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"Synagogen im Kreis Hersfeld-Rotenburg"
Lispenhausen (Stadt
Rotenburg an der Fulda, Landkreis Hersfeld-Rotenburg)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Zur jüdischen Geschichte
in Lispenhausen
In Lispenhausen lebten im 18./19. Jahrhundert mehrere
jüdische Familien. Sie gehörten zur Synagogengemeinde in Rotenburg,
unterhielten jedoch offenbar einen eigenen Betraum in Lispenhausen. Erstmals
wird 1712 in Rotenburger Amtsrechnungen mit Meyer Jacob ein
Lispenhäuser Jude genannt. Er hatte 6 Taler Schutzgeld und 1 Taler 6 Albus
Feder(lappen)geld zu bezahlen. 1734 leben in Lispenhausen fünf jüdische
Familien, hundert Jahre später waren es zehn Familien: Döllefeld (2),
Fackenheim (2), Flörsheim (2), Rothschild, Wertheim (3).
Aus der Familie Flörsheim ist der Stammvater Wolf (auch Samuel)
Flörsheim bekannt, dessen um 1777 in Lispenhausen geborene Tochter
Schreinchen (Schönchen, Dina) nach Heinebach heiratete (Quelle: Nachkommen
von Juda... Kaiser in Heinebach).
Knothe berichtet in seiner Chronik (siehe Lit.), dass sich Mitte des 19.
Jahrhunderts die "Trieselmanns Mühle" in Lispenhausen im Besitz der
jüdischen Familie Wertheim befand und sie daher auch die "Wertheims
Mühle" genannt wurde. In dem an der rechten Torseite angrenzenden Raum
habe sich damals die Synagoge (beziehungsweise ein Betraum) für
die in Lispenhausen ansässigen jüdischen Familien befinden. Wahrscheinlich war
auch die "Jakobsmühle" im Besitz der Familie Wertheim, da man Mitte
des 18. Jahrhunderts von einer "oberen" und einer "unteren
Wertheims Mühle" sprach. Aus der Familie Wertheim entstammte Hugo
Wertheim (geb. 1854 in Lispenhausen, gest. 1919 in Australien), der 1875
nach Melbourne/Australien auswanderte, wo er 1909 die Klavierfabrik Wertheim
begründete, die in den folgenden Jahrzehnten an die 20.000 Klaviere baute
(siehe Informationen bei http://www.hassia-judaica.de/lebenswege.html)
Neben der Familie Wertheim gab es in Lispenhausen auch eine (beziehungsweise
zwei) jüdische Familie(n) Fackenheim. Ein Zweig der Fackenheims ist
Mitte des 19. Jahrhunderts von Lispenhausen nach Bebra
übergesiedelt, wo sie 1869 eine koschere Gaststätte einrichteten. Zur Familie
gehörten u.a. Wolf Fackenheim (ca. 1826 - 1876) und sein Sohn Isidor Fackenheim
(geb. 1851, gest. 1934).
Von den Nachkommen der Familie Fackenheim ist Avital Ben Chorin geb.
Fackenheim zu nennen, Frau von Schalom Ben Chorin (Wikipedia-Artikel),
eine Urenkelin des aus Lispenhausen stammenden Lehrers / Rabbiners Michael
Fackenheim (geb. 27. September 1828 in Lispenhausen als Sohn von Michael
Fackenheim [geb. ca. 1795 in Lispenhausen] und der Emilie Merle geb. Rosengarten,
war seit 1848 verheiratet mit Marianne geb. Israel; Kinder: Emilie geb. 1851,
Julius geb. 1863, Carl geb. 1872, Anna, geb. ?; Michael Fackenheim war u.a. in Halsdorf
und Dillich als Lehrer tätig, ab 1861
Rabbiner in Mühlhausen; er starb am 28.
März 1896; der Sohn Julius Fackenheim war seit 1887 als Sanitätsrat Dr. med.
Julius Fackenheim in Eisenbach tätig; sein Sohn Alfred Fackenheim heiratete
Hertha geb. Oppenheim, die Eltern von Avital (Erika) geb. Fackenheim).
Eine weitere jüdische Familie am Ort (mit Haus auf dem heutigen Grundstück Am
Rasen 17) war die Familie Döllefeld: Stammvater war der wohlhabende
Leineweber Alexander / Sander Döllefeld (1794 Lispenhausen - 1880 in Rotenburg;
verheiratet mit Jettchen geb. Rotschild aus Weiterode, diese ist gest. 1858 in
Lispenhausen). Einer der Söhne von Alexander und Jettchen war der spätere
Handelsmann Hirsch Döllefeld (1829-1917), der mit seiner Frau Karoline
geb. Jaffa Lispenhausen nach 1861 verließ, um nach Rotenburg
zu ziehen. Ihr Sohn Josef Döllefeld ist 1861 in Lispenhausen geboren
(später verheiratet mit Therese geb. Strauß, die 1928 gestorben ist; Josef ist
1942 im Ghetto Theresienstadt umgekommen, "Stolperstein" in Rotenburg
Querweingasse 5A). Ein Bruder von Josef Döllefeld war Sattlermeister Isaak
Döllefeld (1840-1898), der sich um 1873/74 in Bebra
ansiedelte. Zahlreiche weitere Informationen zu Familie Döllefeld bei
"Hassia Judaica" über die
Seite
zu Theodor Döllefeld.
An Einrichtungen hatten die jüdischen Familien in Lispenhausen einen
Betraum (oben genannt im Haus der Familie Wertheim) Die in Lispenhausen
verstorbenen jüdischen Personen wurden im jüdischen
Friedhof in Rotenburg beigesetzt.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts sind einige der jüdischen Einwohner Lispenhausens
ausgewandert, darunter der Schuhmacher David Wertheim (ausgewandert
1836), Theodor Wertheim (ausgewandert 1870), David Flörsheim (geb. 1863,
ausgewandert 1878), Hugo Wertheim (geb. 1854, ausgewandert 1888), Lea Döllefeld
(geb. 1867, ausgewandert 1893), Michael Fackenheim (geb. 1847, ausgewandert
1893). (Quelle: http://ahnenforschung.lispenhausen.de/html/liste_auswanderer.html),
andere verzogen - wie oben genannt - in Städte der Umgebung. Bis um 1900
waren alle jüdischen Familien vom Ort verzogen.
Von den in Lispenhausen geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Joseph Döllefeld
(geb. 1861 in Lispenhausen, im September 1942 in das Ghetto Theresienstadt
deportiert, wo er am 4. Dezember 1942 umgekommen ist), Nathan (Norbert) Döllefeld (geb.
1872 in Lispenhausen, später in Solingen und Hannover wohnhaft; im Dezember
1941 nach Riga deportiert, umgekommen), Elise Joschkowitz geb. Wertheim (geb.
1859 in Lispenhausen, später in Berlin wohnhaft, Frau von Adolph Joschkowitz, weitere
Informationen, 1943 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie am 10.
Januar 1944 umgekommen ist), Johanne (Johanna, Hannchen) Wehl geb. Döllefeld
(geb. 1869 in Lispenhausen, später in Hamburg wohnhaft; im Juli 1942 in das
Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie am 16. September 1942 umgekommen
ist).
Berichte aus der
jüdischen Geschichte in Lispenhausen
Aus der Geschichte der jüdischen
Lehrer und der Schule
Lehrer Tannenberg aus Stadtlengsfeld wird um 1817
Lehrer in Lispenhausen (Artikel von 1927;
aus einem längeren Artikel über das jüdische Schulwesen Anfang des 19.
Jahrhunderts)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung" für Kassel, Kurhessen
und Waldeck"
vom 7. Januar 1927: "...Große Sorge um einen Lehrer hatte man in Hoof.
Damals lebten dort 20 kinderreiche Familien. Der erwählte und im Mai 1817
bestätigte Lehrer war Isaak Jakob; er hatte 'bei guten Attesten über
seine Aufführung den Geburtsfehler, Preuße zu sein. Allerhöchst
erhörte die Bitte sämtlicher Israeliten, beglaubigt vom Grafen
Zimmermann, und ließ Jakob seines Amtes in Hoof walten, wie vorher in
Heiligenstadt und Göttingen'. - So erhielten noch als Ausländer
Anstellung Tannenberg aus Stadtlengsfeld
in Lispenhausen, Samuel Schmul aus Margonin, Rosen in Felsberg,
'da Moses Amram im hohen Alter stand' und mehrere andere. - Bald wurde das
hiesige Lehrerseminar (sc. in Kassel) gegründet und es traten viele
'Inländer' ins Amt und konnten für Religion und Vaterland erziehen. -
Bemerkt sei noch, dass damals Kurhessen nur als Inland galt. (Staatsarchiv
Marburg. Geh. R. Akte 7186)." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Über Kriegsteilnehmer aus drei
Generationen der Familie Döllefeld (Bericht von 1937)
Anmerkung: bei dem 1872 genannten Norbert Döllefeld wird sonst als Nathan
Döllefeld genannt, genealogische Informationen
https://www.geni.com/people/Nathan-D%C3%B6llefeld/6000000013414899243 und
zu seinem Vater Hirsch Döllefeld
https://www.geni.com/people/Hirsch-D%C3%B6llefeld/6000000013384259516
Artikel
in der Zeitschrift "Der Schild - Zeitschrift des Reichsbundes jüdischer
Frontsoldaten" vom 29. Oktober 1937: "Drei Generationen
Feldzugsteilnehmer.
Hannover. Der 'Schild' hat schon mehrfach von jüdischen Familien
berichtet, die in drei Generationen Frontsoldaten gestellt haben: in
den Befreiungskriegen 1813/14/15, dann in den Einigungskriegen
1864,1866,1870/71 und endlich im Weltkrieg 1914/18; in mehreren Fällen hat
während des Weltkrieges sogar noch eine vierte Generation unter den Fahnen
gestanden, wenn Vater und Sohn gleichzeitig im Feld waren.
Eine weitere jüdische Familie, die in drei Generationen Feldzugsteilnehmer
gestellt hat, wird uns aus Hannover namhaft gemacht. Es ist die unseres
Kameraden Norbert Döllefeld.
Sein Großvater Alexander Döllefeld wurde 1794 zu Lispenhausen
Kreis Rotenburg/Fulda geboren und nahm an den Befreiungskriegen teil.
Dekoriert mit verschiedenen Kriegsauszeichnungen war er hernach 40 Jahre im
Kriegerverein des Kreises Rotenburg/Fulda, als dessen Ehrenmitglied er 1880
heimging. Sein Sohn Hirsch Döllefeld, 1829 gleichfalls in
Lispenhausen geboren, machte den Krieg 1870/71 mit; er ist 1917
verschieden, während sein Sohn, unser 1872 in Lispenhausen geborener
Kamerad Norbert Döllefeld als Frontkämpfer im Weltkrieg teilnahm." |
Fotos
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Hans Knothe: Einiges aus der Geschichte meines
Heimatdorfes Lispenhausen. Langendiebach 1946.
Als
pdf-Datei online einsehbar. |
| Heinrich Nuhn: Die Rotenburger Mikwe. Kultudenkmal
und Zeugnis der Vielfalt jüdischen Lebens. Verlag AG Spurensuche - Rotenburg
an der Fulda 2006.
Kurzfassung
als pdf-Datei. |
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