Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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zu den Synagogen in Baden-Württemberg  

 
Heidelberg (Baden-Württemberg) 
Jüdische Geschichte   /   Betsäle / Synagogen nach 1945
Aktuelle Berichte siehe die Website http://www.jkg-heidelberg.org 

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde nach 1945 und ihrer Synagogen    
bulletTexte zur Geschichte der Nachkriegsgemeinde       
bulletFotos  
bulletEinzelne Presseberichte    
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde nach 1945 und ihrer Synagogen       
    
1945 wurde in Heidelberg eine jüdische Gemeinde wiederbegründet, deren Mitglieder in Heidelberg und den umliegenden Orten leben (Zahl der Mitglieder: 1946/47: 300; 1958/1980: ca. 100; 2004: ca. 500). 
    
Von der US-Armee wurde kurz nach Kriegsende für die (vor allem aus Displaced Persons und US-Amerikanern, aber auch aus einigen Überlebenden der alten Gemeinde bestehende) neu gegründete Gemeinde eine Synagoge (Betsaal) in der Klingenteichstraße 4 eingerichtet. Am 1. September 1946 war die Einweihung der Synagoge beziehungsweise des jüdischen Gemeindezentrums. 
 
Im März 1958 wurde ein Betsaal in der Villa Julius in der Häusserstraße 10-12 eröffnet; in der oberen Etage dieses Gebäudes befand sich schon seit 1950 ein jüdisches Altersheim. Der Betsaal in der Villa Julius bestand bis 1976. Im Dezember 1977 erfolgte der Abriss der Villa Julius im Blick auf den hier geplanten, aber dann doch zunächst nicht verwirklichten Neubau einer Synagoge. Vorübergehend wurde 1976 ein Betsaal der Gemeinde in einer ehemaligen Backstube in der Rohrbacher Straße 18 (Hinterhaus) eingerichtet. Am 14. Juni 1986 wurde ein Betsaal im "Darmstädter Hofzentrum" Sophienstraße 9 eingeweiht.      
    
Eine neue Synagoge – verbunden mit den Einrichtungen eines Gemeindezentrums (der "Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg") wurde 1992-1994 in der Weststadt auf dem Gelände Häusserstraße 10-12 (Grundstück der früheren Villa Julius) erbaut. Die Grundsteinlegung war am 19. Juni 1992. Die feierliche Einweihung des nach Plänen des Frankfurter Architekten Alfred Jacoby erbauten Zentrums fand am 9. Januar 1994 statt. 
     
Im Dezember 2011 konnte mit einem Festakt das 65-jährige Jubiläum der Neugründung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg gefeiert werden (vgl. Artikel in der Rhein-Neckar-Zeitung vom 13.12.2011). 
2014 wurde das 20-jährige Bestehen der neuen Synagoge in der Weststadt gefeiert (vergleiche Presseartikel vom August 2014 unten), im Dezember 2016 das 70-jährige Jubiläum der Neugründung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg. Im Januar 2019 das 25-jährige Bestehen der Synagoge in der Weststadt (vergleiche Presseartikel vom Januar 2019 unten).     
     
Aktuelle Informationen über die Website der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg:  http://www.jkg-heidelberg.org
   
   
   
Texte zur Geschichte der Nachkriegsgemeinde 
 
Die Situation im Sommer 1946  

Heidelberg Aufbau 06091946.jpg (160404 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Aufbau" vom 6. September 1946: "Brief aus Heidelberg  ... und bei dieser Gelegenheit will ich nicht verfehlen, Ihnen mitzuteilen, dass es ein paar überlebenden Männern und Frauen vergönnt war, in das unzerstörte Heidelberg zurückzukehren. Nach und nach fanden sich auch ein paar unserer Brüder und Schwestern aus anderen ausgebombten Städten sowie aus anderen Ländern hier ein. Heute zählt die Jüdische Kultusgemeinde Heidelberg rund 250 Köpfe. Die Stadt hat uns ein sehr schönes Haus zur Verfügung gestellt, in welchem wir die Synagoge sowie Gesellschafts- und Aufenthaltsräume, Küche usw. unterbringen konnten. Der Bau und die Einrichtung sind inzwischen so weit gediehen, dass wir in aller Kürze an die Einweihung des Hauses denken können... Was uns noch fehlt und nicht möglich war, bis heute zu beschaffen, da die meisten Fabriken im russisch besetzten Gebiet liegen, sind Vorhänge, Gardinen, Teppiche und Läufer.
Es darf hier nicht unerwähnt bleiben, dass wir in größeren Zeitabständen durch den American Joint kleinere Lebensmittelzuwendungen und Geldbeträge zur Linderung der größten Not erhalten. Im übrigen leben wir mit unseren Lebensmittelkarten nicht besser und nicht schlechter als jeder andere Deutsche, wie überhaupt bis heute jede Wiedergutmachung auf sich warten lässt. Gewiss genießen einzelne unserer Brüder und Schwestern kleine Vorteile, welche aber bei weitem nicht als Wiedergutmachung oder auch nur das kleinste Äquivalent für all das Erlittene, Verlorene und Gestohlene anzusehen ist. 
Dass die Not in Deutschland groß ist, wissen Sie selbst aus Presse- und Radioberichten, und es bangt uns heut schon vor dem kommenden Winter, der wahrscheinlich die härtesten Anforderungen an uns stellen wird. Abgesehen von der Knappheit an Lebensmitteln, werden keine Kohlen zum Heizen zur Verfügung gestellt, auch nicht für Juden. Wir können und wollen nicht alle die Flucht in die Emigration ergreifen, zumal es für Ältere nicht so einfach sein dürfte und sie infolge der Ausplünderung durch die Hitler-Regierung über keinerlei Geldmittel mehr verfügen. Wir Überlebenden haben die zwölf Jahre Leiden und einige sogar mehrere Jahre KZ-Lager überstanden und werden mit Gottes Hilfe auch mutig auf unserem wieder eingenommenen Platze ausharren, wenn überhaupt auf die Dauer ein Verbleib für Juden hier möglich ist. Arthur Fuld. Jüdische Kultusgemeinde, Häusserstraße 34, Heidelberg (17a)."  

  
Einweihung der Synagoge und des Gemeindehauses am 1. September 1946  

Heidelberg 1946.jpg (110797 Byte)Presseartikel vom September 1946 (Zeitschrift "Aufbau"?):  "Einweihung der Synagoge und des Gemeindehauses der jüdischen Kulturgemeinde Heidelberg am 1. September 1946. In der schönen alten Universitätsstadt Heidelberg, die als eine der wenigen Städte Deutschlands vom Bombenkrieg verschont geblieben ist, konnte am 1. September 1946 das jüdische Gemeindehaus und die Synagoge eingeweiht werden. Würdig, bescheiden und doch eindrucksvoll hat der Architekt, Herr Reich, der 2. Vorsitzende der Gemeinde Heidelberg, in mühevollster Arbeit zusammen mit Herrn Fuld, dem Vorsitzenden der Gemeinde Heidelberg, diese große und herrliche Arbeit übernommen. Mehr als 300 Gäste füllten die Synagoge. Eine dezente Musik leitete die Feier ein, die mit Begrüßungsansprachen des Vertreters der Stadtverwaltung, Herrn Direktor Stetter und des Gemeindevorsitzenden Herrn Fuld, eröffnet wurde. Dann sprach Herr Dr. Auerbach im Gedenken an unsere Toten und darüber, was die Schwesternreligionen versäumt und übersehen haben und von der Hoffnung auf neues jüdisches Leben, welches aus der Tatsache des Neubaues der Synagoge gehofft werden darf. Der Vertreter des Joints, Herr Philipp Stuchen, brachte in englischer Sprache die Grüße der kanadischen und amerikanischen Judenheit. Er lobte die Aktivitäten der Heidelberger Gemeinde, das schöne Zusammenarbeiten aller jüdischen Kreise und mit bewegten Worten nahm Chaplain Hermann Dicker, der Feldgeistliche der 3. Armee, die Einweihung vor. Die Selections des Cantors S. Gisser verschönte die Feier und machte auf alle Anwesenden einen tiefen Eindruck. Ein neues Gotteshaus ist entstanden. Möge es zum Wohl der Allgemeinheit als Treffpunkt eines neuen geistigen Lebens bestehen."  

   
   
   
Fotos  
(Quelle der SW-Fotos: Barbara Löslein, Geschichte der Heidelberger Synagogen s.Lit. im Anhang)  

Synagoge in der Klingenteichstraße 4 
seit September 1946  

Heidelberg Synagoge 116.jpg (72249 Byte) Heidelberg Synagoge 117.jpg (64005 Byte)
Außenansicht 
von der Klingenteichstraße  
Innenansicht: 
Blick zum Toraschrein  
      

Villa Julius in der Häußerstraße, 
Betsaal 1958-1976  

Heidelberg Synagoge 110.jpg (61786 Byte)  
     
     

Betsaal in der Rohrbacher Straße 18, 
1976-1986

Heidelberg Synagoge 230.jpg (67080 Byte)  
     
     
Betsaal in der Sophienstraße 9,
1986-1994 
  Heidelberg Synagoge 231.jpg (75042 Byte)   
      
        
Das 1992-1994 erbaute neue jüdische Gemeindezentrum 
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum der Außenaufnahmen 25.6.2004, 
der Innenaufnahmen: 29.3.2009)  
 
Heidelberg Synagoge n102.jpg (43281 Byte) Heidelberg Synagoge n100.jpg (43455 Byte) Heidelberg Synagoge n101.jpg (47241 Byte)
   Im Bereich des Toraschreines sind außen die ersten zehn Buchstaben des hebräischen
 Alphabetes für die Zehn Gebote zu sehen (je fünf auf zwei "Gebotstafeln") 
Das Foto in der Mitte auch in höherer Auflösung.   
   
Heidelberg Synagoge 209100.jpg (79092 Byte) Heidelberg Synagoge 209102.jpg (84690 Byte) Heidelberg Synagoge 209111.jpg (112176 Byte)
 Blick zum Toraschrein    Lesepult (Schulchan) vor dem Toraschrein mit schöner Schulchandecke  
     
Heidelberg Synagoge 209110.jpg (87082 Byte) Heidelberg Synagoge 209105.jpg (66441 Byte) Heidelberg Synagoge 209104a.jpg (63613 Byte)
Blick von der 
Frauenempore  
Die Glasfenster 
der Synagoge  
Text auf dem Fenster: 2. Tag der
 Schöpfungsgeschichte aus 1. Mose 
Die eindrucksvollen blauen Glasfenster im Gebetssaal der Synagoge stammen von dem englischen Künstler Brian Clarke, der mit seiner Glasmalerei internationale Bekanntheit erlangte. Vier der acht Fenster sind mit hebräischen Inschriften aus dem Buch Mose verziert.
     
Heidelberg Synagoge 209106.jpg (43807 Byte) Heidelberg Synagoge 209104.jpg (63896 Byte) Heidelberg Synagoge 209107.jpg (70485 Byte)
 Links Misrach-Tafel (Markierung der Gebetsrichtung), 
rechts moderne Menorah (siebenarmiger Leuchter) 
  Der Leuchter über dem Betsaal   
  
     
Heidelberg Synagoge 209108.jpg (70964 Byte) Heidelberg Synagoge 209112.jpg (60311 Byte) Heidelberg Synagoge 209113.jpg (48953 Byte)
Sitzreihen der Männer im Betsaal  Auf der Frauenempore   
     
Heidelberg Synagoge 209129.jpg (73549 Byte) Heidelberg Synagoge 209117.jpg (57071 Byte) Heidelberg Synagoge 209119.jpg (46870 Byte)
Foyer des jüdischen 
Gemeindezentrums
Fragment eines mittelalterlichen
 Grabsteines aus Heidelberg
Lampe aus der alten Synagoge
 (Mantelgasse) in Heidelberg
     
Heidelberg Synagoge 209120.jpg (91746 Byte) Heidelberg Synagoge 209121.jpg (74444 Byte) Heidelberg Synagoge 209125.jpg (67565 Byte)
Stammbaum der Familie Oppenheimer aus Michelfeld  Chanukka-Leuchter
     
Heidelberg Synagoge 209124.jpg (67785 Byte) Heidelberg Synagoge 209122.jpg (66386 Byte) Heidelberg Synagoge 209127.jpg (65259 Byte)
Vitrinen mit rituellen Gegenständen und weiteren Erinnerungsstücken  Toraschrein, vielleicht aus dem 
orthodoxen Betsaal "In der Plöck"
   
     
      
Die Mikwe der 
jüdischen Gemeinde 
Heidelberg Synagoge 209131.jpg (81551 Byte)  
     

    
    
 
Einzelne Presseberichte        

August 2014: 20 Jahre Synagoge in der Weststadt    
Artikel von Marion Gottlob in der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom 11. August 2014: "In der Synagoge wird gemeinsam gebetet, gelebt und gegessen. Die jüdische Kultusgemeinde ist seit 20 Jahren in der Weststadt - Für viele Heidelberger Juden ist der Ort ein Zuhause geworden 
Das Gebäude hat eine ovale Form und damit eine wunderbare Eleganz: Vor 20 Jahren hat die jüdische Kultusgemeinde ihr neues Zentrum in der Weststadt bezogen. Die geschwungene Form, die der Architekt Alfred Jacoby erschaffen hat, wirkt noch heute so modern, als wäre das Haus gerade eben fertig gestellt worden. Damals waren so viele Menschen aus dem Osten nach Heidelberg gekommen, dass sich die Zahl der Mitglieder der jüdischen Gemeinde fast verzehnfacht hatte. Die jüdische Kultusgemeinde mit heute knapp 500 Mitgliedern ist für viele ein geistig-seelisches Zuhause geworden. Die Menschen kommen nicht nur zu den Gottesdiensten, sie besuchen auch die kulturellen Angebote. Rabbiner Janusz Pawelczyk-Kissin sagt: 'Gäste sind gerne willkommen.' Das Haus lebt vom Ehrenamt mit dem Vorstand unter Vorsitz von Dr. Vadim Galperin. Olga Taraschanska ist die stellvertretende Vorsitzende: 'Wenn abends das Telefon läutet, dann weiß mein Mann, dass jemand von der Gemeinde einen Rat wünscht.' Mit den vier Vorstandskollegen ist sie viele Stunden pro Woche im Gemeindezentrum für andere Menschen da: 'Wenn ich helfen kann, macht mir das Freude.' Da gibt es die vielen Angebote für Kinder, für die Halina Dohayman zuständig ist: 'Elternfreie Zone' steht auf dem Raum für Jugendliche. Sie haben gerade die Proben für das berühmte Musical 'Anatevka' nach dem jiddischen Roman von Scholem Alejchem begonnen. Jeden Sonntag (außer in den Ferien) gibt es das Kinder-Programm 'Simcha', was auf Hebräisch 'Freude' bedeutet, also Tanz und Spiel. Dazu kommen bis zu 50 Kinder. 
Es gibt einen Chor für Kinder und - sehr begehrt - einen Schach-Club. Samstags bietet 'Simcha' parallel zum langen Schabbat-Gottesdienst Kinderbetreuung für die Kleinsten an. 
Der geistige Mittelpunkt der Gemeinde ist sicher der Gottesdienst in der Synagoge mit Rabbiner Pawelczyk-Kissin. Es gilt der deutsch-aschkenasische Ritus. Dieser Ritus mit der süddeutschen Aussprache des Hebräischen wird in Deutschland heutzutage selten praktiziert. 'Der Ritus war vor dem Krieg in Heidelberg üblich', so der Rabbiner, 'wir knüpfen an diese Tradition an.' Männer und Frauen sitzen getrennt, der Gottesdienst dauert drei Stunden, manchmal auch länger. Anschließend treffen sich die Menschen jeden Sonntag zum Essen, oft mehr als 100 Gäste. In der Küche wird frisch und koscher gekocht, ohne Milchprodukte. Sogar das (gekaufte) Eis für Kinder ist ohne Milch. Gerade dieses gemeinsame Beten und Essen stärkt den Sinn für Gemeinschaft, der in der heutigen Zeit sonst so häufig vermisst wird.
Außerdem hat das Zentrum Angebote für ältere Erwachsene: Es gibt Dolmetscher, die Einwanderern helfen, dazu Deutsch-Kurse für Erwachsene aus der Ukraine, aus Russland oder aus Israel. Beliebt sind die regelmäßigen Treffen zu religiösen Fragen: Da wird über die Unterschiede und Spannungen zwischen Wissenschaft und Religion gesprochen, aber auch darüber, wie man die 613 Gebote des Judentums befolgen kann. Verwiesen sei hier auf die blauen Glasfenster der Synagoge und auf das Mosaik auf dem Toraschrein, auf dem der britische Künstler Brian Clark die zehn Gebote wie auch Gesetzestafeln dargestellt hat.
Die jüdischen Mitmenschen in Heidelberg fühlen sich also eigentlich richtig wohl. Aber eine große Sorge, ganz aktuell, gibt es doch: Dass in der Folge der gewalttätigen Konflikte im Nahen Osten in Deutschland und auch in Heidelberg antisemitische Gedanken geäußert werden. So hat eine psychisch gestörte Frau vor einiger Zeit einen kleinen Baum bei der Synagoge umgeknickt. 'Was sollen wir tun?', fragt Rabbiner Pawelczyk-Kissin besorgt. Er tut mehr, als ihm vielleicht bewusst ist: So beteiligt sich die jüdische Kultusgemeinde an der Verständigung mit anderen Religionen. Es gab Besuche und Gegenbesuche mit der muslimischen Gemeinde von Heidelberg, und es gibt einen regelmäßigen Austausch mit den christlichen Gemeinden. 
Am 14. September beteiligt man sich am 'Europäischen Tag der jüdischen Kultur'. Rabbiner Pawelczyk-Kissin und auch Olga Taraschanska sagen es immer wieder: 'Die Gemeinde ist für uns ein Zuhause.' Der Mut zu dieser Offenheit gehört dazu."  
Link zum Artikel      
 
November 2016: "Stolperstein-Wand" in der Synagoge
Artikel von Arndt Krödel in der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom November 2016: "Heidelberger Synagoge präsentiert 'Stolpersteinwand'
Das Mahnmal soll die 'Verbindung zu unserer alten Gemeinde' erhalten.
Heidelberg.
Es kann einem immer noch passieren, dass man beim Gang durch Heidelbergs Straßen vor einem Haus unvermutet auf sie trifft: in das Trottoir eingelassene 'Stolpersteine', die auf ihrer Messingoberfläche die Namen von jüdischen Mitbürgern tragen, die früher hier lebten und in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, vertrieben, ermordet oder deportiert wurden. Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat die würfelförmigen Steine seit 1996 als permanente Erinnerung an die Opfer persönlich verlegt, inzwischen bereits in sieben Aktionen. Eine völlig neue Sicht auf die Stolpersteine und damit auch eine neue Form der Erinnerung eröffnet jetzt ein von der Heidelberger Künstlerin Vera Bonsen geschaffenes Mahnmal, das im Foyer der Jüdischen Synagoge in der Weststadt installiert und in einer Feierstunde der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die 'Stolpersteinwand', 1,30 Meter breit und 2,60 Meter hoch, enthält die Fotografien von 150 in Heidelberg verlegten Gedenksteinen, dicht neben- und untereinander angeordnet und von einem metallenen Rahmen umfasst. Dass es sehr viel mehr jüdische Opfer gegeben hat, versinnbildlicht eine am Boden des vertikalen Frieses angebrachte kleine Spiegelfläche, auf der sich die Namenszeugnisse ins Unendliche vervielfältigen. Die Künstlerin hat die Oberfläche der Steine geputzt, einzeln abfotografiert, die Aufnahmen auf Platten aufgezogen und zu einem Fries montiert. Dieser schimmert eindrücklich in gelben, rötlichen, braunen und grauen Farben und enthält in der Mitte neben einer stilisierten Kerze vier größere Tafeln, die in Hebräisch, Russisch, Deutsch und Englisch eine Erklärung der Installation geben. Vera Bonsen, die nach zahlreichen Engagements als Bühnen- und Kostümbildnerin an europäischen Theatern heute als freischaffende Künstlerin in Heidelberg lebt, hat das Demnigsche Konzept der Stolpersteine gewissermaßen transformiert und von der Horizontalen in die Vertikale gebracht: Geht man als Passant vielleicht eher achtlos über die Steine, steht man jetzt direkt vor der konzentrierten Zahl der Namen, liest etwas über das Schicksal der dahinterstehenden Menschen, überwiegend jüdische Mitbürger, aber auch Zeugen Jehovas, Homosexuelle, Widerstandskämpfer und russische Zwangsarbeiter aus der Fuchs'schen Waggonfabrik. Die Vorgeschichte des Mahnmals erwähnte Dr. Vadim Galperin, Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg, in seiner Begrüßungsansprache. Ein Mitglied der Gemeinde hatte im 'Kunst-Schaufenster' eines Copy Shops in der Weststadt eine erste, einfache Version der Stolpersteinwand gesehen, die Vera Bonsen mit Fotokopien, die auf Pappe geklebt waren, entwickelt hatte. Dadurch kam der Kontakt zur Künstlerin zustande. Für Rabbiner Janusz Pawelczyk-Kissin ist mit der Gedächtnis-Wand 'die Verbindung zu unserer alten Gemeinde, unseren Vorgängern, hergestellt'. Dass die Gemeinde anfangs von der Idee der Stolpersteine nicht begeistert war, sei 'kein Geheimnis'. Er selbst habe sich aber allmählich zu einem Freund dieses Konzepts entwickelt, das mit dem Objekt der Künstlerin eine Ergänzung erhalten habe. Nach den Worten der Heidelberger Museumspädagogin Angelika Dirscherl soll die Wand in konzentrierter Form an all die Menschen erinnern, die unter furchtbaren Umständen aus ihrem Leben, ihrer Heimat herausgerissen wurden. Vera Bonsen habe 'ein aussagekräftiges und gleichzeitig zurückhaltendes Mahnmal gestaltet, das vielleicht gerade deshalb so berührend ist, uns nachdenken lässt über die Menschen, die einmal unter uns lebten, liebten, arbeiteten, zu uns gehörten'. Musikalisch eindrucksvoll umrahmt wurde die Feierstunde von Wladimir Rivkin mit drei Stücken auf seiner Violine, deren Klang in die wunderbare Architektur der Synagoge aufstieg."   
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Januar 2019: 25 Jahre Synagoge in der Weststadt  
Artikel von Sebastian Riemer in der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom 17. Januar 2019: "25 Jahre Synagoge in der Weststadt. Als die Juden Heidelbergs wieder ein Zuhause fanden. Doch es warteten gleich neue Herausforderungen.
Heidelberg. Es ist ein Donnerstag vor 25 Jahren, als eine Gruppe Menschen feierlich und gut gelaunt durch die Stadt zieht. Sie singen 'Hava Nagila' und wechseln sich mit dem Tragen der vier Tora-Rollen ab. Nur 700 Meter sind es, vom Darmstädter Hof-Centrum (DHC), in dem die Jüdische Gemeinde acht Jahre lang in Büroräumen untergekommen war, bis in die große neue Synagoge mit Gemeindezentrum in der Weststadt. Diese Prozession am 6. Januar 1994 hatte riesige Symbolkraft: Knapp ein halbes Jahrhundert nach dem Holocaust gab es für die Heidelberger Juden endlich wieder ein richtiges Zuhause - und ein repräsentatives noch dazu. Mit dem Einzug in den eindrucksvollen Rundbau von Alfred Jacoby war die Zeit der räumlichen Provisorien ein für alle Mal zu Ende. Die kleinen Räume im DHC waren schon lange viel zu klein geworden, seitdem mit dem Systemumbruch im Osten Europas Zehntausende Juden aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland einwanderten. Zwischen 1989 und 1997 hatte sich die Zahl der Gemeindemitglieder in Heidelberg von 190 auf 360 fast verdoppelt. Doch mit dem Einzug in das neue Zuhause stand die größte Herausforderung erst bevor: 'Die Gemeinde war damals sehr beschäftigt mit der Riesenaufgabe der Integration der Einwanderer', sagt Janusz Pawelczyk-Kissin, der seit 2008 Rabbiner ist, aber schon ab 1990 in der Gemeinde aktiv war. 'Es kamen in kurzer Zeit mehr Menschen dazu, als wir Mitglieder hatten.' Viele der Neuen waren von der jüdischen Tradition, wie sie die 'Alteingesessenen' lebten, weit entfernt. 'Sie konnten ihren Glauben ja in der Sowjetunion nicht praktizieren.' Dennoch brachten viele bestimmte Ideen mit vom Judentum - konservativere Ideen, als es sie damals in Heidelberg gab. Die verschiedenen Ansichten äußerten sich im 'Sitzstreit'. Noch am Tag des Einzugs erklärte der damalige Gemeindevorsitzende, Abraham de Wolf, dass man zwar eine Frauentribüne gebaut habe, die Frauen dem Tora-Schrank aber genauso nah sein dürften wie die Männer: 'Frauen sitzen unten rechts und oben links, Männer unten links und oben rechts.' Diese Meinung teilten nicht alle Gemeindemitglieder - und so kam es zu einer recht skurrilen Praxis: Einmal durften die 'Liberalen' in die Synagoge, während die 'Traditionellen' in einem Nebenraum ihren Gottesdienst feierten - dann wurde getauscht. Doch bald setzten sich die orthodoxeren Vorstellungen durch, das Wechsel-Spiel endete - und nach einem Jahr saßen die Frauen in der Synagoge konsequent oben. Manche Mitglieder, denen dieser Kurs nicht passte, gingen damals nach Mannheim in die Gemeinde. Wenige Jahre nach dem Einzug in die neue Synagoge waren alle fünf Vorstandsmitglieder Einwanderer aus der Ex-Sowjetunion, die Russischsprachigen machen heute weit über 80 Prozent der Gemeindemitglieder aus. Für Rabbiner Pawelczyk-Kissin ist die Entwicklung zu einer orthodoxeren Ausrichtung zwar wichtig, aber nicht entscheidend für das Klima in der Gemeinde: 'Ja, wir haben eine koschere Küche, einen Gottesdienst mit alter, aschkenasischer Liturgie, und wir halten natürlich den Sabbat streng ein.' Aber als Einheitsgemeinde sei man offen: 'Jeder Jude wird bei uns aufgenommen: Wir schauen nicht nach der religiösen Praxis.' Und auch damals, Mitte der 90er Jahre, stand anderes im Fokus: 'Die Menschen brauchten Wohnungen, Arbeit, Hilfe mit den Behörden.' Einige der Einwanderer aus Russland, der Ukraine oder vom Baltikum waren deprimiert: Sie hatten gute Abschlüsse, waren Ingenieure, Ärzte, Lehrer - und doch konnten viele hier nicht in ihrem alten Beruf arbeiten. 'Eine unserer wichtigsten Aufgabe ist auch heute die Sozialarbeit, besonders bei den Älteren', sagt Pawelczyk-Kissin. Trotz aller Schwierigkeiten: Es sei beeindruckend, wie man zusammengewachsen sei. Manche würden denken, in einer orthodox geführten Gemeinde sei immer alles sehr streng. 'Aber es kommt auf die Menschen an. Bei uns herrscht einfach eine gute, lockere, freundschaftliche Atmosphäre.' Den Rabbiner freut, dass die Jüngeren heute Deutsch miteinander sprechen. Gut die Hälfte der 420 Mitglieder - vor zehn Jahren waren es noch 540 - beteiligt sich aktiv am Gemeindeleben. 'Nach dem Sabbat-Gottesdienst kommen am Samstagmittag beim Festessen meist rund 100 Menschen zusammen.' Während die Gemeinde früher eher zurückgezogen war, und damit weit unter dem Radar der meisten Heidelberger, ist sie heute viel präsenter in der Stadt. In allen Gottesdiensten gebe es auch nicht-jüdische Gäste. 'Jeder kann zu uns kommen, man muss sich nur vorher anmelden', sagt Pawelczyk-Kissin. Doch die demografische Entwicklung macht Sorgen. Sieben Kinder kamen seit 2008 zur Welt - aber 80 Menschen sind gestorben. Hält dieser Trend an, wird sich die Mitgliederzahl im Jahr 2040 halbiert haben. Manchmal gibt es erfreuliche Einzelfälle: wenn etwa jemand wegen der Arbeit in die Stadt zieht. Auch die Hochschule für Jüdische Studien lockt immer wieder Wissenschaftler und Studenten an, die dann in die Gemeinde kommen. Aber das reicht nicht, um den Trend umzukehren. 1997 war nicht einmal jedes dritte Mitglied älter als 65, heute sind es schon über die Hälfte. Was er sich für die Zukunft wünsche? Der Rabbiner muss lachen: 'Dass mehr Juden nach Heidelberg kommen.' Seine Miene verrät, dass er es ernst meint. Aber dann fällt ihm noch ein anderer Wunsch ein - ein noch wichtigerer: 'Dass Gesellschaft und Politik in Deutschland mit dem Erstarken des Antisemitismus fertig werden.'"  
Link zum Artikel  
Vgl. Artikel von Denis Schnur in der "Jüdischen Allgemeinen" vom 21. Januar 2019: "Heidelberg. 'Teil der Familie'. Vor 25 Jahren eröffnete die Gemeinde ihre neue Synagoge. Jetzt wurde mit einem großen Festakt gefeiert..."  
Link zum Artikel   
Vgl. Artikel von in der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom 21. Januar 2019: "Jüdische Gemeinde Heidelberg. 'Ein Zeichen der Annäherung - nach der schrecklichen Vergangenheit'." 
Link zum Artikel 

  
    

Links und Literatur 

Links:  

bulletWebsite der jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg   

 Literatur:  

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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 18. Mai 2020