Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Gunzenhausen (Kreis Weißenburg-Gunzenhausen) 
Jüdische Friedhöfe

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde      
   
Siehe Seite zur Synagoge in Gunzenhausen (interner Link)   
   
   
Zur Geschichte der Friedhöfe   
       
Ein spätmittelalterlicher jüdischer Friedhof in Gunzenhausen ist seit 1460 nachzuweisen. Ab 1473 wurde er von den Juden aus der gesamten Markgrafschaft belegt. Nach der Vertreibung der Juden aus der Stadt (vermutlich 1539) wurde der Friedhof zerstört. Die Grabsteine wurden zum Bau von Gebäuden in der Stadt verwendet. Die Lage dieses Friedhofes ist nicht bekannt.     
   
Seit Ende des 16. Jahrhunderts wurden die Toten der jüdischen Gemeinde in Bechhofen beigesetzt. 
   
Erst 1875 wurde ein eigener Friedhof in Gunzenhausen angelegt und am 26. August 1875 durch den Ansbacher Distriktsrabbiner eingeweiht. Er wurde mit einer massiven Bruchsteinmauer umgeben. Links neben dem Eingang wurde ein Taharahaus erstellt, das nach 1945 zu einem Wohnhaus umgebaut wurde. Mauer und Taharahaus hatten die Gemeinde 3.017 Gulden gekostet. Die erste Beisetzung war am 3. Oktober 1875 (Hugo Eichbaum). Auf dem Friedhof wurden auch die die Toten der jüdischen Gemeinden Altenmuhr, Markt Berolzheim, Heidenheim und Cronheim beigesetzt.   
  
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Friedhof erweitert. Erstmals wurde der Friedhof Ende 1929 geschändet:  
      
Zur Schändung des jüdischen Friedhofes vor Weihnachten 1929 

Gunzenhausen JuedlibZtg 01011930.jpg (37832 Byte)Artikel in der jüdisch-liberalen Zeitung vom 1. Januar 1930: "Nürnberg. Auf dem israelitischen Friedhof in Gunzenhausen bei Ansbach wurde eine neue Friedhofsschändung entdeckt. Man fand 18 zertrümmerte Grabsteine. Die Täter konnten nicht gefasst werden. Auf ihre Ergreifung ist eine Belohnung von 500 Mark ausgesetzt."   
  
Gunzenhausen Israelit 09011930.jpg (37771 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Januar 1930: dieselbe Meldung wie oben. 
  
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Januar 1930: "Wieder eine Friedhofschändung. Nürnberg, 29. Dezember (1929). Wie aus Nürnberg gemeldet wird, wurde auf dem Israelitischen Friedhof in Gunzenhausen bei Ansbach eine neue Friedhofschändung entdeckt. Man fand 18 zertrümmerte Grabsteine. Die Täter konnten noch nicht gefasst werden. Auf ihre Ergreifung ist eine Belohnung von 500 Mark ausgesetzt."  
 
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Februar 1930: "Bekanntlich wurden in der Weihnachtszeit auf dem israelitischen Friedhof in Gunzenhausen 18 Grabsteine umgeworfen und zertrümmert. Die Bekanntmachungen der Kultusgemeinde, des Ersten Bürgermeisters von Gunzenhausen und der Regierung von Mittelfranken sind im folgenden abgedruckt.   
Bekanntmachung der Kultusgemeinde Gunzenhausen. Auf dem israelitischen Friedhof wurden in einer der letzten Nächte von ruchloser Hand 18 Grabdenkmäler umgeworfen und beschädigt. Die israelitische Kultusgemeinde setzt hiermit eine Belohnung von insgesamt RM 500.- (Fünfhundert RM) für den oder diejenigen aus, welche Angaben machen können, die es ermöglichen, dass die Täter der gerichtlichen Bestrafung zugeführt werden können. 
Gunzenhausen, den 24. Dezember 1929. Die Verwaltung der israelitischen Kultusgemeinde.  
  
Bekanntmachung des 1. Bürgermeisters. Schandbuben blieb es vorbehalten, unserer Stadt zu einer traurigen 'Berühmtheit' zu verhelfen! In der Zeit vom 20. Dezember abends bis 23. Dezember morgens wurden im israelitischen Friedhofe nicht weniger als 18 Grabsteine böswillig umgeworfen und dadurch teilweise zertrümmert. Die Tat ist für jeden, der nur noch einen Funken von Moral besitzt, gemein und niederträchtig. Die israelitische Kultusgemeinde hat für die Ermittlung der Täter eine Belohnung von RM 500.- ausgesetzt. Auch die Stadt Gunzenhausen als solche hat ein sehr lebhaftes Interesse daran, die nichtswürdigen Täter baldmöglichst festgestellt zu wissen. Wir bitten deshalb dringendst jedermann, der Sachdienliches weiß, dies der Gendarmerie-Hauptstation Gunzenhausen, welche zur Zeit mitdem Ermittlungsverfahren betraut ist, mitzuteilen. Fall aus irgendwelchen Gründen dieser Weg nicht beschritten werden will, ist auch der unterzeichnete Bürgermeister bereit, eventuell streng vertrauliche Informationen entgegenzunehmen. Gunzenhausen, den 24. Dezember 1929. 
Die Ortspolizeibehörde gez. Dr. Münch, rechtskundiger 1. Bürgermeister. 
 
Bezirksamtliche Bekanntmachung. Nr. 724. Gunzenhausen, 21. Januar 1930. 
Betreff: Beschädigungen im israelitischen Friedhof in Gunzenhausen.  Die Regierung von Mittelfranken, K.d.J., hat mit Entschließung vom 15.1.30 Nr. 2931 h1 mitgeteilt: 
In einer der beiden letzten Nächte vor dem 23. Dezember 1929 wurden im israelitischen Friedhof in Gunzenhausen etwa 18 Grabsteine umgeworfen. Abgesehen von dem dadurch verursachten Schaden ist die in den letzten Jahren im Landgerichtsbezirke Ansbach wiederholt erfolgte Schändung israelitischer Friedhöfe und Gotteshäuser eine solche schmähliche Handlungsweise, dass auch die Allgemeinheit an einer baldigen Aufklärung dieser neuen Straftat interessiert ist. Für die Ermittlung oder sichere Ermöglichung der Ergreifung der Täter wird deshalb seitens der Regierung von Mittelfranken, Kammer des Innern, eine Belohnung von RM 100.- ausgesetzt. Die Zuerkennung oder Verteilung dieses Betrages erfolgt und Ausschluss des Rechtsweges durch die Regierung, K.d.J., Ansbach.  
Bezirksamt, Dr. Schnetzer." 

Bis zur NS-Zeit wurden etwa 400 bis 500 Beisetzungen vorgenommen. Auch nach 1933 wurde der Friedhof wiederholt schwer geschändet, im Zusammenhang mit der Ereignissen beim Novemberpogrom 1938 weitgehend zerstört. Bis 1945 wurden die meisten Grabsteine teilweise entwendet, verkauft oder als Bau- und Pflastersteine missbraucht. Die Friedhofsfläche wurde eingeebnet. 
  
Nach dem Krieg wurden nur noch 41 Grabsteine gefunden und auf den Friedhof zurückgebracht. Sie wurden wahllos aufgestellt. 
    
1948 ist ein Gedenkstein für die in der NS-Zeit umgekommenen Juden erstellt worden. 
  
  
Lage des Friedhofes               
   
Südöstlich des alten kommunalen Friedhofes an der Leonhardsruhstraße  

Lage des jüdischen Friedhofes in Gunzenhausen auf dem dortigen Stadtplan: links anklicken und 
über das Verzeichnis der "Behörden und öffentl. Einrichtungen" zu "Friedhof (ehem.), jüd.". 

 
Link zu den Google-Maps  
(der grüne Pfeil markiert die Lage des Friedhofes)    
   

Größere Kartenansicht   
     
     
     

Fotos 
(Fotos: Hahn, Aufnahmen vom März 2010; der Friedhof konnte am Besuchstag nicht betreten werden; weitere Fotos werden bei Gelegenheit eingestellt)    

Gunzenhausen Friedhof 150.jpg (103746 Byte) Gunzenhausen Friedhof 151.jpg (95411 Byte) Gunzenhausen Friedhof 152.jpg (135713 Byte)
Blick auf den Friedhof und das 
ehemalige Taharahaus  
Hinweistafel 
am Eingang
Blick vom Eingang 
auf den Friedhof
Gunzenhausen Friedhof 153.jpg (106865 Byte) Gunzenhausen Friedhof 156.jpg (122377 Byte) Gunzenhausen Friedhof 154.jpg (103985 Byte)
Einige der erhaltenen Grabsteine Blick auf das Eingangstor mit Hinweistafel
     
  Gunzenhausen Friedhof 155.jpg (115488 Byte)  
  Das ehemalige Taharahaus,
 heute Wohnhaus
 

    
    
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  

Mai 2024: Gedenktafel für die Familie Bermann am Friedhof eingeweiht     
Artikel in den "Nürnberger Nachrichten" vom 25. Mai 2024: "Eine gutsituierte Familie. Neue Steintafel am jüdischen Friedhof in Gunzenhausen erinnert an die Familie Bermann.
GUNZENHAUSEN - Einst waren sie eine angesehene Familie, ihr Schuh- und Lederwarengeschäft florierte. Doch ab 1933 waren die Bermanns - wie alle jüdischen Mitbürgern - auch in Gunzenhausen nicht mehr willkommen. Eine Gedenktafel erinnert nun an ihr Schicksal. Die Schrecken des Nationalsozialismus machten vor der Stadt Gunzenhausen nicht Halt. Das Regime schlug auch in der mittelfränkischen Provinz mit Gewalt und Rücksichtslosigkeit zu. Lebten 1933 noch 184 Juden in der Altmühlstadt, verließen 1939 die letzten jüdischen Einwohner Gunzenhausen. Viele überlebten den Holocaust nicht.
Das Taharahaus und der Friedhof: Wichtige Orte des Erinnerns.
Der Gunzenhäuser Stadtarchivar Werner Mühlhäußer forscht seit Jahrzehnten zur Geschichte der jüdischen Kultusgemeinde von Gunzenhausen. Teile seiner Erkenntnisse flossen in das international beachtete Projekt "Jüdisches Leben in Gunzenhausen" (www.jl-gunzenhausen.de) und in eine begehbare Ausstellung zur jüdischen Kultusgemeinde, welche regelmäßig im Taharahaus besichtigt werden kann (Termine unter www.gunzenhausen.info).
Mit dem Taharahaus und dem angrenzenden jüdischen Friedhof verfügt Gunzenhausen über zwei wichtige Orte der Erinnerung. Regelmäßig besuchen Nachkommen ehemaliger jüdischer Bürgerinnen und Bürger Gunzenhausen. Gemeinsam mit Vertretern der Stadt, unter anderem im Rahmen der Deutsch-Jüdischen Dialoggruppe Gunzenhausen, arbeiten sie an einer Zukunft, in der sich Vergangenheit nicht wiederholen darf. So auch der Amerikaner Leigh Firn, ein Nachkomme der Familie Bermann. Er ließ vor kurzem im jüdischen Friedhof eine Gedenktafel anbringen, auf der die Namen seiner Vorfahren zu lesen sind, darauf weist nun die Stadt Gunzenhausen in einer Pressemitteilung hin. Leigh Firn ist ein Enkel Sophia Bermanns, die 1942 ins Ghetto Piaski deportiert und später vermutlich ermordet wurde. Ursprünglich stammen die Bermanns aus Markt Berolzheim, erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verlegten die Tuch-, Schnitt- und Lederwarenhändler Nehemia und Karolina Bermann ihren Lebensmittelpunkt nach Gunzenhausen. Sohn Bernhard baute später ein Wohnhaus in der Auergasse 3, das gleichzeitig als Geschäftseinheit diente. Bis zum Abbruch im Jahr 1880 befand sich am gleichen Ort übrigens die zweite Synagoge Gunzenhausens.
Zwei Töchtern gelang die Flucht in die USA. Unter Führung des Sohns wuchs das Familienunternehmen und bereits 1902 wurde im Anwesen Marktplatz 22 die Eröffnung des "Schuhwaren-Hauses" gefeiert. Zehn Jahre später wurde der Laden in die Gerberstraße 8 verlegt, dazu die bisherige Bäckerei zu einem "großen, modernen Laden" umgebaut, wie es in einem zeitgenössischen Pressebericht nachzulesen ist. Bis zur Vertreibung durch die Nazis im Jahr 1935 lebten und arbeiteten die Bermanns in Gunzenhausen, ihr Schuh- und Lederwarengeschäft war weit über die Grenzen der Altmühlstadt hinaus bekannt. Zwischen 1879 und 1893 bekamen Bernhard Bermann und seine Ehefrau Johanna acht Kinder. Während der jüngste Sohn Josef bereits 1890 im Alter von nur sechs Monaten starb, wurde der älteste Sohn David 1902 während einer Geschäftsreise, ermordet. Der zweitälteste Sohn Viktor fiel im Ersten Weltkrieg. Die Spuren von Sohn Sigmund und der beiden Töchter Ida und Sophia verlieren sich im jüdischen Ghetto Piaski, möglicherweise wurden die drei Geschwister ins Vernichtungslager Belzec gebracht. Den beiden Töchtern Lina und Klara gelang die Flucht in die USA.
Der amerikanische Staatsbürger Leigh Firn ist ein Enkel von Sophia Bermann. Die Gunzenhäuserin heiratete 1906 den Viehhändler Leopold Firnbacher und lebte mit ihm bis zur Zwangsumsiedlung nach München in Regensburg. Die vor kurzem im jüdischen Friedhof angebrachten Gedenktafel erinnert an das Ehepaar Bernhard und Johanna sowie an deren Kinder. Die beiden geflohenen Töchter Lina und Klara finden sich auch darauf.
Die Gunzenhäuser Steinmetzwerkstatt Roll hat die Tafel angefertigt, die Anbringung wurde durch den Friedhofsreferenten beim bayerischen Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinde in München genehmigt. Künftig wird Stadtführerin Elke Hartung die Lebensgeschichte der Familie Bermanns im Rahmen von Führungen zur jüdischen Kultusgemeinde nacherzählen. Die Erinnerung an die jüdische Familie Bermann wird am Leben gehalten und als Warnung an die Nachfolgegenerationen weitererzählt."    

    
    

Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Stadt Gunzenhausen  
bulletZur Seite über die Synagoge in Gunzenhausen (interner Link) 
bulletKatharina Krug/Tobias Meister: Die Geschichte des jüdischen Friedhofes von Gunzenhausen: Dokumentation mit zahlreichen Fotos: hier anklicken innerhalb des beispielhaften Projektes des Stephani-Volksschule Gunzenhausen: "Jüdisches Leben in Gunzenhausen".  
bulletWebsite "Jüdisches Leben in Gunzenhausen" zum Friedhof ebd.: https://jl-gunzenhausen.de/de/friedhof.html   
bulletWikipedia-Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Jüdischer_Friedhof_(Gunzenhausen)    

Literatur:  

bulletIsrael Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. 1988 S. 161.    
bullet Michael Trüger: Der jüdische Friedhof in Gunzenhausen. In: Der Landesverband der Israelit. Kultusgemeinden in Bayern. 11. Jahrgang Nr. 72 vom März 1997 S. 17-18. 
bullet Michael Schneeberger: Die Juden von Gunzenhausen. In: Jüdisches Leben in Bayern. 19. Jahrgang Nr. 94 vom April 2004 S. 22-30. 

    
     

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020