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in Darmstadt
Darmstadt (Hessen)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt
Hier: jüdische Dozenten an der Technischen Hochschule bis in die 1930er-Jahre
Übersicht:
Einführung
An die Technischen Universität Darmstadt (1877
bis 1997 Technische Hochschule zu Darmstadt) wurden bereits früh auch
jüdische Dozenten berufen. So war einer der ersten und bedeutendsten
Professoren der Hochschule in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens der
Mathematiker Prof. Dr. Siegmund Gundelfinger (1846-1910), der seinerzeit
zu den größten Mathematikern Deutschlands gezählt wurde. Er war 1879 von
Tübingen als ordentlicher Professor an die Hochschule in Darmstadt berufen
worden und lehrte an ihr bis zu seiner Pensionierung 1907. In der Zeit des seit
den 1880er-Jahren immer stärker werdenden Antisemitismus setzte sich
Gundelfinger engagiert gegen jede Benachteiligung anderer jüdischer Dozenten
und jüdischer Studierender an der Hochschule und darüber hinaus ein.
Weiteres zur Person und seiner Familie siehe Wikipedia-Artikel
"Sigmund Gundelfinger".
Unter den jüdischen Dozenten der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts
waren u.a.:
- Prof. Theodor Landsberg (geb. 1847 in Hildesheim als Sohn des dortigen
Rabbiners Meyer Landsberg, gest. 1915 in Berlin): studierte in Hannover mit dem
Abschluss als Regierungsbauführer; arbeitete zunächst in einem Ingenieurbüro
in Berlin, Kriegsteilnehmer 1870/71, 1876 Abschluss als Regierungsbaumeister,
danach im Dienst der Stadt Berlin; Assistent für Brückenbau an der
Königlichen Gewerbeakademie, seit 1877 Privatdozent ebd.; seit 1880 Professor
auf dem Lehrstuhl für Statik der Baukonstruktionen und Brückenbau der
Technischen Hochschule Darmstadt; 1899 bis 1901 Rektor ebd.; 1907
Ehrendoktorwürde (als Dr.-ing. e.h.); zahlreiche weitere Auszeichnungen; seit
1908 im Ruhestand. Weiteres zur Person siehe Wikipedia-Artikel
"Theodor Landsberg".
- Privatdozent Dr. Clarence Feldmann (geb. 1867 in New York, gest. 1941
in Delft): studierte in Darmstadt, war bis 1905 Privatdozent an der TH
Darmstadt; erhielt 1905 einen Ruf an die Universität Delft. Weiteres zur Person
siehe Wikipedia-Artikel
"Clarence Feldmann"
- Prof. Dr. Julius Goldstein (geb. 1873 in Hamburg, gest. 1929 in
Darmstadt): war seit 1901 Privatdozent an der TH Darmstadt, um seine Ernennung
zum ao. Professor an der TH kam es zu einem von antisemitischen Motiven
bestimmten Streit; gab ab April 1925 die jüdische Zweimonatsschrift "Der
Morgen heraus". Julius Goldstein verfasste zahlreiche philosophische Schriften. Weiteres
siehe Artikel in der
Hessischen Biografie zu Julius Goldstein.
In der NS-Zeit verloren die jüdischen Dozenten beziehungsweise die
Dozenten jüdischer Abstammung alsbald ihre Stelle und
wurden gezwungen, ins Exil zu gehen. Betroffen war auch der mit einer jüdischen
Frau verheiratete Gerhard Herzberg.
Ausführlich hierzu der Beitrag: "Hans Baerwald - Michael Evenari -
Stephan Grabstein - Gerhard Herzberg - Luise Herzberg - Kurt Lion. Stolpersteine
zum Gedenken an Darmstädter Wissenschaftler" - online
zugänglich als pdf-Datei (TU Darmstadt);
weiterer Beitrag auf der Seite historische-eschborn.de "Stolpersteine
für Professoren".
Hans Baerwald (geb. 1880 in Berlin, gest. 1946 in Hitchin England; war
protestantisch getauft), seit 1911 am Physikalischen Institut der TH Darmstadt,
seit 1920 Professor der theoretischen Physik. Wurde 1933 entlassen, 1936 oder
1937 wegen Beschäftigung eines "arischen" Dienstmädchens zu acht
Monaten Gefängnis verurteilt. Nach einigen Wochen im Konzentrationslager
Buchenwald emigrierte er 1939 nach Großbritannien.
Ernst Berl (geb. 1877 in Freudenthal, Österreichisch-Schlesien, gest.
1946 in Pittsburg, Pennsylvania), seit 1919 an der TH Darmstadt als ordentlicher
Professor der Technischen Chemie und Elektrochemie; 1921 Dekan an der TH
Darmstadt der Abteilung Chemie, Elektrochemie, Gerbereichemie und Pharmazie;
1926 Vorsitzender der Vereinigung von Freunden der Technischen Universität zu
Darmstadt. 1933 aus "rassischen Gründen" entlassen; nahm einen Ruf an das
Carnegie Institute of Technology in Pittsburg, Pennsylvania an. Die TU Darmstadt
benannte das Institut für Technische und Makromolekulare Chemie nach Ernst Berl.
Vgl. Wikipedia-Artikel "Ernst
Berl" Vgl.
Seite zur Geschichte des Ernst-Berl-Institutes in Darmstadt
Walter Schwarz (geb. 1904 in Metz, gest. 1989): studierte Botanik in
Frankfurt und Prag sowie in Darmstadt, wo er am Botanischen Institut
habilitierte. Er wurde wegen seiner jüdischen Abstammung am 1. April 1933
fristlos entlassen. Er emigrierte mit seiner Frau nach Palästina und nahm den
Namen Michael Evenarí an. Hier leistete er wesentliche Beiträge für die
moderne israelische Wüstenlandwirtschaft. Vgl. Wikipedia-Artikel
"Michael Evenari". 1977 erhielt er die Ehrendoktorwürde der
Technischen Hochschule Darmstadt. Im Sommersemester 2001 konstituierte sich an
der TU Darmstadt das Evenari-Form für Deutsch-Jüdische Studien: Technik-,
Natur-, Geschichts- und Kulturwissenschaften.
Stephan Gradstein (geb. 1909 in Berlin, gest. 1970), Sohn polnisch-jüdischer
Eltern, studierte Physik an der TH Darmstadt. Wurde 1933 als Diplom-Ingenieur
entlassen. Er emigrierte in die Niederlande, wo er versteckt überleben konnte.
Gerhard Herzberg (geb. 1904 in Hamburg, gest. 1999 in Ottawa, Kanada):
promovierte nach dem Studium in Darmstadt 1928 in Physik und war hier seit 1930
als Assistent und Privatdozent tätig. Er war seit 1930 mit der jüdischen Luise
Oettinger verheiratet und bekam deswegen 1935 die Lehrbefugnis entzogen. Mit
seiner Frau (s.u.) emigrierte er 1935 nach Kanada. 1971 erhielt er den
Nobelpreis für Chemie. Vgl. Wikipedia-Artikel
"Gerhard Herzberg".
Luise Herzberg, geborene Oettinger (geb. 1906 in Nürnberg, gest. 1971),
studierte Physik in Göttingen; Promotion 1933 in Frankfurt; arbeitete als
Physikerin in Darmstadt und unternahm Laborexperimente mit ihrem Mann Gerhard an
der Hochschule. Mit ihm emigrierte sie 1935 nach Kanada.
Kurt Lion (geb. 1904 in Kassel, gest. 1980 in Watertown, Mass.):
studierte an der UH Darmstadt; promovierte in Physik im Dezember 1932. Ihm wurde
1933 gekündigt, weil er Jude war. Er arbeitete zwei Jahre in einem Privatlabor,
bevor er 1935 nach Istanbul auswanderte, wo er eine auf zwei Jahre befristete Stelle
an der Universität bekam. Ab 1937 in Fribourg/Schweiz. Seit 1941 in den
USA, wo er später eine Professor für Angewandte Biophysik bekam.
Edmund Stiasny (geb. 1872 in Wien, gest. 1965 in Helsingborg): wurde 1920
auf die neu gegründete Professur für Leder- und Gerberei-Chemie an der TH
Darmstadt berufen. Er galt damals als renommiertester deutscher Forscher auf dem
Gebiet der Lederforschung. Als Dekan der chemischen Abteilung erfuhr er 1933,
dass die NS-Regierung Fragebögen über Religion und "Rasse" zu verteilen plante (Stiasnys
Vater war Jude). Darauf beantragte er im April 1933 seine vorzeitige
Pensionierung. Im September 1933 emigrierte er nach Schweden, wo er seine
Forschungstätigkeit am Staatlichen Institut für Gerberei-Chemie in Helsingborg
bis ins hohe Alter fortsetzte.
Wikipedia-Artikel zu
Edmund Stiasny
Berichte zu einzelnen Dozenten aus jüdischen Periodika
des 19./20. Jahrhunderts
- Prof.
Dr. Theodor Landsberg wird Direktor an der technischen Hochschule (1890)
- Auszeichnung
für Prof. Dr. Siegmund Gundelfinger (1897)
- Weitere
Auszeichnung für Prof. Dr. Siegmund Gundelfinger (1897)
- Prof.
Dr. Siegfried Gundelfinger lässt sich pensionieren (1907)
- Zum
Tod von Prof. Dr. Siegmund Gundelfinger (1910)
- Privatdozent
Dr. C. P. Feldmann wird Professor in Delft (1905)
- Der
geheime Baurat Prof. Theodor Landsberg erhält den Ehrendoktor der
Technischen Hochschule (1907)
- Prof.
Dr. Jakob Horn erhielt einen Ruf an die Universität Jena (1914)
- Privatdozent
Dr. Julius Goldstein wird Professor (1909)
- Zum
Tod von Prof. Dr. Julius Goldstein (1930)
Prof.
Dr. Theodor Landsberg wird Direktor an der technischen Hochschule (1890)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 25. Juli 1890: "Die technische Hochschule in Darmstadt
hat Herrn Professor Th. Landsberg zum Direktor für das Studienjahr
1890/91 ernannt. Die Genehmigung des Großherzogs ist bereits
erfolgt." |
Auszeichnung für Prof. Dr.
Siegmund Gundelfinger
(1897)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 15. Oktober 1897: "Die Königlich bayerische Akademie der Wissenschaften
hat dem ordentlichen Professor der Mathematik an der Großherzoglich
technischen Hochschule in Darmstadt, Herrn Dr. Gundelfinger für die sehr
verdienstvolle Mithilfe bei der Herausgabe von Ludwig Otto Hesses
'gesammelten Werken' die goldene akademische Denkmünze 'Bone merenti'
verliehen." |
Weitere
Auszeichnung für Prof. Dr. Siegmund Gundelfinger (1897)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 10. Dezember 1897: "Aus Anlass des Geburtstagsfestes des
Großherzogs von essen wurden ausgezeichnet: Der ordentliche Professor an
der Technischen Hochschule zu Darmstadt Dr. Sigmund Gundelfinger erhielt
das Ritterkreis I. Klasse des Verdienstordens Philipps des Großmütigen;
der Weinhändler und dermalige Präsident der Handelskammer zu Bingen
Simon Zacharias Coblenz wurde zum Kommerzienrat
ernannt." |
Prof.
Dr. Siegfried Gundelfinger lässt sich pensionieren (1907)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 22. März
1907: "Darmstadt. Geheimer Hofrat Dr. Siegfried Gundelfinger,
Professor der Mathematik an der Technischen Hochschule, hat sich mit
Schluss des Semesters pensionieren
lassen." |
Zum Tod von Prof. Dr. Siegmund Gundelfinger
(1910)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom
16. Dezember 1910: "Darmstadt. Geheimer Hofrat Dr. Siegmund
Gundelfinger hat sich wegen eines nervösen Leidens erschossen.
1846 in Kirchberg an der Jagst geboren, wurde er 1879 von Tübingen nach
hier als Professor an der Technischen Hochschule
berufen". |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 20. Januar 1911: "Siegmund Gundelfinger. Von David
Selver. Am 13. Dezember 1910 starb in Darmstadt Geheimer Hofrat Dr.
Siegmund Gundelfinger, weiland Professor der Mathematik an der hiesigen Technischen
Hochschule. Er zählte zu den größten Mathematikern Deutschlands. Seine
schöpferischen Leistungen als Analytiker, namentlich als Forscher auf dem
Gebiete der Hesseschen 'Analytischen Geometrie des Raumes' und aller mit
dieser mathematischen Disziplin im Zusammenhange stehenden Probleme sind
bekannt und anerkannt. Sie wurden 1895 von der Königlichen Preußischen
Akademie zu Berlin durch Verleihung des 'Steinerpreises' und 1898 seitens
der Königlichen Bayerischen Akademie zu München durch Verleihung der
goldenen Medaille 'Bene merenti' ausgezeichnet. Den Gundelfingerschen
Methoden 'des wissenschaftlichen Rechnens' hat der berühmte Göttinger
Mathematiker Hilbert in seinem den Gegenstand behandelnden Werken ein
besonderes Kapitel gewidmet.
Weniger bekannt dürfte es sein, dass Gundelfinger auch ein hervorragender
Kenner der neueren Mathematikgeschichte sowie der mathematischen Klassiker
war. Die Werke eines Gauß hatte er schon als Gymnasiast studiert und sich
zu eigen gemacht. Seine große Vertrautheit mit den Klassikern der
Mathematik sowie ein ihm eigener Spürsinn für die Genesis der Theoreme
befähigte ihn, manchen landläufigen Irrtum und manches Falsum
aufzudecken. Unter anderem hat er die Behauptung eines norwegischen
Gelehrten, der zufolge Jacobis epochemachende 'Theorie der elliptischen
Funktionne' von dem Norweger Abel abhängig gewesen sein soll - eine
Behauptung, die bald von Eugen Dühring aufgegriffen und antisemitische
fruktifiziert wurde - in einer Weise widerlegt, dass niemand mehr die
Originalität und Priorität Jacobis wissenschaftlich in Frage stellen
kann. Als hervorragender Kenner der gesamten modernen mathematischen
Literatur und ihrer Geschichte schrieb Gundelfinger auf Bitten eines
Freundes und im Interesse der guten Sache für die 'Jewish Encyklopedia'
einen sehr wertvollen Artikel über die jüdischen Mathematiker des 19. Jahrhunderts,
der aber leider nur teilweise und verstümmelt zum Abdruck
gelangte.
Gundelfingers außerordentliche mathematische Begabung war schon recht
früh entwickelt, und er hat für einen Juden auch eine ungewöhnlich
frühe und rasche Karriere gemacht. Im Jahre 1846 in Kirchberg an der
Jagst geboren, wurde er 1869 in Tübingen Privatdozent, 1873
außerordentlicher Professor und Leiter des mathematischen Seminars an der
Universität daselbst, 1879 als ordentlicher Professor an die Technische
Hochschule nach Darmstadt berufen. Seine sehr zahlreichen mathematischen
Arbeiten, die hauptsächlich die Anwendung der höheren Analysis und der
modernen Algebra auf die Geometrie zum Gegenstand haben, erschienen in den
'Sitzungsberichten der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften
zu Berlin', im 'Journal für die reine und angewandte Mathematik', in den
'Mathematischen Annalen', in der 'Zeitschrift für Mathematik und Physik'
und anderen hervorragenden mathematischen Zeitschriften. Selbstständig
erschienen unter anderem: 'Zur Theorie des simultanen Systems einer
kubischen und einer biquadratischen Form', 1869, 'Tafeln zur Berechnung
neunstelliger Logarithmen', die er zusammen mit A. Nell, der rechnerisch
an der Arbeit beteiligt war, herausgab, ferner 'Tafeln zur Berechnung der reellen
Wurzeln sämtlicher trinomischer Gleichungen'. Von Gundelfingers
'Vorlesungen aus der analytischen Geometrie der Kegelschnitte' Leipzig
1895 bemerkte selbst ein Gundelfinger wenig geneigter Rezensent: 'Das Buch
musste geschrieben werden!'
Auf Wunsch seines berühmten Lehrers L. O. Hesse gab Gundelfinger dessen
Vorlesungen über analytische Geometrie des Raumes erstmalig in der
dritten Auflage und die Vorlesungen über analytische Geometrie der
geraden Linie, des Punktes und des Kreises in der Ebene in der zweiten
Auflage heraus. Beide epochemachende Werke hat er in den folgenden
Auflagen mit sehr wert5vollen Zusätzen und Verbesserungen versehen. Als
daher nach dem Tode Hesses die physikalisch-mathematische Klasse der
Münchener Akademie eine Kommission, bestehend aus den |
Mathematikern
W. Dyck - München, Lüroth - Freiburg - Nöther - Erlangen, mit der
Herausgabe des Hesseschen Nachlasses beauftragte, wünschte diese, dass
ihr gestattet würde, sich Gundelfinger zu kooptieren. Dies ist denn auch
geschehen, und die von Gundelfinger herrührenden Supplementbände sowie
seine zahlreichen Anmerkungen und Erläuterungen bilden die wertvollste
Bereicherung jenes monumentalen Werkes und eine noch nicht genügend
ausgeschöpfte Fundgrube mathematischer Theoreme und Erkenntnisse. Die
Gundelfinger für diese Arbeit zuteil gewordene Anerkennung durch
Verleihung goldener Medaillen seitens der Berliner und Münchener Akademie
wurde bereits erwähnt. Eine Ernennung zum Akademie- Mitglied wäre
freilich ein entsprechender Lohn gewesen, aber einer solchen Auszeichnung
stand wohl Gundelfingers Judentum im Wege. Denn Gundelfinger hielt mit
seinem Judentum nirgends hinter dem Berge. Im Gegenteil, mit der ihm
eigenen tapferen und mutigen Art trat er überall mit seinem Judentum
offen hervor, und in der Zeit der antisemitischen Hochflut hat er an der
Technischen Hochschule zu Darmstadt manchen Strauß bestanden, namentlich,
wenn es galt, jüdische Studierende und Dozenten gegen Benachteiligungen
zu schützen, die ihnen aus ihrer Zugehörigkeit zum Judentum erwachsen
sollten. - Zur Ehre der hessischen Regierung muss bemerkt werden, dass ihm
dieses Verhalten an hoher und höchster Stelle nicht geschadet hat. ER
wurde dessen ungeachtet nach Verdienst ausgezeichnet durch Verleihung
hoher Orden und des Charakters als Geheimer Hofrat. - Leider hinderte ihn
sein Gesundheitszustand, eine in sein bestes Mannesalter zurückreichende
schwere Nervosität, sich, wie er wünschte, praktisch und öffentlich an
den großen jüdischen Bestrebungen und Aktionen zu beteiligen. Aber
privatim suchte er vielfach Fühlung mit Männern, die mitten in diesen
Bewegungen standen, und gab ihnen manche wertvolle Anregung. Die
Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes nötigte ihn, sich 1907
pensionieren zu lassen. Eine schwere Pleuritis im vorigen Winter hat,
obwohl wieder geheilt, den letzten Rest seiner Nervenkraft aufgezehrt und
so indirekt sein jähes Ende herbeigeführt. Gundelfinger hat noch bis in
die letzten Tage vor seinem Tode jede Stunde, die er seinem schweren
Leiden abringen konnte, zu wissenschaftlichen Arbeiten benutzt. In seinem
Nachlasse findet sich noch eine große Zahl von hervorragenden
mathematischen Arbeiten. Diese, sowie die von ihm, geplante, auf zwei
Bände berechnete Sammlung seiner bereits gedruckten, aber seine
gewordenen mathematischen Abhandlungen werden wohl bald einen geeigneten
Herausgeber finden. Aber auch wenn dieses wider Erwarten nicht der Fall
sein sollte, wird sein Name auf Grund seiner bisher unveröffentlichten
Werke in der Geschichte der Mathematik unvergänglich sein, und sein
Andenken wird als das Andenken eines genialen und zugleich warmherzigen,
aufopferungsvollen, stets hilfreichen, edlen Mannes allen, die ihn
gekannt, geehrt und geliebt haben, zum Segen gereichen." |
Privatdozent Dr. C. P. Feldmann wird Professor in Delft
(1905)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom
8. Juni 1905: "Darmstadt. Der bisherige Privatdozent an der
technischen Hochschule in Darmstadt, Dr. C. P. Feldmann, ist zum
ordentlichen Professor der Elektrotechnik an der polytechnischen Schule in
Delft ernannt worden. Er ist der Verfasser eines Werkes über
'Wechselstromtransformationen' und mit den Ingenieur H. Herzog hat er die
'Berechnung elektrischer Leitungsnetze' und 'Die Verteilung des LIchts und
der Lampen bei elektrischen Beleuchtungsanlagen'
herausgegeben." |
Der
geheime Baurat Prof. Theodor Landsberg erhält den Ehrendoktor der Technischen
Hochschule (1907)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 19. Juli 1907: "Darmstadt. Dem ordentlichen Professor
an der hiesigen Technischen Hochschule Geh. Baurat Theodor Landsberg wurde
der Doktor honoris causa von derselben
verliehen". |
Prof.
Dr. Jakob Horn erhielt einen Ruf an die Universität Jena (1914)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. April
1914: "Der seit Michaeli 1907 als ordentlicher Professor der
Mathematik an der Technischen Hochschule zu Darmstadt lehrende Dr.
Jakob Horn hat einen Ruf an die Universität Jena als Nachfolger von
Geheimrat Thomae
erhalten." |
Privatdozent Dr. Julius Goldstein wird Professor
(1909)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom
3. Dezember 1909: "Darmstadt. Dr. Julius Goldstein,
Privatdozent an der Technischen Hochschule, erhielt den Charakter als
Professor". |
Zum Tod von Prof. Dr. Julius Goldstein
(1929)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 27. Juni 1929: "Professor Julius Goldstein - Darmstadt
gestorben. Darmstadt, 25. Juni (1929). Dr. Julius Goldstein,
Professor der Philosophie an der Hochschule in Darmstadt, ist am
Montag, den 29. Juni, abends, kurz vor Vollendung seines 56. Lebensjahres,
nach langem schweren Leiden sanft entschlafen. In Professor Dr. Julius
Goldstein verliert die deutsche Wissenschaft, die deutsche Judenheit eine Persönlichkeit,
in der sich wissenschaftliche Vertiefung und praktischer Blick in seltener
Einheit verband. Sein literarisches und rednerisches Wirken galt vor allem
dem Zurückdämmer der Bestrebungen, die den deutschen Juden und den Juden
überhaupt als minderwertiges Objekt in der Politik, der Wissenschaft und
der Kurst hinstellen wollen. Bekannt geworden ist er außer durch seine
allgemeinen philosophischen Schriften, auch durch seine im Philo-Verlag
erschienenen Schriften 'Rasse und Politik' und 'Deutsche Volksidee und
deutschvölkische Idee'. Als Herausgeber der Zeitschrift 'Der Morgen' hat
er sich weit über die Grenzen Deutschlands einen Namen gemacht. Erst in
letzter Zeit leitete er Hayes bedeutsames Werk 'Nationalismus' mit klugen
Worten ein. Der Zentral-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens
betrauert in ihm ganz besonders einen immer bereiten Helfer und Berater
auf allen Gebieten kultureller und wissenschaftlicher Arbeit.
Um Julius Goldsteins Ernennung zum Professor entbrannte seinerzeit ein antisemitischer
Streit, in dem Rudolf Eucken und Ernst Troeltsch öffentlich
für Goldstein eintraten." |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
März 2010:
Verlegung von "Stolpersteinen" für
Dozenten der Technischen Universität in Darmstadt |
Artikel in der "Frankfurter
Rundschau" (fr-online.de) vom 18. März 2010 (Artikel):
"Stolpersteine für Professoren.
Die TU Darmstadt gedenkt ihrer Forscherinnen und Forscher, die von den Nazis vertrieben wurden.
Die Technische Universität Darmstadt (TUD) gedenkt mit der Verlegung von Stolpersteinen sechs ehemaliger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in den Jahren zwischen 1933 und 1935 aus der damaligen Technischen Hochschule Darmstadt vertrieben wurden. Auf dem Gelände der TUD hat der Kölner Künstler Gunter Demnig im Beisein der Nachkommen der Forscher erstmals Erinnerungssteine für Opfer verlegt, die nicht ermordet, sondern ins Exil getrieben wurden.
Hans Baerwald, Walter Schwarz (später Michael Evenarí), Stephan Gradstein, Gerhard Herzberg, Luise Herzberg und Kurt Lion wurden zwischen 1933 und 1935 aus der Universität entlassen und flohen kurze Zeit später aus dem nationalsozialistischen Deutschland.
TUD-Präsident Hans Jürgen Prömel verkündete zur Stolperstein-Aktion: "Die damals Verantwortlichen der Technischen Hochschule haben diesen Universitätsangehörigen schweres Unrecht angetan. Die Stolpersteine werden heutige wie künftige Generationen auf ihre Schicksale aufmerksam machen und dauerhaft an sie erinnern."
Demnig hat zunächst den Stolperstein für den Biologen Walter Schwarz (später Michael Evenarí) im Bereich des Botanischen Gartens verlegt und danach fünf weiteren Stolpersteine vor dem Physikalischen Institut. Außerdem hat die TU Darmstadt die entlassenen Wissenschaftler in einer öffentlichen Feierstunde geehrt.
Christof Dipper, Professor für Neuere Geschichte, nennt die Aktion eine, "die wir uns selber schuldig sind. Es wurde allerhöchste Zeit, die Geschichte der TU in dieser ausführlichen Form aufzuarbeiten."
Der Historiker leitet ein auf zwei Jahre angelegtes Forschungsprojekt an der TU Darmstadt, in dem deren Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus beleuchtet wird. Das namentliche Gedenken an die entlassenen Wissenschaftler geht auf eine Initiative des Evenarí-Forums für deutsch-jüdische Studien zurück. Dem Evenarí-Forum gehören auch Lehrende der TU Darmstadt an. Sie treffen sich unregelmäßig zum Gedankenaustausch sowie zu Exkursionen mit Studierenden nach Israel..."
(an) |
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Hinweis: auf der Website der TU Darmstadt
finden sich über die Seite http://www.tu-darmstadt.de/vorbeischauen/aktuell/nachrichten_1/stolpersteine.de.jsp
auch Links zu "Podcasts"
(Redebeiträge bei der Veranstaltung zur Verlegung der
"Stolpersteine") |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. 1 S. 122-123. |
| Eckart G. Franz: Juden als Darmstädter Bürger.
1984. |
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