Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Gladenbach (Kreis Marburg-Biedenkopf)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Berichte aus dem jüdischen Gemeindeleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe  
Zur Geschichte der Synagoge    
Fotos / Darstellungen   
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   
Links und Literatur    

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)       
    
In Gladenbach bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/40. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts zurück. 1610 wird eine erste jüdische Familie in  der Stadt genannt, 1629 waren es zwei Familien, 1770 bereits 16 Familien. Zu den ältesten Familien gehörte die Familie Schlesinger, deren Vorfahren aus dem Osten (Polen) zugewandert waren. Die meisten jüdischen Familien lebten zunächst in der "Judengasse" (heutige Burgstraße). 
  
1646 erhielt ein Jude aus Gladenbach die Erlaubnis, sich in Herborn niederzulassen. 
 
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1830 104 jüdische Einwohner, 135 (13,2 % von insgesamt 1.024 Einwohnern), 1861 160 (12,9 % von 1.236), 1871 127 (11,4 % von 1.119), 1885 146 (11,4 % von 1.280), 1895 178 (12,7 % von 1.398), 1905 184 (12,0 % von 1.533). Jüdischen Familien gehörten seit Mitte des 19. Jahrhunderts mehrere, für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt wichtige Gewerbebetriebe. Noch bis in die 1930er-Jahre gab es mehrere Vieh- und Pferdehandlungen sowie Textilhandlungen. Es bestanden zwei Getreidehandlungen und eine Baumaterialienhandlung, dazu die Branntwein-Brennerei Schiff. Die jüdischen Geschäfte entstanden seit Ende des 19. Jahrhunderts an der Gießener Straße, Bahnhofstraße und Wilhelmstraße. 
  
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule (1811-1834 Israelitische Elementarschule), ein rituelles Bad und ein Friedhof (bzw. zwei Friedhöfe). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer (bis 1834 Elementarlehrer) angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet fungierte (vgl. Ausschreibungen der Stelle unten). An Lehrern sind u.a. bekannt: im 18. Jahrhundert Josef Feibelmann von 1738-1755, nach 1778 Salomon David (der seit 1781 als Rabbi für Gladenbach und Umgebung und als Beschneider tätig war); im 19./20. Jahrhundert: 1811-1823 Simon Lederer, 1823-1826 Abraham Lazarus, 1826/27 Meier Simon, nach 1827 Moses Thalheimer aus Reichenberg, nach 1834 Lehrer Krailsheimer, dann Gabriel Landauer, Lehrer Haas, Salomon Spiro, Moses Oppenheimer, 1848-1852 Isaak Schönhof aus Vöhl, 1854-1860 Abraham Grünstein, S. Levor, 1876 Emanuel Kaufmann (s.u. Anzeige von 1876), David Blumenthal, schließlich als dauerhafteste Besetzung von 1881 bis zu seiner Zurruhesetzung 1919 Isidor Rosenzweig (siehe Berichte unten, gest. 1923). Nach Rosenzweig folgten noch mehrere Lehrer (ein Lehrer Hatz kommt 1925 aus Gladenbach nach Mansbach), bis 1934 die jüdische Religionsschule Gladenbach aufgelöst wurde. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinat Gießen (siehe Ausschreibung der Lehrerstelle 1862), später zum Provinzialrabbinat Marburg (siehe Ausschreibung der Lehrerstelle 1875). 
 
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Julius Isidor (Isi) Jonas (geb. 2.7.1888 in Gladenbach, gef. 3.5.1916), Siegfried Schiff (geb. 20.3.1891 in Gladenbach, gef. 22.6.1915), Karl Hecht (geb. 1.6.1877 in Rüdenberg, gest. an der Kriegsverletzung 22.7.1919) und Jakob Hattenbach (geb. 4.10.1884 in Kassel, vor 1914 in Kassel wohnhaft, gef. 11.11.1914). Außerdem ist gefallen: Adolf Lehmann (geb. 2.1.1884 in Gladenbach, vor 1914 in Eldagsen wohnhaft, gef. 7.8.1917).   
  
Um 1924, als zur Gemeinde 121 Personen gehörten (7,5 % von insgesamt 1.616 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Hermann Jonas, Z. Levi und J. Jonas. Die Lehrerstelle war nach dem Tod von Lehrer Rosenzweig noch vakant. Der Religionsunterricht wurde vertretungsweise durch Lehrer Salomon Pfifferling aus Marburg erteilt; er hatte damals zehn jüdische Kinder aus der Gemeinde zu unterrichten. Die Schechita übernahm vertretungsweise das Gemeindemitglied Benjamin Michel. An jüdischen Vereinen bestanden der Wohltätigkeitsverein Chewra Kadischa (1924 unter Leitung von Hermann Mayer I, 1932 unter Leitung von Isack Jonas, Zweck und Arbeitsgebiet: Unterstützung Hilfsbedürftiger) und der Israelitische Frauenverein (1924 unter Leitung der Frau von Hermann Mayer I, 1932 unter Leitung von Berta Heldenmuth, Zweck und Arbeitsgebiet. Unterstützung Hilfsbedürftiger). 1932 waren die Gemeindevorsteher Hermann Jonas (1. Vors.), Liebmann Levi (2. Vors.) und Siegfried Stern (3. Vors.). Als Lehrer, Kantor und Schochet war inzwischen J. Tempelhof angestellt. Er hatte im Schuljahr 1931/32 12 schulpflichtigen jüdischen Kindern den Unterricht in Religion zu erteilen. Bis 1933 waren die jüdischen Einwohner fest im wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Leben der Stadt integriert. Noch am 12. März 1933 wurden die beiden jüdischen Bürger Max Schiff und Karl Lehr in den Gemeinderat gewählt, am 22. März 1933 jedoch durch Verordnung des Preußischen Innenministers Göring jedoch ihrer Ämter enthoben.  
  
1933 lebten noch 103 jüdische Personen in Gladenbach (5,7 % von 1.860 Einwohnern). Letzter Gemeindevorsteher war der Kaufmann Liebmann Levi. Aktionen gegen jüdische Einwohner setzten bereits 1933 durch SA-Leute ein: im Juni und Juli 1933 wurden alle "politisch verdächtigen Personen" abgeholt, darunter die jüdischen Gemeindeglieder Adolf und Felix Adler, Julius Michel, Fritz Stern, Max Schiff, Ernst Michel, Martin Löwenstein, August Schiff, Willi und Ludwig Heldenmuth, Max Jonas und Albert Strauß. Nach einigen Tagen wurden sie wieder aus der Haft entlassen, bis auf den Inhaber der Firma Adler, der noch in Wetzlar in Haft kam (vermutlich in das Lager Jäcksburg, ein provisorisches KZ). Er wurde jedoch wieder freigelassen, weil ihm keine staatsgefährdenden Handlungen nachgewiesen werden könnten. Im August 1935 kam es zu mehreren Pogromaktionen in der Stadt (vgl. Bericht unten). So wurden an einem der Tage nach einer Hetzrede des SA-Sturmbannführers L. die Fenster jüdischer Häuser eingeworfen, die Wohnung der Familie Grünstein überfallen. Der Pogrom war vermutlich inszeniert worden, da SA-Leute im Verdacht standen, heimlich Vieh an Juden zu verkaufen. Bevor dies als "Skandal" an die Öffentlichkeit dringen konnte, wurden die Aktionen initiiert. Den jüdischen Kindern war nach diesen Vorfällen der Besuch der örtlichen Schulen nicht mehr möglich. In den folgenden Wochen sind die meisten der jüdischen Gemeindeglieder aus Angst vor weiteren Pogromen weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Am 14. Oktober 1935 hatten alle jüdischen Familien die Stadt verlassen, doch kehrten bis 1937 wieder sechs Familien zurück. Am 1. Januar 1938 wurden 27 jüdische Einwohner gezählt, am 8. November 1938 noch 13 überwiegend ältere jüdische Personen. Unter denen, die emigrieren konnten, sind zwei Personen nach Argentinien, fünf nach Luxemburg, fünf in die USA; die meisten verzogen innerhalb von Deutschland, insbesondere nach Frankfurt am Main.    
Beim Novemberpogrom 1938 wurden die Fenster der Synagoge eingeworfen und in das Gebäude eingebrochen (s.u.). Im Frühjahr 1939 waren nur noch fünf jüdische Personen in Gladenbach Eheleute Heldenmuth mit Adolf Stern und seine Schwestern Minna und Johanna, die im Haus des 1938 verstorbenen Metzgers Salomon Stern in der Marktstraße lebten).  Bis Mitte 1940 hatten alle den Ort verlassen. 
      
Von den in Gladenbach geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Hedwig Abraham geb. Schiff (1874), Amalie Adler geb. Stern (1882), Felix Bauer (1897), Theo Bauer (1904), Max Berg (1880), Hilda Borngässer geb. Michel (1876), Therese Gernsheimer geb. Levi (1909), Jenny Goldberg geb. Schiff (1888), Paula Hecht geb. Krämer (1879), Berta Heldenmuth geb. Michel (1883), Willy Heldenmuth (1874), Bella Hirsch geb. Levi (1902), Jenny Hirsch geb. Stern (1880), Irmgard Italiaander geb. Hattenbach (1915), Blanka Jonas (1894), Helene Jonas (1900), Rosa Jonas (1900), Ida Kahn geb. Simon (1885), Irma Levi (1905), Liebmann Levi (1870), Liebmann Levi (1870), Bella Lindenbaum geb. Schiff (1893), Emma Löwenstein geb. Stamm-Goldschmidt (1907), Manfred Löwenstein (1935), Martin Löwenstein (1902), Paula Löwenthal geb. Lederer (1897), Thekla Mayer geb. Lehmann (1889), Gertrud Mayer geb. Bauer (1895), Hermann Mayer (1871), Siegfried Mayer (1900), Rosa Meier geb. Michel (1892), Inge Michel (1930), Isidor Michel (1892), Siegmund Michel (1885), Wolf Benjamin Michel (1862), Recha Philipp geb. Michel (1888), Tilly Rosenthal geb. Grünstein (1894), Berthold Rosenzweig (1877), Wilhelm Schiff (1875), Alfred Stamm (1883), Isidor Stamm (1882), Adolf Stern (1873), Ferdinand Stern (1878), Johanna Stern (1871), Karoline Stern geb. Stern (1845), Lina Stern (1872), Minna Stern (1864), Rosa Stern geb. Appel (1879), Sara Stern geb. Stern (1873), Selma Stern (1902), Johanna Strauss geb. Simon (1889).  
   
Nach Kriegsende kehrten nur die Überlebenden Albert Bauer und Ludwig Heldenmuth nach Gladenbach zurück. Bauer zog später nach Bad Vilbel, wo er 1977 verstarb. Heldenmuth blieb in Gladenbach, wo er 1983 verstarb.     
       
       
       
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
 
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer 
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1862 / 1984 / 1876 / 1878 sowie Ausschreibung einer Hilfsvorbeter-Auftrages 1893  

Gladenbach AZJ 20051862.jpg (57227 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. Mai 1862: "Konkurrenz-Eröffnung. Seit dem 1. April dieses Jahres ist die Stelle eines Religionslehrers und Vorbeters bei der hiesigen Religionsgemeinde vakant. Verbunden mit einem fixen Jahresgehalt von 300 Gulden, 3 Stecken Buchenscheitholz zur Heizung des Schullokals, freier Wohnung und einem Bett, bietet diese Stelle noch außerdem Gelegenheit zu einem Nebenverdienst von 60 bis 80 Gulden pro Jahr. Konkurrenzfähige Bewerber wollen sich innerhalb 6 Wochen unter Anschluss ihrer Zeugnisse portofrei an den Unterzeichneten melden. 
Gladenbach (im Großherzogtum Hessen), den 4. Mai 1862. 
Der Vorstand der israelitischen Religionsgemeinde daselbst."
 
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. November 1862: "Für einen braven, tüchtigen Religionslehrer und Vorsänger ist eine empfehlenswerte Stelle in meinem Rabbinate zu Gladenbach, dem Sitze eines Landgerichts, 3 Stunden von der Main-Weserbahn gelegen, offen mit 400 Gulden fixem Gehalt, freier Wohnung, Bett und 3 Stecken Buchen-Scheitholz zur Heizung des Schul-Lokals. Kenntnis fremder Sprachen findet da auch reichlich Gelegenheit zu Privatunterricht. Portofreie Bewerbungen nehme ich binnen 4 Wochen gern entgegen. 
Gießen
, den 2. November 1862. Dr. Levi, Großherzoglicher Rabbiner der Provinz Oberhessen."      
 
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. August 1874: "Die hiesige Lehrer- und Vorbeterstelle soll bis zum 1. Januar 1875 anderweitig besetzt werden. Fixer Gehalt 260 Thaler, freie Wohnung und Holz. Darauf Reflektierende wollen sich bei dem unterzeichneten Kultusvorstand unter Einsendung ihrer Zeugnisse melden. 
Gladenbach in Oberhessen, den 7. August 1874. Der Vorstand Simon Bauer."    
 
Gladenbach Israelit 13091876.jpg (56115 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. September 1876: "In der hiesigen Gemeinde wird bis zum 15. Oktober dieses Jahres die Stelle eines Religionslehrers und Vorbeters mit einem fixen Gehalte von 1036 Mark vakant. Meldungen unter Beifügung der Zeugnisse nimmt entgegen der Kultusvorstand. 
Gladenbach (Oberhessen), den 10. September 1876. Schiff.
Die hiesige Stelle kann ich jedem Kollegen aufs Beste empfehlen. Die Gemeinde ist in jeder Beziehung dem Lehrer sehr gewogen und stehen einem tüchtigen strebsamen Manne viele Nebenverdienste in Aussicht. Mein Einkommen belief sich pro Jahr inklusive aller Nebenverdienste auf 1.750 Mark. Für einen unverheirateten Lehrer ist eine sehr schöne Dienstwohnung vorhanden. 
Emanuel Kaufmann
, Lehrer." 
  
Gladenbach Israelit 20111878.jpg (54005 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. November 1878: "Die israelitische Gemeinde zu Gladenbach sucht einen unverheirateten Religionslehrer, der zugleich die Funktionen eines Vorbeters und Schochet übernimmt. Fixierten Gehalt 600 Mark nebst freier Wohnung und Feuerung, die Schechita trägt ferner 400 Mark ein. Reflektanten belieben ihre Bewerbungen nebst Zeugnissen baldigst einzusenden an 
Dr. Munk,
Provinzialrabbiner. Marburg, im November 1878."
 
Gladenbach Israelit 28081893.jpg (38659 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. August 1893: "Die israelitische Gemeinde Gladenbach sucht für bevorstehenden Jom Kippur einen Hilfschasan, welcher Schacharit (Morgengebet) und Mincha (Mittagsgebet) vorzubeten hat. Diejenigen, welche ein schönes Organ haben, wollen sich unter Angabe ihrer Ansprüche an den I. Vorsteher Jonas wenden."

       
Gerichtsprozess in antisemitischen Zeiten gegen Handelsmann Simon Gerson (1889)  

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom  21. März 1889:  "Marburg, 10. März (1889). Ist der Name 'Böckel' ein Schimpfwort oder nicht? Diese Frage fand der 'Oberhessischen Zeitung' zufolge in einer vor einigen Tagen vor der Strafkammer verhandelten Beleidigungsklage ihre Antwort in bejahendem Sinne. Der Klage lag folgender Sachverhalt zu Grunde. Am 27. August vorigen Jahres kam der Handelsmann Simon Gerson aus Gladenbach mit einem Rind auf den Johann Schmidt'schen Hof in Weitershausen und antwortete auf die von letzterem an ihn gerichtete Frage, was er mit dem Rind wollte: 'Das will ich Dir Böckel verkaufen.' Nach dem Verlassen des Hofes äußerte Gerson dann noch zu einem anderen Manne, der ihn vor dem als Antisemitenanführer in Weitershausen bekannten Müllers Hann (der Ortsname des Schmidt) warnte: 'den habe ich vorhin selbst Böckler genannt, dem fehlen nur noch ein paar Hörner am Kopfe.'  Schmidt strengte in Folge dieser Äußerungen einen Beleidigungsprozess gegen Gerson an und hatte die Genugtuung, dass letzterer von dem Amtsgerichte Gladenbach zu einer dreitägigen Haftstrafe verurteilt wurde. In der Begründung dieses Urteiles wurde ausgeführt, 'dass der von dem Angeklagten dem Privatkläger gegenüber gebraucht Ausdruck Böckel eine Beleidigung enthielt, weil Privatkläger dadurch dem Träger dieses Namens, Dr. Otto Böckel in Marburg gleichgestellt werden, der es sich, wie allgemein bekannt sei, zur Aufgabe gemacht habe, Hass und Verachtung gegen die Juden zu erregen und deshalb von den Juden - Angeklagter sein Israelit - auf das Tiefste gehasst werde. - Auch in der zweiten Äußerung des Angeklagten habe das Gericht eine Beleidigung erblickt, weil die Äußerung den Sinn hatte, dass Privatkläger ein dummer beschränkter Mann sei. Mit Rücksicht auf die schwere Ehrenkränkung sei Angeklagter mit Haft zu bestrafen.'  Auf die von letzterem eingelegte Berufung erging heute das zweitinstanzierte Urteil der Strafkammer dahin, dass das erste Urteil der Erregung, in welcher sich die Juden in Folge der heutigen antisemitischen Agitation befinden, nicht Rechnung getragen habe und werde dieselbe die dreitägige Haftstraße in eine Geldstrafe von 9 Mark umgewandelt."            


25. Dienstjubiläum von Lehrer und Kantor Isidor Rosenzweig (1909) 

Gladenbach Israelit 14011909.jpg (88746 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Januar 1909: "Gladenbach (bei Marburg), 2. Januar (1909). Herr Lehrer und Kantor Rosenzweig dahier hatte heute sein 25. Dienstjahr vollendet. Das zu Ehren des Jubilars veranstaltete Fest war ein äußerst gelungenes. Der Festgottesdienst am Schabbat nahm einen feierlichen Verlauf. Nachdem der Vorstand in einer kurzen Ansprache die erfolgreiche Tätigkeit des Jubilars lobend hervorgehoben hatte, bestieg letzterer die Kanzel und sprach zunächst der Gemeinde für das ihm allezeit entgegengebrachte Vertrauen seinen wärmsten Dank aus, um dann in eindrucksvoller Predigt an Hand vieler Bibel- und Talmudsprüche einen Rückblick auf seine 25jährige Wirksamkeit zu geben. Am Abend fand die Feier ihre Fortsetzung in einer geselligen Zusammenkunft, die eingeleitet durch eine Anrede des ältesten Sohnes des Lehrers einen animierten Verlauf nahm."

 
Zum Tod von Lehrer Isidor Rosenzweig (1923) 

Gladenbach Israelit 17091923.jpg (146477 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. September 1923: "Gladenbach (bei Marburg), 3. September 1923. Schon wieder ist der Besten einer aus unserem Stande dahingegangen. Lehrer Rosenzweig in Gladenbach bei Marburg wurde am Schabbat Ki Tawo (= Schabbat mit der Toralesung Ki Tawo, d.i. 5. Mose 26,1 - 29,8, das war am Schabbat, 1. September 1923), als er im Begriff war, sich zum Freitagabend-Gottesdienst zu begeben, durch einen raschen, sanften Tod im gesegneten Alter von 76 Jahren seiner Familie, seiner Gemeinde entrissen. 53 Jahre hatte er sich seinem Berufe gewidmet, darunter 40 Jahre in Gladenbach. Ein bleibendes Denkmal hat er sich in seiner Gemeinde dadurch gesetzt. dass er den Umbau der alten Synagoge zu einem prächtigen Gotteshause bewerkstelligte, dessen Kosten durch ihn in mühevoller Werbearbeit aufgebracht wurden. Mehrere Generationen saßen zu seinen Füßen, wurden durch ihn in der Gotteslehre unterwiesen. Ein gottbegnadeter Sänger - Schüler des von ihm begeistert verehrten Altmeisters Sulzer - hat er durch seinen würdevollen, formvollendeten Vortrag seine Gemeinde zur Andacht gestimmt. In seinen von tiefstem Verständnis der talmudischen Wissenschaft zeugenden Lehrvorträgen zeigte er sich als ein Meister des Wortes. Den Armen war er ein Helfer, den Trauernden ein Tröster, den Witwen und Waisen ein Annehmer. Ein großes Leichenbegängnis zeugte von seiner Beliebtheit und Wertschätzung, die er in allen Kreisen der Bevölkerung genoss. An der Bahre sprachen Herr Provinzialrabbiner Dr. Cohn, Marburg, dann Herr Lehrer Isaak, Limburg - der Schwiegersohn des Verstorbenen - im Namen der Familie und Herr Dr. med. Artur Grünstein für die ehemaligen Schüler ergreifende Worte der Dankbarkeit und Liebe. So lange es eine jüdische Gemeinde Gladenbach gibt, so lange wird der Name Lehrer Rosenzweig unvergessen bleiben. Das Andenken an den Gerechten ist zum Segen."  

   
Zum Tod von Rosa Rosenzweig, Witwe von Lehrer Isidor Rosenzweig (1934)      

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Februar 1934: "Gladenbach, 29. Januar (1934). Am Samstag, den 20. Januar verschied Frau Rosa Rosenzweig in Limburg, wohin sie vor einem Jahr zu ihren Kindern übersiedelt war, nach kurzem Krankenlager in ihrem 75. Lebensjahre. Sie war die Gattin des vor zehn Jahren zur ewigen Ruhe heimgegangenen Lehrers und Kantors J. Rosenzweig, dessen 40-jährige Wirksamkeit in unserer Gemeinde heute noch unvergessen ist. Auf ihren Wunsch wurden ihre sterblichen Überreste in der Heimaterde an der Seite ihres Gatten zur letzten Ruhe bestattet. Herr Provinzialrabbiner Dr. Cohn, Marburg, widmete der Verstorbenen einen Nachruf, in dem die Vorzüge dieser edlen Frau in lebenswahrer Darstellung geschildert wurden. Im Namen der Familie rief der Schwiegersohn der Verblichenen Worte des Dankes und der Liebe ihr nach. Das Andenken der Verstorbenen wird in der Gemeinde Gladenbach unvergessen bleiben."    

     
    
Berichte aus dem jüdischen Gemeindeleben    
Vier christliche Ärzte werden "Gevatter" eines jüdischen Jungen (1840)  

Gladenbach Israelit19Jh 04101840.jpg (110201 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 4. Oktober 1840: "Aus Gladenbach, im Großherzogtum Hessen, wird uns folgender merkwürdige Vorfall gemeldet: 
Die Stunde der Entbindung schien für die kränkliche Ehefrau des dortigen israelitischen Einwohners O. die Stunde des Todes zu werden, als vier wackere Ärzte herbeigeeilt kamen und durch den Kaiserschnitt Mutter samt Kind retteten. Letztere, von heißem Dank erfüllt, trug denselben (welche zum christlichen Glauben sich bekennen) Gevatterstelle an, was diese mit Bereitwilligkeit annahmen. In festlichem Anzuge erschienen sie am Beschneidungstag in der von Juden und Christen angefüllten Synagoge, wurden mit dem Zuruf: 'Willkommen im Namen des Herrn!' begrüßt und nahmen nach dem Beschneidungsakte den Knaben abwechselnd auf den Arm, der auch, was unter den Israeliten nicht gewöhnlich ist, den Namen seiner vier Gevatter erhielt. Zum Schlusse ward für das Wohl der Mutter, des Kindes und der vier Gevatter ein Gebet in deutscher Sprache gesprochen. So hat denn auch hier die an dem Gefühl der Dankbarkeit sich erhobene humane Regung des Gemütes den Sieg über beengende kirchliche Bestimmungen davon getragen! (Bekanntlich darf, was die Allgemeine Kirchenzeitung erst kürzlich wieder zu beweisen suchte, kein Israelit Patenstelle bei einem christlichen Kinde versehen, und dass die streng orthodoxe Ansicht im Judentum dieses umgekehrt ebenfalls nicht zulässt, dürfen unsere Leser mit Recht voraussetzen.)"
  
Gladenbach AZJ 07111840.jpg (94438 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. November 1840: "Aus Hessen. Wir wollen unsern Lesern folgende charakteristische Anekdote nicht vorenthalten. Aus Gladenbach, im Großherzogtum Hessen, wird folgender bemerkenswerte Vorfall gemeldet: es folgt derselbe Bericht wie oben."

 
Spendenaufruf (1870)  

Gladenbach Israelit 15061870.JPG (140025 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Juni 1870: "Bitte
Hier in Gladenbach, (Provinz Hessen) lebt eine Jüdin, welche mit Christen mehrere Kinder zeugte und von der Tochter dieser Frau ist ein Kind da, ebenfalls unehelich mit einem Christen erzeugt, beschnitten und so viel als tunlich jüdische erzogen. Die Mutter dieses Jungen, welcher eben acht Jahre zählt, und noch wenig Schulunterricht genossen hat, ist schon mehrere Jahre tot und hat die Großmutter, welche nahe an 70 Jahre und schlecht beleumundet ist, diesen Jungen zur Erziehung bei sich. Der Rettungsverein für verwahrloste Kinder hat sich des Knaben angenommen; aber alle Mühe, welche sich der Präsident dieses Vereins gegeben, um den Jungen außerhalb Gladenbach gegen eine Vergütung von 40 Gulden jährlich, bei Juden anzubringen, war vergeblich. Hier in Gladenbach soll und kann der Junge nicht bleiben, da die Alte im Wege steht und ist mir deshalb als Vorstand der hiesigen israelitischen Religionsgemeinde aufgegeben worden, sobald als tunlich einen geeigneten Platz bei Juden auszumachen, so der Junge körperlich und geistig gepflegt und zu einem tüchtigen Menschen herangebildet wird. Sollte ich nicht imstande sein, dieses auszuführen, so wird der Verein den Jungen in eine christliche Erziehungsanstalt tun, wo er selbstverständlich aufhört, Jude zu sein. Die politische und jüdische Gemeinde hier sind nicht imstande, einen Beitrag zu leisten, weshalb ich mich an die geehrten Leser dieses Blattes wende. Vielleicht findet sich jemand, der den Jungen nimmt, ihn erzieht und einen tüchtigen Menschen und Juden aus ihm macht. 
Gladenbach
, 29. Mai 1870. Mitteilungen sieht entgegen M. Schiff." 

 
Die Maul- und Klauenseuche macht den Viehhändlern zu schaffen (1912)  

Gladenbach FrfIsrFambl 12011912.jpg (72480 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 12. Januar 1912: Gladenbach. Die in großer Zahl hier wohnhaften jüdischen Viehhändler sind, so schreibt der 'Nassauer Anzeiger an der Lahn', durch das Auftreten der Maul- und Klauenseuche in einer bedrängte Geschäftslage geraten. Ihr Handelsbetrieb, der sich einesteils auf den Zwischenhandel in den Dörfern des südlichen und mittleren Hinterlandes erstreckt und zum anderen seinen Hauptstützpunkt in den aufgehobenen großen Viehmärkten zu Gießen fand, ist fast lahmgelegt. Während man sonst frühmorgens, besonders in den ersten Wochentagen, viele Dutzende von Handelsleuten nach allen Richtungen der Windrose aus unserem Städtchen hinausziehen sag, ist diese Zahl bis auf einige Viehmakler zusammengeschrumpft, deren Tätigkeit sich lediglich auf Verkaufsvermittelung innerhalb der nicht ins Sperrgebiet fallenden Ortschaften geschränkt."

 
Aus der NS-Zeit: Bestrafung von Nationalsozialisten wegen nicht genehmigter Ausschreitungen gegen Juden (1935)  

Gladenbach Israelit 19091935.jpg (171145 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. September 1935: "Bestrafung wegen Ausschreitungen. Frankfurt am Main, 13. September (1935). Die 'Oberhessische Zeitung' in Marburg a.d.L. berichtet u.a.: 'Vor einiger Zeit war es in Gladenbach zu groben Ausschreitungen gegen einige jüdische Einwohner gekommen, sodass die staatliche Behörde und die Staatsanwaltschaft einschreiten mussten. Die herausfordernden Anmaßungen der jüdischen Bevölkerung in der letzten Zeit hatten dazu geführt, dass in Gladenbach eine große Erregung entstanden war. Am 12. und 14. August kam der Volkswille zum Ausbruch. An den fraglichen Tagen rottete sich eine große Menschenmasse zur nächtlichen Stunde in den Straßen zusammen und begann Einzelaktionen gegen einige jüdische Häuser. 
Die Zeitung berichtet sodann über die Verhandlung vor dem Schnellschöffengericht Marburg gegen drei Männer und ein junges Mädchen. Nach der Anklage sollen sie in die Wohnhäuser der Juden eingedrungen beziehungsweise die Fenster mit Steinen eingeworfen haben. Wegen Gefährdung der Staatssicherheit wurde die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen. Den Vertretern der Behörden und der Standarte 88 sowie der Presse wurde die Anwesenheit gestattet. - Oberstaatsanwalt Heintzmann betonte in seiner Anklagerede, dass die Ausschreitungen höchst bedauerlich seien und nur das Ansehen des Staates und der Partei schädigten. Es sei seit langer Zeit bekannt, dass der Führer jede Einzelaktion verboten hat. Auch der Gauleiter Streicher habe erklärt, wer sich an Juden vergreift ist niemals ein Nationalsozialist gewesen. Auch die Führer in Gladenbach haben sich wiederholt in diesem Sinne ausgesprochen. Nach kurzer Beratung verkündete das Gericht folgendes Urteil: Das Verfahren gegen den Hauptangeklagten wird abgetrennt und dem ordentlichen Gericht überwiesen. Die beiden anderen Angeklagten werden wegen Mittäterschaft bei den Sachbeschädigungen zu je einem Monat Gefängnis verurteilt, das Mädchen erhält wegen versuchter und vollendeter Sachbeschädigung eine Woche Gefängnis. In der Begründung tadelte der Vorsitzende das Verhalten der Angeklagten. Der Kampf gegen das Judentum sei eine weltanschauliche Aktion und könne nicht in Einzelaktionen durchgeführt werden. Bei der Bekämpfung der Juden muss jeder deutsche Volksgenossen mithelfen. Das tue man am besten, wenn man ihn meide und nicht bei ihm kaufe. Jede Einzelaktion schade nicht dem Juden, sondern dem Staat, der Bewegung und uns selbst (ITA)."

   
   
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde 
Carl Simon verwaltet die Ortskrankenkasse im Bezirk (1903)  

Gladenbach FrfIsrFambl 10071903.jpg (27767 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 10. Juli 1903: "Gladenbach. Seit Bestehen der Ortskrankenkasse hat der Vorsteher der hiesigen jüdischen Gemeinde Herr Carl Simon die Verwaltung des hiesigen Bezirks inne. Es ist dieses in den heutigen Zeiten bemerkenswert."   

   
Über Albrecht Jonas (1915 - 1998)

Rechts: Albrecht Jonas 
als junger Lehrer in Esslingen
Gladenbach Jonas 01.jpg (57117 Byte) Gladenbach Jonas 02.jpg (83584 Byte) Links: Albrecht Jonas und seine Frau Rosel bei einem Besuch in Esslingen 1987
Albrecht Jonas ist am 26. Februar 1915 in Gladenbach als Sohn des Kaufmanns Julius Jonas und der Berta Ehrenreich geb. Zeller geboren. Er absolvierte das Realgymnasium in Nürnberg und besuchte von 1934 bis 1936 die Israelitische Lehrerbildungsanstalt in Würzburg. 1936 bis 1938 war er Lehrer und Erzieher am Israelitischen Waisenhaus "Wilhelmspflege" in Esslingen und gemeinsam mit einem anderen Lehrer Vorbeter in der dortigen Stadtsynagoge. Beim Novemberpogrom 1938 wurde er schwer misshandelt und danach in das KZ Dachau verschleppt. Im Februar 1939 konnte er nach Schweden emigrieren, wo er in Göteborg eine Stelle als Kantor und Religionslehrer erhielt, die er 40 Jahre bis zu seiner Zurruhesetzung innehatte (Jüdische Gemeinde Göteborg). Mehrfach war er in Deutschland zu Besuch, um seinen Heimatort Gladenbach und auch seine Wirkungsstätte in Esslingen zu besuchen. Er war seit 1951 verheiratet (Frau Rosel aus Pforzheim; Kinder Daniel und Naoni Bettina). 1988 hielt Albrecht Jonas bei einem Ökumenischen Gottesdienst in der Esslinger Stadtkirche St. Dionys zum 50jährigen Gedenken an die Pogromnacht eine Ansprache. Er starb 1998 in Göteborg.    
Literatur (und Quelle der Fotos): Joachim Hahn: Jüdisches Leben in Esslingen. 1994.  

    
  
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
 
(Quelle:  J. Runzheimer s.Lit. Bd. I 40.42.44.45)

Gladenbach A 100.jpg (55813 Byte) Gladenbach A 101.jpg (34392 Byte) Gladenbach A 102.jpg (25054 Byte) Gladenbach A 103.jpg (51989 Byte)
Anzeige des Leinen-, Wäsche- 
und Aussteuergeschäftes 
Carl Grünstein
Anzeige des Spezialhauses für
 Damen- und Herren-Moden 
W. Stamm
Anzeige der Branntwein- und
 Likörfabrik usw. 
W. Schiff Sohn
Anzeige der Baumaterialien-
 handlung A. Stamm 
   

       
Anzeigen des Manufakturwarengeschäftes usw. W. Schiff Sohn (1900 / 1904)  

Gladenbach Israelit 19111900.jpg (33115 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. November 1900: "Junger Mann zum sofortigen Eintritt gesucht. 
W. Schiff Sohn, Manufakturwaren, Gladenbach."   
  
Gladenbach Israelit 17031904.jpg (44733 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. März 1904: "Suche per Ostern jüngeren Commis als Lehrling. Station im Hause, Samstags geschlossen. M. Schiff Witwe, Inhaber: August Schiff, Getreide, Mehl, Futterartikel, Düngemittel, Manufakturwaren, Konfektion, Kolonialwaren, Gladenbach".  

    
Anzeige von L. Levi (1902)  

Gladenbach Israelit 14081902.jpg (41936 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. August 1902: 
"Suche für meinen streng religiösen Haushalt ein junges 
Mädchen

aus guter Familie, zur Stütze der Hausfrau. Bin bereit, Vergütung zu gewähren. 
L. Levi,
Gladenbach (Hessen-Nassau)."  

   
Anzeige des Landesproduktengeschäftes  L. Levi  (1914)   

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. März 1914:  
"Für mein am Schabbat und Feiertag streng geschlossenes Landesproduktengeschäft suche per 1. Mai einen 
Lehrling 
oder angehenden Kommis
bei freier Station im Hause. 
L. Levi, Gladenbach, Hessen-Nassau
".            

        
Hochzeitsanzeige von Dr. Ludwig Krämer und Erna geb. Grünstein (1928)      

Anzeige in der "CV-Zeitung" vom 7. September 1928: "Statt Karten! 
Rechtsanwalt Dr. Ludwig Krämer - Erna Krämer geb. Grünstein
Vermählte. Friedberg (Hessen) - Gladenbach". 

     
     
     
Zur Geschichte der Synagoge         
   
Zunächst war ein Betraum in einem der jüdischen Häuser vorhanden. 1809 wurde eine Stiftung zur Finanzierung einer Synagoge gegründet. 1813/14 konnte die Synagoge erbaut werden. Sie kostete 2.464 Gulden. Es handelte sich um ein einfaches Fachwerkgebäude, das sich von anderen Häusern kaum unterschied. Im Dezember 1842 brannte es im Schulraum der Synagoge, doch konnte das Gebäude wieder renoviert werden. 
 
Seit 1885 gab es Bemühungen, eine neue Synagoge an Stelle der alten zu erbauten. Man entschied sich - vermutlich auch aus Kostengründen - nicht zu einem völligen Neubau, sondern zu einem "Umbau der alten Synagoge zu einem prächtigen Gotteshause" (Zitat aus dem Bericht zum Tod von Lehrer Rosenzweig s.o.). Am 18. September 1891 wurde die Synagoge mit einem großen Fest der gesamten Stadt neu eingeweiht.  
 
Nach 1933 kam es auf Grund der zahlreichen antijüdischen Pogromaktionen in der Stadt zum schnellen Wegzug der jüdischen Familien. Bald schon war nicht mehr die für den Gottesdienst notwendige Zehnzahl der jüdischen Männer zu erreichen. Im November 1938 erfolgte der Verkauf des Synagogengebäudes an die Stadt. Beim Novemberpogrom 1938 wurden die Fenster durch ein Randalekommando vermutlich auswärtiger Nationalsozialisten eingeworfen und in das Haus eingedrungen. Die Inneneinrichtung wurde teilweise zerstört. Da in diesen Tagen bereits Verhandlungen mit der Stadt über eine Übertragung des Gebäudes an die Stadt stattfanden, waren die Kultgegenstände bereits aus dem Gebäude genommen worden (eine Torarolle kam 1979 in das jüdische Museum in der Synagoge in Michelstadt). 
 
Am 11. November 1938 übernahm die Stadt Gladenbach das demolierte Gebäude. Es sollte als eine soziale Einrichtung genutzt werden, doch erlaubte der offenbar baufällige Zustand keine entsprechende Neunutzung. In den folgenden Jahren wurde die Synagoge abgebrochen. Nach 1949 kam nach Klärung des Restitutionsverfahrens das Grundstück in den Besitz der Stadt.       
  
Ein Gedenkstein befindet sich auf dem Vorgarten zum Grundstück der ehemaligen Synagoge an der Burgstraße. Er wurde auf Beschluss des Magistrates der Stadt im September 1982 gesetzt. Der Gedenkstein trägt die Inschrift "Oh Erde decke mein Blut nicht zu - mein Schreien findet keine Ruhestatt" (aus dem biblischen Buch Hiob). 2014 wurde auf Initiative des Gladenbachers Rudolf H. Schneider die Gedenkstätte durch die Stadt neu gestaltet. Anfang April 2015 wurde eine zusätzliche Informationstafel zur Geschichte der jüdischen Gemeinde am Synagogenplatz aufgestellt.    
     
     
Adresse/Standort der Synagoge  Burgstraße 11   
    
    
Fotos
(Plan und historische Fotos - Quelle: J. Runzheimer s.Lit. Bd. II S. 225.239-230; neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 28.3.2008)    

Plan und historische Aufnahme      
Gladenbach Synagoge Pl 01.jpg (34059 Byte) Gladenbach Synagoge 061.jpg (64985 Byte) Gladenbach Synagoge 060.jpg (51496 Byte)
Plan mit Eintragung der Lage der Synagoge
 an der Burggasse (ehemalige Judengasse) 
Im Hintergrund dieser Aufnahmen aus den 1920er-Jahren ist die Synagoge zu sehen. 
   
      
Synagogengrundstück
 im März 2008 
Gladenbach Synagoge 112.jpg (71336 Byte) Gladenbach Synagoge 110.jpg (113688 Byte)
   Vorgarten (zwischen den beiden Häusern) vor dem dahinterliegenden Grundstück der 
ehemaligen Synagoge (vgl. Plan oben) mit Gedenkstein. Inschrift: "Oh Erde, decke mein Blut 
nicht zu, mein Schreien finde keine Ruhestatt. Zum Gedenken an unsere jüdischen Mitbürger.
 Hier stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde Gladenbach." 
   

     
     
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte
  

2014/15: Neugestaltung der Gedenkstätte mit zusätzlicher Informationstafel  
Artikel von Michael Tietz im "Hinterländer Anzeiger" (mittelhessen.de) vom 3. April 2015: "Zeichen gegen Rassismus setzen. EINWEIHUNG Gedenktafel erinnert an die jüdische Gemeinde in Gladenbach
Gladenbach. Ein deutliches Zeichen gegen Rassismus und Faschismus setzen - das will Rudolf H. Schneider. Der Gladenbacher hat sich deshalb für die Neugestaltung der Gedenkstätte am Aufgang zur ehemaligen Synagoge der jüdischen Gemeinde stark gemacht. Am 'Erinnerungsplatz' in der Burgstraße enthüllte Schneider am Donnerstag gemeinsam mit Bürgermeister Peter Kremer auch eine Gedenktafel.
'Die Tafel soll vor allem jungen Menschen zur Information und zum Nachdenken dienen', sagte Schneider während der kleinen Einweihungsfeier. Der Initiator erinnerte an den März 1945, als auch das Hinterland mit dem Einmarsch der Amerikaner von der nationalsozialistischen Herrschaft befreit wurde. Damals gab es keine jüdische Gemeinde mehr in Gladenbach.
Deren über 300-jährige Geschichte will Schneider nun mit einem von ihm verfassten Text für die Tafel wach halten...."    
Link zum Artikel        

 
  
Links und Literatur   

Links:  

Website der Stadt Gladenbach 
Zur Seite über die jüdischen Friedhöfe in Gladenbach (interner Link)    
Webportal HS 010.jpg (66495 Byte)Webportal "Vor dem Holocaust" - Fotos zum jüdischen Alltagsleben in Hessen mit Fotos zur jüdischen Geschichte in Gladenbach 

Quellen:  

Hinweis auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Gladenbach 
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs (innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar: 
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41              
Zu Gladenbach sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):    
HHStAW 365,913  Sterberegister der Juden von Gladenbach  1839 - 1874; enthält Verordnungen zur Führung der jüdischen Personenstandsregister, Alphabetisches Namensverzeichnis zum Sterberegister von Breidenbach, Jüdisches Sterberegister    https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3946048    

Literatur:  

Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 265-267. 
Hans-Christian Mika: Materialien zur Geschichte der Juden in Gladenbach. Gladenbach 1980. 
Keine Artikel bei Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 und dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994, da von der Synagoge nichts erhalten blieb.
Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirk Gießen und Kassel. 1995 S. 148-149. 
Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 408-409. 
Gladenbach Lit 02.jpg (38110 Byte)Jürgen Runzheimer: Abgemeldet zur Auswanderung. Die Geschichte der Juden im ehemaligen Landkreis Biedenkopf. Bd. 1 Biedenkopf 1992. Bd. II 1999 (Beiträge zur Geschichte des Hinterlandes Bd. III und Bd. VII. Hinterländer Geschichtsverein e.V.). 

         
          


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Gladenbach  Hesse-Nassau. Established before 1770, the community numbered 160 (13 % of the total) in 1861 and 184 (12 %) in 1905. A new synagogue was dedicated in 1891. Although anti-semitic propaganda increased from 1885, Jews were elected to the village council. Affiliated with the rabbinate of Marburg and numbering 103 (6 %) in 1933, the community fell victim to Nazi aggression. By November 1938, only 11 elderly Jews remained. The synagogue, partly destroyed on Kristallnacht (9-10 November 1938), was demolished three months later. By mid-1940 all the Jews had left.  
   
     

                   
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Stand: 10. Mai 2016