Dissertationsvorhaben Stefan Lang

 

Württemberg und die Juden. Existenzbedingungen jüdischen Lebens im

Kontext von Territorialisierung und Konfessionalisierung 1498-1648.

 

1. Kurze Zusammenfassung des Dissertationsvorhabens

 

Im Verlauf des 15. und frühen 16. Jahrhunderts wurden die Juden aus den meisten südwestdeutschen Reichsstädten und größeren Herrschaften ausgewiesen. Zum Ausweichen in ländlich geprägte, meist reichsunmittelbare Kleinterritorien gezwungen, mussten sie dort neue soziale und wirtschaftliche Organisationsstrukturen ausbilden, die sich erst ab der Mitte des 17. Jahrhunderts langsam verfestigen sollten. Das 16. und frühe 17. Jahrhundert ist nicht zuletzt aufgrund seiner vielfältigen Krisenerscheinungen eine entscheidende Phase in der Geschichte der deutschen Juden. In einem zersplitterten Raum wie dem deutschen Südwesten, in welchem man seit dem 16. Jahrhundert etwa 300 selbstständige Territorien findet, boten sich zahlreiche Möglichkeiten für die Entwicklung jüdischer Existenz. Während die Erforschung des oberschwäbischen Landjudentums seit den 1990er Jahren große Fortschritte macht, bildet die jüdische Geschichte im württembergisch dominierten niederschwäbischen Raum für die Frühneuzeit ein weitgehendes Forschungsdesiderat. Gerade die Jahrhunderte lange konsequent judenfeindliche Politik des Herzogtums Württemberg und dessen Einfluss auf die kleineren Reichsstände Niederschwabens könnte ein Schlüssel für demographische und siedlungsgeschichtliche Entwicklungen sein, die schließlich zur Verfestigung und Konsolidierung jüdischer Landgemeinden in Oberschwaben, insbesondere der Markgrafschaft Burgau, führten. Dennoch konnten sich auch jüdische Gemeinden an der württembergischen Peripherie längerfristig behaupten, die wirtschaftlichen Kontakte zu württembergischen Untertanen konnten trotz intensiver Maßnahmen der Obrigkeit nicht verhindert werden. Durch die württembergische Außenperspektive sollen anhand von mehreren gezielt ausgewählten Territorien sowohl rechts-, wirtschafts-, sozial- und mentalitätsgeschichtliche Fragestellungen als auch demographische und migrationsgeschichtliche Zusammenhänge der Existenz des frühneuzeitlichen südwestdeutschen Judentums untersucht werden.

 

 

 

 

2. Thema und Fragestellungen

 

Die Erforschung des frühneuzeitlichen Landjudentums in Südwestdeutschland ist seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verstärkt in das Blickfeld vor allem sozial- und wirtschaftsgeschichtlicher Untersuchungen gerückt (Richarz). Dabei wurde, ausgehend von regional definierten Projekten, mit der Rekonstruktion von bestimmten, durch jüdische Besiedlung mitgeprägten Landschaften ebenso wie von politischen, kulturellen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen des Zusammenlebens von Juden und Christen im Alten Reich begonnen. Die starke territoriale Zersplitterung im Südwesten des Reiches lenkte, da die größeren Territorien wie Württemberg (1498) ebenso wie die meisten süddeutschen Reichsstädte ihre Juden im Laufe des 15. oder in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ausgewiesen hatten, dabei die Konzentration des Forschungsinteresses auf Gebiete wie die Markgrafschaft Burgau. In deren vergleichsweise lockerem Gefüge von Einzelterritorien konnte sich über längere Zeit hin jüdisches Leben etablieren. Mit Günzburg, spätestens seit 1525 Sitz eines Landesrabbinats, existierte dort auch bis 1617 die einzige überregional bedeutende Gemeinde im Südwesten. Ansonsten verteilten sich die jüdischen Ansiedlungen meist auf Klein- oder Kleinstterritorien, wobei eine stark variierende Siedlungsdauer festzustellen ist. Das Institut für Bayerische und Schwäbische Landesgeschichte der Universität Augsburg widmet sich seit einigen Jahren der Erforschung des Landjudentums in Ostschwaben, ein vergleichbares Projekt für den Raum des heutigen Baden-Württemberg existiert bislang nicht.

Das Landjudentum als eine Form des jüdischen Lebens in Deutschland, welche lange Zeit eine eher unterrepräsentierte Position in den Fragestellungen zur Entwicklung desselben besaß, ist zeitlich nicht eindeutig festzulegen. Es lediglich als Übergangsentwicklung zwischen dem urban geprägten Judentum des Mittelalters und der im 18. Jahrhundert einsetzenden Emanzipationsphase zu definieren, greift zu kurz. Der in der älteren Forschung häufig vermutete direkte Zusammenhang mit der Vertreibung der Juden aus den Städten und einer unmittelbar daraus erfolgenden Ansiedlung in deren Umland, kann gleichfalls nicht als generell zutreffend gelten. Die Gründe für ländliche Ansiedlungen von Juden sind meist vielschichtig und bedürfen einer genauen Untersuchung, wobei die Einordnung des zu untersuchenden Territoriums in einen regionalen und zuweilen auch einen überregionalen machtpolitischen Kontext von großer Bedeutung ist.

Gerade das Gebiet des heutigen Baden-Württemberg stellt in Bezug auf die Geschichte der Juden in der frühen Neuzeit einen nahezu unbearbeiteten Bereich dar. Vor allem das 16. und 17. Jahrhundert wurden bei über den lokalen Rahmen hinausgehenden Untersuchungen stark vernachlässigt und oft ohne weiterführende Nachforschungen auf wenige Daten reduziert.

Dabei ist die Zeit des 16. und frühen 17. Jahrhunderts zwar vom Forschungsstand aus betrachtet eine der dunkelsten Perioden der jüdischen Geschichte in Deutschland, aber auch gerade für den Südwesten eine der entscheidenden. Nach den Vertreibungswellen des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts wurden hier die Grundlagen für spätere Entwicklungen gelegt. Dabei stellte sich heraus, in welchen Regionen sich Juden längerfristig behaupten konnten und in welchen nicht. In diesem Zusammenhang spielte die Entwicklung der Territorialisierung, wie am Beispiel Württembergs gezeigt werden soll, eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt die Judenpolitik der großen Territorien bestimmte über Erfolg und Misserfolg sowie die Kontinuität jüdischer Existenz. Gerade der Grafschaft und später dem Herzogtum Württemberg, gelegen in einem der zentralsten und politisch intensivsten Räume des Alten Reiches, kam dabei als Hegemonialmacht des niederschwäbischen Raumes sowohl in machtpolitischer als später auch in konfessionspolitischer Hinsicht eine grundlegende Bedeutung zu.

Adelsterritorien wie beispielsweise das der Grafen von Zollern oder der Herren von Rechberg zu Hohenrechberg und Heuchlingen, wie auch zahlreiche weitere im Gebiet des heutigen Baden-Württemberg, nahmen vergleichsweise häufig Juden gegen ein an die Herrschaft zu entrichtendes Schutzgeld auf. Trotz mancher Hinweise für jüdisches Leben in diesen Gebieten existieren kaum Einzeluntersuchungen zu diesem Phänomen. Grund dafür ist die vor allem für das 16. Jahrhundert meist schlechte Quellenlage der kleinen Herrschaften, die besonders durch das oft spärliche Vorhandensein von Verwaltungsschriftgut deutlich wird. Dies liegt zum einen an der verwaltungstechnischen Rückständigkeit dieser Herrschaften, die manchmal nur ein oder zwei Dörfer umfassten, zum anderen natürlich auch am Erschließungszustand manchen Adelsarchivs. Daher ist die oben bereits erwähnte Einordnung in einen größeren territorialen Kontext, welche die schriftliche Überlieferung größerer Nachbarterritorien mit einschließt, von großer Bedeutung. Konfliktsituationen niederadeliger Schutzjuden mit größeren Nachbarterritorien schlugen sich häufig in deren Überlieferung nieder, oder, wie wiederum am Beispiel Württemberg zu zeigen sein wird, ließen die mächtigeren Herrschaften zuweilen die jüdischen Untertanen ihrer Nachbarn beobachten und zahlenmäßig erfassen.

Die Wahl der württembergischen „Perspektive“ im niederschwäbischen Bereich kann einen Beobachtungsrahmen schaffen, der über lokale und regionale Ebenen hinausreicht. Zunächst soll das jüdische Leben in Württemberg vor der Ausweisung 1498 sowie die Beziehungen Württembergs zu den Juden der niederschwäbischen Reichsstädte wie Ulm, Heilbronn oder Schwäbisch Gmünd untersucht werden. Die in der zweiten württembergischen Regimentsordnung von 1498 definitive Ausweisung der Juden aus dem Herzogtum enthält zudem den Passus, dass ouch desselben anstössern und nachpurn bittlich geschriben werde, die juden ouch nit zu halten. Diese Aufforderung, anscheinend ein grundlegender Inhalt der württembergischen Judenpolitik folgender Jahrhunderte, hat bislang kaum Beachtung gefunden. Zu Unrecht: Für mehrere Territorien, darunter die Reichsstadt Esslingen (1543) und die Herrschaft Hohenrechberg (1554), ist eine Ausweisung der Juden unter aggressivem württembergischen Druck belegbar. Grund dafür waren zumeist trotz obrigkeitlichem Verbot fortgesetzte wirtschaftliche Kontakte württembergischer Untertanen zu den Juden der Nachbarterritorien und die sich zuweilen daraus ergebenden rechtliche Konflikte vor den kaiserlichen Gerichten. Hierbei sollen die Einflussmöglichkeiten und auch die Grenzen frühneuzeitlicher Territorialgesetzgebung, wirksam auf die Untertanen einwirken zu können, aufgezeigt werden. Zusätzlich sollen Rechtsnormen und Rechtspraktiken bei der Behandlung von Juden, auch im Hinblick auf die Rezeption des Reichsrechts, analysiert werden. Hierbei wäre vor allem interessant, ob sich ein „Reichsbewusstsein“ innerhalb der Gemeinden beobachten lässt, welches sich vor allem im Fall einer Bedrohung durch Vertreibung oder Ausweisung sichtbar werden könnte oder ob die Territorien diese Fragestellungen „unter sich“ lösten.

Neben der rechtlichen Ebene, der Behandlung von Konflikten, ihrer Lösung und dem Versuch der künftigen Vermeidung derselben, sollen auch wirtschaftliche und soziale Hintergründe einbezogen werden. Welche Bevölkerungsgruppen nahmen Kredite bei Juden auf oder trieben Handel mit ihnen? Wie wurden die Geleits- und Durchzugsrechte für Juden durch eine der verkehrspolitisch wichtigsten Regionen des Reiches gehandhabt? Wie wurden jüdische Sondergruppen wie Ärzte, Alchemisten oder Kriminelle behandelt?

Auch die Strukturen der Jahrhunderte langen Ausgrenzung der Juden aus Württemberg bedarf einer Untersuchung. Welche sozialen Gruppen waren die Träger dieser konsequenten und scheinbar kompromisslosen Judenfeindschaft? Die Landschaft, insbesondere die Ehrbarkeit, die nie einen größeren Einfluss besaß, als in der Zeit der österreichischen Herrschaft von 1519 – 1534, in welcher auch die kaiserlichen Privilegien gegen die Juden erreicht wurden?

Welche Rolle spielten die Herzöge? Herzog Eberhard im Bart vertrieb die Juden zuerst aus Tübingen, dann aus seinem Herzogtum und besaß eigens für ihn auf deutsch übersetzte Prozessakten des angeblichen Ritualmords an Simon von Trient (1475). Herzog Ulrich wies seine Amtleute an, auf solche nagende und schedliche würm, die juden, welche dem allmechtigen, auch der natur und christenlicher ordnung, hässig, verschmecht, und minderwertig sind, zu achten und ließ 1544 feststellen, wie viele Juden sich in den Nachbarterritorien aufhielten. Herzog Christoph schloss zwar dem Vertreter der Judenschaft des Reiches Josel von Rosheim 1551 ein Abkommen über Durchzugsrechte für Juden durch Württemberg, forderte aber auf den Reichstagen von 1556 und 1559 alle Juden, diese hochschädlichen, nagenden, heimlichen und immerfressenden würmer, verräter des vaterlandes, öffentliche feinde des sohn gottes und seiner gemeinde aus dem Reich vertreiben zu lassen. Hierbei könnte auch der Einfluss der lutherischen Theologie eine Rolle spielen, wurde doch die Neugestaltung des Herzogtums im Sinn der Reformation ab 1534 auf das engste mit dem landesherrlichen Kirchenregiment verbunden. So warf der Rektor der Universität Tübingen Jakob Andreae, einer der wichtigsten württembergischen Theologen und Reformatoren der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, den Juden in seinen Predigten Gotteslästerung, Teufelsanhängerschaft, Wucher, Diebstahl und (Ritual-)Mord vor und verband seine Attacken mit einer deutlichen Empfehlung an die Obrigkeiten, keine Juden in ihren Territorien aufzunehmen. Als Herzog Friedrich 1598 einige jüdische Kaufleute in Stuttgart ansiedeln wollte, intervenierte sein Hofprediger Lukas Osiander, warnte vor dem „verfluchten Volk und Ungeziefer“ und berief sich dabei ausdrücklich auf Martin Luther und dessen antijüdische Schrift „Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi“ (1543). Weitere Beispiele wären belegbar (Jung, S. 113ff.). War die Tradition der württembergischen Judenfeindschaft auch ein Produkt religiöser Instrumentalisierung? Inwieweit besaß das führende lutherische Territorium Einflüsse auf die kleineren protestantischen Reichsstände Schwabens in Bezug auf die Juden?

Nicht zuletzt soll versucht werden, überregionale demographische Zusammenhänge jüdischer Ansiedlung im württembergischen Einflussbereich zu skizzieren, Anhaltspunkte über die jüdische Mobilität der zu untersuchenden Zeit und soweit dies möglich ist, Erkenntnisse über jüdische Migrationsstrukturen im deutschen Südwesten zu gewinnen. Gab es einen organisatorischen Zusammenhalt der Judengemeinden Nieder- und Oberschwabens? Wie weit reichten die Grenzen des Medinats Schwabens (Rohrbacher, Medinat)? Da nach 1650 eine gewisse Stabilisierung des Landjudentums und seiner Siedlungsschwerpunkte festzustellen ist, kommt dem zu untersuchenden Zeitabschnitt eine richtungsweisende Bedeutung zu, nicht zuletzt als „niederschwäbische“ Ergänzung der langjährigen Forschungsergebnisse des Instituts für Bayerische und Schwäbische Landesgeschichte in Augsburg, mit dem der Antragsteller in persönlichem Kontakt und wissenschaftlichen Austausch steht.

 

 

 

3. Stand der Forschung

 

Der Forschungsstand zum jüdischen Leben des niederschwäbischen, insbesondere des württembergischen Raumes, im 16. und 17. Jahrhundert ist denkbar schlecht. Die letzten Arbeiten, welche die Geschichte der Juden in und um Württemberg während der Frühneuzeit thematisieren, stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts (Pfaff, Walcher). Spätere Arbeiten des frühen 20. Jahrhunderts (Tänzer) rücken dann vor allem die Judenemanzipation des 18. und 19. Jahrhunderts in den Mittelpunkt. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die „Judenfrage“ in der württembergischen Geschichte neu „entdeckt“. Mit Walter Grubes 1938 erschienenem Aufsatz „Quellen zur Geschichte der Judenfrage in Württemberg“ sollte offenbar eine umfangreiche, unter antisemitisch geprägten Prämissen geführte Untersuchung der jüdischen Geschichte im bereits erwähnten Raum initiiert werden, zu der es aber aufgrund der weiteren Entwicklung nur ansatzweise kam (Miller, Weber). Man dachte anscheinend daran, die „erfolgreiche“ antijüdische Politik Württembergs als vorbildliches Modell hervorzuheben, bei dem auch „rassisches Empfinden“ des Volkes eine Rolle gespielt habe (Grube). Nach dem Zweiten Weltkrieg knüpfte an diese Pläne und Zielsetzungen freilich niemand mehr an, wohl auch, weil die in Archivdienst und Forschung verbliebenen Wissenschaftler nicht mehr mit ihren früheren Arbeiten in Verbindung gebracht werden wollten – die nun anstößigen Titel verschwanden aus den jeweiligen Bibliographien.

Erst in den 1960er Jahren wandte man sich wieder vermehrt der jüdischen Geschichte Württembergs zu, wobei allerdings der Schwerpunkt zumeist auf die Emanzipationszeit, insbesondere das 19. Jahrhundert (Jeggle), und die jüngste Vergangenheit gelegt wurde. Bis auf einige wenige Ortsgeschichten wurde die jüdische Geschichte im württembergischen Raum der frühen Neuzeit allerdings kaum gestreift – eine über den lokalen Raum zielende Arbeit existiert nicht.

Ein zusätzliches Desiderat stellt die allgemein schlechte Erforschung der Adels-, vor allem der Niederadelsterritorien dar. Oftmals existieren keine weiterführenden, auf neuen Quellenstudien beruhenden Untersuchungen dieser für die jüdische Siedlungsgeschichte in Südwestdeutschland so wichtigen Gebiete, deren Betrachtung aber auch für die Handlungsmöglichkeiten und Wirkungsweisen württembergischer Judenpolitik unerlässlich ist.

 

 

 

4. Eigene Vorarbeiten und Vorgehensweise

 

Durch die in seiner Magisterarbeit vorgelegte Fallstudie zu der niederadeligen Judenansiedlung der Herrschaft Hohenrechberg im unmittelbaren württembergischen Einflussbereich hat der Antragsteller bereits einige wichtige Einblicke in die Thematik und vor allem auch in die Methodik zur Erschließung des entsprechenden Quellenmaterials gewonnen. Zudem ist er durch seine mehrjährige Tätigkeit am Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften der Universität Tübingen sowie durch diverse Praktika und eigene Publikationen mit der Geschichte und der archivalischen Überlieferung Württembergs gut vertraut.

Die bereits vorhandenen Ergebnisse, vor allem im Bereich der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die rechbergischen Schutzjuden, wären umso wichtiger, wenn sie mit zeitnahen themenspezifischen Untersuchungen zu weiteren Territorien verglichen werden könnten. Daher ist beabsichtigt, mehrere Territorien in ihrem Verhältnis zu Württemberg im Hinblick auf die Juden zu untersuchen und durch diese Außenperspektive Einblicke in die Handlungsstrukturen frühneuzeitlicher Judenpolitik zu gewinnen. Um eine möglichst vielfältige Auswahl zu erreichen, wäre hierbei zunächst an die Reichsstadt Esslingen, dann an die Grafschaft Zollern, die zu Vorderösterreich gehörende Herrschaft Hohenberg, Gebiete des Deutschen Ordens (Neckarsulm) sowie mehrere, konfessionell verschiedene, ritterschaftliche Territorien, darunter die Herren von Hohenrechberg, Berlichingen, Thumb zu Neuburg und Zillenhart zu denken. Diese Auswahl beinhaltet gleichzeitig auch eine notwendige regionale Streuung (Neckarraum, Alb, Rems- und Filstal).

Für diese Vorgehensweise ist eine synoptische Betrachtung verschiedener Archivbestände notwendig. Da sich dieselben weitgehend in baden-württembergischen Archiven befinden, wird sich der Reisekostenaufwand relativ gering ausnehmen.

 

5. Quellen

 

Vor allem die Quellen württembergischer Provenienz bieten eine Vielzahl von Zugangsmöglichkeiten. Neben den Akten bezüglich des Kontaktes zu den zu untersuchenden Territorien, den württembergischen Unterlagen die Juden im allgemeinen betreffend, den Akten der einzelnen württembergischen Ämter, den jeweiligen herzoglichen Regierungsakten und einzelnen rechtsgeschichtlichen Quellen wie beispielsweise Urfehden, bieten die vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart in vorbildlicher Weise erschlossenen Bestände des Reichskammergerichts zahlreiche bislang kaum genutzte Erkenntnismöglichkeiten. Die in den Gerichtsakten vorhandenen Informationen dokumentieren nicht nur rechtliche Vorgänge, sondern geben auch gelegentliche Einblicke in sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Zusammenhänge. Darüber hinaus beinhalten sie häufig Hinweise auf demographische und familiäre Zusammenhänge. So ist die beiläufige Erwähnung einer Person in einer Gerichtsakte manchmal der einzige Beleg ihrer Existenz. Insgesamt sind beispielsweise allein 14 Reichskammergerichtsprozesse mit einer direkten Beteiligung rechbergischer Juden erhalten, daneben finden sich einige Spuren auch in den Unterlagen anderer, die Region und deren Bewohner betreffender Verfahren.

Weitere Quellen befinden sich vor allem in den Beständen der ehemaligen Reichsstädte Esslingen, Schwäbisch Gmünd und Ulm, wobei sich diese auf die jeweiligen Stadtarchive und das Staatsarchiv Ludwigsburg verteilen.

Das von Wilfried Braunn 1982 zusammengestellte thematische Repertorium Quellen zur Geschichte der Juden bis zum Jahr 1600 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und im Staatsarchiv Ludwigsburg erschließt zudem in Kurzregesten eine Vielzahl von Quellen, die auch zahlreiche Hinweise auf jüdisches Leben im Südwestdeutschland des 16. Jahrhunderts liefern und Ausgangspunkte für weitere Nachforschungen bilden. Auch Walter Grubes „Quellen zur Geschichte der Judenfrage in Württemberg“ bietet eine große Auswahl an Quellenhinweisen, die bisher kaum genutzt wurden.

 

 

 

6. Zeitplan

 

• 1. Jahr: Archivforschung im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Staatsarchiv Ludwigsburg, kürzere Besuche in verschiedenen kommunalen Archiven.

 

• 2. Jahr: Fortsetzung des Quellenstudiums, Auswertung von Quellen und Fachliteratur.

 

• 3. Jahr: Niederschrift einer umfassenden Monografie.

 

 

 

7. Literatur (Auswahl)

 

J. Friedrich Battenberg, Judenordnungen der frühen Neuzeit in Hessen, in: 900 Jahre Geschichte der Juden in Hessen. Beiträge zum politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben, Schriften der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen VI, Wiesbaden 1983, S. 83-123.

 

Ders., Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Enzyklopädie deutscher Geschichte, Band 60, München 2001.

 

Ders., Rechtliche Rahmenbedingungen jüdischer Existenz in der Frühzeit zwischen Reich und Territorium, in: Judengemeinden in Schwaben im Kontext des Alten Reiches, hrsg. von Rolf Kießling, Berlin 1995, S. 53-80.

 

Ders., Aus der Stadt auf das Land? Zur Vertreibung und Neuansiedlung Juden im Heiligen Römischen Reich, in: Jüdisches Leben auf dem Lande, hrsg. von Monika Richarz und Reinhard Rürup, Tübingen 1997, S. 9-36.

 

Daniel J. Cohen, Die Entwicklung der Landesrabbinate in den deutschen Territorien bis zur Emanzipation, in: Zur Geschichte der Juden im Deutschland des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, hrsg. von Alfred Haverkamp, Stuttgart 1981, S. 221-242.

 

Sabine Frey, Rechtsschutz der Juden gegen Ausweisungen im 16. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1983.

 

Utz Jeggle, Judendörfer in Württemberg, Tübingen 1969.

 

Germanica Judaica,  Band III 1350-1519, hrsg. von Arye Maimon, 1. Teilband: Ortschaftsartikel Aach – Lychen, Tübingen 1987.

 

Germanica Judaica,  Band III 1350-1519, hrsg. von Arye Maimon s.A. Mordechai Breuer und Yacov Guggenheim, 2. Teilband: Ortschaftsartikel Mährisch-Budwitz – Zwolle, Tübingen 1995.

 

Wilhelm Güde, Die rechtliche Stellung der Juden in den Schriften deutscher Juristen des 16. und 17. Jahrhunderts, Sigmaringen 1981.

 

Walter Grube, Quellen zur Geschichte der Judenfrage in Württemberg, ZWLG II (1938), S. 117-155.

 

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, hrsg. von der Kommission für geschichtliche Landskunde in Baden-Württemberg und dem Innenministerium Baden-Württemberg, Stuttgart 1988.

 

Martin Jung, Die württembergische Kirche und die Juden in der Zeit des Pietismus (1675 – 1780), Berlin 1992.

 

Rolf Kießling, Under deß Römischen Adlers Flügel..., Das schwäbische Judentum und das Reich, in: Bilder des Reiches, Irseer Schriften Band 4, hrsg. von Rainer Jehl und Markwart Herzog, Sigmaringen 1997, S. 221-254.

 

Margit Ksoll/Manfred Körner, Fränkische und schwäbische Juden vor dem Reichskammergericht, in: Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Aufsätze, hrsg. von Manfred Treml und Josef Kirmeier unter Mitarbeit von Evamaria Brockhoff, Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur Nr. 17, München/New York /London/Paris 1988, S. 183-199.

 

Maren Kuhn-Rehfus, Das Verhältnis von Mehrheit zu Minderheit am Beispiel der Juden in Hohenzollern, Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte 101 (1978), S. 9-55.

 

Stefan Lang, Landjudentum und Niederadel. Jüdisches Leben unter den Herren von Rechberg zu Hohenrechberg und Heuchlingen im 16. Jahrhundert, unveröffentl. Magisterarbeit, Tübingen 2003.

 

Stefan Lang, Spectaculum miserabile - Die Hinrichtung des Juden Ansteet in der rechbergischen Herrschaft Weißenstein 1553 und seine Bekehrung durch Jakob Andreae, in: Hohenstaufen/Helfenstein – Historisches Jahrbuch für den Kreis Göppingen,  Band 11 (2001), S. 81-94.

 

Thomas Miller, Die Judenpolitik Eberhards, in: Graf Eberhard von Württemberg im geistigen und kulturellen Leben seiner Zeit, Stuttgart 1938, S. 83-105.

 

Rosemarie Mix, Die Judenordnung der Markgrafschaft Burgau, in: Landjudentum im deutschen Südwesten während der frühen Neuzeit, hrsg. von Rolf Kießling, Berlin 1999, S. 23-58

 

L. Müller, Aus fünf Jahrhunderten. Beiträge zur Geschichte der jüdischen Gemeinden im Ries, Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg, 26. Jahrgang, Augsburg 1899, S. 81-182.

 

Renate Overdick, Die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Juden in Südwestdeutschland im 15. und 16. Jahrhundert. Dargestellt an den Reichsstädten Konstanz und Esslingen und an der Markgrafschaft Baden, Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen XV, hrsg. vom Stadtarchiv Konstanz, Konstanz 1965.

 

Karl Pfaff, Die früheren Verhältnisse und Schicksale der Juden in Württemberg. In: Württembergische Jahrbücher 1857, S. 157-198.

 

Bernhard Purin, Die Juden in Vorarlberg und die süddeutsche Judenheit im 17. und 18. Jahrhundert, in: Studien zur Geschichte der Juden in Österreich, hrsg. von Martha Keil und Klaus Lohrmann, Wien u.a. 1994, S. 121-130.

 

Monika Richarz, Ländliches Judentum als Problem der Forschung, in: Jüdisches Leben auf dem Lande, hrsg. von Monika Richarz und Reinhard Rürup, Tübingen 1997, S. 1-8.

 

Stefan Rohrbacher, Medinat Schwaben. Jüdisches Leben in einer süddeutschen Landschaft der Frühneuzeit, in: Judengemeinden in Schwaben im Kontext des Alten Reiches, hrsg. von Rolf Kießling, Berlin 1995, S. 80-109.

 

Ders., Stadt und Land: Zur „inneren“ Situation der süd- und westdeutschen Juden in der Frühneuzeit, in: Jüdisches Leben auf dem Lande, hrsg. von Monika Richarz und Reinhard Rürup, Tübingen 1997, S. 37-59.

 

Ralf Schäfer, Die Rechtsstellung der Haigerlocher Juden im Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen von 1634-1850: Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung, Frankfurt a. M. 2002.

 

Aron Tänzer, Geschichte der Juden in Württemberg, Reprint der Auflage von 1937, Frankfurt 1981.

 

Michael Toch, Die ländliche Wirtschaftstätigkeit der Juden im frühmodernen Deutschland, in: Jüdisches Leben auf dem Lande, hrsg. von Monika Richarz und Reinhard Rürup, Tübingen 1997, S. 59-68.

 

Sabine Ullmann, Kontakte und Konflikte zwischen Landjuden und Christen in Schwaben während des 17. und zu Anfang des 18. Jahrhunderts, in: Ehrkonzepte der frühen Neuzeit: Identitäten und Abgrenzungen, hrsg. von Sibylle Backmann, Colloquia Augustana  Band 8, Berlin 1998, S. 288-316.

 

Dies., Nachbarschaft und Konkurrenz. Juden und Christen in Dörfern der Markgrafschaft Burgau 1650 bis 1750, Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 151, Göttingen 1999.

 

Veitshans, Helmut, Die Judensiedlungen der schwäbischen Reichsstädte und württembergischen Landstädte im Mittelalter. Nebst kartographischer Darstellung. Arbeiten zum Historischen Atlas von Südwestdeutschland, Heft 5 und 6, Stuttgart 1970.

 

Gustav Walcher, Geschichte der Juden in Württemberg, Diss. Tübingen, 1852.

 

Rainer Walz, Lage und Selbstverständnis der Juden im 16. Jahrhundert, in: Zerbrochene Geschichte. Leben und Selbstverständnis der Juden in Deutschland, hrsg. von Dirk Blasius und Dan Diner, Frankfurt a. M. 1991, S. 32-52.

 

Ottmar Weber, Die Entwicklung der Judenemanzipation in Württemberg bis zum Judengesetz von 1828, Stuttgart 1940.

 

Markus J. Wenninger, Man bedarf keiner Juden mehr. Ursachen und Hintergründe ihrer Vertreibung aus den Reichsstädten im 15. Jahrhundert, Wien/Köln /Graz 1981.