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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Heidelberg (Baden-Württemberg)
Jüdische Geschichte / Betsäle / Synagogen nach 1945
Aktuelle Berichte siehe die Website
http://www.jkg-heidelberg.org
Übersicht:
Zur Geschichte
der jüdischen Gemeinde nach 1945 und ihrer Synagogen
1945 wurde in Heidelberg eine jüdische Gemeinde
wiederbegründet, deren Mitglieder in Heidelberg und den umliegenden Orten leben
(Zahl der Mitglieder: 1946/47: 300; 1958/1980: ca. 100; 2004: ca. 500).
Von der US-Armee wurde kurz nach Kriegsende für die (vor
allem aus Displaced Persons und US-Amerikanern, aber auch aus einigen
Überlebenden der alten Gemeinde bestehende) neu gegründete
Gemeinde eine Synagoge
(Betsaal) in der Klingenteichstraße 4 eingerichtet. Am 1. September 1946 war
die Einweihung der Synagoge beziehungsweise des jüdischen Gemeindezentrums.
Im März 1958 wurde ein Betsaal
in der Villa Julius in der Häusserstraße 10-12 eröffnet; in der oberen Etage
dieses Gebäudes befand sich schon seit 1950 ein jüdisches Altersheim. Der
Betsaal in der Villa Julius bestand bis 1976. Im Dezember 1977 erfolgte der Abriss
der Villa Julius im Blick auf den hier geplanten, aber dann doch
zunächst nicht verwirklichten Neubau einer Synagoge. Vorübergehend wurde 1976
ein Betsaal der Gemeinde in einer ehemaligen Backstube in der Rohrbacher
Straße 18 (Hinterhaus) eingerichtet. Am 14. Juni 1986 wurde ein Betsaal im "Darmstädter Hofzentrum"
Sophienstraße 9 eingeweiht.
Eine neue Synagoge
– verbunden mit den Einrichtungen eines Gemeindezentrums
(der "Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg") wurde 1992-1994 in der
Weststadt auf dem Gelände Häusserstraße 10-12 (Grundstück der früheren
Villa Julius) erbaut. Die Grundsteinlegung war am 19. Juni 1992. Die feierliche
Einweihung des nach Plänen des Frankfurter Architekten Alfred Jacoby erbauten
Zentrums fand am 9. Januar 1994 statt.
Im Dezember 2011 konnte mit einem Festakt das 65-jährige Jubiläum der
Neugründung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg gefeiert werden (vgl. Artikel
in der Rhein-Neckar-Zeitung vom 13.12.2011).
2014 wurde das 20-jährige Bestehen der neuen Synagoge in der Weststadt
gefeiert (vergleiche Presseartikel vom August 2014 unten), im Dezember 2016 das
70-jährige Jubiläum der Neugründung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg. Im
Januar 2019 das 25-jährige Bestehen der Synagoge in der Weststadt (vergleiche
Presseartikel vom Januar 2019 unten).
Aktuelle Informationen über die Website
der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg: http://www.jkg-heidelberg.org.
Texte zur Geschichte der Nachkriegsgemeinde
Die Situation im Sommer 1946
Artikel
in der Zeitschrift "Der Aufbau" vom 6. September 1946: "Brief
aus Heidelberg ... und bei dieser Gelegenheit will ich nicht
verfehlen, Ihnen mitzuteilen, dass es ein paar überlebenden Männern und
Frauen vergönnt war, in das unzerstörte Heidelberg zurückzukehren. Nach
und nach fanden sich auch ein paar unserer Brüder und Schwestern aus
anderen ausgebombten Städten sowie aus anderen Ländern hier ein. Heute
zählt die Jüdische Kultusgemeinde Heidelberg rund 250 Köpfe. Die Stadt
hat uns ein sehr schönes Haus zur Verfügung gestellt, in welchem wir die
Synagoge sowie Gesellschafts- und Aufenthaltsräume, Küche usw.
unterbringen konnten. Der Bau und die Einrichtung sind inzwischen so weit
gediehen, dass wir in aller Kürze an die Einweihung des Hauses denken
können... Was uns noch fehlt und nicht möglich war, bis heute zu
beschaffen, da die meisten Fabriken im russisch besetzten Gebiet liegen,
sind Vorhänge, Gardinen, Teppiche und Läufer.
Es darf hier nicht unerwähnt bleiben, dass wir in größeren Zeitabständen
durch den American Joint kleinere Lebensmittelzuwendungen und Geldbeträge
zur Linderung der größten Not erhalten. Im übrigen leben wir mit
unseren Lebensmittelkarten nicht besser und nicht schlechter als jeder
andere Deutsche, wie überhaupt bis heute jede Wiedergutmachung auf sich
warten lässt. Gewiss genießen einzelne unserer Brüder und Schwestern
kleine Vorteile, welche aber bei weitem nicht als Wiedergutmachung oder
auch nur das kleinste Äquivalent für all das Erlittene, Verlorene und
Gestohlene anzusehen ist.
Dass die Not in Deutschland groß ist, wissen Sie selbst aus Presse- und
Radioberichten, und es bangt uns heut schon vor dem kommenden Winter, der
wahrscheinlich die härtesten Anforderungen an uns stellen wird. Abgesehen
von der Knappheit an Lebensmitteln, werden keine Kohlen zum Heizen zur
Verfügung gestellt, auch nicht für Juden. Wir können und wollen nicht
alle die Flucht in die Emigration ergreifen, zumal es für Ältere nicht
so einfach sein dürfte und sie infolge der Ausplünderung durch die
Hitler-Regierung über keinerlei Geldmittel mehr verfügen. Wir
Überlebenden haben die zwölf Jahre Leiden und einige sogar mehrere Jahre
KZ-Lager überstanden und werden mit Gottes Hilfe auch mutig auf unserem
wieder eingenommenen Platze ausharren, wenn überhaupt auf die Dauer ein
Verbleib für Juden hier möglich ist. Arthur Fuld. Jüdische
Kultusgemeinde, Häusserstraße 34, Heidelberg (17a)." |
Einweihung der Synagoge und des Gemeindehauses am 1. September 1946
Presseartikel
vom September 1946 (Zeitschrift "Aufbau"?): "Einweihung
der Synagoge und des Gemeindehauses der jüdischen Kulturgemeinde
Heidelberg am 1. September 1946. In der schönen alten
Universitätsstadt Heidelberg, die als eine der wenigen Städte
Deutschlands vom Bombenkrieg verschont geblieben ist, konnte am 1.
September 1946 das jüdische Gemeindehaus und die Synagoge eingeweiht
werden. Würdig, bescheiden und doch eindrucksvoll hat der Architekt, Herr
Reich, der 2. Vorsitzende der Gemeinde Heidelberg, in mühevollster Arbeit
zusammen mit Herrn Fuld, dem Vorsitzenden der Gemeinde Heidelberg, diese
große und herrliche Arbeit übernommen. Mehr als 300 Gäste füllten die
Synagoge. Eine dezente Musik leitete die Feier ein, die mit
Begrüßungsansprachen des Vertreters der Stadtverwaltung, Herrn Direktor
Stetter und des Gemeindevorsitzenden Herrn Fuld, eröffnet wurde. Dann
sprach Herr Dr. Auerbach im Gedenken an unsere Toten und darüber, was die
Schwesternreligionen versäumt und übersehen haben und von der Hoffnung
auf neues jüdisches Leben, welches aus der Tatsache des Neubaues der
Synagoge gehofft werden darf. Der Vertreter des Joints, Herr Philipp
Stuchen, brachte in englischer Sprache die Grüße der kanadischen und
amerikanischen Judenheit. Er lobte die Aktivitäten der Heidelberger
Gemeinde, das schöne Zusammenarbeiten aller jüdischen Kreise und mit
bewegten Worten nahm Chaplain Hermann Dicker, der Feldgeistliche der 3.
Armee, die Einweihung vor. Die Selections des Cantors S. Gisser
verschönte die Feier und machte auf alle Anwesenden einen tiefen Eindruck.
Ein neues Gotteshaus ist entstanden. Möge es zum Wohl der Allgemeinheit
als Treffpunkt eines neuen geistigen Lebens bestehen." |
Fotos
(Quelle der SW-Fotos: Barbara Löslein, Geschichte der
Heidelberger Synagogen s.Lit. im Anhang)
Einzelne
Presseberichte
August 2014:
20 Jahre Synagoge in der Weststadt |
Artikel von Marion Gottlob in der
"Rhein-Neckar-Zeitung" vom 11. August 2014: "In der Synagoge wird gemeinsam gebetet, gelebt und gegessen.
Die jüdische Kultusgemeinde ist seit 20 Jahren in der Weststadt - Für viele Heidelberger Juden ist der Ort ein Zuhause geworden
Das Gebäude hat eine ovale Form und damit eine wunderbare Eleganz: Vor 20 Jahren hat die jüdische Kultusgemeinde ihr neues Zentrum in der Weststadt bezogen. Die geschwungene Form, die der Architekt Alfred Jacoby erschaffen hat, wirkt noch heute so modern, als wäre das Haus gerade eben
fertig gestellt worden. Damals waren so viele Menschen aus dem Osten nach Heidelberg gekommen, dass sich die Zahl der Mitglieder der jüdischen Gemeinde fast verzehnfacht hatte.
Die jüdische Kultusgemeinde mit heute knapp 500 Mitgliedern ist für viele ein geistig-seelisches Zuhause geworden. Die Menschen kommen nicht nur zu den Gottesdiensten, sie besuchen auch die kulturellen Angebote. Rabbiner Janusz Pawelczyk-Kissin sagt:
'Gäste sind gerne willkommen.'
Das Haus lebt vom Ehrenamt mit dem Vorstand unter Vorsitz von Dr. Vadim Galperin. Olga Taraschanska ist die stellvertretende Vorsitzende:
'Wenn abends das Telefon läutet, dann weiß mein Mann, dass jemand von der Gemeinde einen Rat wünscht.' Mit den vier Vorstandskollegen ist sie viele Stunden pro Woche im Gemeindezentrum für andere Menschen da:
'Wenn ich helfen kann, macht mir das Freude.'
Da gibt es die vielen Angebote für Kinder, für die Halina Dohayman zuständig ist:
'Elternfreie Zone' steht auf dem Raum für Jugendliche. Sie haben gerade die
Proben für das berühmte Musical 'Anatevka' nach dem jiddischen Roman von Scholem Alejchem
begonnen. Jeden Sonntag (außer in den Ferien) gibt es das Kinder-Programm 'Simcha', was auf Hebräisch
'Freude' bedeutet, also Tanz und Spiel. Dazu kommen bis zu 50 Kinder.
Es gibt einen Chor für Kinder und - sehr begehrt - einen Schach-Club.
Samstags bietet 'Simcha' parallel zum langen Schabbat-Gottesdienst Kinderbetreuung für die Kleinsten an.
Der geistige Mittelpunkt der Gemeinde ist sicher der Gottesdienst in der Synagoge mit Rabbiner
Pawelczyk-Kissin. Es gilt der deutsch-aschkenasische Ritus. Dieser Ritus mit der süddeutschen Aussprache des Hebräischen wird in Deutschland heutzutage selten praktiziert.
'Der Ritus war vor dem Krieg in Heidelberg üblich', so der Rabbiner, 'wir knüpfen an diese Tradition an.' Männer und Frauen sitzen getrennt, der Gottesdienst dauert drei Stunden, manchmal auch länger.
Anschließend treffen sich die Menschen jeden Sonntag zum Essen, oft mehr als 100 Gäste. In der Küche wird frisch und koscher gekocht, ohne Milchprodukte. Sogar das (gekaufte) Eis für Kinder ist ohne Milch. Gerade dieses gemeinsame Beten und Essen stärkt den Sinn für Gemeinschaft, der in der heutigen Zeit sonst so häufig vermisst wird.
Außerdem hat das Zentrum Angebote für ältere Erwachsene: Es gibt Dolmetscher, die Einwanderern helfen, dazu Deutsch-Kurse für Erwachsene aus der Ukraine, aus Russland oder aus Israel. Beliebt sind die regelmäßigen Treffen zu religiösen Fragen: Da wird über die Unterschiede und Spannungen zwischen Wissenschaft und Religion gesprochen, aber auch darüber, wie man die 613 Gebote des Judentums befolgen kann. Verwiesen sei hier auf die blauen Glasfenster der Synagoge und auf das Mosaik auf dem Toraschrein, auf dem der britische Künstler Brian Clark die zehn Gebote wie auch Gesetzestafeln dargestellt hat.
Die jüdischen Mitmenschen in Heidelberg fühlen sich also eigentlich richtig wohl. Aber eine große Sorge, ganz aktuell, gibt es doch: Dass in der Folge der gewalttätigen Konflikte im Nahen Osten in Deutschland und auch in Heidelberg antisemitische Gedanken geäußert werden. So hat eine psychisch gestörte Frau vor einiger Zeit einen kleinen Baum bei der Synagoge umgeknickt.
'Was sollen wir tun?', fragt Rabbiner Pawelczyk-Kissin besorgt. Er tut mehr, als ihm vielleicht bewusst ist: So beteiligt sich die jüdische Kultusgemeinde an der Verständigung mit anderen Religionen. Es gab Besuche und Gegenbesuche mit der muslimischen Gemeinde von Heidelberg, und es gibt einen regelmäßigen Austausch mit den christlichen Gemeinden.
Am 14. September beteiligt man sich am 'Europäischen Tag der jüdischen Kultur'. Rabbiner Pawelczyk-Kissin und auch Olga Taraschanska sagen es immer wieder:
'Die Gemeinde ist für uns ein Zuhause.' Der Mut zu dieser Offenheit gehört dazu."
Link
zum Artikel |
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November 2016:
"Stolperstein-Wand" in der
Synagoge |
Artikel von Arndt Krödel in der
"Rhein-Neckar-Zeitung" vom November 2016: "Heidelberger Synagoge
präsentiert 'Stolpersteinwand'
Das Mahnmal soll die 'Verbindung zu unserer alten Gemeinde' erhalten.
Heidelberg. Es kann einem immer noch passieren, dass man beim Gang durch
Heidelbergs Straßen vor einem Haus unvermutet auf sie trifft: in das
Trottoir eingelassene 'Stolpersteine', die auf ihrer Messingoberfläche die
Namen von jüdischen Mitbürgern tragen, die früher hier lebten und in der
Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, vertrieben, ermordet oder deportiert
wurden. Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat die würfelförmigen Steine seit
1996 als permanente Erinnerung an die Opfer persönlich verlegt, inzwischen
bereits in sieben Aktionen. Eine völlig neue Sicht auf die Stolpersteine und
damit auch eine neue Form der Erinnerung eröffnet jetzt ein von der
Heidelberger Künstlerin Vera Bonsen geschaffenes Mahnmal, das im Foyer der
Jüdischen Synagoge in der Weststadt installiert und in einer Feierstunde der
Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die 'Stolpersteinwand', 1,30 Meter breit
und 2,60 Meter hoch, enthält die Fotografien von 150 in Heidelberg verlegten
Gedenksteinen, dicht neben- und untereinander angeordnet und von einem
metallenen Rahmen umfasst. Dass es sehr viel mehr jüdische Opfer gegeben
hat, versinnbildlicht eine am Boden des vertikalen Frieses angebrachte
kleine Spiegelfläche, auf der sich die Namenszeugnisse ins Unendliche
vervielfältigen. Die Künstlerin hat die Oberfläche der Steine geputzt,
einzeln abfotografiert, die Aufnahmen auf Platten aufgezogen und zu einem
Fries montiert. Dieser schimmert eindrücklich in gelben, rötlichen, braunen
und grauen Farben und enthält in der Mitte neben einer stilisierten Kerze
vier größere Tafeln, die in Hebräisch, Russisch, Deutsch und Englisch eine
Erklärung der Installation geben. Vera Bonsen, die nach zahlreichen
Engagements als Bühnen- und Kostümbildnerin an europäischen Theatern heute
als freischaffende Künstlerin in Heidelberg lebt, hat das Demnigsche Konzept
der Stolpersteine gewissermaßen transformiert und von der Horizontalen in
die Vertikale gebracht: Geht man als Passant vielleicht eher achtlos über
die Steine, steht man jetzt direkt vor der konzentrierten Zahl der Namen,
liest etwas über das Schicksal der dahinterstehenden Menschen, überwiegend
jüdische Mitbürger, aber auch Zeugen Jehovas, Homosexuelle,
Widerstandskämpfer und russische Zwangsarbeiter aus der Fuchs'schen
Waggonfabrik. Die Vorgeschichte des Mahnmals erwähnte Dr. Vadim Galperin,
Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg, in seiner
Begrüßungsansprache. Ein Mitglied der Gemeinde hatte im 'Kunst-Schaufenster'
eines Copy Shops in der Weststadt eine erste, einfache Version der
Stolpersteinwand gesehen, die Vera Bonsen mit Fotokopien, die auf Pappe
geklebt waren, entwickelt hatte. Dadurch kam der Kontakt zur Künstlerin
zustande. Für Rabbiner Janusz Pawelczyk-Kissin ist mit der Gedächtnis-Wand
'die Verbindung zu unserer alten Gemeinde, unseren Vorgängern, hergestellt'.
Dass die Gemeinde anfangs von der Idee der Stolpersteine nicht begeistert
war, sei 'kein Geheimnis'. Er selbst habe sich aber allmählich zu einem
Freund dieses Konzepts entwickelt, das mit dem Objekt der Künstlerin eine
Ergänzung erhalten habe. Nach den Worten der Heidelberger Museumspädagogin
Angelika Dirscherl soll die Wand in konzentrierter Form an all die Menschen
erinnern, die unter furchtbaren Umständen aus ihrem Leben, ihrer Heimat
herausgerissen wurden. Vera Bonsen habe 'ein aussagekräftiges und
gleichzeitig zurückhaltendes Mahnmal gestaltet, das vielleicht gerade
deshalb so berührend ist, uns nachdenken lässt über die Menschen, die einmal
unter uns lebten, liebten, arbeiteten, zu uns gehörten'. Musikalisch
eindrucksvoll umrahmt wurde die Feierstunde von Wladimir Rivkin mit drei
Stücken auf seiner Violine, deren Klang in die wunderbare Architektur der
Synagoge aufstieg."
Link zum Artikel |
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Januar 2019:
25 Jahre Synagoge in der
Weststadt |
Artikel von Sebastian Riemer in der
"Rhein-Neckar-Zeitung" vom 17. Januar 2019: "25 Jahre Synagoge in der
Weststadt. Als die Juden Heidelbergs wieder ein Zuhause fanden. Doch es
warteten gleich neue Herausforderungen.
Heidelberg. Es ist ein Donnerstag vor 25 Jahren, als eine Gruppe
Menschen feierlich und gut gelaunt durch die Stadt zieht. Sie singen 'Hava
Nagila' und wechseln sich mit dem Tragen der vier Tora-Rollen ab. Nur 700
Meter sind es, vom Darmstädter Hof-Centrum (DHC), in dem die Jüdische
Gemeinde acht Jahre lang in Büroräumen untergekommen war, bis in die große
neue Synagoge mit Gemeindezentrum in der Weststadt. Diese Prozession am 6.
Januar 1994 hatte riesige Symbolkraft: Knapp ein halbes Jahrhundert nach dem
Holocaust gab es für die Heidelberger Juden endlich wieder ein richtiges
Zuhause - und ein repräsentatives noch dazu. Mit dem Einzug in den
eindrucksvollen Rundbau von Alfred Jacoby war die Zeit der räumlichen
Provisorien ein für alle Mal zu Ende. Die kleinen Räume im DHC waren schon
lange viel zu klein geworden, seitdem mit dem Systemumbruch im Osten Europas
Zehntausende Juden aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion nach
Deutschland einwanderten. Zwischen 1989 und 1997 hatte sich die Zahl der
Gemeindemitglieder in Heidelberg von 190 auf 360 fast verdoppelt. Doch mit
dem Einzug in das neue Zuhause stand die größte Herausforderung erst bevor:
'Die Gemeinde war damals sehr beschäftigt mit der Riesenaufgabe der
Integration der Einwanderer', sagt Janusz Pawelczyk-Kissin, der seit 2008
Rabbiner ist, aber schon ab 1990 in der Gemeinde aktiv war. 'Es kamen in
kurzer Zeit mehr Menschen dazu, als wir Mitglieder hatten.' Viele der Neuen
waren von der jüdischen Tradition, wie sie die 'Alteingesessenen' lebten,
weit entfernt. 'Sie konnten ihren Glauben ja in der Sowjetunion nicht
praktizieren.' Dennoch brachten viele bestimmte Ideen mit vom Judentum -
konservativere Ideen, als es sie damals in Heidelberg gab. Die verschiedenen
Ansichten äußerten sich im 'Sitzstreit'. Noch am Tag des Einzugs erklärte
der damalige Gemeindevorsitzende, Abraham de Wolf, dass man zwar eine
Frauentribüne gebaut habe, die Frauen dem Tora-Schrank aber genauso nah sein
dürften wie die Männer: 'Frauen sitzen unten rechts und oben links, Männer
unten links und oben rechts.' Diese Meinung teilten nicht alle
Gemeindemitglieder - und so kam es zu einer recht skurrilen Praxis: Einmal
durften die 'Liberalen' in die Synagoge, während die 'Traditionellen' in
einem Nebenraum ihren Gottesdienst feierten - dann wurde getauscht. Doch
bald setzten sich die orthodoxeren Vorstellungen durch, das Wechsel-Spiel
endete - und nach einem Jahr saßen die Frauen in der Synagoge konsequent
oben. Manche Mitglieder, denen dieser Kurs nicht passte, gingen damals nach
Mannheim in die Gemeinde. Wenige Jahre nach dem Einzug in die neue Synagoge
waren alle fünf Vorstandsmitglieder Einwanderer aus der Ex-Sowjetunion, die
Russischsprachigen machen heute weit über 80 Prozent der Gemeindemitglieder
aus. Für Rabbiner Pawelczyk-Kissin ist die Entwicklung zu einer orthodoxeren
Ausrichtung zwar wichtig, aber nicht entscheidend für das Klima in der
Gemeinde: 'Ja, wir haben eine koschere Küche, einen Gottesdienst mit alter,
aschkenasischer Liturgie, und wir halten natürlich den Sabbat streng ein.'
Aber als Einheitsgemeinde sei man offen: 'Jeder Jude wird bei uns
aufgenommen: Wir schauen nicht nach der religiösen Praxis.' Und auch damals,
Mitte der 90er Jahre, stand anderes im Fokus: 'Die Menschen brauchten
Wohnungen, Arbeit, Hilfe mit den Behörden.' Einige der Einwanderer aus
Russland, der Ukraine oder vom Baltikum waren deprimiert: Sie hatten gute
Abschlüsse, waren Ingenieure, Ärzte, Lehrer - und doch konnten viele hier
nicht in ihrem alten Beruf arbeiten. 'Eine unserer wichtigsten Aufgabe ist
auch heute die Sozialarbeit, besonders bei den Älteren', sagt
Pawelczyk-Kissin. Trotz aller Schwierigkeiten: Es sei beeindruckend, wie man
zusammengewachsen sei. Manche würden denken, in einer orthodox geführten
Gemeinde sei immer alles sehr streng. 'Aber es kommt auf die Menschen an.
Bei uns herrscht einfach eine gute, lockere, freundschaftliche Atmosphäre.'
Den Rabbiner freut, dass die Jüngeren heute Deutsch miteinander sprechen.
Gut die Hälfte der 420 Mitglieder - vor zehn Jahren waren es noch 540 -
beteiligt sich aktiv am Gemeindeleben. 'Nach dem Sabbat-Gottesdienst kommen
am Samstagmittag beim Festessen meist rund 100 Menschen zusammen.' Während
die Gemeinde früher eher zurückgezogen war, und damit weit unter dem Radar
der meisten Heidelberger, ist sie heute viel präsenter in der Stadt. In
allen Gottesdiensten gebe es auch nicht-jüdische Gäste. 'Jeder kann zu uns
kommen, man muss sich nur vorher anmelden', sagt Pawelczyk-Kissin. Doch die
demografische Entwicklung macht Sorgen. Sieben Kinder kamen seit 2008 zur
Welt - aber 80 Menschen sind gestorben. Hält dieser Trend an, wird sich die
Mitgliederzahl im Jahr 2040 halbiert haben. Manchmal gibt es erfreuliche
Einzelfälle: wenn etwa jemand wegen der Arbeit in die Stadt zieht. Auch die
Hochschule für Jüdische Studien lockt immer wieder Wissenschaftler und
Studenten an, die dann in die Gemeinde kommen. Aber das reicht nicht, um den
Trend umzukehren. 1997 war nicht einmal jedes dritte Mitglied älter als 65,
heute sind es schon über die Hälfte. Was er sich für die Zukunft wünsche?
Der Rabbiner muss lachen: 'Dass mehr Juden nach Heidelberg kommen.' Seine
Miene verrät, dass er es ernst meint. Aber dann fällt ihm noch ein anderer
Wunsch ein - ein noch wichtigerer: 'Dass Gesellschaft und Politik in
Deutschland mit dem Erstarken des Antisemitismus fertig werden.'"
Link zum Artikel |
Vgl. Artikel von Denis Schnur in der
"Jüdischen Allgemeinen" vom 21. Januar 2019: "Heidelberg. 'Teil der
Familie'. Vor 25 Jahren eröffnete die Gemeinde ihre neue Synagoge. Jetzt
wurde mit einem großen Festakt gefeiert..."
Link zum Artikel
Vgl. Artikel von in der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom 21. Januar 2019: "Jüdische
Gemeinde Heidelberg. 'Ein Zeichen der Annäherung - nach der schrecklichen
Vergangenheit'."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
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