss sowie der Betsaal im oberen Stock.
Zu den damals im Betsaal noch vorhandenen Gegenständen gibt das
Fahrnisverzeichnis Auskunft: ein Leuchter, drei Messingleuchter, eine große
Petroleumlampe, ein Samtvorhang, eine Samtdecke, vier verschiedene Decken, ein
Plüschvorhang, zwei Vorhänge, ein Ofen, 13 Synagogenbänke mit Pulten. Nach
Anweisung von Bezirksrabbiner Löwenstein gehörten die gleichfalls noch
vorhandene Heilige Lade (Toraschrein) und das Vorbeterpult nicht zum
Synagogengebäude und durften deshalb bei der geplanten Versteigerung nicht
verkauft werden. Mit der Versteigerung am 10. Februar 1914 wurden das Bürgermeisteramt
Hochhausen und der stellvertretende Bezirksältesten des Rabbinatsbezirkes
Mosbach Leopold Blum beauftragt. Das Gebäude wurde am 10. Februar 1914 an
Gottlob Pfänder für 2.010 Mark verkauft und zu einem Wohnhaus umgebaut. Es ist
bis heute auf dem Grundstück Mühlgasse 6 erhalten und dient (nach einem
neuerlichen Umbau 2004) weiterhin als Wohnhaus.
Fotos
Historische Fotos:
Historische Fotos sind nicht bekannt,
eventuelle Hinweise bitte an den
Webmaster von Alemannia Judaica: Adresse siehe Eingangsseite |
Fotos nach 1945/Gegenwart:
(Fotos 2004: Hahn, Aufnahmedatum 11.5.2004)
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Die ehemalige Synagoge in
Hochhausen
vor dem Umbau des Dachgeschosses 2004
(Foto: W. Schumacher, Frühjahr 2002) |
Teilansichten der
ehemalige Synagoge während den 2004
vorgenommenen Umbaumaßnahmen (Ausbau
des Dachgeschosses) |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 205 (nur knappe Angaben). |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
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